Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 6. Sitzung / Seite 122

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solchen Änderung auch das Volk befragt werden muss, ohne das wird es nicht gehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Was ist mit 23f?)

Zum Zweiten: Zwei Redner Ihrer Fraktion haben kurz angedeutet, wir hätten die Neutralität in den Vereinbarungen, die während der Regierungsverhandlungen getroffen wurden, "spendiert" oder ausgehöhlt. Ich könnte es mir einfach machen und sagen – und das würde auch stimmen –, bei Vereinbarungen, bei denen man Kompromisse schließt, muss man immer viel schlucken, was nicht die eigene Leibspeise ist. (Abg. Scheibner: Sie schlucken, was Ihnen nicht schmeckt!)

Aber ich will es mir nicht gar so leicht machen, sondern darauf hinweisen, dass in dem, was in den Verhandlungen besprochen wurde, auch etwas sehr Positives enthalten war, nämlich zu versuchen, ob man ein System, das ja auch Sie wollten, also ein Sicherheitssystem innerhalb der Europäischen Union zu Stande bringt. Das unterscheidet sich von Beistandsverpflichtungen gegenüber EU-Staaten, Herr Bundesminister. Das unterscheidet sich von Militärpakten und ihren Beistandsverpflichtungen. Sollte Brüssel angegriffen werden, dann würden wir bei einer derartigen Verpflichtung nicht deswegen helfen, weil wir in einem Militärpakt sind, nicht einmal, weil wir Belgien beistehen und Belgien uns beisteht, sondern die Idee, die dahinter steckt – und zwar auch in Ihrem, dem modifizierten Voggenhuber-Konzept von vor drei Jahren –, ist, dass sich die Union so weiterentwickelt, dass sie eine gemeinsame Währung hat, dass sie eine gemeinsame Polizei hat und dass dann eines Tages ein Angriff auf Brüssel einen Angriff auf die gesamte EU darstellt. (Abg. Scheibner: Das ist dann nicht mehr neutral!) Das ist dann eine viel weitergehende Frage. Aber ich komme noch darauf zu sprechen. (Abg. Jung: Das ist eine andere Geschichte!) Lassen Sie mich das ausführen, Herr Kollege.

Ein Angriff auf Brüssel wird also dann nicht die Solidarität Österreichs, nicht die Beistandsverpflichtung Österreichs gegenüber Belgien, auch nicht jene in einem Militärpakt auslösen, sondern ein Angriff auf einen Teil des Ganzen wird einen Angriff auf das Ganze darstellen (Abg. Jung: Das ist das Wesen des Bündnisses!), und zwar nicht durch Pakt, sondern infolge EU-Recht. Das ist die Überlegung. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Scheibner. )

Und sagen Sie nicht, das sei ein Pakt. (Abg. Jung: Was sonst?) Ein Pakt ist viel mehr, das wissen Sie auch! Im NATO-Pakt steht nicht bloß ein Angriff auf das Territorium eines Staates. (Abg. Scheibner: Was ist ein Pakt? Das ist ein Vertrag, Herr Kollege!) Sie wissen es ganz genau, es stehen Punkte um Punkte darin! Und wenn ein amerikanischer Flieger nördlich des Wendekreises des Krebses oder sonst irgendwo in der Welt angegriffen wird – also nicht das Territorium, nicht die Vereinigten Staaten, sondern nur ein Flieger, ein Schiff! –, dann müssen alle Hilfe leisten. (Abg. Jung: Das stimmt ja gar nicht!) Das ist der NATO-Pakt! (Abg. Scheibner: Ich bin enttäuscht!)

Uns geht es darum, ein System innerhalb der EU zu entwickeln. Allerdings wissen wir alle, dass das nicht sehr wahrscheinlich ist. Wir wissen alle, dass es eine Vereinbarung zwischen allen geben muss, und diese wird nicht so leicht zu finden sein. (Abg. Jung: Das hätte ich Ihnen nicht zugetraut!)  – Herr Kollege, es ist ganz klar, dass sich ein System der Sicherheit innerhalb der EU sehr weitgehend von einem Militärpakt unterscheidet. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Einen Militärpakt aber wollen wir nicht! Und das sind die wesentlichen Unterschiede.

Sie haben auch gesagt, im Jahre 1955 sei das nach dem Vorbild der Schweiz geschehen und so weiter. Sowohl das als auch das, was von Ihnen zur Neutralität gesagt wurde, stimmt nicht! Im Jahre 1955 hat man die Neutralität als das verstanden, was jetzt als Kernbereich der Neutralität bezeichnet wird. In den Verhandlungen um die Neutralität – lesen Sie das nach bei Stourzh,xxx o.k. "Geschichte des Staatsvertrages 1945 – 1955"xxx o.k. ab der zweiten Auflage sowie in den parlamentarischen Materialien (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Scheibner )  – wurde sie folgendermaßen definiert: keine Teilnahme an Kriegen, keine fremden Truppen im eigenen Land und keine Teilnahme an einem Militärpakt! Das war in den Verhandlungen synonym für Neutralität!


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