Parlamentskorrespondenz Nr. 115 vom 14.02.2024

EU-Ausschuss des Bundesrats: Belgischer Ratsvorsitz will vor EU-Wahl noch möglichst viele Dossiers voranbringen

Debatte über Zukunftsfragen der Europäischen Union mit belgischer Botschafterin

Wien (PK) – Der belgische EU-Ratsvorsitz steht unter dem Motto "Schützen. Stärken. Vorausschauen" und beinhaltet sechs prioritäre Handlungsfelder. Die belgische Botschafterin Caroline Vermeulen präsentierte heute im EU-Ausschuss des Bundesrats das Programm für den EU-Ratsvorsitz Belgiens im ersten Halbjahr 2024 und stand den Bundesrät:innen für ihre Fragen zur Verfügung.

Die sechs Schwerpunktfelder der belgischen EU-Ratspräsidentschaft umfassen die Verteidigung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Einheit, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, das Anstreben eines "grünen und gerechten Übergangs", die Stärkung der Sozial- und Gesundheitsagenda, den Schutz von Menschen und Grenzen sowie die Förderung eines globalen Europas. Der offizielle Sitzungskalender ist mit 496 offiziellen und informellen Veranstaltungen gefüllt. Eine Priorität liegt auf der Beteiligung von Bürger:innen, geplant ist ein Bürgerpanel zum Thema künstliche Intelligenz.

Zeitdruck am Ende der Legislaturperiode

Es sei dies bereits der 13. belgische EU-Ratsvorsitz, der dieses Mal in die Schlussphase einer Legislaturperiode falle, sagte Botschafterin Caroline Vermeulen. Der Druck sei daher groß, wichtige Themen noch vor der EU-Wahl zu beschließen, denn bereits Ende April finde die letzte Sitzung des EU-Parlaments in dieser Legislaturperiode statt. Die belgische Präsidentschaft stehe zudem im Kontext der großen aktuellen Herausforderungen für die EU und ihre Mitgliedsstaaten, insbesondere der Aggression Russlands gegen die Ukraine, extreme Klimaereignisse, Desinformation und einem erneuten Konflikt im Nahen Osten. Im Hinblick auf die Zukunft der Europäische Union und der Sicherheit in Europa sei die Frage der EU-Erweiterung ein zentrales Thema. Die Integration der Länder des Westbalkans, der Ukraine und von Moldau müsse schrittweise und mit strenger Konditionalität erfolgen, so Vermeulen, dies sei im Interesse der Glaubwürdigkeit des Erweiterungsprozesses. Dazu brauche es einen Fahrplan, der auch sicherstelle, dass die EU "fit" für eine neuerliche Erweiterung werde.

Auf die Nachfrage von Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S) zu den aktuellen Maßnahmen zum Vorantreiben der EU-Erweiterung sagte Botschafterin Vermeulen, dass kürzlich eine Beitrittskonferenz mit Montenegro stattgefunden habe. Zudem werde ein neuer Bericht über die Fortschritte der Beitrittskandidaten Ukraine, Moldawien sowie Bosnien und Herzegowina erwartet. Vermeulen erinnerte daran, dass die große EU-Erweiterung von 2004 in diesem Jahr ihren 20. Jahrestag habe und dies ein guter Anlass sei, um in die Vergangenheit sowie in die Zukunft der Union zu blicken.

Weiters fragte Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S) die belgische Botschafterin, ob es im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine eine Bewegung in Richtung Friedensverhandlungen gebe. Dies hänge von der Entwicklung der Situation sowie von der Ukraine selbst ab, sagte Vermeulen. Auf EU-Ebene seien weitere Schritte im Hinblick auf eingefrorene russische Vermögenswerte geplant, auch ein weiteres Sanktionspaket sei möglich. Im Kontext des EU-Erweiterungsprozesses werde mit der Ukraine über Reformen gesprochen.

Nach dem aktuellen Stand der Verhandlungen zum Mercosur-Abkommen erkundigte sich Bettina Lancaster (SPÖ/OÖ). Dazu habe es im Jänner intensive Verhandlungen gegeben, anhaltende Bauernproteste in Europa würden jedoch die Thematik in ein neues Licht stellen und den Verhandlungsprozess verlangsamen, sagte Botschafterin Vermeulen. Sie rechne daher nicht damit, dass es bei diesem Thema während der Zeit des belgischen Vorsitzes viel Fortschritt geben werde.

Marco Schreuder (Grüne/W) wollte wissen, welche Initiativen zum Green Deal noch in dieser Legislaturperiode zu erwarten seien. Zudem fragte er nach der Zusammenarbeit mit Ungarn zum Thema Rechtsstaatlichkeit im Hinblick auf den ungarischen Ratsvorsitz im 2. Halbjahr 2024. Es werde derzeit an einer Richtlinie zur Verbesserung der Luftqualität sowie an der Verordnung zur Verschärfung der CO2-Emissionsnormen für neue schwere Nutzfahrzeuge gearbeitet, sagte Vermeulen. Sie sei zuversichtlich, dass sich Ungarn während seines Ratsvorsitzes in seiner Rolle als "ehrlicher Makler" für die gemeinsamen Ziele einsetzen werde. Der Artikel-7-Dialog mit Ungarn werde kurz vor der Übernahme des ungarischen Ratsvorsitzes stattfinden.

Claudia Arpa (SPÖ/K) erkundigte sich nach der belgischen Position zur geplanten Lieferketten-Richtlinie. Botschafterin Caroline Vermeulen sagte, dass es sich dabei auch in Belgien um ein sensibles und heikles Thema handle. Es gehe darum, dass Konsument:innen sicher sein können, dass die Produkte, die sie kaufen, unter Einhaltung der Menschenrechte und Umweltstandards hergestellt wurden. Dies sei mit einer Last für Unternehmen verbunden. Belgien versuche daher als Vorsitzland in der Rolle des "ehrlichen Vermittlers" ein Gleichgewicht der Interessen zu suchen. Die Diskussionen würden derzeit noch andauern. Es handle sich um eine wichtige Richtlinie, doch die Sorgen aller müssten angesprochen und gehört werden, so Vermeulen.

Ferdinand Tiefnig (ÖVP/OÖ) verwies auf die Vielzahl der Rechtsakte, die für den Green Deal geändert werden müssen und auf die damit großen Herausforderungen insbesondere für die Landwirtschaft, die auch durch Billigimporte aus dem Ausland unter Druck sei. Es müsse in der Landwirtschaft ein Gleichgewicht zwischen Einkommenssicherheit und grünen Themen hergestellt werden, sagte Vermeulen. Aus EU-Perspektive gehe es um nachhaltige Nahrungsmittel- und Versorgungssicherheit in der gemeinsamen Agrarpolitik.

Andreas Arthur Spanring (FPÖ/NÖ) wollte wissen, wie es um die Versorgungssicherheit mit Gas stehe und welche Themen unbedingt vor der EU-Wahl und damit vor einer "Verschiebung der Kräfte" noch beschlossen werden sollen. Die Versorgungssicherheit mit Gas sei seit dem Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine ein Thema im EU-Programm, sagte Vermeulen. Es gehe einerseits darum, die Versorgung sicherzustellen, aber auch für die Leistbarkeit und damit für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit zu sorgen. Im Hinblick auf das baldige Ende der Legislaturperiode gebe es die Bestrebung, noch so viele Dossiers wie möglich vor der EU-Wahl abzuschließen, da es nach der Wahl einige Zeit dauern werde, bis sich die neue Kommission gebildet haben werde. Die Welt rund um die Union werde aber "nicht stehen bleiben", daher sei es wichtig, jetzt noch so viele Initiativen wie möglich auf den Weg zu bringen, so Vermeulen. (Fortsetzung EU-Ausschuss des Bundesrats) bea


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