Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 6. Sitzung / Seite 118

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Wenn Sie davon sprechen, meine Damen und Herren, dass man einen "defensiven Gewalteinsatz" wählen soll, zeigt das schon, welcher Widerspruch das in sich ist. Oder wenn man Ihren Antrag zu Ende liest und sieht, dass Sie im ersten Punkt der Konsequenzen vorschlagen, der Herr Außenminister soll sich dafür einsetzen, dass wir zukünftig ein Bündnis mit den Bündnisfreien eingehen – meine Damen und Herren, das ist ebenfalls noch nicht erfunden! Ich sehe auch keine Perspektive für uns, dass wir uns in diese Richtung bewegen sollten. Ganz im Gegenteil: Ich fürchte, dass diese Weichenstellung uns einem Prellbock näher bringt, an dem wir als Österreicher innerhalb einer Europäischen Union anfahren sollen. Das kann ich nicht als Perspektive, nicht einmal als Ansatz für eine österreichische Sicherheitspolitik werten.

Der andere Weg, den wir gehen können, ist einer, auf dem wir vorausdenken und uns damit beschäftigen, was sich rund um uns abspielt und wie wir unser derzeitiges Sicherheitskonzept weiterentwickeln können. Das bedeutet, dass man in einem Europa, in dem es ein Aktionsprogramm gibt, das einen gemeinsamen Binnenmarkt umfasst und das zukünftig eine gemeinsame Währung zum Inhalt haben wird, eben auch einen nächsten Schritt tut und sagt: So sehr wir zusammenarbeiten, müssen wir uns auch miteinander schützen, also einen Schritt in Richtung einer gemeinsamen Sicherheitspolitik tun, indem einer zum anderen steht und sagt: Wir werden jeden Angriff auf einen als einen Angriff auf uns bezeichnen und uns danach verhalten.

Diese gemeinsame Verteidigungspolitik als nächster Schritt einer Europäischen Union hat schon einige sehr konkrete Facetten angenommen. "Petersberger Aufgaben" sind mittlerweile im Vertrag von Amsterdam auch Aufgaben der Europäischen Union geworden. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union hat jetzt ein personelles Gesicht, Herrn Solana, der in seiner bisherigen Tätigkeit bereits Anerkennung erfahren hat. Wir haben leider im letzten Jahr den Konflikt im Kosovo erleben müssen, aber auch eine konsequente Haltung der Europäischen Union als Antwort auf einen Krieg im Vorfeld der Europäischen Union begleiten können – erfolgreich, wie ich glaube.

Die nächsten Eckpunkte stehen an, und darüber muss selbstverständlich diskutiert werden. Es geht darum, dieses Zusammenstehen in der Gemeinschaft auch zu definieren. Es geht darum, dass man die Beiträge der einzelnen Mitglieder der Europäischen Union in personeller und finanzieller Hinsicht festlegt. Es geht auch darum, dass man eine Vorstellung über eine mögliche Arbeitsteilung entwickelt.

Aber, meine Damen und Herren, für uns in Österreich heißt das konsequenterweise natürlich auch, dass wir unsere Dimension der österreichischen Sicherheitspolitik um einen Schritt nach vorne bringen. Das heißt auf den Punkt gebracht: eine Fortentwicklung der österreichischen Neutralitätspolitik, weg von der Neutralität, wie wir sie 1955 gehabt haben, hin zu einer neuen Neutralität, die sich wahrscheinlich in ihrem Zweck – so, wie er im Neutralitätsgesetz definiert ist – auch auf eine größere Gemeinschaft übertragen lässt. Denn wenn Sie die Zweckbestimmung des Bundesgesetzes über die immerwährende Neutralität lesen, werden Sie erkennen, weshalb man sie überhaupt in den Verfassungsrang erhoben hat: Zum Zweck der dauernden Behauptung unserer Unabhängigkeit nach außen und zum Zweck der Unverletzlichkeit unseres Gebietes haben wir diese Neutralität erklärt.

Wenn wir heute die Entwicklung in der Europäischen Union ansehen und sehen, dass die Grenzen zu unseren Mitgliedstaaten de facto nicht mehr existieren, wir eine Reisefreiheit haben, eine Zusammenarbeit, die eigentlich wenige Grenzen zu unseren Nachbarn innerhalb dieser Union aufweist, dann heißt eine konsequente Fortentwicklung, dass das Gebiet, das man damals in dieser Konfrontationsstellung von Ost und West gemeint hat, heute wahrscheinlich ein Gebiet der Europäischen Union sein wird. Ich denke, dass das auch der eigentliche Sinn ist, den die Österreicher in dieser so genannten Neutralitätspolitik gesehen haben, und dieser wird auch in Zukunft erhalten bleiben.

Ein zweiter Punkt, der für uns wichtig ist, ist natürlich, dass wir versuchen, in dieser Grundsatzfrage einen breiten politischen Konsens herbeizuführen. Dazu lade ich alle Fraktionen ein. Ich denke, es ist notwendig, bei einer so wichtigen Angelegenheit der Außen- und Sicherheitspolitik,


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