Parlamentskorrespondenz Nr. 1486 vom 20.12.2022

Erhöhte Grundvergütungen für Zivil- und Grundwehrdiener erzielen Einstimmigkeit im Bundesrat

Kein Veto gegen AMA-Novelle zur Umgestaltung des Marketingbeitragssystems

Wien (PK) – Mit der einhelligen Zustimmung der Länderkammer nahmen sowohl das Wehrrechtsänderungsgesetz als auch eine Novelle des Zivildienstgesetzes heute ihre letzte parlamentarische Hürde. Zentrale Punkte beider Regierungsvorlagen stellen eine Erhöhung der Grundvergütung für Grundwehr- bzw. Zivildiener dar. Zudem bringt das Wehrrechtsänderungsgesetz weitere finanzielle Anreize sowie einen niederschwelligen Zugang zum Eignungstest, um das Bundesheer attraktiver zu machen. Mit der Zivildienstgesetz-Novelle müssen Wehrpflichtige künftig mindestens 21 Tage vor Erhalt des Einberufungsbefehls über diesen vorinformiert werden, um ihnen noch die Abgabe einer Zivildiensterklärung zu ermöglichen.

Außerdem befürworteten die Bundesrät:innen eine Novelle des AMA-Gesetzes. Damit werden künftig alle landwirtschaftlichen Produzenten durch eine Umgestaltung des Marketingbeitragssystems der Agrarmarkt Austria (AMA) ab 1. Jänner 2023 zur Finanzierung der AMA-Maßnahmen beitragen.

Einstimmigkeit für Wehrrechtsänderungsgesetz und Zivildienstgesetz-Novelle

Mit dem Wehrrechtsänderungsgesetz (WRÄG 2023) sollen die Bezüge von Grundwehrdienern künftig auf das Niveau der Mindestsicherung angehoben werden. Laut Regierungsvorlage bedeutet das konkret eine Anhebung der Grundvergütung von 124,22 € auf 261,97 € und der erhöhten Grundvergütung während der Heranziehung zu einem Einsatz von 434,36 € auf 572,11 €. Auch Anreize für einen darüber hinausgehenden Einsatz im Bundesheer sollen geschaffen werden. Zudem soll künftig für jegliche entgeltliche Mitbenutzung einer Wohnung ein Anspruch auf Wohnkostenbeihilfe bestehen. Durch ein niederschwelliges Angebot an freiwilligen Eignungstests, die auch außerhalb des Wehrdienstes und ohne unmittelbare Rechtswirkung stattfinden können, soll die Personalsuche für das Bundesheer erleichtert werden. Eine weitere wehrgesetzliche Anpassung betrifft die Angleichung der Dauer des Ausbildungsdienstes von Frauen an jene der Wehrpflicht für Männer. Im Heeresdisziplinargesetz sind Änderungen bei der Regelung der Zusammensetzung des Disziplinarsenats vorgesehen.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner rekapitulierte die Herausforderungen der letzten Jahre als Zeitenwende. Das Bundesheer habe in dieser Zeit als einzige Institution einen enormen Vertrauenszuwachs erlebt, strich sie hervor. Im Zentrum stehen dabei die Menschen, so Tanner, die auch auf eine dreimalige Budgeterhöhung in den letzte Jahren hinwies. Die Basis für Soldat:innen stellen die Grundwehrdiener dar, bezeichnete sie die nunmehrige erstmalige Erhöhung der Grundvergütungen nach fast zehn Jahren als einen finanziellen Meilenstein.

Eine Erhöhung der Grundvergütung soll es auch für Zivildiener geben. Laut Novelle des Zivildienstgesetzes soll diese ab 2023 von monatlich 362,60 € auf 500 € angehoben werden. Das Zivildienstgeld, das bestimmte Rechtsträger vom Bund erhalten, soll annähernd um denselben Betrag (140 €) steigen. Das betrifft etwa Rettungsorganisationen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, Alten- und Pflegeheime sowie die Flüchtlings- und die Katastrophenhilfe, die künftig eine monatliche Ausgleichszahlung in der Höhe von 740 € bzw. 550 € je Zivildiener bekommen. Außerdem verzichtet der Bund auf jene 130 €, die derzeit von nicht begünstigten Zivildienstorganisationen bzw. für über das Kontingent hinausgehende Zivildiener zu leisten sind. Die Kosten für das Maßnahmenpaket werden mit 16 Mio. € pro Jahr veranschlagt, wobei 12 Mio. € davon aus höheren Ausgaben und 4 Mio. € aus Einnahmenausfällen resultieren.

Zudem ist vorgesehen, dass Wehrpflichtige mindestens 21 Tage vor Erhalt des Einberufungsbefehls über diesen vorinformiert werden. Damit soll ihnen noch die Möglichkeit zur Abgabe einer Zivildiensterklärung gegeben werden. Darüber hinaus sieht die Regierungsvorlage ergänzende Adaptierungen vor, damit die Administration bestimmter finanzieller Ansprüche von Zivildienern wie der Wohnkostenbeihilfe weiterhin beim Heerespersonalamt bleibt.

Es sei ihr und Ministerin Tanner wichtig, gerade in diesen Krisenzeiten eine solche Erhöhung zu schaffen, so Staatssekretärin Claudia Plakolm. Sie bedeute fast 50 % mehr Grundvergütung für Grundwehr- und Zivildiener. Zivildienst sei außerdem immer auch ein Türenöffner für nachfolgende ehrenamtliche Betätigung und führe auch dazu, dass mehr junge Männer in Berufsfelder kämen, die sonst sehr weiblich besetzt seien.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine habe einen Bewusstseinsbildungsprozess gestartet, der – bei allen "unfassbaren Folgen" des Krieges - nun für das Bundesheer positiv genutzt werden könne, meinte Bernhard Hirczy (ÖVP/B). Der "richtungsweisende Budgetbeschluss" für 2023 habe die Möglichkeit geschafft, in Kasernen, Geräte und Ausrüstung zu investieren. Wichtig seien allerdings vor allem die Soldat:innen, die nun die ihnen zustehende Anerkennung erhalten würden, so Hirczy. Doch auch Zivildiener brächten sich für die Republik ein und ohne sie sei das "Sozialsystem wie wir es kennen" nicht aufrecht zu erhalten. Als "Stütze der Gesellschaft" bezeichnete auch Elisabeth Kittl (Grüne/W) die Grundwehr- und Zivildiener. Durch die Erhöhungen, zu denen unter anderem auch das Klimaticket zähle, würde die Summe mehr als die Mindestsicherung ausmachen. Gerade was das Heer betrifft, seien aber zudem die Frauenförderungsmaßnahmen ein wesentlicher Punkt der Novelle, so Kittl.

Aus Sicht von Daniel Schmid (SPÖ/T) werde das Mindestsicherungsniveau mit den Erhöhungen nicht erreicht, wie er kritisch anmerkte. Insgesamt sei das Bundesheer über Jahrzehnte kaputtgespart worden. Die vorliegenden Änderungen im Wehrrechtsgesetz können für ihn nur ein erster Schritt sein, wenn es darum geht, motivierte Soldat:innen zu gewinnen und zu halten. Er begrüße aber etwa die Wohnkostenbeihilfe und insgesamt die Erhöhungen für Grundwehr- und Zivildiener, auch wenn es ihm zufolge zur Auftragserfüllung noch viel mehr brauche.

Den Sold zu erhöhen sei ein Schritt in die richtige Richtung, meinte auch Markus Leinfellner (FPÖ/St), ebenso wie die Angleichung der Wohnkostenbeihilfe. Ob das Klimaticket gut investiert sei, wage er mit Blick auf etwaige bessere Entschädigungsmodelle zu bezweifeln. Darüber hinaus kritisierte er, dass Offiziere trotz abgeschlossenen Studiums schlechter besoldet seien als alle anderen Bediensteten mit Bachelor-Studium im öffentlichen Dienst. Etwa auch bei Stabsunteroffizieren gebe es bis heute keine Angleichung, was das Gehaltsschema betrifft.

Die vorliegenden Erhöhungen seien überfällig und richtig, so Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W), er sprach sich aber für weitere Maßnahmen aus. So brauche es eine Verbesserung der Auslandsbezüge, zumal es deutlich weniger Auslandseinsätze als die Sollzahl gebe. Dazu müsse man etwa mit den "endlosen" Assistenzeinsätzen im Inland aufhören und bessere Rahmenbedingungen setzen, sich international zu engagieren.

AMA-Gesetz: Erweiterung der Beitragsbasis beim Agrarmarketingbeitragssystem

Mehrheitlich stimmten die Bundesrät:innen für eine Novelle des AMA-Gesetzes. Dabei sollen durch eine Umgestaltung des Marketingbeitragssystems der AMA ab 1. Jänner 2023 alle landwirtschaftlichen Produzenten zur Finanzierung der AMA-Maßnahmen beitragen. Mit der Novelle reagiert die Bundesregierung auf eine Empfehlung des Rechnungshofs, die Aufbringung der Mittel auf eine breitere Basis zu stellen. Dies erfolgt durch die Einführung eines allgemeinen Flächenbeitrags neben den bisherigen produktbezogenen Beiträgen.

Zur bestmöglichen Bewerbung der qualitativ hochwertigen Lebensmittel der österreichischen Bäuerinnen und Bauern brauche es ein effizientes und leistungsstarkes Marketing, erklärte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig. Das Beitragssystem sei seit 1995 nicht mehr angepasst worden.  Sine Anpassung wäre notwendig, um weiter effizient werben zu können. Dies ermögliche ein modernes Agrar-Marketing, so Totschnig.

Die AMA sei ein erfolgreiches Konzept, um Produkte zu bewerben und den Absatz zu fördern, betonte Elisabeth Wolff (ÖVP/W) mit Verweis auf das hohe Vertrauen der Bevölkerung in das AMA-Gütesiegel. Die Politik habe die Verpflichtung, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und da sei die Förderung der Landwirtschaft eine Grundvoraussetzung.

Die Landwirt:innen hätten es sich verdient, dass das Gesetz nicht "durchgepeitscht" werde, gehe es doch um deren Existenz, kritisierte Nicole Riepl (SPÖ/K) ein zu kurzes Begutachtungsverfahren. Insgesamt gebe es keine Weiterentwicklung der AMA hinsichtlich Tierwohl, Nachhaltigkeit sowie pestizid- und gentechnikfreier Landwirtschaft.

In der Novelle seien die Empfehlungen des Rechnungshofs unzureichend umgesetzt worden, bemängelte Michael Bernard (FPÖ/N) und erneuerte die FPÖ-Forderungen nach einer besseren Unterstützung der Landwirt:innen, nach einer lückenlosen Herkunftskennzeichnung bei Lebensmitteln und nach einer besseren Kontrolle und Transparenz der AMA.

Angesichts des Verdrängungswettbewerbs im Lebensmitteleinzelhandel zu Lasten der Landwirtschaft sei die AMA ein Gegengewicht, betonte Maria Huber (Grüne/St) und appellierte für einen bewussteren Umgang mit Lebensmitteln und gegen Lebensmittel-Verschwendung. (Fortsetzung Bundesrat) mbu/wit/pst

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