Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 6. Sitzung / Seite 115

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Bei Kollegen Kostelka haben wir, wie so oft, auch heute vergeblich gewartet auf eine Definition der Neutralität, die hier so verteidigt wird. (Abg. Dr. Kostelka: Lesen Sie im Neutralitätsgesetz nach! Dort steht’s ja!) Herr Kollege Kostelka, auch darin wird die Neutralität nicht definiert – das wissen Sie ganz genau –, sondern darin ist nur ein Bekenntnis zur Neutralität verankert. (Abg. Dr. Kostelka: Sie wollen sie umdefinieren, das ist es!) Wir brauchen nichts umzudefinieren. Sie wissen ganz genau, wie die Neutralität definiert ist und zu welcher Neutralität sich Österreich 1955 bekannt hat, Herr Kollege Kostelka, nämlich zu einer Neutralität nach dem Vorbild der Schweiz.

Die Schweiz hatte ein Jahr davor ganz klar definiert, was sie selbst unter dem Instrument der dauernden Neutralität versteht, und die Bedingungen definiert. Die Bedingungen waren: keine Durchfuhr von Kriegsmaterial, keine Überflugsgenehmigungen, keine Teilnahme an internationalen Organisationen, die kollektive Sicherheitsmaßnahmen vorsehen, deshalb konsequent keine UNO-Mitgliedschaft der Schweiz, deshalb auch konsequent keine EU-Mitgliedschaft der Schweiz. Das war ein Teil der Bedingungen: nicht nur militärische Neutralität, sondern auch sowohl politische Neutralität als auch wirtschaftliche Neutralität. Das hat die Schweiz für die eigene Neutralität, die von uns zum Vorbild genommen wurde, definiert, meine Damen und Herren!

Wenn wir uns die Geschichte der österreichischen Neutralität ansehen, dann wird einem klar, wir haben nicht einen Moment lang die Bedingungen dieser völkerrechtlichen Neutralität erfüllt. Das muss man auch einmal klar sagen. Es war selbstverständlich, dass man damals die Neutralität als Mittel zum Zweck sah – so steht es auch in unserer Bundesverfassung –, weil es der Zweck war, Österreich von den Besatzungsmächten zu befreien, den Staatsvertrag und die volle Unabhängigkeit zu bekommen. Deshalb war es auch ein wichtiger Schritt, den man damals gesetzt hat. Aber er war nicht ganz freiwillig – auch das wissen Sie, Herr Kollege Kostelka! Schon im Moskauer Memorandum war es die Bedingung der Sowjetunion gewesen, dass sich Österreich zu diesem Status der Neutralität bekennt. Aber damals war es eine richtige Entscheidung, das ist keine Frage.

Deutschland stand vor derselben Entscheidung, denn die Sowjetunion hatte auch Deutschland angeboten, den Abzug der Besatzungsmacht und ein ungeteiltes Deutschland zuzulassen, wenn Deutschland sich ebenfalls zu dieser dauernden Neutralität bekennt. Man traf damals eine andere Entscheidung. Möglicherweise hätte sich, wenn man gewusst hätte, dass es viele Jahrzehnte dauern wird, bis man Deutschland wieder vereinigen kann, damals auch Deutschland anders entschieden.

Aber wir müssen heute doch endlich zur Kenntnis nehmen, meine Damen und Herren, dass mit dem Zerfall des Warschauer Paktes und mit dem Zerfall der beiden Blöcke auch für Österreich eine andere Situation eingetreten ist, dass die Neutralität niemals Selbstzweck gewesen ist und es auch heute nicht sein darf, sondern ein sicherheitspolitisches Instrument kann nur den einen Zweck haben: die Sicherheit und Unabhängigkeit des eigenen Landes zu gewährleisten.

Darin sind wir uns hoffentlich einig, dass es nicht die Neutralität Österreichs war, die Österreich in den vergangenen 40 Jahren, ja 50 Jahren vor Krieg und Bedrohung geschützt hat, sondern es war das "Gleichgewicht des Schreckens" zwischen NATO und Warschauer Pakt, das keine Bedrohung für Österreich zugelassen hat, da jeder kleine Konflikt, jeder nationale Konflikt sofort dieser große Weltkrieg gewesen wäre. Aber, meine Damen und Herren, Herr Kostelka, Herr Pilz, wir kennen doch heute die Durchmarschpläne des Warschauer Paktes für den Fall, dass es zu so einem Konflikt gekommen wäre. Kein Mensch hätte die Neutralität beachtet, niemand hätte sich darum gekümmert, ob Österreich diesen Status innehat!

Aber das ist Ihnen eben nicht so ein Problem. Die Bilder sind uns allen noch in Erinnerung, die zeigen, wie Sie gemeinsam mit dem Bürgermeister Häupl in jungen Jahren die Kolchosen-Bäuerinnen in der damaligen Sowjetunion geschupft haben. Das waren eben damals Ihre Gedankengänge, das waren Ihre Bilder, die Sie gehabt haben, und Ihre Ideale. Auch heute, zehn Jahre nach dem Zerfall Ihres Idealbildes, hängen Sie noch diesen Dingen nach und sehen Sie


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