13.7.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 186/1


BESCHLUSS (EU) 2022/1201 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 12. Juli 2022

zur Bereitstellung einer außerordentlichen Makrofinanzhilfe für die Ukraine

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 212,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Ein Assoziierungsabkommen zwischen der Union und der Ukraine (2) (im Folgenden „Assoziierungsabkommen“), welches eine vertiefte und umfassende Freihandelszone umfasst, ist am 1. September 2017 in Kraft getreten. Da der Europäische Rat auf seiner Tagung am 23. Juni 2022 die europäische Perspektive der Ukraine anerkannt und beschlossen hat, der Ukraine den Status eines Bewerberlandes zuzuerkennen, sollte die Ukraine als Land gelten, das für eine Makrofinanzhilfe der Union in Betracht kommt.

(2)

Im Frühjahr 2014 leitete die Ukraine ein ehrgeiziges Reformprogramm ein, das darauf abzielt, die Wirtschaft zu stabilisieren und den Lebensstandard der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Die Korruptionsbekämpfung sowie Verfassungs-, Wahl- und Justizreformen zählen zu den wichtigsten Prioritäten auf der Agenda. Die Umsetzung dieser Reformen wurde durch sechs aufeinanderfolgende Makrofinanzhilfeprogramme unterstützt, in deren Rahmen die Ukraine Finanzhilfe in Form von Darlehen in Höhe von insgesamt 6,2 Mrd. EUR erhalten hat. Mit der jüngsten Notfall-Makrofinanzhilfe, die im Zusammenhang mit zunehmenden Spannungen an der Grenze zu Russland gemäß Beschluss (EU) 2022/313 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) gewährt wurde, wurden Darlehen in Höhe von 1,2 Mrd. EUR für die Ukraine bereitgestellt, die in zwei Tranchen von 600 Mio. EUR im März und Mai 2022 ausgezahlt wurden.

(3)

Der unprovozierte und ungerechtfertigte Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine seit dem 24. Februar 2022hat für die Ukraine zu einem eingeschränkten Marktzugang und einem drastischen Rückgang der öffentlichen Einnahmen geführt, während die öffentlichen Ausgaben zur Bewältigung der humanitären Lage und zur Aufrechterhaltung der staatlichen Dienste deutlich gestiegen sind. In dieser sehr unsicheren und instabilen Lage deuten die bestmöglichen Schätzungen des Finanzierungsbedarfs der Ukraine, die der Internationale Währungsfonds (IWF) vorgenommen hat, auf eine außerordentliche Finanzierungslücke von rund 39 Mrd. USD im Jahr 2022 hin, die bei vollständiger Auszahlung der bisher zugesagten internationalen Unterstützung in etwa zur Hälfte geschlossen werden könnte. Die rasche Bereitstellung von Makrofinanzhilfe der Union für die Ukraine gemäß dem vorliegenden Beschluss als ersten Schritt der Umsetzung der gesamten außergewöhnlichen Makrofinanzhilfe von bis zu 9 Mrd. EUR wird unter den derzeitigen außergewöhnlichen Umständen als angemessene kurzfristige Reaktion auf den unmittelbaren dringendsten Finanzierungsbedarf der Ukraine und die erheblichen Risiken für die makrofinanzielle Stabilität des Landes angesehen. Die Makrofinanzhilfe der Union soll zur makrofinanziellen Stabilisierung der Ukraine beitragen und die Widerstandsfähigkeit des Landes stärken, was die Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung der Ukraine und die Aussichten darauf verbessern würde, dass das Land seinen finanziellen Verpflichtungen letztlich nachkommen kann.

(4)

Die Höhe der Makrofinanzhilfe der Union im Rahmen dieses Beschlusses wird — auch unter Berücksichtigung der geplanten umfassenden außergewöhnlichen Makrofinanzhilfe — auf der Grundlage einer quantitativen Bewertung des verbleibenden Außenfinanzierungsbedarfs der Ukraine, die in Zusammenarbeit mit dem IWF und anderen internationalen Finanzinstitutionen durchgeführt wird, festgesetzt und trägt der Fähigkeit der Ukraine Rechnung, sich aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Bei der Festlegung werden auch erwartete finanzielle Beiträge bilateraler und multilateraler Geber, die Notwendigkeit einer angemessenen Lastenverteilung zwischen der Union und anderen Gebern sowie ein bereits bestehender Einsatz anderer Außenfinanzierungsinstrumente der Union in der Ukraine und der durch das gesamte Engagement der Union erzielte Mehrwert berücksichtigt. Die Zusage der ukrainischen Behörden, bei der Gestaltung und Umsetzung kurzfristiger Notfallmaßnahmen eng mit dem IWF zusammenzuarbeiten, und ihre Absicht, mit dem IWF an einem geeigneten Wirtschaftsprogramm zu arbeiten, wenn es die Umstände erlauben, sollte anerkannt werden. Die Makrofinanzhilfe der Union sollte darauf abzielen, die makrofinanzielle Stabilität und Widerstandsfähigkeit unter den Kriegsbedingungen aufrechtzuerhalten. Die Kommission sollte sicherstellen, dass die Makrofinanzhilfe der Union rechtlich und inhaltlich mit den wichtigsten Grundsätzen und Zielsetzungen der Maßnahmen in den verschiedenen Bereichen der Außenpolitik und anderen relevanten Politikbereichen der Union in Einklang steht.

(5)

Die Makrofinanzhilfe der Union sollte die Außenpolitik der Union gegenüber der Ukraine stützen. Die Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst sollten während der gesamten Dauer des Makrofinanzhilfevorhabens eng zusammenarbeiten, um sich abzustimmen und die Kohärenz der Außenpolitik der Union zu gewährleisten.

(6)

Eine Vorbedingung für die Gewährung der Makrofinanzhilfe der Union sollte darin bestehen, dass die Ukraine wirksame demokratische Mechanismen — einschließlich eines parlamentarischen Mehrparteiensystems — und das Rechtsstaatsprinzip respektiert und die Achtung der Menschenrechte garantiert. Diese Grundsätze sollten durch den anhaltenden Krieg und insbesondere das derzeitige Kriegsrecht trotz der Machtkonzentration in der Exekutive nicht eingeschränkt werden.

(7)

Um einen wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der Union im Zusammenhang mit dieser außerordentlichen Makrofinanzhilfe zu gewährleisten, sollte die Ukraine geeignete Maßnahmen treffen, um Betrug, Korruption und andere Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dieser Hilfe zu verhindern bzw. dagegen vorzugehen. Darüber hinaus sollte in der Darlehensvereinbarung vorgesehen werden, dass die Kommission Kontrollen und der Rechnungshof Prüfungen durchführen und die Europäische Staatsanwaltschaft ihre Zuständigkeiten gemäß den Artikeln 129 und 220 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) (im Folgenden „Haushaltsordnung“) ausübt.

(8)

Die Makrofinanzhilfe der Union gemäß dem vorliegenden Beschluss sollte im ersten Schritt der Umsetzung der geplanten umfassenden außerordentlichen Makrofinanzhilfe für die Ukraine mit strengeren Berichtspflichten verknüpft werden, die in einer Grundsatzvereinbarung festzulegen sind. Diese strengeren Berichtspflichten sollten angesichts der aktuellen Kriegssituation darauf abzielen, die Effizienz, Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der Verwendung der Mittel sicherzustellen. Mit künftigen Makrofinanzhilfe-Maßnahmen werden politische Auflagen verknüpft sein, die die unmittelbare Resilienz der Ukraine und ihre längerfristige Schuldentragfähigkeit stärken und dadurch die Risiken hinsichtlich der Begleichung ihrer offenen und künftigen finanziellen Verpflichtungen verringern sollten.

(9)

Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieses Beschlusses sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) ausgeübt werden.

(10)

Die nach diesem Beschluss gewährte Makrofinanzhilfe von bis zu 1 Mrd. EUR stellt eine finanzielle Verbindlichkeit der Union im Rahmen des Gesamtvolumens der Garantie für Außenmaßnahmen gemäß der Verordnung (EU) 2021/947 des Europäischen Parlaments und des Rates (6) dar.

(11)

Gemäß Artikel 210 Absatz 3 der Haushaltsordnung werden die Eventualverbindlichkeiten aus Haushaltsgarantien oder finanziellem Beistand, die zulasten des Haushalts gehen, als tragfähig erachtet, wenn ihre voraussichtliche mehrjährige Entwicklung mit den in der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2093 des Rates (7) festgelegten Grenzen sowie der Obergrenze der jährlichen Mittel für Zahlungen, die in Artikel 3 Absatz 1 des Beschlusses (EU, Euratom) 2020/2053 des Rates (8) festgelegt ist, vereinbar ist. Um die Union in die Lage zu versetzen, der Ukraine durch Makrofinanzhilfen auf finanziell sichere Weise substanzielle Unterstützung zukommen zu lassen und gleichzeitig die hohe Bonität der Union und damit ihre Fähigkeit zu einer wirksamen Finanzierung im Rahmen ihrer internen und externen politischen Maßnahmen zu wahren, ist es von wesentlicher Bedeutung, den Unionshaushalt angemessen vor der Verwirklichung dieser Eventualverbindlichkeiten zu schützen und sicherzustellen, dass sie im Sinne des Artikels 210 Absatz 3 der Haushaltsordnung finanziell tragfähig sind.

(12)

Im Einklang mit dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung ist es erforderlich, vor der Gewährung von Darlehen im Rahmen der außerordentliche Makrofinanzhilfe für die Ukraine die Resilienz des gemeinsamen Dotierungsfonds mit Mitteln zu stärken, die den Risiken entsprechen, die sich aus den Eventualverbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Makrofinanzhilfe der Union für die Ukraine gemäß dem vorliegenden Beschluss ergeben. Ohne eine solche Verstärkung könnte die Unterstützung, die aufgrund des Bedarfs der Ukraine infolge des Kriegs erforderlich ist, nicht unter Wahrung der Finanzsicherheit über den Haushalt der Union bereitgestellt werden. Um den Haushalt der Union zu schützen, sollte ausgehend von der gegenwärtigen Bewertung die geplante Deckung der gesamten außerordentlichen Makrofinanzhilfe-Darlehen der Union von bis zu 8,8 Mrd. EUR für die Ukraine, einschließlich dieser Tranche in Höhe von 1 Mrd. EUR, bei 70 % des Darlehenswerts liegen.

(13)

Auf dieser Grundlage sollte die Dotierungsquote für das Darlehen von 1 Mrd. EUR auf 70 % festgelegt werden, anstatt die in Artikel 31 Absatz 5 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) 2021/947 festgelegte allgemeine Regel anzuwenden. Der sich daraus ergebende Betrag von 700 Mio. EUR sollte aus der Finanzausstattung geografischen Programme gemäß der Verordnung (EU) 2021/947 finanziert werden. Dieser Betrag sollte bis 2027 gebunden und in eine spezielle Komponente des gemeinsamen Dotierungsfonds eingezahlt werden.

(14)

Angesichts der erhöhten Dotierungsquote für diese Tranche der Makrofinanzhilfe der Union ist es angezeigt, die aus der Makrofinanzhilfe nach diesem Beschluss erwachsende finanzielle Verbindlichkeit getrennt von anderen finanziellen Verbindlichkeiten im Rahmen der Garantie für Außenmaßnahmen zu verwalten. Darüber hinaus wird vorgeschlagen, die im gemeinsamen Dotierungsfonds für die Makrofinanzhilfe gemäß dem vorliegenden Beschluss vorgesehene Dotierung ausschließlich für finanzielle Verbindlichkeiten im Rahmen dieses Beschlusses zu verwenden, und nicht die allgemeine Regel nach Artikel 31 Absatz 6 der Verordnung (EU) 2021/947 anzuwenden. Im Anschluss daran sollte die im Einklang mit Artikel 213 der Haushaltsordnung für die Makrofinanzhilfe gemäß dem vorliegenden Beschluss vorgesehene Dotierung von der Anwendung der effektiven Dotierungsquote ausgenommen werden.

(15)

Da das Ziel dieses Beschlusses, nämlich die Bereitstellung einer Makrofinanzhilfe der Union für die Ukraine zur Unterstützung insbesondere ihrer wirtschaftlichen Widerstandskraft und Stabilität, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern wegen des Umfangs und der Wirkungen der Maßnahme auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in dem genannten Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht dieser Beschluss nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(16)

Wegen der Dringlichkeit, die sich aus den außergewöhnlichen Umständen infolge des unprovozierten und ungerechtfertigten Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine ergibt, wird es als angemessen angesehen, sich auf die Ausnahme von der Achtwochenfrist gemäß Artikel 4 des dem EUV, dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft beigefügten Protokolls Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union zu berufen.

(17)

Angesichts der schwierigen Lage der Ukraine aufgrund des russischen Angriffskriegs und zur Unterstützung ihres langfristigen Stabilitätspfads ist es angezeigt, von Artikel 220 Absatz 5 Buchstabe e der Haushaltsordnung abzuweichen und der Union die Möglichkeit einzuräumen, die Zinskosten im Zusammenhang mit den Darlehen gemäß der vorliegenden Verordnung zu decken und die Verwaltungskosten zu erlassen, die sonst von der Ukraine zu tragen wären. Der Zinszuschuss sollte ausnahmsweise gewährt werden, da er im Sinne von Artikel 220 Absatz 1 der Haushaltsordnung als ein geeignetes Instrument erscheint, um eine wirksame Unterstützung zu gewährleisten, und er sollte aus dem Haushalt der Union finanziert werden. Während des Zeitraums des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027 sollte der Zinszuschuss aus der Finanzausstattung gemäß Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a erster Gedankenstrich der Verordnung (EU) 2021/947 finanziert werden. Der Zinszuschuss und der Erlass der Verwaltungskosten sollten von der Ukraine jedes Jahr bis Ende März beantragt werden können. Um eine flexible Rückzahlung des Hauptbetrags zu ermöglichen, sollte es abweichend von Artikel 220 Absatz 2 der Haushaltsordnung auch möglich sein, die im Namen der Union begebenen zugehörigen Anleihen durch die erneute Begebung von Anleihen abzulösen.

(18)

In Anbetracht der Lage in der Ukraine sollte dieser Beschluss aus Gründen der Dringlichkeit am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten —

HABEN FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

(1)   Die Union stellt der Ukrain eine Makrofinanzhilfe in Höhe von höchstens 1 Mrd. EUR (im Folgenden „Makrofinanzhilfe der Union“) zur Verfügung, um die makrofinanzielle Stabilität der Ukraine zu unterstützen. Die Makrofinanzhilfe der Union wird der Ukraine in Form eines Darlehens gewährt.

(2)   Zur Finanzierung der Makrofinanzhilfe der Union wird die Kommission ermächtigt, im Namen der Union die erforderlichen Mittel auf den Kapitalmärkten oder bei Finanzinstituten aufzunehmen und als Darlehen an die Ukraine weiterzugeben. Die Laufzeit des Darlehens beträgt im Durchschnitt höchstens 25 Jahre.

(3)   Die in Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a erster Gedankenstrich der Verordnung (EU) 2021/947 genannte Finanzausstattung wird zur Deckung der Kosten von Zinszahlungen im Zusammenhang mit der Makrofinanzhilfe im Zeitraum des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027 als Zinszuschuss gemäß Artikel 5 Absatz 2 des vorliegenden Beschlusses verwendet.

(4)   Die Freigabe der Makrofinanzhilfe der Union erfolgt durch die Kommission im Einklang mit den zwischen der Kommission und der Ukraine in der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Grundsatzvereinbarung getroffenen Abmachungen oder Absprachen.

(5)   Die Kommission unterrichtet das Europäische Parlament und den Rat regelmäßig über die Entwicklungen bezüglich der Makrofinanzhilfe der Union, einschließlich über deren Auszahlung, und stellt diesen Organen die einschlägigen Dokumente rechtzeitig zur Verfügung.

(6)   Die Makrofinanzhilfe der Union wird ab dem ersten Tag nach Inkrafttreten der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Grundsatzvereinbarung für einen Zeitraum von 12 Monaten bereitgestellt.

(7)   Sollte der Finanzierungsbedarf der Ukraine im Zeitraum der Auszahlung der Makrofinanzhilfe der Union gegenüber den ursprünglichen Prognosen erheblich sinken, wird die Kommission die Hilfe kürzen, ihre Auszahlung aussetzen oder einstellen.

Artikel 2

(1)   Eine Vorbedingung für die Gewährung der Makrofinanzhilfe der Union besteht darin, dass die Ukraine wirksame demokratische Mechanismen — einschließlich eines parlamentarischen Mehrparteiensystems — und das Rechtsstaatsprinzip respektiert und die Achtung der Menschenrechte garantiert.

(2)   Die Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst überprüfen die Erfüllung der Vorbedingung gemäß Absatz 1 während der gesamten Laufzeit der Makrofinanzhilfe der Union und insbesondere vor Auszahlungen, wobei sie auch den Gegebenheiten in der Ukraine und den Folgen der dort stattfindenden Anwendung des Kriegsrechts Rechnung tragen.

(3)   Die Absätze 1 und 2 dieses Artikels werden gemäß dem Beschluss 2010/427/EU des Rates (9) angewendet.

Artikel 3

(1)   Die Kommission vereinbart mit der Ukraine klar definierte Berichtspflichten, an die die Makrofinanzhilfe der Union geknüpft wird. Die Berichtspflichten werden in einer Grundsatzvereinbarung dargelegt und Einklang mit dem in Artikel 8 Absatz 2 genannten Prüfverfahren angenommen.

(2)   Mit den Berichtspflichten werden insbesondere die Effizienz, Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der Verwendung der Makrofinanzhilfe der Union gewährleistet. Die Kommission kontrolliert regelmäßig die Umsetzung dieser Berichtspflichten.

(3)   Die finanziellen Bedingungen der Makrofinanzhilfe der Union werden in einer zwischen der Kommission und der Ukraine zu schließenden Darlehensvereinbarung im Einzelnen festgelegt.

(4)   Die Kommission prüft regelmäßig die Umsetzung der Makrofinanzhilfe der Union und insbesondere die in der Grundsatzvereinbarung festgelegten Berichtspflichten. Die Kommission unterrichtet das Europäische Parlament und den Rat über die Ergebnisse dieser Prüfung.

Artikel 4

(1)   Vorbehaltlich der in Absatz 2 festgelegten Anforderungen wird die Makrofinanzhilfe der Union von der Kommission in einer einzigen Tranche in Form eines Darlehens zur Verfügung gestellt. Die Kommission legt den Zeitplan für die Auszahlung der Tranche fest. Die Tranche kann in einem oder mehreren Teilbeträgen ausgezahlt werden.

(2)   Die Kommission beschließt die Freigabe der Tranche vorbehaltlich ihrer Bewertung der nachstehenden Anforderungen:

a)

die Einhaltung der in Artikel 2 Absatz 1 genannten Vorbedingung;

b)

das Inkrafttreten der Grundsatzvereinbarung, in der die Einrichtung eines Berichtsystems für die gesamte Laufzeit des Darlehens vorgesehen ist.

(3)   Werden die in Absatz 2 genannten Anforderungen nicht erfüllt, so wird die Auszahlung der Makrofinanzhilfe der Union von der Kommission zeitweise ausgesetzt oder eingestellt, oder die Kommission ergreift geeignete Maßnahmen gemäß der Darlehensvereinbarung. In solchen Fällen teilt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat die Gründe für die Aussetzung oder Einstellung mit.

(4)   Die Makrofinanzhilfe der Union wird grundsätzlich an die Nationalbank der Ukraine ausgezahlt. Vorbehaltlich der in der Grundsatzvereinbarung festzulegenden Bedingungen, einschließlich einer Bestätigung des verbleibenden Haushaltsbedarfs, können die Gelder der Union an das ukrainische Finanzministerium als Endbegünstigten ausgezahlt werden.

Artikel 5

(1)   Die Anleihe- und Darlehenstransaktionen werden im Einklang mit Artikel 220 der Haushaltsordnung durchgeführt.

(2)   Abweichend von Artikel 220 Absatz 5 Buchstabe e der Haushaltsordnung kann die Union für das im Rahmen dieses Beschlusses gewährte Darlehen durch Gewährung eines Zinszuschusses Zinsen sowie Verwaltungskosten im Zusammenhang mit den Anleihe- und Darlehenstransaktionen tragen, ausgenommen Kosten in Verbindung mit der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens.

(3)   Die Ukraine kann den Zinszuschuss und die Deckung der Verwaltungskosten durch die Union bis Ende März eines jeden Jahres beantragen.

(4)   Abweichend von Artikel 220 Absatz 2 der Haushaltsordnung kann die Kommission die im Namen der Union begebenen zugehörigen Anleihen erforderlichenfalls durch die erneute Begebung von Krediten ablösen.

(5)   Die Kommission unterrichtet das Europäische Parlament und den Rat über die Entwicklungen in Bezug auf die in den Absätzen 2 und 3 genannten Transaktionen.

Artikel 6

Während der Durchführung der Makrofinanzhilfe der Union prüft die Kommission mittels einer operativen Bewertung erneut, wie solide die in der Ukraine bestehenden für die Finanzhilfe relevanten Finanzregelungen, Verwaltungsverfahren sowie Mechanismen der internen und externen Kontrolle sind.

Artikel 7

(1)   Für die nach diesem Beschluss in Form eines Darlehens bereitgestellte Makrofinanzhilfe der Union ist eine Dotierungsquote von 70 % anzuwenden, und nicht die allgemeine Regel nach Artikel 31 Absatz 5 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) 2021/947.

(2)   Abweichend von der allgemeinen Regel nach Artikel 31 Absatz 6 der Verordnung (EU) 2021/947 werden die finanziellen Verbindlichkeiten aus der Makrofinanzhilfe der Union, die nach diesem Beschluss in Form eines Darlehens bereitgestellt wird, getrennt von anderen finanziellen Verbindlichkeiten im Rahmen der Garantie für Außenmaßnahmen gedeckt, und die im gemeinsamen Dotierungsfonds vorgesehene Dotierung für die nach diesem Beschluss in Form eines Darlehens bereitgestellte Makrofinanzhilfe der Union wird ausschließlich für die daraus erwachsenden finanziellen Verbindlichkeiten verwendet.

(3)   Abweichend von Artikel 213 der Haushaltsordnung gilt die effektive Dotierungsquote nicht für die im gemeinsamen Dotierungsfonds vorgesehene Dotierung für die Makrofinanzhilfe der Union, die in Form eines Darlehens nach diesem Beschluss bereitgestellt wird.

Artikel 8

(1)   Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

(2)   Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

Artikel 9

(1)   Die Kommission unterbreitet dem Europäischen Parlament und dem Rat alljährlich bis 30. Juni im Rahmen ihres Jahresberichts eine Bewertung der Durchführung dieses Beschlusses im Vorjahr. Darin

a)

prüft sie den bei der Durchführung der Makrofinanzhilfe der Union erzielten Fortschritt;

b)

bewertet sie die wirtschaftliche Lage und die wirtschaftlichen Aussichten der Ukraine sowie die Umsetzung der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Pflichten;

c)

erläutert sie den Zusammenhang zwischen den in der Grundsatzvereinbarung festgelegten Pflichten und Auflagen, der aktuellen makroökonomischen Lage der Ukraine und dem Beschluss der Kommission über die Auszahlung der Tranche der Makrofinanzhilfe der Union.

(2)   Spätestens zwei Jahre nach Ende des Bereitstellungszeitraums legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Ex-post-Bewertungsbericht vor, in dem sie die Ergebnisse und die Effizienz der abgeschlossenen Makrofinanzhilfe der Union bewertet und beurteilt, inwieweit diese zur Verwirklichung der angestrebten Ziele beigetragen hat.

Artikel 10

Dieser Beschluss tritt am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Geschehen zu Brüssel am 12. Juli 2022.

Im Namen des Europäischen Parlaments

Die Präsidentin

R. METSOLA

Im Namen des Rates

Der Präsident

Z. STANJURA


(1)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 7. Juli 2022 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 12. Juli 2022.

(2)  Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits (ABl. L 161 vom 29.5.2014, S. 3).

(3)  Beschluss (EU) 2022/313 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Februar 2022 über eine Makrofinanzhilfe für die Ukraine (ABl. L 55 vom 28.2.2022, S. 4).

(4)  Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 (ABl. L 193 vom 30.7.2018, S. 1).

(5)  Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).

(6)  Verordnung (EU) 2021/947 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juni 2021 zur Schaffung des Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit - Europa in der Welt, zur Änderung und Aufhebung des Beschlusses Nr. 466/2014/EU des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EU) 2017/1601 des Europäischen Parlaments und des Rates, und der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 480/2009 des Rates (ABl. L 209 vom 14.6.2021, S. 1).

(7)  Verordnung (EU, Euratom) 2020/2093 des Rates vom 17. Dezember 2020 zur Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2021 bis 2027 (ABl. L 433 I vom 22.12.2020, S. 11).

(8)  Beschluss (EU, Euratom) 2020/2053 des Rates vom 14. Dezember 2020 über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union und zur Aufhebung des Beschlusses 2014/335/EU, Euratom (ABl. L 424 vom 15.12.2020, S. 1).

(9)  Beschluss 2010/427/EU des Rates vom 26. Juli 2010 über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (ABl. L 201 vom 3.8.2010, S. 30).