Parlamentskorrespondenz Nr. 40 vom 22.01.2004

VERFASSUNGSAUSSCHUSS GIBT GRÜNES LICHT FÜR "BÜRGERKARTE"

Opposition äußert datenschutzrechtliche Bedenken

Wien (PK) - Der Verfassungsausschuss des Nationalrats gab heute nach einem Expertenhearing grünes Licht für die so genannte "Bürgerkarte". Mit diesem Instrument und weiteren Bestimmungen des E-Government-Gesetzes wollen die Abgeordneten den Einsatz moderner Kommunikationstechnologien bei Kontakten zwischen BürgerInnen und Behörden forcieren und so mehr Effizienz und Kostenersparnisse erreichen. Der Beschluss fiel mit VP-FP-Mehrheit, die Opposition äußerte unter anderem datenschutzrechtliche Bedenken und kritisierte die komplizierten Bestimmungen des Gesetzes. Durch einen von den beiden Koalitionsparteien bereits zuvor eingebrachten Abänderungsantrag wurde die ursprüngliche Regierungsvorlage noch in einigen Punkten ergänzt und adaptiert.

Konkret enthält das E-Government-Gesetz Regelungen über eine neue "Bürgerkarte" als Mittel zum elektronischen Identitätsnachweis, über ein "Standarddokumentenregister" zum elektronischen Nachweis von wichtigen Personenstands- und anderen Daten sowie über ein technisch sicheres Verfahren der elektronischen Zustellung von behördlichen Schriftstücken. Außerdem werden Anpassungen des Verwaltungsverfahrensrechtes vorgenommen. Von den Gesetzesänderungen betroffen sind das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz, das Zustellgesetz, das Gebührengesetz, das Meldegesetz und das Vereinsgesetz.

Bei der neuen "Bürgerkarte" handelt es sich nicht um eine Karte im herkömmlichen Sinn, vielmehr kann deren Funktionalität mit allen Trägermedien verbunden werden, die für eine sichere elektronische Signatur in Frage kommen, das betrifft Chip-Karten ebenso wie Mobiltelefone. Zweck der "Bürgerkarte" ist es, im Verkehr mit Behörden einen elektronischen Identitäts- und Echtheitsnachweis unter gleichzeitiger Wahrung des Datenschutzes zu ermöglichen.

Die Identifikation der Betroffenen soll dabei durch eine Stammzahl erfolgen. Diese leitet sich für natürliche Personen von der Ordnungsnummer im Zentralen Melderegister (der ZMR-Zahl) bzw. der Ordnungsnummer eines neu zu erstellenden Ergänzungsregisters her. Von dieser Stammzahl werden aus datenschutzrechtlichen Gründen wiederum in verschlüsselter Form unterschiedliche "bereichsspezifische Personenkennzeichen" (bPK) abgeleitet, nur diese scheinen beim Verkehr mit der jeweiligen Behörde auf. Für juristische und andere nicht natürliche Personen besteht die Stammzahl aus der Firmenbuchnummer, der Nummer im Zentralen Vereinsregister (ZVR-Zahl) oder der Ordnungsnummer im Ergänzungsregister, Ableitungen sind hier nicht vorgesehen. Stammzahlenregisterbehörde ist die Datenschutzkommission.

Die Authentizität eines elektronischen Anbringens wird mit einer in der "Bürgerkarte" enthaltenen elektronischen Signatur sichergestellt. Diese Signaturen sollen von privaten Anbietern bereit gestellt und verwaltet werden. BürgerInnen und UnternehmerInnen, die sich für eine "Bürgerkarte" entscheiden, müssen in diesem Sinn die Kosten für die Signaturverwaltung durch den Zertifizierungsdiensteanbieter in Form einer Jahresgebühr tragen. Dem gegenüber steht für sie der Kostenvorteil, dass Anbringen bei Behörden, die unter Verwendung der "Bürgerkarte" eingebracht werden, von Gebühren befreit sein werden.

Um elektronische Verfahren auch für Bürgerinnen und Bürger zugänglich zu machen, die selbst keine "Bürgerkarte" besitzen oder diese vorübergehend nicht gebrauchen können, werden Gemeinden und Bezirksverwaltungsbehörden dem Abänderungsantrag zufolge ermächtigt, stellvertretend für den Betroffenen/die Betroffene Anträge in bürgerkartentauglichen Verfahren zu stellen, und zwar unabhängig von ihrer sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit. Es bleibt allerdings den Gemeinden und Bezirksverwaltungsbehörden selbst überlassen, ob sie eine solche Dienstleistung offerieren.

Öffentliche Behörden sind im Übrigen nicht verpflichtet, das "Bürgerkarten"-Konzept als solches anzubieten, die Regierung hofft aber, dass es sich durch seine Qualität, Praktikabilität und generelle Einsetzbarkeit auf längere Sicht durchsetzt. Die "Bürgerkarte" wird auch im e-commerce einsetzbar sein, wobei hier der Datenschutz durch "wirtschaftsbereichsspezifische Personenkennzeichen" (wbPK) sichergestellt werden soll.

Mit dem so genannten "Standarddokumentenregister" will man die oftmals notwendige Beibringung von Urkunden wesentlich erleichtern. Es handelt sich dabei nicht um ein eigenes Register, vielmehr soll die Möglichkeit geschaffen werden, in anderen Registern, etwa im Zentralen Melderegister, elektronisch lesbar anzumerken, welche Daten durch Einsicht in die Originalurkunden überprüft wurden und daher als richtig anzusehen sind. Dadurch könnte in Hinkunft etwa die Vorlage der Geburtsurkunde und des Staatsbürgerschaftsnachweises, aber auch des Gewerbescheins durch eine elektronische Nachfrage im entsprechenden Register erfolgen. Um die Kosten für die Einrichtung des "Standarddokumentenregisters" zu decken, sind "Abfragegebühren" in Aussicht genommen.

Im Zustellgesetz werden nicht nur die Bestimmungen über die elektronische Zustellung von behördlichen Schriftstücke neu geregelt, es enthält nunmehr auch umfangreiche Regelungen für elektronische Zustelldienste. Demnach dürfen in Hinkunft nicht nur die Behörden selbst Dokumente elektronisch zustellen, der Bundeskanzler kann auch private elektronische Zustelldienste zulassen. Diese müssen sich - wie auch die Behörden - an detaillierte Zustell-Vorschriften halten, können aber ebenso, wenn sie wollen, weitere Dienstleistungen, insbesondere die nachweisbare Zusendung von Dokumenten im Auftrag von Privaten, erbringen. Da noch nicht absehbar ist, ab wann es für die elektronische Zustellung von Schriftstücken private Anbieter geben wird, ist laut Abänderungsantrag für eine gewisse Übergangszeit die Einrichtung eines behördlichen Zustelldienstes vorgesehen.

Die Regierung rechnet jedenfalls damit, dass die Kosten für elektronische Zustellungen mit Zustellnachweis nur einen Bruchteil der Kosten für eine Zustellung mit Zustellnachweis per Post betragen werden. Für die BürgerInnen und UnternehmerInnen bringt die elektronische Zustellung den Vorteil, dass sie sich das Abholen von hinterlegten Zustellstücken in Postämtern ersparen.

In Kraft treten soll das E-Government-Gesetz gemäß Abänderungsantrag am 1. März 2004, das Inkrafttreten der Bestimmungen über den elektronischen Dokumentennachweis (Standarddokumentenregister) wurde auf 1. Jänner 2005 verschoben. Dem Abänderungsantrag zufolge sollen darüber hinaus behördliche Internetauftritte, die Informationen anbieten oder Verfahren elektronisch unterstützen, spätestens bis 2008 so gestaltet sein, dass internationale Standards betreffend barrierefreien Zugang zu Websites für behinderte Menschen eingehalten werden. Dieser letzte Punkt wurde überdies durch eine Ausschussfeststellung präzisiert, derzufolge insbesondere neu konzipierte Internet-Auftritte möglichst sofort diesen Standards entsprechen sollen.

Ergänzend zu den Gesetzesänderungen wird in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage vermerkt, dass E-Government nur dann ins Gewicht fallende positive Auswirkungen entfalten kann, wenn effiziente Methoden der Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen den Gebietskörperschaften und sonstigen öffentlichen Stellen entwickelt werden.

NEUES GEBÄUDE- UND WOHNUNGSREGISTER UND NEUES ADRESSREGISTER KOMMEN

Im Zusammenhang mit dem E-Government-Gesetz beschlossen die Abgeordneten heute - einstimmig - auch die Einrichtung von zwei neuen Registern: einem Gebäude- und Wohnungsregister durch die Statistik Österreich und einem authentischen Adressregister im Grenzkataster.

Die Einrichtung des Gebäude- und Wohnungsregisters ist eine Voraussetzung dafür, dass die bisher alle zehn Jahre durch Befragung der Bevölkerung durchgeführten Volkszählungen künftig durch Registerzählungen ersetzt werden können. In einem eigenen Bundesgesetz über das Gebäude- und Wohnungsregister wird genau festgelegt, welche Daten im Register zu führen sind - z.B. Adresse, Art des Gebäudes, Bauperiode, Wohnungsanzahl, Wohnungsgrößen, Nutzungsart der Wohnung, Rechtsverhältnisse an der Wohnung, Bauvorhaben etc. -, wer Daten zur Verfügung zu stellen und wer Zugriffsrechte auf das Register hat. Identitätsdaten von Personen werden nicht erfasst, lediglich für Zwecke der Baustatistik werden vorübergehend Name und Adresse des jeweiligen "Bauherrn" erhoben. Erste Datenbasis für das Gebäude- und Wohnungsregister bildet das von der Statistik Österreich bereits geführte Gebäuderegister.

In den Erläuterungen zum Gesetzesantrag wird darauf hingewiesen, dass registerbasierte Zählungen wesentlich kostengünstiger sind als Großzählungen in der bisherigen Form, gleichzeitig würden die Bevölkerung und die mit der Zählungsabwicklung betrauten Organe nicht belastet. Das für Registerzählungen ebenfalls notwendige Zentrale Melderegister und das Bildungsstandregister sind bereits eingerichtet.

Das authentische Adressregister wird durch eine Änderung des Vermessungsgesetzes im Grenzkataster eingerichtet und sämtliche Grundstücks- und Gebäudeadressen umfassen. Es bildet künftig nicht nur die Basis für die korrekte Schreibweise von Adressen und für die Orientierungsnummernvergabe, sondern wird auch eine eindeutige räumliche Zuordnung der Adressen durch eine vorgesehene Geocodierung ermöglichen. Unterschiedliche Adressbestände von Behörden, Ämtern und Unternehmen sollen somit künftig der Vergangenheit angehören. Zudem wird das authentische Adressregister allen Behörden als Basis für ihre E-Government-Anwendungen zur Verfügung stehen.

Für die sowohl in Bezug auf das Gebäude- und Wohnungsregister als auch in Bezug auf das Adressregister erforderlichen Daten-Meldungen wird für die Gemeinden eine eigene Online-Applikation (Adress-GWR-Online) zur Verfügung stehen.

Basis für den Beschluss zur Einrichtung der beiden neuen Register bildete eine VP-FP-Antrag, der durch einen von den Koalitionsparteien bereits in der letzten Sitzung vorgelegten Abänderungsantrag noch geringfügig adaptiert wurde. So ist vorgesehen, im Gebäuderegister auch Gebäude und sonstige Baulichkeiten zu erfassen, die keine Adresse haben. Außerdem wurde, befristet bis 2007, festgelegt, dass Einnahmen für Abfragen aus dem Adressregister - nach Abzug des Aufwandes des Bundes für den laufenden Betrieb des Adressregisters - an die Gemeinden überwiesen werden. Einzelabfragen aus dem Adressregister sind laut Gesetzesantrag allerdings kostenlos, sofern sie nicht kommerziell verwertet werden.

In Form eines einstimmig gebilligten Entschließungsantrages ersuchen die Abgeordneten die Regierung darüber hinaus, im Interesse einer Nutzbarmachung aller in Österreich verfügbaren geographischen und raumbezogenen Daten für Bürger, Verwaltung und Wirtschaft ihre Bemühungen in Richtung einer gesamtösterreichischen Geodatenpolitik weiter fortzusetzen.

Seitens der SPÖ verwies Abgeordneter Johann Maier auf seiner Meinung nach wie vor bestehende datenschutzrechtliche Probleme und zog die Bürgerfreundlichkeit der Bürgerkarte in Zweifel. Nicht geklärt sei auch die Kostenfrage, meinte er, und zwar nicht nur die Kosten für die Bürger, sondern auch jene für die Gemeinden. Die SPÖ könne sich, so Maier, eine Zustimmung zum Gesetz vorstellen, allerdings müssten zuvor noch die beim Hearing vorgebrachten Vorschläge einiger Experten in das Gesetz eingearbeitet werden. Ein von ihm eingebrachter Antrag auf Vertagung der Beratungen wurde jedoch von den Koalitionsparteien abgelehnt.

Im Detail wies Maier darauf hin, dass die Verständlichkeit des Gesetzes nicht nur von den Oppositionsabgeordneten, sondern etwa auch vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag kritisiert worden sei. Er mahnte überdies verständliche Informationen für die Bürgerinnen und Bürger, etwa in Bezug auf die für den Einsatz der Bürgerkarte notwendige Hard- und Software, ein. Ein großes Problem im Bereich des Datenschutzes sieht Maier darin, dass die Daten zentral im Innenministerium verwaltet würden. Er fürchtet, dass sich eine etwaige Rasterfahndung auch auf bereichsspezifische Personenkennzeichen beziehen könnte.

Nicht ausreichend gewährleistet ist laut Maier zudem ein barrierefreier Zugang für Menschen mit Behinderungen zu behördlichen Internetauftritten. Überdies fehle in vielen ländlichen Regionen ein Breitbandzugang zum Internet.

Abgeordneter Wolfgang Neugebauer (V) erwartet sich vom E-Government-Gesetz positive Auswirkungen auf die Verwaltung und das Freiwerden von Ressourcen. Das Gesetz ist seiner Meinung nach aber nicht ausschließlich für die Verwaltung gedacht, sondern werde auch der Bevölkerung Zeit, Weg und Geld ersparen. Neugebauer verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass bereits 42 % aller Haushalte einen Internet-Anschluss hätten, mit steigender Tendenz. Es werden nicht alle Bürger die neuen Möglichkeiten nutzen, erklärte er, er rechne aber mit einer breiten Inanspruchnahme. Hinsichtlich des barrierefreien Zugangs zu behördlichen Internetseiten verwies er auf die Ausschussfeststellung.

Abgeordnete Gabriela Moser (G) unterstützte den Wunsch der SPÖ auf Vertagung der Beratungen und erklärte, sie sei immer noch skeptisch, was die Datenschutzaspekte und die Verständlichkeit des Gesetzes betreffe. Auch das Problem des Zugangs von Menschen mit Behinderungen zu elektronischen Behördenverfahren ist ihrer Auffassung nach durch den Abänderungsantrag und die Ausschussfeststellung nicht aus der Welt geschafft. Moser brachte in diesem Sinn einen eigenen Abänderungsantrag ein, der darauf abzielt, dass internationale Standards über die Web-Zugänglichkeit für behinderte Menschen bereits jetzt gesetzlich verankert werden und bestehende behördliche Internetauftritte bis spätestens 31. Dezember 2005 diesen Standards genügen müssen. Dieser Abänderungsantrag blieb bei der Abstimmung jedoch in der Minderheit.

Abgeordnete Elke Achleitner (F) meinte, es sei nicht notwendig, dass die Bürger das E-Government-Gesetz lesen könnten, wichtig sei vielmehr eine einfache Handhabung der Bürgerkarte. Dies ist ihr zufolge gewährleistet. Die Komplexität des Gesetzes ist für Achleitner nicht zuletzt dadurch bedingt, dass man größtmöglichen Datenschutz gewährleisten wolle. Sie erachtet es für erforderlich, schnell gesetzliche Rahmenbedingungen für E-Government zu schaffen.

Was die Kosten betrifft, betonte Achleitner, durch die Optimierung von Verwaltungsabläufen könne man sich in Zukunft sicher sehr viel Geld ersparen. Hinsichtlich der Zugänglichkeit verwies sie auf die Breitband-Initiative des Infrastrukturministeriums.

Staatssekretär Franz Morak wies darauf hin, dass Österreich im Bereich E-Government europaweit eine Spitzenposition einnehme. Österreich brauche dieses Gesetz jetzt und nicht später, bekräftigte er. Zum Thema Breitband merkte er an, derzeit gebe es noch kein E-Government-Verfahren, das Breitband verlange. Ausführlich auf die Bedenken der Opposition war Morak bereits zuvor im Anschluss an das Expertenhearing eingegangen. (Siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 39)

(Schluss)