Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 6. Sitzung / Seite 190

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verschiedenen Fraktionen dazu durchaus unterschiedliche Meinungen gibt – mit einer Problematik befassen, die Sie sehr wohl kennen, allerdings nur in der Form, dass Ihnen das Problem von hinten herum bekannt ist, nämlich dort, wo dann die Freiheitlichen mit dem Spruch "Ausländer und Kriminalität" versuchen, die Debatte anzuheizen. Der Umstand, dass es nicht verwundern kann, dass Menschen, die seit zehn Jahren hier in diesem Land leben, keine andere Chance mehr sehen, als sich illegal Arbeit zu beschaffen, hängt mit diesem Ausländerbeschäftigungsgesetz zusammen.

Sie, meine Damen und Herren von dieser Koalitionsregierung – und da nehme ich noch die alte Koalitionsregierung in die Pflicht –, sind für Zustände verantwortlich, die es de facto in keinem anderen europäischen Land mehr gibt: dass nämlich Menschen, die hier leben – die man oft auch geholt hat – und die hier gearbeitet haben, oft nach Jahren einer Beschäftigung – wobei sie meist zuerst unselbständig tätig waren, dann selbständig geworden sind und dann in dieser Selbständigkeit gescheitert sind – in die Situation kommen, hier in diesem Land, in dem sie vielleicht schon sieben oder acht Jahre leben, keine Beschäftigungsbewilligung zu erhalten, weil das Ausländerbeschäftigungsgesetz erstens mehrere Klassen von ausländischen Beschäftigten vorschreibt – die mit der Beschäftigungsbewilligung, die mit der Arbeitserlaubnis, die mit dem Befreiungsschein und dann noch die nach den Assoziationsgesetzen gleichgestellten ausländischen Beschäftigten; es sind also schon von dieser Kategorisierung her vier Klassen von ausländischen Beschäftigten – und weil zweitens Bestimmungen geschaffen werden, die eine Integration geradezu verhindern, auch für Personen und Personengruppen, die sich schon mehrere Jahre hier in diesem Land aufhalten.

Es ist aber nicht nur eine Frage der Beschäftigungsmöglichkeit, sondern auch eine solche der Menschenrechte, die wir diesen Gruppen gewähren. So werden etwa Frauen, die sich hier in diesem Lande ganz legal aufhalten, weil sie zum Beispiel nachziehen konnten, durch Bestimmungen im Ausländerbeschäftigungsgesetz daran gehindert beziehungsweise wird ihnen geradezu verboten, hier zu arbeiten, weil sie nach den neuen Bestimmungen des Fremdenrechtes frühestens nach vier Jahren Aufenthalt in Österreich überhaupt erst um eine Beschäftigungsbewilligung beziehungsweise einen Befreiungsschein ansuchen dürfen. Dasselbe gilt für Jugendliche. Es gibt hier in Österreich ausländische Jugendliche, Kinder von Arbeitsmigranten, die beispielsweise mit zwölf Jahren ins Land gekommen sind und dann mit 16 Jahren, wenn andere ausländische und österreichische Jugendliche eine Lehre antreten, diese Lehre nicht antreten dürfen, weil das Gesetz sie daran hindert. Die müssen warten, genauso wie ihre Mütter.

Jetzt, meine Damen und Herren – egal, von welcher Partei –, erzählen Sie mir, machen Sie mir argumentativ klar, warum die Frau eines Arbeitsmigranten vier beziehungsweise im schlechtesten Fall acht Jahre hier in diesem Land leben muss, bevor sie Ihrer Überzeugung nach zum ersten Mal um eine Beschäftigung ansuchen darf. Sie darf vorher nicht arbeiten, hat kein Einkommen und hat daher auch kaum die Möglichkeiten, aus der Familie hinauszukommen, und daher wiederum kaum Möglichkeiten, Spracherwerb zu betreiben. Warum muss das so sein? – Wir sehen das nicht ein! (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt Zuwanderungsquoten, die den Zuzug regeln. Die soll es auch geben – man kann über die Höhe dieser Quoten diskutieren, aber das ist es auch schon, meine Damen und Herren –, nicht aber all die Bestimmungen, die es im Ausländerbeschäftigungsgesetz, aber auch im Fremdenrecht insgesamt gibt gegenüber Frauen, Jugendlichen und auch gegenüber abgelehnten Asylwerbern – auch diese Gruppen gibt es –, die man nicht irgendwohin "exportieren" kann, weil man weiß, dass sie in dem Land, in das sie abgeschoben werden sollten, von Strafen bedroht sind. Alle diese Gruppen sollten, wenn sie sich hier in diesem Land legal aufhalten, auch die Möglichkeit haben, Beschäftigung anzunehmen. Jeder Versuch von Ihrer Seite, sie daran zu hindern, und jedes Gesetz, das sie daran hindert, kriminalisiert diese Menschen, setzt sie der illegalen Arbeit aus.

Dafür, meine Damen und Herren, tragen Sie die Verantwortung, weil das ein Stück der Spaltung und der Ausgrenzung ist, die genau jenes Klima erzeugen, das zu den politischen Verhältnissen auch in diesem Land geführt hat.


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