8.11.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 287/38


DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2022/2116 DER KOMMISSION

vom 13. Juli 2022

zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2020/1503 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards zur näheren Bestimmung der Maßnahmen und Verfahren für den Plan von Schwarmfinanzierungsdienstleistern zur Geschäftsfortführung im Krisenfall

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) 2020/1503 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Oktober 2020 über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister für Unternehmen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1129 und der Richtlinie (EU) 2019/1937 (1), insbesondere auf Artikel 12 Absatz 16 Unterabsatz 4,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Um eine gebührende Harmonisierung der Maßnahmen und Verfahren für den in Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe j der Verordnung (EU) 2020/1503 genannten Plan zur Geschäftsfortführung im Krisenfall in der Union sicherzustellen, sollten die Maßnahmen und Verfahren dieses Plans näher bestimmt werden.

(2)

Um den mit einer Einstellung entscheidender Dienstleistungen verbundenen Risiken angemessen zu begegnen, sollte der Plan zur Geschäftsfortführung sicherstellen, dass entscheidende Dienstleistungen, insbesondere auch solche, die ausgelagert wurden, trotz des Ausfalls des Schwarmfinanzierungsdienstleisters oder des Dritten, an den entscheidende Dienstleistungen ausgelagert wurden, weiterhin erbracht werden.

(3)

Angesichts der Bandbreite der Ereignisse, die sich nachteilig auf die Erbringung entscheidender Dienstleistungen auswirken können, sollte der Plan zur Geschäftsfortführung Situationen adressieren, die eine erhebliche Störung oder einen erheblichen Ausfall der Erbringung entscheidender Dienstleistungen auslösen könnten.

(4)

Um sicherzustellen, dass der Plan zur Geschäftsfortführung wirkungsvoll ist, sollte festgelegt werden, welche Maßnahmen und Verfahren der Plan zur Geschäftsfortführung mindestens enthalten sollte.

(5)

Außerdem sollte eine begrenzte Zahl von Fachbegriffen definiert werden. Diese technischen Begriffsbestimmungen sind notwendig, um die einheitliche Anwendung dieser Verordnung sicherzustellen, und tragen so dazu bei, ein einheitliches Regelwerk für Schwarmfinanzierungsdienstleister in der Union zu schaffen. Diese Begriffsbestimmungen dienen allein zur Festlegung der Pflichten von Schwarmfinanzierungsdienstleistern und sollten strikt auf das Verständnis der vorliegenden Verordnung beschränkt werden.

(6)

Diese Verordnung beruht auf dem Entwurf technischer Regulierungsstandards, der der Kommission von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde vorgelegt wurde.

(7)

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde hat zu diesem Entwurf öffentliche Konsultationen durchgeführt, die damit verbundenen potenziellen Kosten- und Nutzeffekte analysiert und die Stellungnahme der nach Artikel 37 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) eingesetzten Interessengruppe Wertpapiere und Wertpapiermärkte eingeholt.

(8)

Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) angehört und hat am 1. Juni 2022 eine Stellungnahme abgegeben —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

a)

„entscheidende Dienstleistungen“ operative und unternehmensbezogene Dienstleistungen, bei denen eine Störung oder ein Ausfall ihrer Erbringung die fortdauernde Einhaltung der Verordnung (EU) 2020/1503 durch einen Schwarmfinanzierungsdienstleister oder dessen finanzielle Leistungsfähigkeit oder die Solidität oder Fortführung seiner Schwarmfinanzierungsdienstleistungen und -tätigkeiten, insbesondere auch gegenüber seinen Kunden, wesentlich beeinträchtigen würde;

b)

„Ausfall“ jedes nach dem einschlägigen nationalen Recht anwendbare Insolvenz- oder Vorinsolvenzverfahren oder jede erhebliche Betriebsunterbrechung;

c)

„erhebliche Betriebsunterbrechung“ eine erhebliche Störung oder einen erheblichen Ausfall, wodurch die Erbringung entscheidender Dienstleistungen wesentlich beeinträchtigt wird.

Artikel 2

Mindestinhalt des Plans zur Geschäftsfortführung

(1)   Schwarmfinanzierungsdienstleister arbeiten einen detaillierten Plan zur Geschäftsfortführung aus, in dem die mit ihrem Ausfall verbundenen Risiken adressiert werden (im Folgenden „Geschäftsfortführungsplan“).

(2)   Der Geschäftsfortführungsplan enthält:

a)

Maßnahmen und Verfahren, um die Kontinuität der Erbringung entscheidender Dienstleistungen im Zusammenhang mit vorhandenen Anlagen sicherzustellen;

b)

Maßnahmen und Verfahren, um die ordnungsgemäße Durchführung von Vereinbarungen zwischen dem Schwarmfinanzierungsdienstleister und seinen Kunden und die ordnungsgemäße Verwaltung entscheidender Geschäftsdaten sicherzustellen.

Artikel 3

Kontinuität der Erbringung entscheidender Dienstleistungen

(1)   Der Geschäftsfortführungsplan stellt sicher, dass entscheidende Dienstleistungen, insbesondere auch solche, die an Dritte ausgelagert wurden, trotz des Ausfalls des Schwarmfinanzierungsdienstleisters oder des Dritten, an den entscheidende Dienstleistungen ausgelagert wurden, weiterhin erbracht werden.

(2)   Die im Geschäftsfortführungsplan enthaltenen Maßnahmen werden an das Geschäftsmodell des Schwarmfinanzierungsdienstleisters angepasst und beinhalten Vereinbarungen, die die Kontinuität entscheidender Dienstleistungen durch Auslagerung einiger oder aller dieser entscheidenden Dienstleistungen an ein Drittunternehmen gewährleisten.

(3)   Der Geschäftsfortführungsplan enthält Bestimmungen

a)

zur Benachrichtigung des Kunden über den Eintritt eines Ausfallereignisses;

b)

zum Zugang der Kunden zu Informationen über ihre Anlagen;

c)

sofern anwendbar, zur fortgesetzten Verwaltung ausstehender Kredite;

d)

sofern anwendbar, zur Fortführung der in Artikel 10 der Verordnung (EU) 2020/1503 genannten Zahlungsdienste, insbesondere auch zu den in Artikel 10 Absatz 5 genannten Vorkehrungen;

e)

sofern anwendbar, zur Übertragung der Vorkehrungen für die Verwahrung des Kundenvermögens im Sinne von Artikel 10 der Verordnung (EU) 2020/1503.

Artikel 4

Ordnungsgemäße Durchführung von Vereinbarungen

(1)   Der Geschäftsfortführungsplan enthält unter Berücksichtigung von Art, Umfang und Komplexität des Schwarmfinanzierungsdienstleisters sowie seinem Geschäftsmodell detaillierte Maßnahmen, die zu ergreifen sind, um die ordnungsgemäße Durchführung von Vereinbarungen zwischen dem Schwarmfinanzierungsdienstleister und seinen Kunden sicherzustellen.

(2)   Die in Absatz 1 genannten Maßnahmen werden angewandt in Bezug auf:

a)

Vereinbarungen zwischen dem Schwarmfinanzierungsdienstleister und seinen Kunden, einschließlich Informationen, die für die ordnungsgemäße Durchführung von Vereinbarungen von entscheidender Bedeutung sind;

b)

die Ergebnisse der in Artikel 21 der Verordnung (EU) 2020/1503 genannten Kenntnisprüfung;

c)

sonstige entscheidende Geschäftsdaten.

(3)   Die in Absatz 1 genannten Maßnahmen beinhalten Folgendes:

a)

die Aufbewahrung der in Absatz 2 Buchstabe a genannten Vereinbarungen an einem sicheren Ort, falls das Original nur in Papierform vorliegt;

b)

die einschlägige Sicherung der in Absatz 2 genannten Dokumente und Informationen.

(4)   Informationen und Vereinbarungen, die die Rückverfolgung der Zahlungen von Anlegern und Projektträgern ermöglichen, gelten für die Zwecke von Absatz 2 Buchstabe c als entscheidende Geschäftsdaten.

Artikel 5

Verfahren

(1)   Die in Artikel 2 Absatz 2 Buchstaben a und b genannten Verfahren werden an das Geschäftsmodell des Schwarmfinanzierungsdienstleisters angepasst und beinhalten unter anderem:

a)

eine Aufstellung der Kontaktangaben der bei einem Ausfall des Schwarmfinanzierungsdienstleisters zuständigen Personen oder zuständigen Abteilung;

b)

die Identifizierung der drei wahrscheinlichsten Ausfallszenarien und die Beschreibung der zu ergreifenden Maßnahmen, um ihre Auswirkungen auf die Kontinuität entscheidender Dienstleistungen abzumildern;

c)

Bestimmungen über den Zugang der Beschäftigten des Schwarmfinanzierungsdienstleisters zum Arbeitsraum und zum Netzwerk des Unternehmens;

d)

Bestimmungen über den Zugang zu Kundeninformationen und, sofern anwendbar, zum Kundenvermögen;

e)

eine Identifizierung der betrieblichen und finanziellen Risiken sowie Maßnahmen gegen deren Eintritt;

f)

eine Identifizierung entscheidenden Geschäftssysteme und der Notfallmaßnahmen zur Gewährleistung ihrer Kontinuität;

g)

eine Identifizierung der entscheidenden Geschäftsbeziehungen, einschließlich ausgelagerter Funktionen;

h)

Verfahren zur Gewährleistung der Kontinuität der Kommunikation zwischen dem Schwarmfinanzierungsdienstleister und seinen Kunden, Geschäftspartnern und Beschäftigten sowie den zuständigen Behörden.

Artikel 6

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 13. Juli 2022

Für die Kommission

Die Präsidentin

Ursula VON DER LEYEN


(1)  ABl. L 347 vom 20.10.2020, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 84).

(3)  Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).