Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 6. Sitzung / Seite 31

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Zaun gebrochen zu haben oder aus diesem Machtkartell auszubrechen, haben Sie ein gerütteltes Maß an Mitverantwortung.

Ich wundere mich schon, und es kam ja auch gleich von Ihrem Sitznachbarn Molterer der Einwand: Sie haben dem doch mit großer Mehrheit zugestimmt! Meine Frage ist: Wie konnte es so weit kommen, dass wir jetzt vor einer Entwicklung stehen, zu der Sie durchaus mit beigetragen haben, dass wir wahrscheinlich in Zukunft über solche Papiere reden werden wie das Verhandlungsergebnis aus der Sicht der ÖVP oder das von Karl Öllinger schon erwähnte Ideenprogramm der FPÖ? (Abg. Scheibner: Wo ist denn eigentlich Ihr Reformkonzept, Frau Kollegin?)

Wenn Sie lesen können, können Sie es sich gerne holen. (Abg. Scheibner: Lesen kann ich, aber ich weiß nicht, was es schon gibt! Sie haben bisher gar nichts vorgelegt!) Ich setze mich aber jetzt einmal mit Ihren Vorstellungen auseinander. Es gibt vor allem ein Kapitel, das in beiden Papieren völlig fehlt, obwohl es im Wahlkampf eine zentrale Rolle gespielt hat, nämlich der Bereich der Frauenpolitik. Frauen kommen allenfalls unter Familie, unter Familienleistungen vor, aber eine eigenständige Frauenpolitik gibt es nicht mehr. Die ist auch nicht vorhanden! Was hier passiert, ist etwas ganz Schlimmes! Und Sie werden wahrscheinlich noch oft hören: Sie haben dem mit großer Mehrheit zugestimmt.

Welche Grundsätze haben Sie denn nicht alle aufgegeben? Es war schlimm genug, dass es ein sehr erfolgreiches Frauen-Volksbegehren, ein Gentechnik-Volksbegehren und ein Tierschutz-Volksbegehren gab, das Sie schubladisiert, nicht umgesetzt haben. Mit diesem mittlerweile geplatzten Koalitionspakt – der aber wahrscheinlich noch eine Verschärfung erfahren wird, wenn ich mir die Programme der beiden jetzt verhandelnden Parteien ansehe – haben Sie nicht nur das Frauen-Volksbegehren nicht umgesetzt, sondern Sie sind dem Frauen-Volksbegehren voll in den Rücken gefallen! Sie haben das Gegenteil getan! (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt nach allen Umfragen ein großes Anliegen der Frauen in diesem Lande, und das heißt Eigenständigkeit. Selbstverständlich wollen Frauen auch in Familien leben. Eine große Mehrheit der Frauen will auch Kinder, sie wollen Beruf und Familie vereinbaren. Sie wollen aber vor allem Eigenständigkeit, selbst über ihre Lebensplanung, ihren Lebensentwurf entscheiden können. Und dann lese ich in diesem Papier, das Sie mit großer Mehrheit mitgetragen haben: Umwandlung des Karenzgeldes von einer Versicherungsleistung in eine Familienleistung. Na bravo! Dazu noch eine Abhängigmachung der Frauen von der Zufälligkeit des Einkommens ihres Mannes.

Wenn Sie etwas ungerecht finden an der Besteuerung vor allem der hohen Einkommen, der hohen Vermögen, dann müssen Sie dort ansetzen, nicht bei den Frauen der vielleicht reichen Männer! Dass Sie das unterschrieben haben, dass die Fraueninteressen – aus welchen Gründen auch immer – noch eher vom Metallgewerkschafter Nürnberger als von der Frauenministerin vertreten worden sind, das ist das Bittere an diesem Ergebnis. Von all dem abgesehen, was jetzt noch zusätzlich kommen wird: Hier sind Sie zu weit gegangen!

Die Gründe, warum dieser Pakt, abgesehen von der möglicherweise unredlichen Motivation des Partners, von Ihrer Seite aus gesehen gescheitert ist, sind nicht etwa die fehlende Frauenpolitik, nicht die fehlenden sozialpolitischen Inhalte, sondern letztlich eine Postenfrage. Auch das, fürchte ich, wird hängen bleiben.

Ich lese Ihnen etwas vor – denn das sind nicht nur die Programme der Grünen (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen – Abg. Dr. Mertel: International gesehen liegen wir nicht so schlecht!)  –: dass andere Staaten, die eine höhere Erwerbsbeteiligung haben, eben andere Sozialsysteme haben. Das heißt, bei uns wird viel Geld ausgegeben, ohne auf die Eigenständigkeit der Frauen und der Jugend zu achten. Dieser Ihr Tabubruch, der, fürchte ich, wird uns in Zukunft noch sehr zu schaffen machen. (Beifall bei den Grünen.)

9.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger. Gleiche Redezeit. – Bitte.


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