In einer historischen Entscheidung empfahl die Versammlung mit 131 gegen 29 Stimmen und 11 Enthaltungen dem Ministerkomitee die Aufnahme des Kosovo als 46. Mitgliedstaat des Europarats. Der Kosovo hatte sich im Mai 2022 um die Mitgliedschaft beworben und besitzt seit 2016 bereits Beobachterstatus in der ER-PV. Auch in zwei Teilgremien des Europarats ist der Kosovo bereits vertreten: der Entwicklungsbank des Europarats (seit 2013) sowie der Venedig-Kommission (seit 2014).
Der Stellungnahme war ein Rechtsgutachten vorausgegangen, das dem Rechtsbestand Kosovos "weitgehende Übereinstimmung" mit den Werten des Europarates attestierte und die direkte Anwendbarkeit der EMRK und anderer Kernkonventionen bestätigte. Berichterstatterin Dora Bakoyannis (Griechenland, EVP) bezeichnete die Stellungnahme daher als das "Ergebnis des Dialogs über Dekaden, das jedoch nicht das Ende dieses Prozesses bedeuten sollte". Der Beitritt würde zudem den ca. 1,9 Millionen kosovarischen Bürger:innen den Zugang zur Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ermöglichen. Da nur 34 Mitgliedstaaten des Europarats den Kosovo anerkennen, wäre ein Beitritt jedoch ohne jede Wertung der Staatlichkeit des Kosovo möglich, welche den Regierungen selbst vorbehalten bleibt.
Um die Staatlichkeit sowie die Rechte und den Status der serbischen Minderheit und mehrheitlich serbischen Kommunen im Norden des Landes drehte sich der längste Teil der Plenardebatte. Besonders die serbische Delegation und Delegierte der serbischen Entität von Bosnien und Herzegowina stellten die Staatlichkeit des Kosovo und die Dauerhaftigkeit der kosovarischen Zusagen in Frage. Als Gegenargument äußerten Befürworter:innen des Beitritts wiederum, dass gerade die Europaratsmitgliedschaft des Kosovo die Rechte der serbischen Minderheit wesentlich verbessern könnten, u. a. durch das individuelle Beschwerderecht beim EGMR.
Die Stellungnahme der Versammlung stellt nunmehr eine Reihe Forderungen an den Kosovo. Am 14. März 2024 hatte der Kosovo nach jahrelangen Verhandlungen und in Vorbereitung auf den Beitrittsprozess bereits die unrechtmäßig enteigneten Grundstücke des serbisch-orthodoxen Klosters Visoki Dečani zurückgegeben und damit eine Kernforderung der Versammlung erfüllt. Als weitere Postbeitrittsbedingungen stellt diese zudem die Bildung eines "Verbands der Kommunen mit serbischer Mehrheit" für besseren Schutz von Minderheitsrechten und die Anpassung eines Gesetzesentwurfs zur Grundstücksenteignung an internationale Verträge – jeweils zum "ehestmöglichen Zeitpunkt". Des Weiteren schreibt die Stellungnahme eine extensive Liste an Konventionen vor, die der Kosovo innerhalb der nächsten beiden Jahre ratifizieren muss.
Seitens der österreichischen Delegation sprach Abgeordnete Bayr. Sie legte ihren Fokus auf die Gleichstellungspolitik des Bewerberlandes und drückte ihren Gefallen darüber aus, dass der Kosovo die Inhalte der Istanbul-Konvention zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen bereits in die Verfassung übernommen hatte. Sie forderte Kosovo auf, die Konvention in einem Formalakt noch zu ratifizieren.
Bundesrat Buchmann führte aus, dass der Beitritt des Kosovo "insbesondere aus der Perspektive des Menschenrechtsschutzes und des Grundrechtsschutzes richtig" und darüber hinaus die europäische Integration des Kosovo weiter vorantreibe. Die Mitgliedschaft sei aber auch mit Verpflichtungen verbunden. Wie alle im Saal anwesenden österreichischen Delegierten stimmte auch er für die Aufnahme des Kosovo. Auch Delegierte aus Ländern, welche den Kosovo nicht anerkennen, sprachen sich für dessen Beitritt aus, so alle anwesenden Mitglieder der armenischen, rumänischen und ukrainischen Delegationen.
Zwar besitzt die Stellungnahme der Versammlung selbst keine rechtsverbindliche Wirkung, erzeugt jedoch gegenüber dem Ministerkomitee eine starke politische Verbindlichkeit, die in der Geschichte des Europarats bisher noch nie übergangen wurde. Nach dem erfolgreichen Votum ist ein Beitritt des Kosovo damit in greifbare Nähe gerückt, dem das Ministerkomitee mit einer Zweidrittelmehrheit (31 Stimmen) zustimmen muss.