Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 6. Sitzung / Seite 208

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Wir haben heute Noch-Vizekanzler und Noch-Außenminister Schüssel gehört, in einer Pose, die mir sehr bekannt vorkommt. (Abg. Scheibner: Entschuldige dich bei uns für den Vorwurf beim Tierschutz!) Von der Regierungsbank aus: Haltlose Verleumdungen, keine Fakten, nichts zu untersuchen – das war ein Déjà-vu! Ich kann mich erinnern, hier etwas weiter links ist nicht einmal, sondern fünfmal, achtmal hintereinander ein Innenminister Karl Blecha gestanden und hat gesagt: Haltlose Verleumdungen, nichts dran, absoluter Unsinn, lasse ich mir nicht bieten!

Ein Außenminister Gratz, und, und, und. Irgendwann waren wir dann in der Lage, eine scheinbar völlig einzementierte große Koalition – oder zumindest eine der beiden Parteien – davon zu überzeugen, dass das untersucht werden muss. (Abg. Dr. Puttinger: Kommen wir bitte zu den Wahrheiten!) Und genau an diesen Punkt werden wir auch diesmal kommen, Herr Kollege! (Abg. Dr. Puttinger: Wir warten!)

Genau an diesen Punkt werden wir kommen, wenn ein Außenminister Schüssel nicht nur in Österreich, sondern auch in der Bundesrepublik und in Kanada Tag für Tag und Woche für Woche immer stärker belastet wird und einer nach dem anderen sagt, wie es der Waffenhändler Schreiber schon gesagt hat (Ruf bei der ÖVP: Ungeheuerlich!): Die Kontakte mit der Rüstungsfirma hat es entgegen den Aussagen des Außenministers gegeben. – Das ist bereits dokumentiert.

Die Einträge im Notizbuch sind – sagen wir es einmal vorsichtig – unklar. Aber wenn man es von hinten liest, entsteht erste Klarheit. Wir werden irgendwann vorne anlangen. Wenn man es von hinten liest – "03.09.94 Wiesheu wg. Schüssel S 100 T 30 M 25 K 25" –, dann wissen wir heute schon mit sehr großer Wahrscheinlichkeit, was "K 25" bedeutet: das Angebot an einen sozialdemokratischen Parteisekretär, 22 Millionen in Richtung Partei, 2 Millionen in Richtung Person und 1 Million als "Kickback" auf den Tisch zu legen. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Das sind 25 Millionen Schilling. (Abg. Dr. Puttinger: Ganz schön, an die Sozialisten! Wer hat das bei euch kassiert?)

Das ist dokumentiert im Laufe eines Gerichtsverfahrens. Das ist dokumentiert durch einen Aktenvermerk, den Bundeskanzler Vranitzky von seinem Sekretär auf seinen Tisch bekommen hat. Das ist schon längst klar und belegt – genauso, wie belegt ist, dass dieser sozialdemokratische Parteisekretär aufgestanden ist und gesagt hat: Nein, danke, nicht mit mir!, diesen Bestechungsversuch zurückgewiesen hat und es dadurch möglich gemacht hat, diese Zeile von hinten zu lesen zu beginnen.

Es gibt bereits Hinweise darauf, was "T 30" sein könnte, aber das muss natürlich untersucht werden. Und es wird sehr spannend, was "S 100" ist. Es wird sehr spannend in dem Zusammenhang, wenn im fraglichen Zeitraum plötzlich 90 Millionen Schilling zu viel in der ÖVP-Parteikasse sind, deren Herkunft derzeit nicht geklärt werden kann. Da wird es spannend, meine Damen und Herren, und das muss schlicht und einfach untersucht werden!

Jetzt gibt es ohnehin einen Untersuchungsausschuss, und Dr. Schüssel wird Gelegenheit haben, vor diesem Untersuchungsausschuss auszusagen. Dieser hat nur einen Schönheitsfehler: Er tagt in Berlin. So war es bei der Kurden-Affäre, so war es bei einigen anderen Affären: In Deutschland hat man begonnen, gerichtlich und auch parlamentarisch aufzuklären. Es war dann immer nur die Restfrage, die für uns bedeutende Restfrage: Gelingt es uns auch dort, wo es wirklich passiert ist, diese Fragen in einem Untersuchungsausschuss zu stellen? (Abg. Mag. Kukacka: Wo sind die Fakten?)

Meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei! Herr Null-komma-acht-Kukacka! (Abg. Mag. Kukacka: Die Fakten, bitte!) Es ist völlig egal, wie laut Sie aus den Bänken plärren ... (Abg. Mag. Mühlbachler: Das ist narrative Politik! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter, ich bitte Sie! – Setzen Sie fort! (Abg. Schwarzenberger: Die Märchenstunde ist aber normalerweise nach Mitternacht!)


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