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Plenarsitzung

des Bundesrates

Stenographisches Protokoll

 

946. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 20. Oktober 2022

 

 

 

 

Großer Redoutensaal


Stenographisches Protokoll

946. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 20. Oktober 2022

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 20. Oktober 2022: 9.00 – 22.33 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Fami­lien­lastenausgleichsgesetz 1967 und das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert werden (Teuerungs-Entlastungspaket Teil II)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Energiekostenausgleichsgesetz 2022 geän­dert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunter­richtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbe­reitungslehrgänge, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz und das Gesund­heits- und Krankenpflegegesetz geändert werden

4. Punkt: Vereinbarung gemäß Artikel 15a Abs. 1 B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Digital Sciences Austria samt Anlagen (IDSA-Vereinbarung

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz,


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das Allgemeine Pensionsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundesthe­ater­pen­­sionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (Pensionsan­pas­sungsgesetz 2023 – PAG 2023)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversiche­rungsgesetz 1977, das Studienförderungsgesetz 1992, das Kinderbetreu­ungs­geldgesetz, das Familienzeitbonusgesetz, das Familienlastenaus­gleichsge­setz 1967 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (Teuerungs-Entlas­tungs­paket III)

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfall­versicherungsgesetz geändert werden

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geän­dert wird

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Zahnärztegesetz und das Zahnärzte­kam­mergesetz geändert werden


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14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz, das Landarbeitsge­setz 2021 und das Heimarbeitsgesetz 1960 geändert werden

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundesminister für Digitalisierung und Wirt­schaftsstandort genehmigt wird, und das Bundesgesetz über einen Energie­kos­tenzuschuss für energieintensive Unternehmen (Unternehmens-Energiekos­tenzuschussgesetz – UEZG) geändert werden

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Härtefallfondsgesetz geändert wird

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Maschinen – Inverkehrbringungs- und NotifizierungsG (MING), das Elektrotechnikgesetz 1992 – ETG 1992, das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG und die Gewer­beordnung 1994 – GewO 1994 geändert werden

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird

22. Punkt: Bundesgesetz über die befristete Einführung eines Stromkosten­zu­schusses für Haushaltskundinnen und Haushaltskunden (Stromkosten­zuschuss­gesetz – SKZG)

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird

24. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Meldegesetz 1991 geändert wird


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Inhalt

Bundesrat

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung:

Christoph Steiner ........................................................................................  60, 64

Karl Bader ................................................................................................................     61

Stefan Schennach ....................................................................................................     62

Ersuchen des Bundesrates Stefan Schennach um Sitzungsunterbrechung .....  202

Unterbrechung der Sitzung ....................................................................................  202

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Präsidentin Korinna Schumann .........................................  426

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ........................  427

Personalien

Verhinderungen ......................................................................................................     21

Aktuelle Stunde (100.)

Thema: „Neue Gemeinsame Agrarpolitik ab 2023 – ein Zukunftsprogramm für unsere Bäuerinnen und Bauern“ ....................................................................     21

Redner:innen:

Elisabeth Wolff, BA ..................................................................................................     22

Günter Kovacs ..........................................................................................................     25

Michael Bernard .......................................................................................................     29

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .......................................................................................     33

Bundesminister Mag. Norbert Totschnig, MSc ..........................................  36, 53


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Ferdinand Tiefnig .....................................................................................................     41

Nicole Riepl ...............................................................................................................     44

Markus Steinmaurer ................................................................................................     46

Marco Schreuder ......................................................................................................     48

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................     50

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ...........................................................................................................  57, 58

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ...................................................................     60

Ausschüsse

Zuweisungen ............................................................................................  55, 427

Dringliche Anfragen

der Bundesrät:innen Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Daseinsvorsorge in Gefahr – Herr Finanzminister, was tun Sie für die Städte und Gemeinden in der Teue­rungskrise?“ (4040/J-BR/2022) ............................................................................  237

Begründung: Mag. Bettina Lancaster ...................................................................  237

Staatssekretär Florian Tursky, MSc MBA ..............................................................  241

Debatte:

David Egger-Kranzinger ..........................................................................................  248

Otto Auer .................................................................................................................  253

Josef Ofner ...............................................................................................................  257


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 6

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  261

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................  264

Dominik Reisinger ....................................................................................................  268

Günter Pröller ...........................................................................................................  271

Ingo Appé .................................................................................................................  274

Sebastian Kolland ....................................................................................................  278

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................  281

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen David Egger-Kranzinger, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Preisdeckel für Gas und Strom und Übergewinnsteuern für Energiekonzerne“ – Ablehnung .................  253, 283

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Rückzahlung der Impfprämien durch die Gemeinden“ – Ablehnung ....................................................................  261, 283

der Bundesrät:innen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­des­minister für Inneres betreffend „‚Land unter‘ in der Migrationskrise“ (4041/J-BR/2022) ..................................................................................................  283

Begründung: Josef Ofner ........................................................................................  284

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ..........................................................  297

Debatte:

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................  317

Silvester Gfrerer .......................................................................................................  326

Günter Kovacs ..........................................................................................................  329

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................  332

Marlies Steiner-Wieser ............................................................................................  336

Christoph Steiner ....................................................................................  342, 360

Stefan Schennach ....................................................................................................  353

Dr. Johannes Hübner ...............................................................................................  357


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 7

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmenpaket zur Deattraktivierung Öster­reichs als Zielland für illegale Wirtschaftsmigranten und Scheinasylanten“ – Ablehnung ..............................................................................................  350, 361

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Entlassung des Bundesministers für Inneres Mag. Gerhard Karner“ – Ablehnung ...................................................  351, 361

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert werden (Teuerungs-Entlastungspaket Teil II) (1662 d.B. und 1702 d.B. sowie 11098/BR d.B.) ..........................................................................     66

Berichterstatter: Otto Auer ...................................................................................     66

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energiekostenausgleichsgesetz 2022 geän­dert wird (2812/A und 1703 d.B. sowie 11099/BR d.B.) .................................     66

Berichterstatter: Otto Auer ...................................................................................     66

Redner:innen:

Mag. Elisabeth Grossmann ......................................................................................     67

Mag. Franz Ebner .....................................................................................................     72

Dr. Johannes Hübner ...............................................................................................     74

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................     79

David Egger-Kranzinger ..........................................................................................     83

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................     86

Stefan Schennach ....................................................................................................     89


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Mag. Christine Schwarz-Fuchs ...............................................................................     93

Bundesminister Dr. Magnus Brunner, LL.M. ..........................................................     98

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Dr. Johannes Hübner, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend „Optimierungsbedarf bei den Maßnahmen zur Bekämpfung der ‚kalten Progression‘“ – Ablehnung ..........................  76, 104

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Dr. Johannes Hübner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Ausweitung der Anspruchsberechtigten beim Energiekostenausgleich“ – Ablehnung .................................................  78, 105

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gezielte Hilfe in der Teuerungskrise statt Steuer­geschenke für Spitzenverdiener*innen“ – Ablehnung ........................  91, 105

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................  104

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................  105

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunter­richtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz und das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert werden (1696 d.B. und 1742 d.B. sowie 11097/BR d.B.) ..................................................................  105

Berichterstatter: Sebastian Kolland ......................................................................  106

Redner:innen:

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ...............................................................................  106

Doris Hahn, MEd MA ...............................................................................................  109

Christoph Steiner .....................................................................................................  112


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MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  115

Korinna Schumann ..................................................................................................  118

Bundesminister Dr. Martin Polaschek ....................................................................  119

Andrea Michaela Schartel .......................................................................................  122

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  123

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2022 betreffend eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a Abs. 1 B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Insti­tute of Digital Sciences Austria samt Anlagen (IDSA-Vereinbarung) (1676 d.B. und 1706 d.B. sowie 11088/BR d.B.) ..................................................................  123

Berichterstatterin: Barbara Tausch .......................................................................  123

Redner:innen:

Doris Hahn, MEd MA ...............................................................................................  124

Alexandra Platzer, MBA ..........................................................................................  128

Günter Pröller ...........................................................................................................  129

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................  131

Bundesminister Dr. Martin Polaschek ....................................................................  134

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  136

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungs­gesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 10

Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geän­dert werden (Pensionsanpassungsgesetz 2023 – PAG 2023) (2810/A und 1721 d.B. sowie 11073/BR d.B. und 11080/BR d.B.) .......................................  136

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  136

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geän­dert wird (2811/A und 1722 d.B. sowie 11081/BR d.B.) .........................  136

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  136

Redner:innen:

Horst Schachner .......................................................................................................  137

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................  140

Markus Leinfellner ...................................................................................................  142

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler .................................................................................  145

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................  148

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  149

Ernest Schwindsackl ................................................................................................  151

Marlies Steiner-Wieser ............................................................................................  154

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 5, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................  155

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 6, 1. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................................................  156

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 11

Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitslosenver­sicherungsgesetz 1977, das Studienförderungsgesetz 1992, das Kinder­be­treuungsgeldgesetz, das Familienzeitbonusgesetz, das Familienlastenaus­gleichsgesetz 1967 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (Teuerungs-Entlastungspaket III) (1663 d.B. und 1678 d.B. sowie 11082/BR d.B.) .......................................................................................................  157

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  157

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird (1679 d.B. sowie 11083/BR d.B.) .........................................................................  157

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  157

Redner:innen:

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  158

Florian Krumböck, BA ..............................................................................................  161

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................  164

Marlies Steiner-Wieser ............................................................................................  168

Heike Eder, BSc MBA ...............................................................................................  170

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  173

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wir lassen kein Kind zurück – Kin­der­armut endlich langfristig bekämpfen!“ – Ablehnung ........................  167, 176

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 7, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  176

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 8, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  177

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 12

Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversiche­rungs­ge­setz, das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (2794/A und 1682 d.B. sowie 11084/BR d.B.) ..........................................................................  177

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  177

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  178

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfall­versicherungsgesetz geändert werden (2830/A und 1713 d.B. sowie 11100/BR d.B.) .......................................................................................................  178

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  179

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geän­dert wird (1714 d.B. sowie 11101/BR d.B.) ...............................................  178

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  179

Redner:innen:

Ingo Appé .................................................................................................................  179

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................  181

Markus Leinfellner ..................................................................................  183, 188

Johanna Miesenberger ............................................................................................  185

Andrea Michaela Schartel .......................................................................................  190

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 10, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  191


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 13

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 11, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  191

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird (2795/A und 1718 d.B. sowie 11102/BR d.B.) .........................................  192

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  192

Redner:innen:

Ingo Appé .................................................................................................................  192

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................  195

Dr. Karlheinz Kornhäusl ..........................................................................................  197

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  199

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekam­mergesetz geändert werden (1657 d.B. und 1719 d.B. sowie 11103/BR d.B.) ....  200

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  200

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  200

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz, das Landarbeitsgesetz 2021 und das Heimarbeitsgesetz 1960 geändert werden (2793/A und 1683 d.B. sowie 11076/BR d.B. und 11085/BR d.B.) .........................................................  201

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ..................................................................  201

Redner:innen:

Mag. Sascha Obrecht .............................................................................  203, 210

Marco Schreuder ......................................................................................................  206


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 14

Marlies Steiner-Wieser ............................................................................................  207

Sonja Zwazl ..............................................................................................................  209

Karl Bader .................................................................................................................  211

Stefan Schennach ....................................................................................................  212

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................  213

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  214

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (2796/A und 1685 d.B. sowie 11086/BR d.B.) .........................  214

Berichterstatter: Mag. Franz Ebner .......................................................................  214

Redner:innen:

Marco Schreuder ......................................................................................................  215

Barbara Tausch ........................................................................................................  216

Korinna Schumann ..................................................................................................  220

Markus Steinmaurer ................................................................................................  223

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  224

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird (2720/A und 1688 d.B. sowie 11087/BR d.B.) .........................................  224

Berichterstatterin: Heike Eder, BSc MBA .............................................................  224

Redner:innen:

Mag. Sascha Obrecht ..............................................................................................  225

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .......................................................................................  227

Günter Pröller ...........................................................................................................  228

Martin Preineder ......................................................................................................  230


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 15

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  231

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundesminister für Digitalisierung und Wirt­schaftsstandort genehmigt wird, und das Bundesgesetz über einen Energie­kostenzuschuss für energieintensive Unternehmen (Unternehmens-Ener­giekostenzuschussgesetz – UEZG) geändert werden (2829/A und 1732 d.B. sowie 11090/BR d.B.) ............................................................................................  232

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ................................................................  232

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Härtefallfondsgesetz geändert wird (2838/A und 1734 d.B. sowie 11074/BR d.B. und 11091/BR d.B.) ...............................  232

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ................................................................  232

Redner:innen:

Andrea Kahofer ........................................................................................................  233

Mag. Christian Buchmann .......................................................................................  362

Michael Bernard .......................................................................................................  365

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .......................................................................................  369

Markus Steinmaurer ................................................................................................  371

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmenpaket zur dringenden Entlastung des heimischen Transportgewerbes“ – Ablehnung .................................  368, 373

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 17, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  372


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 16

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 18, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  373

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maschinen – Inverkehrbringungs- und NotifizierungsG (MING), das Elektrotechnikgesetz 1992 – ETG 1992, das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG und die Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994 geändert werden (1673 d.B. und 1729 d.B. sowie 11092/BR d.B.) ..........................................................................  373

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ........................................................  374

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (1674 d.B. und 1730 d.B. sowie 11075/BR d.B. und 11093/BR d.B.) ............  374

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ........................................................  374

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird (1675 d.B. und 1731 d.B. sowie 11094/BR d.B.) ..................................................................  374

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ........................................................  374

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 19, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............  375

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 20, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............  376

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 21, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  376


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 17

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz über die befristete Einführung eines Stromkosten­zu­schusses für Haushaltskundinnen und Haushaltskunden (Stromkosten­zu­schussgesetz – SKZG) (2827/A und 1727 d.B. sowie 11078/BR d.B. und 11095/BR d.B.) .......................................................................................................  376

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .....................................................  376

Redner:innen:

Florian Krumböck, BA ..............................................................................................  377

Günther Novak .........................................................................................................  383

Markus Steinmaurer ................................................................................................  386

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................  388

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ..............................................................  391

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  394

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird (2828/A und 1728 d.B. sowie 11079/BR d.B. und 11096/BR d.B.) .......  394

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .....................................................  394

Redner:innen:

Ing. Isabella Kaltenegger .........................................................................................  395

Günther Novak .........................................................................................................  397

Michael Bernard .......................................................................................................  398

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................  403

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ..............................................................  406

Dr. Peter Raggl .........................................................................................................  408

Markus Steinmaurer ................................................................................................  412


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 18

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .......................................................  413

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Meldegesetz 1991 geändert wird (1525 d.B. und 1707 d.B. sowie 11077/BR d.B. und 11089/BR d.B.) ...............................  413

Berichterstatter: Silvester Gfrerer .........................................................................  414

Redner:innen:

Josef Ofner ...............................................................................................................  414

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ...............................................................................  417

Dominik Reisinger ....................................................................................................  419

Marco Schreuder ......................................................................................................  420

Josef Ofner (tatsächliche Berichtigung) ................................................................  423

Christoph Steiner .....................................................................................................  424

Karl Bader .................................................................................................................  425

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  426

Eingebracht wurden

Antrag der Bundesrät:innen

Markus Steinmaurer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nichtbesteuerung von Überstunden-Zuschläge (359/A(E)-BR/2022)

Anfragen der Bundesrä:innen

Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Wochengeldfalle ist europarechtswidrig – Ansprüche Schwangerer sichern! (4038/J-BR/2022)


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 19

Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Wochengeld­falle ist europarechtswidrig – Ansprüche Schwangerer sichern! (4039/J-BR/2022)

Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Daseinsvorsorge in Gefahr – Herr Finanzminister, was tun Sie für die Städte und Gemeinden in der Teuerungskrise? (4040/J-BR/2022)

Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend „Land unter“ in der Migrationskrise (4041/J-BR/2022)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Verwendung von in ihrer Haltbarkeit nachträglich verlängerten Impfdosen-Folgeanfrage (4042/J-BR/2022)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend mögliche sexuelle Übergriffe im Grazer Kindergarten Schönbrunn­gasse (4043/J-BR/2022)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend möglicher sexueller Übergriffe am Grazer Kindergarten Schönbrunn­gasse (4044/J-BR/2022)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Verschiebung von Spitalsbehandlungen in burgenländischen AUVA-Krankenanstalten (4045/J-BR/2022)

Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Verschie­bung von Spitalsbehandlungen in niederösterreichischen AUVA-Kranken­an­stalten (4046/J-BR/2022)


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Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Verschiebung von Spitalsbehandlungen in Vorarlberger AUVA-Krankenanstalten (4047/J-BR/2022)

Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Ver­schiebung von Spitalsbehandlungen in Salzburger Krankenanstalten (4048/J-BR/2022)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Verschiebung von Spitalsverhandlungen in Tiroler AUVA-Krankenanstalten (4049/J-BR/2022)

Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend weiteren Ausbau der Nordautobahn A5 bis Drasenhofen (4050/J-BR/2022)

Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Obergrenze für den Spritpreis in Österreich (4051/J-BR/2022)

Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Daseinsvorsorge in Gefahr – Herr Finanzminister, was tun Sie für die Städte und Gemeinden in der Teuerungskrise? (4052/J-BR/2022)

 


 


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 21

09.00.54Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Korinna Schumann, Vizepräsident Bernhard Hirczy, Vizepräsident Günther Novak.

09.00.55*****


Präsidentin Korinna Schumann: Schönen guten Morgen! Ich eröffne die 946. Sit­zung des Bundesrates.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 945. Sitzung des Bun­des­rates vom 6. Oktober 2022 sind aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Elisabeth Mattersberger und Eva Prischl.

09.01.20Aktuelle Stunde


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Neue Gemeinsame Agrarpolitik ab 2023 – ein Zukunftsprogramm für unsere Bäuerinnen und Bauern“

mit Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Was­serwirtschaft Mag. Norbert Totschnig, den ich herzlich willkommen heißen darf. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner, eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein Redner, eine Rednerin der Fraktionen sowie anschließend ein Redebeitrag des Bundesrates ohne Fraktion mit einer Redezeit von jeweils 5 Minuten. Zuletzt kann noch eine abschließende


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Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. Ich erteile es ihr und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte.


9.02.39

Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher, auch auf der Galerie! Am 13. September 2022 hat die Europäische Kommission den GAP-Strategieplan Österreichs genehmigt, und somit zählt Österreich auch dieses Mal wieder zu den ersten Mitgliedstaaten, die eine Genehmigung für die nationalstaatliche Umsetzung der gemeinschaftlichen Agrarpolitik erhalten haben.

Der nationale GAP-Strategieplan für die Periode 2023 bis 2027 umfasst 98 Interventionen sowie ein Mittelvolumen von rund 8,8 Milliarden Euro. Das befürchtete finanzielle Minus für Österreich konnte somit durch erfolgreiche Verhandlungen in ein Plus umgewandelt werden. Insgesamt gibt es für die Land­wirtschaft mehr EU-Mittel als bisher, vor allem für die ländliche Ent­wicklung.

Ich möchte auch klarstellen: Ja, die Landwirtschaft braucht diese Ausgleichs­zahlungen, denn meist sind Mehraufwände in der heimischen Produktion im Vergleich zur Importware über den Markt einfach nicht ausgleichbar, und höhere Preise sind für den Endkonsumenten nicht bezahlbar.

Während die erste Säule der GAP der Wettbewerbssicherung gilt und haupt­sächlich in Form von Direktzahlungen erfolgt, soll die zweite Säule Mehr­aufwendungen und Mindererträge ausgleichen. Die GAP ist für die Bäuerinnen und Bauern also streng genommen ein Nullsummenspiel, um die globalisierten Märkte auszugleichen, und sichert unsere heimische Produktion.


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Mit der Gemeinsamen Agrarpolitik 2023 bis 2027 sollen neun konkrete Ziele verfolgt werden, die in drei Teilbereiche untergliedert sind: in den Umwelt- und Klimaschutz, in Markt und Wirtschaft und in die Gesellschaft und den ländlichen Raum. Da geht es um Klimaschutzmaßnahmen, um einen Beitrag für den Um­welt­schutz, um die Erhaltung von Landschaft und biologischer Vielfalt genauso wie um die Sicherstellung gerechter Einkommen, die Steigerung der Wettbe­werbsfähigkeit, die Verbesserung der Position der Landwirtschaft in der Ver­mark­tungskette, was ich als besonders wichtig erachte, um die Förderung von Jung­landwirtinnen und Junglandwirten und die Erleichterung des Gene­ra­tionen­wechsels – was man wirklich fördern muss –, die Stärkung leben­diger ländlicher Regionen und den Schutz von Lebensqualität und Gesundheit.

Wie viel jeder einzelne Betrieb bekommt, hängt von den unterschiedlichsten Aspekten ab, in dieser Periode auch verstärkt von den individuellen Umweltleis­tungen der Betriebe.

Das Budget für das Agrarumweltprogramm Öpul wird um 25 Prozent erhöht, um 125 Millionen Euro pro Jahr, somit stehen rund 574 Millionen Euro pro Jahr für Klima- und Umweltschutzmaßnahmen zur Verfügung.

Das neue modulare System erlaubt einen flexiblen Einsatz der Maßnahmen. Wer mehr leistet, erhält eine höhere Abgeltung. – somit sind mehr Biodiversität, mehr Gewässerschutz, mehr Tierwohl und mehr Klimaschutz gegeben, und wenn man sich daran hält, bedeutet das auch höhere Fördersummen.

Um all das zu ermöglichen, steht natürlich auch den Bäuerinnen und Bauern der eine oder andere höhere bürokratische Aufwand bevor, zum Beispiel muss man im Ackerbau strenge Fruchtfolgeregelungen beachten, ein gewisses Begrünungs­management zum Beispiel. Es ist klar, dass da den Betrieben vielleicht gewisse Apps und Computersysteme zur Verfügung gestellt werden müssen, sodass etwas sofort rot aufleuchtet, sobald man eine Fruchtfolgeplanung falsch anlegt, sobald ein Begrünungsmanagement nicht richtig verfolgt wird oder sobald irgendwelche Fristen anfallen, die man sonst übersehen würde. Gerade im


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Ackerbau zum Beispiel, bei dem man sehr wenig Umsatz pro Hektar hat, ist es wichtig, dass man die GAP-Zahlungen erreicht und erhält, um marktfähig und konkurrenzfähig zu bleiben.

Die erste Säule der GAP-Strategie, die Direktzahlungen, sinken von 280 auf 208 Euro pro Hektar; es gibt die Kompensationsmöglichkeit über Öpul. Hinsichtlich des Umwelt- und Klimaschutzes ist diese Maßnahme natürlich höchst sinnvoll; für alle, die da jedoch schon Vorreiter waren, bedeutet das natürlich eine gewisse Benachteiligung.

Ich möchte die Sinnhaftigkeit von Öpul anhand eines Beispiels in Wien her­vorheben. In Wien haben wir ein Pilotprojekt, das Erosionsschutz- und Humusaufbauprogramm – dieses findet eben nur in Wien Anwendung –, und dabei wird komplett auf den Pflug verzichtet. Es dient der Förderung der Humusgehalte, der Wasserspeicherkapazität im Boden, des Bodenlebens und der Bodenfruchtbarkeit. Dadurch kommt es zu weniger Stickstoffverlusten und einer erhöhten Humusanreicherung in den oberen Bodenschichten. Die Maß­nahme ist also mehr als sinnvoll für die Bewirtschaftung.

Bio wird in der neuen GAP-Strategie wieder als neue Maßnahme bestehen, was auch eine sehr positive Entwicklung ist. 40 Millionen Euro stehen zusätzlich pro Jahr für die Biolandwirtschaft zur Verfügung. Ergänzt wird die Prämie auch noch durch das Öpul-System.

Es ist zu sagen, dass es in Österreich schon einen sehr hohen Anteil an Bio­lebens­­mitteln gibt, das ist uns durchaus bewusst, und es geht natürlich auch darum, entlang des Konsumentenwunsches Biolebensmittel zu produzieren und nicht einfach ins Blaue hinein, denn das würde bedeuten, dass wir zu höchsten Kriterien hergestellte Lebensmittel dann eventuell billiger ins Ausland verkaufen müssten. Es ist aber auch zu sagen, dass die Produktion der Biolebensmittel in Krisenzeiten weniger Preissteigerungen erfahren hat. Man könnte also sagen, die Biolandwirtschaft ist etwas krisensicherer.


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Neben den Maßnahmen für die Landwirtschaft bietet der GAP-Strategieplan auch vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten zur Stärkung ländlicher Räume, von denen auch die Gesamtgesellschaft profitiert. Beispiele hierfür sind eben zum Beispiel die Stärkung der Junglandwirtinnen und Junglandwirte – rund 3 Prozent werden für die nächste Generation zweckgewidmet, für die Hof­über­nahme, für die Förderung unserer jungen Betriebsführerinnen und Betriebs­führer – und die Unterstützung für benachteiligte Gebiete, die weiterhin ziel­gerichtet auf Basis der einzelbetrieblichen Erschwernisse im Rahmen der Ausgleichszulage gewährt wird. Durch eine Prämienstaffelung nach Betriebs­größe werden kleine Betriebe besonders unterstützt – gerade in Österreich haben wir eine sehr kleinstrukturierte Landwirtschaft, die auch unsere Land­schaft prägt. Es kommt auch zur Förderfähigkeit von Green Care, Urlaub am Bauernhof und gänzlich neuen Diversifizierungsformen.

Abschließend möchte ich daher sagen: Ja, die EU-Kommission macht es den Bäuerinnen und Bauern der EU für die nächste Periode nicht unbedingt leichter. Es ist jedoch aufgrund der drei Schwerpunkte Umwelt, Markt und Gesellschaft sehr zukunftsorientiert, und es ist uns gelungen, die GAP-Zahlungen im größt­möglichen Ausmaß für Österreich zu sichern und somit Stabilität für unsere Bäuerinnen und Bauern zu gewährleisten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

9.09


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. – Bitte, Herr Bundesrat.


09.10.11

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Ich darf mich zunächst für das Einbringen dieser Aktuellen Stunde, dieser sehr wichtigen Sache der Landwirt­schaft in Österreich, bedanken, Herr Minister. Ich darf Magnus Brunner erwäh­nen: Er hat in seiner Budgetrede genau 10 Sekunden über die Landwirtschaft


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verloren. Deshalb ist es heute noch wichtiger, dass wir darüber reden, was sich momentan abspielt und wie es mit der Landwirtschaft aussieht.

Ich darf sagen – Frau Wolff hat ja schon sehr viel vorweggenommen –, dass wir natürlich auch in die Zukunft sehen. Ich darf als burgenländischer Bundesrat natürlich einige Sätze über das Burgenland verlieren, über den Paradigmen­wech­sel, den wir vor einigen Jahren im Burgenland gestartet haben. Landeshaupt­mann Hans Peter Doskozil hat die Biowende im Burgenland sehr erfolgreich ein­geleitet, und ich darf Ihnen einige Daten und Fakten dazu nennen. Vor allem möchte ich sagen, dass die Coronapandemie und der Krieg in der Ukraine gezeigt haben, wie wichtig es ist, diese Umstellung jetzt durchzuführen.

37,5 Prozent der Fläche im Burgenland sind bereits bio, also dort wird schon bio angepflanzt. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) – Das ist richtig. Das möchte ich auch erwähnen: Salzburg ist ganz weit vorne, Salzburg ist mit fast 50 Prozent Nummer eins (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Danke schön! Danke schön!), das Burgenland liegt bei 37,5 Prozent. Das Ziel im Burgenland ist es aber natürlich, dass wir in wenigen Jahren, 2027, auch schon bei 50 Prozent sind.

Warum ist das so wichtig? – Wir sehen natürlich, dass unsere burgenländischen Landwirte qualitativ höchstwertige Produkte herstellen, die am Markt auch immer mehr gefragt sind. Der Kauf von Bioprodukten aus der Region verspricht beste Qualität und sichert zugleich zahlreiche heimische Arbeitsplätze zu fairen Konditionen. Dieser burgenländische Weg, den ich hier auch ein bissel zele­brieren darf, ist auch ein Bekenntnis zu verstärkter natürlicher Produktion und artgerechter Tierhaltung. Die Leistungen der Bäuerinnen und Bauern tragen gemeinsam mit den Betrieben in der Region und im Handel zu einem qualitativ hochwertigen Gesamtbild bei. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte mich auch einmal bei allen Bauern, bei allen Landwirten, bei allen Winzern, allen Weinbauern hier in Österreich für diese Leistungen bedanken, die sie jeden Tag für uns erbringen, die sie das ganze Jahr erbringen. Wir können stolz auf unsere Bäuerinnen und Bauern sein! – Danke schön.


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Das Interesse an der Ernährung steigt, dadurch haben wir auch mehr Qualitäts­bewusstsein. Das führt zu Zuversicht seitens der Bioproduzenten, sie können künftig mehr denn je auch auf die Wertschätzung der Konsumenten zählen. Das sehen wir auch jetzt in der Krise. Kollegin Wolff hat es vorhin gesagt: Man sieht auch jetzt in der Krise, dass es natürlich besser ist, auf Bio umzustellen, weil es natürlich auch von den Erzeugungskosten her besser, günstiger und nachhaltiger ist.

Wir im Burgenland haben ein Ziel: Wir wollen Bio ganz stark machen, wir wollen das Bioland Nummer eins in Österreich werden. Wir haben noch einige Jahre vor uns, aber das werden wir schaffen.

Wir wissen, diese Regionalität vermittelt Vertrauen und Zugehörigkeit. Das holen sich die Menschen immer mehr in ihr Bewusstsein. Wir vertrauen in die Qualität, Herkunft und Nachvollziehbarkeit der Produkte. Diese Unternehmen liefern mit ihren regionalen Angeboten einen wichtigen Beitrag für die heimische Wert­schöpfung. Wir dürfen nicht vergessen, der Kauf von regionalen Produkten leis­tet unter anderem aufgrund der kurzen Transportwege auch einen großen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz. Auch deshalb stehen diese Regionalität und Bio bei Burgenländerinnen und Burgenländern hoch im Kurs und greifen viele von uns immer öfter auch zu regionalen Produkten.

Ich möchte aber auch noch einige aktuelle Themen ansprechen. Die Teuerungs­rate steigt, getrieben vor allem durch hohe Energie- und Treibstoffpreise. Kriegsbedingte Produktions- und Lieferausfälle sowie Energiepreisanstiege schlagen sich wiederum auf die Betriebsmittelpreise. Auch die Futtermittelpreise steigen infolge der Gesamtsituation an. Einiges betrifft die Bauern besonders.

Sicher ist, dass die biologische Landwirtschaft von fossilen Grundstoffen weit­gehend unabhängig ist, und das macht sie neben anderen Faktoren resilienter und krisenfester. Konsumenten haben über die vergangenen Jahrzehnte von Jahr zu Jahr kontinuierlich mehr Biolebensmittel gekauft. Man darf auch einmal


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erwähnen, dass Österreich beim Bioanteil in den gesamten Lebensmittelum­sätzen weltweit auf dem zweiten Platz liegt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte aber auch etwas Kritisches anmerken, weil es in den Kontext passt. Diese CO2-Steuer, die vor wenigen Tagen eingeführt worden ist, belastet nicht nur den „normalen Menschen“ – unter Anführungszeichen –, die Pendlerinnen und Pendler extrem, sondern natürlich auch die Bauern. Da ist mein Verständnis nicht ganz so groß, wenn man sagt, man ist vor allem von der Seite der ÖVP mitge­­gangen, um das praktisch noch teurer zu machen. Wir sehen es jetzt an den Mineralölstoffen, am Sprit, wenn man tanken muss; auch Bauern müssen sehr viel tanken. Da noch einmal herzugehen und den Dieselpreis von eh schon 2 Euro noch einmal zu erhöhen, auf 2,10 Euro, ist mir völlig unverständlich. Ich hätte mir dabei auch ein bisschen mehr Gegenwehr gegenüber Ihrem Koali­tionspartner erwartet.

Während der Coronakrise in den vergangenen zwei Jahren war ein überdurch­schnittliches Wachstum zu verzeichnen. Es liegt aber in der Natur der Märkte, dass diese steile Kurve auch wieder abflachen wird. Neueste Zahlen der AMA zu den Umsätzen im LEH zeigen, dass Konsumenten Bio auch in Zeiten der Inflation die Treue halten. Der Bioanteil liegt mit durchschnittlich 12,1 Prozent im gesam­ten bisherigen Jahr 2022 sogar über dem Durchschnitt der extrem um­satz­star­ken Jahre 2020 und 2021.

Die Zahlen habe ich vorhin genannt. Das Ziel, Bio immer weiter auszubauen, ist klar. Wir haben dazu ein Zwölfpunkteprogramm entwickelt, zum Beispiel die Erhöhung des Bioanteils bei Landes- und landesnahen Küchen und Buffets. Das haben wir im Burgenland gemacht. Sämtliche Landeseinrichtungen – Schulen, das Land Burgenland selbst, Spitäler, Kindergärten – sind bereits zu 90 Prozent auf Bio umgestellt. Darauf sind wir auch sehr, sehr stolz.

Wir sagen aber auch, die Tiere brauchen Bio. Diese Nahrungskette muss ja schon dort anfangen, damit wir gesunde Lebensmittel genießen und essen kön­nen und nicht schon vielleicht Fleisch mit Antibiotika genießen müssen.


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Wir haben noch etwas gemacht. Die beste Ausbildung für unsere jungen Landwirt:innen – das hat auch Kollegin Wolff vorhin gesagt – ist ganz entschei­dend, damit wir weiterhin auf einer guten Spur sind. (Bundesrat Preineder: Wenigste Förderung für die Landwirtschaftskammer, gell?) – Ja, Herr Kollege, wir sind im Burgenland natürlich auf der Seite der Bauern, der Bio­bauern. Wir haben gesehen, dass da einiges weitergeht. Das ist nicht nur für die Bauern gut, das ist vor allem auch für die Bevölkerung gut. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben auch eine Bioumstellungsförderungsbilanz gemacht. Wir haben gese­hen, was das alles ausmacht. Jeder Biobetrieb bei uns im Burgenland wurde mit 15 000 Euro sofort unterstützt – vielleicht auch ein Vorbild für Ihr Heimat­land, für Niederösterreich. (Bundesrat Preineder: Ich bin schon!) Mit 15 000 Euro haben wir das unterstützt. Insgesamt haben wir schon über 2,5 Millionen Euro in die Hand genommen, um diesen Zweig eben noch mehr zu forcieren.

Ich sehe, die Zeit ist zu Ende. Ich möchte damit schließen, dass eine Biowende natürlich nicht von heute auf morgen passieren kann, sondern dass es viele Partner braucht, die beteiligt sind, die bei der Umsetzung notwendig sind. Es ist also ein ganz breites Feld. Der Schritt zu mehr Bio ist ein nachhaltiger Weg, der für unsere Gesundheit und für unsere nachfolgenden Generationen enorm wichtig ist. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit, danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

9.18


Präsidentin Korinna Schumann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile ihm dieses.


09.18.56

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Am Beginn dieser Aktuellen Stunde möchte ich mich recht herzlich bei jedem einzelnen Landwirt für den Einsatz und die umweltgerechte Produktion unserer hochwertigen


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Qualitätsprodukte bedanken. (Beifall bei der FPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Herr Minister, bevor ich auf Ihre sogenannte „Neue Gemeinsame Agrarpolitik ab 2023 – ein Zukunftsprogramm für unsere Bäuerinnen und Bauern“ – zumindest lautet so der Titel der heutigen Aktuellen Stunde – näher eingehe, wäre es vielleicht nicht schlecht, wenn Sie uns verraten könnten, wann Sie die Angelo­bung und für welches Ministerium, mit welcher Bestallungsurkunde, mit welchem Titel, für welches Ressort gehabt haben, da es anscheinend verschie­dene Rechtsauffassungen gibt, um das auch in Zukunft zu wissen, um zum Beispiel formal richtig unsere parlamentarischen Anfragen einbringen zu können, und, falls Sie noch nicht ordnungsgemäß bestallt und angelobt sind, wann dies geplant ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun aber zum sogenannten Zukunftsprogramm: Eine Ihrer letzten Presse­meldungen – bis jetzt waren es ja nicht viele, die sich bei mir eingeprägt haben – war die unglaubliche Aussage Ihrerseits, wie Sie über die positive Erfolgskurve in der Landwirtschaft, geprägt durch die ÖVP-Landwirtschaftspolitik, fantasiert haben.

Herr Minister, ich nenne Ihnen einige Zahlen, die meiner Meinung nach – ich denke, ich spreche vielen Landwirten aus der Seele – beweisen, dass Sie anscheinend eine andere Anschauung von positiv oder negativ haben. 1970 gab es in Österreich 366 000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe, 1990 waren es 282 000, 2017 162 000, 2020 154 000, und derzeit sind es, wenn man sich auf die Statistik Austria verlässt, 126 000 Betriebe. Diese Zahlen beweisen ein­drucksvoll, dass die ÖVP-Bauernvertretung nicht funktioniert und dass Sie den Unterschied von positiv und negativ anscheinend nicht sehen. Zwei Drittel der österreichischen landwirtschaftlichen Betriebe mussten zusperren – unglaub­liche zwei Drittel!


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Sie mit Ihrer ÖVP-Agrarpolitik (Bundesrat Preineder: In welchem Land der Welt geht es besser?) oder Bauernsterbehilfeprogrammpolitik treiben die Industria­lisierung der Landwirtschaft voran. Zusätzlich verkaufen Sie in den sogenannten Zukunftsprogrammen mehr Bürokratie, mehr Auflagen, weniger Produktion und weniger Geld auf den Bauernhöfen. Nach derzeitigen Umfragen werden in Österreich bis 2040 weitere 30 Prozent der Landwirte aufhören. Die ÖVP-Agrar­politik der letzten Jahre hat dazu geführt, dass es in vielen Bereichen keine Eigenversorgung mehr gibt und wir uns auf Importe verlassen müssen. Was bedeutet das für uns in der Zukunft?

Sie, Herr Minister, sind mit Ihren Regierungskollegen mitverantwortlich, dass der Prozentsatz der Eigenversorgung zusätzlich durch haarsträubende Maßnahmen wie die Mindestanlage von 7 Prozent Biodiversitätsflächen bei sonst drohendem Förderungsverlust weiter reduziert wird. Die Ausrede, die Ihre ausgesandten Funktionäre den Landwirten vor Ort anzubringen probieren, dass Sie zustimmen mussten, da Sie mit den bösen Grünen in der Regierung sind, können Sie sich auch klein zusammenlegen und in den sogenannten Erdäpfelsack legen, da ja von Ihnen selbst und Frau Gewessler im Ausschuss auf Anfrage des freiheitlichen Abgeordneten ausgesagt wurde, dass lediglich Vertreter der ÖVP und Beamte des Landwirtschaftsministeriums zu den Verhandlungen entsandt waren.

Apropos Erdäpfelsack: Aufgrund der derzeitigen Beschränkungen bei den Spritz­mitteln gegen Drahtwurm gibt es bei uns im Weinviertel beim Ertrag jetzt schon Ausfälle von 20 bis 80 Prozent. Sie haben mit Ihrem sogenannten Zukunftspro­gramm unter dem Titel Green Deal einer weiteren Reduktion von 50 Prozent der Spritzmittel zugestimmt. Das gleicht meiner Meinung nach einer Bankrott­erklä­rung beim Thema Versorgungssicherheit. (Beifall bei der FPÖ.)

In Österreich wird die Produktion eingeschränkt, und gleichzeitig wird fleißig importiert. Dann gibt es etwas sehr Seltsames, zum Beispiel Herrn Bundes­kanz­ler Nehammer oder den Minister, der die Zeltbauindustrie durch seine Versa­gerpolitik gerade ankurbelt: Wenn es um Bundesratssitzungen mit vielen seiner Regierungskollegen geht, flüchtet er schnell ins Ausland, bevor er sich der


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Diskussion mit uns stellt. (Bundesrat Buchmann: Das ist aber ein europäischer ...!) Generell kann man diese türkis-/schwarz-grüne von Korruption geprägte Regierung eine Demokratieverweigerungsregierung nennen.

Dieselben Personen stellen sich aber hin und verkünden: Ach wie super, ach wie klasse, wir haben jetzt Getreide aus der Ukraine! – Plötzlich spielen Produktions­bedingungen und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln keine Rolle mehr, aber vermutlich weil die RWA, die Raiffeisen, der Hauptimporteur war.

Nun nochmals zurück zum sogenannten Zukunftsprogramm: Seit 1995, als den Landwirten erklärt wurde, dass durch den Beitritt zur EU die teilweise halbierten Produktpreise durch Ausgleichszahlungen größtenteils ausgeglichen werden sollten, wurde das Versprechen nicht eingehalten. Seit 27 Jahren wurde die Aus­gleichszahlung nicht an den Index, die Inflation angepasst.

Ich glaube, Sie (in Richtung des mit Bundesrat Schennach sprechenden Bundesminis­ters Totschnig) interessiert das sowieso nicht, was wir reden, gell? (Bundesrat Schwindsackl: ... ein Hellseher! – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Jetzt ist er ganz aus dem Konzept! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Nein, ich bin nicht aus dem Konzept.

Auch da wurden Versprechen nicht eingehalten. Zur Erinnerung: Damals kostete der Dieseltreibstoff 7,20 Schilling, das sind 53 Cent; damals hat der Diesel also 53 Cent gekostet, jetzt kostet er 2 Euro, 2,10 Euro. Es gibt keine Indexanpas­sung der Ausgleichszahlungen, aber das interessiert Sie ja nicht als Minister. (Bundesrat Bader: Ja was soll diese ...? – Bundesrat Preineder: Du hast das ja auch nicht alles verstanden, was er immer erzählt!)

Großartigerweise verkaufen Sie das jetzt als ein unglaubliches Plus der Förde­rung. Wenn man das auf die derzeit noch 126 000 Betriebe runterrechnet, haben Sie ein unglaubliches Plus von 277,78 Euro erzielt. Das ist ja gigantisch! Jetzt fragt man sich, was die Bauern mit diesen 277,78 Euro machen sollen. (Bundesrat Spanring: Traktor kaufen!) Wenn ich einmal den Traktor tanke, ist das


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so viel mehr, als ich früher gezahlt habe. Was wollen sie damit machen? (Bun­desrat Preineder: Was hast du für die Bauern ...?)

Herr Minister, es ist aber endlich an der Zeit, in Österreich Landwirtschaftspolitik mit Hausverstand umzusetzen. (Bundesrat Preineder: Sag mir ein Land als Vorbild! Ein Land als Vorbild!) Wir fordern ein klares Bekenntnis zur heimischen Produk­tion, zur Selbstversorgung und zum heimischen Arbeitsplatz Bauernhof.

Kurz zusammengefasst: Dass Investitionen in die biologische Landwirtschaft und besonders tierwohlfreundliche Stallungen, die Ausgleichszulage für unsere Berg­landwirtschaft und im benachteiligten Gebiet aufgestockt werden, es eine Unterstützung für Junglandwirtinnen und Junglandwirte bei der Hofübernahme gibt, gilt es, auch positiv zu werten, das kompensiert aber leider nicht die ande­ren angeführten Schwachpunkte und nicht angepassten Fördergelder. (Beifall bei der FPÖ.)

9.26


Präsidentin Korinna Schumann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Maria Huber. Ich erteile ihr dieses.


9.26.58

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehende! Landwirtschaft geht uns alle an, denn sie ist unsere Lebensgrundlage. Das ist kein Satz für Sonntagsreden, sondern das ist ein Grundsatz, nach dem wir alle angesichts der multiplen Krisen, in denen wir uns als Gesellschaft wiederfinden, handeln müssen, denn die Herausforderungen, vor denen unsere meist bäuer­lichen Familienbetriebe stehen, sind enorm.

Gerade die Klimakrise und ihre Folgen haben sehr starke Auswirkungen auf die heimische Landwirtschaft. In der Steiermark waren beispielsweise der Obst- und Weinbau in den letzten Jahren massiv von Schäden durch Spätfröste, Starkregen und Hagelunwetter betroffen. Die extreme Dürre in diesem Sommer sorgte für


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Ernteausfälle und belastet auch die Forstwirtschaft massiv. Da ist dringend ein Richtungswechsel erforderlich, um in Zukunft nicht nur das wirtschaftliche Überleben unserer Bäuerinnen und Bauern zu gewährleisten, sondern unser aller Versorgungssicherheit mit gesunden, regionalen Lebensmitteln sicherzustellen.

Erfreulicherweise bringt die neue Gemeinsame Agrarpolitik aus grüner Sicht auch einige Verbesserungen, auf die ich in der Folge gerne kurz eingehen möchte.

Besonders stolz sind wir darauf, dass wieder eine eigenständige Bioförderung zustande gebracht wurde und jährlich 40 Millionen Euro mehr als in der Vor­periode zur Verfügung stehen. Es gibt eine eigene Feldgemüseprämie, ein Top-up zu Untersaaten im Ackerbau, eine erhöhte Investitionsförderquote von 5 Prozent sowie eine eigene Bioprojektförderung für die Vermarktung und Ver­arbeitung, aber auch die Bildung und Beratung.

Die ökologische Landwirtschaft – wir haben das heute schon ein paar Mal gehört – kann vor allem für unsere kleinstrukturierte österreichische Land­wirt­schaft eine zukunftsfähige Lösung sein. Es freut mich wirklich besonders, dass wir uns offensichtlich alle in diesem Punkt einig sind. (Bundesrat Preineder: Ja, aber da muss man die Biobauern leben lassen!)

Biologische Betriebe nützen die Kreislaufwirtschaft. Alles, was am Hof wächst und anfällt, wird genutzt und wiederverwendet, so auch beispielsweise Kompost oder Wirtschaftsdünger wie Mist und Jauche. Es werden möglichst keine Betriebsmittel zugekauft, und gerade – das haben wir heute auch schon gehört – die hohen Betriebsmittelkosten von Importdünger und Importfuttermittel belasten im Moment viele Höfe, die konventionell betrieben werden. Russland ist nämlich auch ein weltweit wichtiger Erzeuger von Düngemitteln und übt dadurch in diesem Bereich einen enormen Preisdruck aus. Seit Beginn des Ukrainekriegs schnellten die Preise für Düngemittel in die Höhe, was sich auch auf die Preise landwirtschaftlicher Erzeugnisse auswirkte.


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Wir alle haben es gemerkt: Die Preise für konventionelle Lebensmittel sind im ersten Halbjahr durchschnittlich um 7,8 Prozent gestiegen, für Biolebensmittel dagegen nur um rund 3,5 Prozent. Das zeigt – das haben wir heute auch schon ein-, zweimal gehört –, dass die ökologische Landwirtschaft auch krisenfester ist. Biologische Landwirtschaft schützt unser Klima, unseren Boden und unsere Artenvielfalt und macht uns demnach langfristig auch unabhängiger von Import­futtermitteln und Importhandelsdünger.

Verbesserungen durch die neue Gemeinsame Agrarpolitik gibt es auch im Bereich des Tierwohls. Für die Freilandhaltung von Schweinen gibt es erstmals eine Förderung. Zusätzlich kommen eine Ringelschwanzprämie, wenn alle gehaltenen Schweine unkupiert bleiben, sowie ein Zuschlag für gentechnikfreie Fütterung. Ich darf an dieser Stelle auch daran erinnern, dass wir endlich auch den Ausstieg aus dem Vollspaltenboden beschlossen haben.

Es gibt endlich auch eine Umverteilung von Groß zu Klein. Für die Umvertei­lungszahlungen stehen 10 Prozent des Budgets aus der ersten Säule zur Verfügung. Sie werden in zwei Stufen, zunächst für die ersten 20 Hektar und dann für die ersten 40 Hektar, verteilt. Es gibt erstmals auch ein Capping. Direktzahlungen aus der ersten Säule werden nach Anrechnung der Lohnkosten bei 100 000 Euro gedeckelt. Es ist also erstmals eine Förderobergrenze einge­zogen worden.

Zusätzlich zu den Umverteilungszahlungen wurde auch noch die Ausgleichs­zulage im Berggebiet erhöht. Mit zusätzlichen 5 Millionen Euro stützen wir gezielt kleine Betriebe in schwierigen Berglagen.

Zum ersten Mal gibt es auch so etwas wie eine soziale Konditionalität, denn die Lohnkosten werden beim Capping nur angerechnet, wenn alle arbeitsrechtlichen und kollektivvertraglichen Regelungen eingehalten werden. Soziale Konditionali­tät bedeutet demnach Kürzung der Förderung bei Verstößen gegen das Arbeits­recht. Österreich führt diese Änderung bereits ab 2023 ein und nicht, wie es EU-rechtlich auch möglich gewesen wäre, 2025. Soziale Konditionalität bezieht sich


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auf nationales Arbeitsrecht, wie beispielsweise das Landarbeitsgesetz und die darauf basierenden Verordnungen, und nicht nur auf die nationale Umsetzung einzelner Artikel von EU-Richtlinien. Die Rechte der Landarbeiterinnen und Landarbeiter werden dadurch gestärkt.

In die Zukunft gedacht wurde aber auch hinsichtlich der Transparenz. Ab 2025 gibt es erstmals einen jährlichen Bericht an den Nationalrat, der die Evaluie­rungen zusammenfasst und den Fortschritt hinsichtlich sämtlicher Wirkungs­indikatoren darstellt. Erstmals sorgen wir damit für eine transparente par­lamentarische Diskussion über die Wirkungen der Agrarförderungen. Ein beson­derer Fokus wird auf den Green-Deal-Zielen liegen. Der Fortschritt Öster­reichs, etwa bei der Halbierung des Pestizid-, Mineraldünger- und Anti­bio­tika­einsatzes, wird endlich öffentlich beobachtet und debattiert.

Insgesamt betrachtet ist die neue Gemeinsame Agrarpolitik aus grüner Sicht natürlich nicht von heute auf morgen komplett gewandelt worden. Das haben wir als grüne Partei aber, glaube ich, in den Verhandlungen auch nicht realistisch erwartet. Gelungen ist aus unserer Sicht aber doch einiges, und das möchte ich auch noch einmal kurz betonen, nämlich die erstmalige Förderobergrenze, die stärkere Förderung der ersten 20 Hektar und der Ausbau der Bioförderung. Wir sind im Bereich der Agrarpolitik sicher noch nicht dort, wo wir hinwollen, aber ich denke, es ist endlich ein Schritt in die richtige Richtung. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.33


Präsidentin Korinna Schumann: Für eine erste Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für Land-, Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft. Ich erteile ihm das Wort. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten.


9.33.51

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft Mag. Norbert Totschnig, MSc: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte


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Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute dieses Thema gewählt, weil wir in dieser Woche auf nationaler Ebene die letzten Verhandlungen für den letzten Baustein für die GAP-Anwendungsverordnung abschließen konnten. Das heißt, in den nächsten Tagen wird diese Verordnung kundgemacht, und damit sind die letzten Details geregelt, damit wir in Öster­reich erfolgreich mit der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik starten können.

Ich möchte heute noch einmal die Gelegenheit nützen, um in drei Bereichen den Verhandlungsverlauf, die inhaltlichen Schwerpunkte und die Regionen, also die wichtigsten Punkte der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik, anzusprechen.

Wir haben es gehört, gestartet hat das Ganze im Jahr 2018 mit einem Vorschlag der Kommission. Budgetär hätte es über die Periode gerechnet ein Minus von 770 Millionen Euro bedeutet, also ein riesiges Minus. Es ist mit der gebündelten Kraft der Bundesregierung gelungen, dieses Minus auszugleichen und in ein Plus umzuwandeln. Am Ende haben wir 35 Millionen Euro zusätzlich an EU-Geldern erhalten. Insgesamt haben wir derzeit eine Vorlage der GAP, die ein Volumen von 1,8 Milliarden Euro pro Jahr hat. Finanziell haben wir also alles, was auf nationaler Ebene möglich war, herausgeholt, herausverhandelt, um die Bäuerin­nen und Bauern in den nächsten Jahren bestmöglich finanziell zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

2019 gab es einen Wechsel in der Kommission. Die neue Kommission ist mit dem politischen Programm des Green Deal angetreten, also der Zielsetzung, bis 2050 als erster Kontinent auf der Welt klimaneutral zu sein. Im Landwirtschafts­bereich, im Lebensmittelbereich wurde die sogenannte Farm-to-Fork-Strategie vorgestellt und diskutiert, die die Zielsetzung mehr Klimafreundlichkeit, weniger Einsatz von Betriebsmitteln, Düngemitteln, mehr saubere Produktion im Bereich der Lebensmittelproduktion hat. Das hat natürlich auch die Verhandlungen insofern beeinflusst, als der Level für mehr Klimaschutz, mehr Artenschutz ange­hoben worden ist und natürlich in die Verhandlungen Einzug gehalten hat. Das heißt, wir haben jetzt eine Reform, die neue Standards im Bereich Klima- und Artenschutz, im Bereich Umweltschutz, im Bereich Tierwohl setzt.


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Für uns war allerdings immer wichtig, dass wir den österreichischen Weg einer ökosozialen Agrarpolitik fortsetzen können. Das gelingt uns. Wir können auf dem alten Programm im Sinne einer Evolution und nicht einer Revolution aufbauen. Das ist jetzt auch ganz entscheidend in der Umsetzung und in der Frage, wie wir die neuen Programme den Bäuerinnen und Bauern erklären können, wie wir sie davon überzeugen können, dass der Weg, den wir einge­schlagen haben, auch ein guter ist.

Die Verhandlungen sind auf europäischer Ebene und auch auf nationaler Ebene sehr intensiv gewesen. Wir haben sehr intensiv mit dem Koalitionspartner verhandelt, aber es ist am Ende gelungen, den GAP-Strategieplan fristgerecht Ende 2021 einzureichen. Wir haben ihn Mitte des Jahres zurückbekommen. Dann hat es wieder intensive Verhandlungen gegeben, und schließlich ist der Abschluss gelungen. Frau Kollegin Wolff hat es schon gesagt: Am 13. September gab es die Bestätigung der Europäischen Kommission für den GAP-Strategieplan. Damit sind wir nun unter den ersten neun Ländern, die diese Genehmigung erhalten haben. Das heißt, wir sind auch absolut im Zeitplan. Es war uns immer wichtig, dass wir fristgerecht, zeitgerecht für Stabilität und für Planungssicher­heit für die Bäuerinnen und Bauern sorgen können.

Ich komme zu den wesentlichen Inhalten der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik. Das Motto ist: Mehr Leistung wird gefordert. Dadurch war natürlich auch mehr Budget notwendig. Wir wollen immer – das war die Zielsetzung – eine nach­haltig produzierende Landwirtschaft. Es geht um Lebensmittelproduktion, um Lebensmittelversorgungssicherheit, vor allem in Zeiten der Krise. Das Thema Lebensmittelversorgungssicherheit ist insbesondere durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine wieder in den Fokus gerückt. Deswegen ist für uns absolut klar gewesen, das steht im Zentrum. Am Ende des Tages geht es darum, den Konsumentinnen und Konsumenten tagtäglich qualitativ hochwertige Lebensmittel zur Verfügung zu stellen. Dazu auch einmal von meiner Seite ein großes Danke an die Bäuerinnen und Bauern, denn diese sorgen tagtäglich dafür,


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dass das wirklich zustande kommt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Das neue Öpul wird 52 Prozent der Mittel für klimabezogene Maßnahmen, für mehr Arten- und Klimaschutz zur Verfügung stellen. Zum Artenschutz, zur Biodiversitätsfläche – nur damit man einmal die Zahlen hört –: Es gibt eine Erhö­hung des Niveaus im Bereich der ersten Säule von 3 auf 4 Prozent, was die brachen Flächen betrifft, und im Bereich des Öpul, beim Umweltprogramm, eine Erhöhung des Anteils der Biodiversitätsflächen von 5 auf 7 Prozent. Wenn wir das für ganz Österreich anschauen, bedeutet das insgesamt eine Ausweitung der Fläche für Biodiversität, für Brache, für Naturschutz von 150 000 Hektar auf 230 000 Hektar, also einen enormen Anstieg. Es ist auch völlig klar, warum dieser Anstieg auch mehr Leistung und mehr Geld braucht. Es war uns wichtig, dass wir das dafür sichern können.

Im Bereich Tierwohl, im Bereich Behirtung und Alpung steht im Öpul ein Volu­men von 80 Millionen Euro zur Verfügung, und für Tierwohlmaßnahmen, die über den gesetzlichen Standard hinausgehen, werden auch 20 Millionen Euro jährlich zur Verfügung gestellt.

Der Biobereich ist von der Kollegin angesprochen worden, ich wiederhole es jetzt nicht. Insgesamt stehen für den gesamten Biobereich 550 Millionen Euro Öpul-Investitionsförderung zur Verfügung. Das Ziel ist auch klar, den Biobereich weiter zu stärken. Das steht auch im Regierungsprogramm: Ausbau auf 30 Pro­zent marktkonform weiterentwickeln. – Dabei sind wir gut unterwegs, und die finanzielle Ausstattung ist da, damit wir diesen Weg auch erfolgreich beschreiten können. Insgesamt stehen im Öpul, wie Kollegin Wolff schon angesprochen hat, 574 Millionen Euro zur Verfügung.

Das Bergbauernprogramm möchte ich als jemand, der aus Tirol kommt, auch ansprechen. Da gibt es insgesamt 250 Millionen Euro plus 5 Millionen Euro, die draufgelegt worden sind, und es gibt eine stärkere Unterstützung der ersten


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20 Hektar, um insbesondere der vergleichsweise kleinstrukturierten Landwirt­schaft in den Berggebieten besser zu helfen.

Die Investitionsförderung muss ich ansprechen. Da sind all die Maßnahmen zum Ausbau der Stallungen drinnen, um die Stallungen tierwohlfreundlicher zu machen. 120 Millionen Euro stehen da jährlich zur Verfügung, also für die Periode insgesamt 600 Millionen Euro. Da ist einiges, was wir erledigen möchten und auch erledigen müssen, und da braucht es Unterstützung. Jeder Euro in die neue GAP ist eine Investition in die Ernährungssicherheit für Österreich.

Ich komme zu den Regionen. Für Leader stehen wieder 42 Millionen Euro zur Ver­fügung. Das ist ein Plus von 6,5 Millionen Euro. Da sind Maßnahmen drinnen wie die Stärkung der Dorfkerne, für die ländlichen Innovationssysteme, aber beispiels­weise auch zur Unterstützung des Ausbaus erneuerbarer Energie.

65 Millionen Euro stehen in der Periode für soziale Angelegenheiten zur Verfü­gung. Da geht es um Themen wie Kinderbetreuungsausbau oder Pflegezentren.

Uns geht es darum, den ländlichen Raum insgesamt attraktiv zu halten. Wir sind da im Vergleich zu anderen Mitgliedsländern der Europäischen Union sehr gut aufgestellt. Das Wachstum in den ländlichen Regionen ist da, auch dank dieser Pro­gramme, das muss man immer wieder betonen. Wenn bei den Bauern investiert wird, wenn in die Lebensmittelwirtschaft investiert wird, dann schafft das Arbeitsplätze, es stärkt den ländlichen Raum und auch das Wachstum im länd­lichen Raum.

Ich komme zum Schluss. Die GAP ist ein Zukunftsprogramm, denn damit wird in der Land- und Forstwirtschaft die Basis für die Erreichung der Klimaziele gelegt. Wir müssen auch über die Land- und Forstwirtschaft einen Beitrag leisten. Die GAP schafft dafür eine wichtige Basis. Mit den Programmen und der finanziellen Ausstattung sind wir sicher, wir können den Bäuerinnen und Bauern ein attrak­tives Angebot vorlegen, damit sie mitmachen. Das ist auch unsere nächste Auf-


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gabe: Wir werden in die Regionen hinausfahren, intensiv diskutieren, infor­mieren, überzeugen, dass es Sinn macht, teilzunehmen, denn wir wollen wieder eines erreichen: eine sehr hohe Teilnahmerate. Derzeit beträgt die Teilnahme­rate beim Öpul 80 Prozent. Wir wollen das auch in Zukunft sicherstellen.

Ich möchte mich beim Koalitionspartner für die gute Zusammenarbeit bedanken. Insbesondere danke ich auch unseren Agrarsprechern im Nationalrat, Olga Voglauer und Georg Strasser, die da sehr, sehr wertvolle, gute und konstruktive Arbeit geleistet haben. Ohne die beiden wäre das sicherlich nicht in dieser Form möglich gewesen.

In Zeiten der Krise gilt es, Gräben zu überwinden und tragfähige Perspektiven für die Gesellschaft zu schaffen. Ich bitte um Ihre Unterstützung und bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.42


Präsidentin Korinna Schumann: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Ich darf ganz herzlich die Schüler und auch die Pädagoginnen und Pädagogen der Wiener Berufsschule Apollogasse bei uns im Bundesrat begrüßen. – Schön, dass Sie da sind! (Allgemeiner Beifall.)

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer:innen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht überschreiten darf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tiefnig. Ich erteile ihm dieses.


09.43.25

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Die öster­reichische Landwirtschaft ist genauso vielfältig wie die Topografie Öster­reichs von Vorarlberg bis zum Burgenland.


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Auf der einen Seite müssen die Bergbauern gesichert werden, und das spiegelt das Programm für ländliche Entwicklung der neuen GAP wider. Auf der anderen Seite sollen wir die Produktion stärken, wie wir ja auch schon von den Vorred­nern gehört haben. Die Produktion wird auch in Zukunft ein wichtiges Standbein der Landwirtschaft sein. Wenn wir wissen, dass im vor- und nachgelagerten Bereich der Landwirtschaft circa 500 000 Menschen beschäftigt sind, wissen wir, dass die Landwirtschaft einer der größten Arbeitgeber dieser Republik ist.

Die Landwirtschaft ist aber auch ein Garant für sichere Lebensmittel. Da komme ich zu etwas, das mir auch in der heutigen Diskussion nicht gefällt: dass wir bio und konventionell immer so stark als Gegensatz diskutieren. Auch die konven­tio­nelle Landwirtschaft ist eine Landwirtschaft, die europaweit auf höchstem Niveau produziert und für die Lebensmittelversorgungssicherheit in Österreich größte Verantwortung trägt.

Ja, wenn wir schauen, sehen wir, dass wir die beste kleinstrukturierte Landwirt­schaft in Europa haben, trotz der vielen Betriebsaufgaben, wie es mein Vor­redner schon gesagt hat. Es ist aber auch die Ausbildung wichtig. Da möchte ich schon unterstreichen, dass der Meisterbonus, der Ausbildungsbonus in der Landwirtschaft ein ganz wichtiger Punkt ist, damit Junglandwirte auch in Zukunft in die Betriebe einsteigen. Es ist wichtig, dass von den 1,8 Milliarden Euro auch ein entsprechender Betrag für die Investitionsförderung, für Investitionen in die Zukunft der Landwirtschaft gesichert worden ist. Es ist dem einen zu wenig, aus Sicht des anderen falsch verteilt. Ich glaube, ein richtiger Kompromiss ist ent­standen. Kommissar Fischler hat gesagt, wenn keiner zufrieden ist, dann ist der Kompromiss in Ordnung.

Oberösterreich ist mit 1 Million Hektar landwirtschaftlicher Fläche – das sind circa 90 Prozent der Landesfläche – ähnlich wie Niederösterreich eines der agrarproduktionsstärksten Bundesländer. Wir tragen dadurch auch zur Versor­gungssicherheit dieses Landes bei.


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Auf der anderen Seite braucht es aber diese Gelder natürlich auch, um den Tou­rismus in den Gebieten Tirol, Vorarlberg und Salzburg zu stärken, da dieses Geld auch in die Sicherung der Bergbauernhöfe einfließen wird.

Geschätzte Damen und Herren, wenn die Landwirtschaft in Zukunft, auch wegen der Vorgaben der Europäischen Union mit ihren Umweltleistungen – ob das jetzt Farm to Fork oder die neue Strategie der Europäischen Kommission ist –, einen Paradigmenwechsel angehen muss, hat Österreich schon Jahre zuvor Vorleistungen erbracht. Diese Vorleistungen zu toppen – das hat Bundes­minis­ter Totschnig schon gesagt – verlangt mehr Leistung im Umweltbereich. Das sind Herausforderungen. In diesem Bereich werden manche Betriebe vielleicht nicht mithalten können. Wir kommen wieder in die Situation, zu sagen: Ja, es ist sehr gut, biologische Landwirtschaft voranzutreiben, Tierwohl und Pflanzen­schutz zu maximieren, aber genau das führt dazu, dass manche Landwirte das Handtuch werfen.

Wir wissen, auf dem Arbeitsmarkt werden Menschen für die Wirtschaft gesucht. Wenn in der Landwirtschaft kein Einkommen erzielt wird, wird irgendwann der junge Nachfolger den Betrieb nicht mehr weiterbetreiben. Da entsteht für uns in der Politik eine Aufgabe, und ich glaube, die neue GAP-Ausrichtung ist ein zentraler Grund zur Hoffnung für die jungen Landwirte, aber auch für die öster­reichischen Bürgerinnen und Bürger.

Ich bedanke mich bei den Konsumentinnen und Konsumenten genauso wie bei den Bäuerinnen und Bauern dafür, dass wir in Österreich einen so starken Zusammenhalt haben. Die Konsumentinnen und Konsumenten greifen auf die österreichischen Produkte zurück, und wir Bäuerinnen und Bauern versuchen, höchste Qualität zu produzieren. – In diesem Sinne ein herzliches Dankeschön!

Ich glaube, dieses Programm ist nicht das beste, aber das beste in Europa, und wir werden in Zukunft diesen Weg der neuen Agrarpolitik weitergehen. – In diesem Sinne ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.47



BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 44

Präsidentin Korinna Schumann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Riepl. Ich erteile es ihr.


9.47.54

Bundesrätin Nicole Riepl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr, heute über dieses Thema zu sprechen, da ich selbst aus erster Hand berichten kann. Wie viele von Ihnen wissen, bin ich selbst Nebenerwerbslandwirtin und kenne daher die Sorgen und Lebensumstände der Bäuerinnen und Bauern.

Wir Bauern sind 365 Tage im Jahr Tag und Nacht im Einsatz, um den bäuer­lichen Betrieb aufrechtzuerhalten. Die Wertschätzung gegenüber den bäuer­lichen Betrieben lässt seit Jahrzehnten zu wünschen übrig.

Aussagen über Durchschnittseinkommen im Bereich der landwirtschaftlichen Betriebe muss man hinterfragen, denn man muss, wenn laut Grünem Bericht 2022 das Einkommen durchschnittlich um 15 Prozent gestiegen ist – in absoluten Zahlen heißt das auf circa 30 000 Euro pro Betrieb –, schon genau hinschauen: Welche Betriebe sind das?

Wir dürfen nicht vergessen, dass ein Durchschnittswert nicht widerspiegelt, was der einzelne Betrieb erwirtschaftet, denn das Einkommen setzt sich aus dem Verkauf der landwirtschaftlichen Produkte und aus den Förderungen zusammen. Wie wir alle wissen, sind diese seit Jahrzehnten unfair verteilt: Die Großen pro­fitieren, die Klein- und Mittelbetriebe sind Bittsteller.

Vor allem werden in Österreich landwirtschaftliche Betriebe zum Großteil von Nebenerwerbslandwirten geführt. Ich kann Ihnen beschreiben, wie das im Alltag aussieht: Der Bauer und die Bäuerin müssen im Angestelltenverhältnis regulären Berufen nachgehen, um mit diesem Einkommen den bäuerlichen Betrieb zu erhalten. Nach einem 8-Stunden-Arbeitstag heißt es also, zu Hause weiterzuar­beiten. Die Tiere müssen an sieben Tagen in der Woche versorgt werden. Es gibt kein freies Wochenende, denn da muss der Hof erhalten werden. Die Produkte


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müssen verarbeitet und verkauft, die Wiesen und Äcker gepflegt werden. Es gibt keine Freizeit, keinen Urlaub, man muss ständig verfügbar sein und auch einmal um drei Uhr nachts aufstehen und Geburtshelfer sein.

Neben dem zeitlichen Aufwand gibt es auch finanzielle Belastungen für die Landwirtschaft. Vor allem durch die Energiekrise fallen deutlich höhere Betriebs­kosten an. Versicherungen müssen in der Regel privat bezahlt werden, um sich gegen Wetterextreme und den Klimawandel abzusichern. Viele können sich aber die Versicherung nicht leisten, und daher haben sie hohe Verluste zu verkraften.

Diese Punkte treffen alle Betriebe, finanziell schlagen sie jedoch wieder bei den kleinsten am stärksten durch. Da kann man nicht hergehen und sagen: Den Landwirten geht es gut! Das Einkommen ist ja schließlich gestiegen! – Die Reali­tät ist eine andere. (Bundesrat Steiner – in Richtung SPÖ –: Ihr müsst einmal klat­schen! – Bundesrätin Grimling: Geh, gib doch eine Ruhe!)

Durch die Klimaveränderung ergeben Wiesenbestände um mehr als die Hälfte weniger Ertrag. Zwei Hektar Wiese ergaben früher fünf Ballen Gras, jetzt ergibt diese Fläche nur noch einen Ballen. Das heißt, der Landwirt muss vier Ballen zukaufen, um seine Tiere zu versorgen, hat jedoch doppelte Dieselkosten, um mit dem eigenen Traktor das Futter zu mähen. Das kann sich unter dem Strich nicht mehr ausgehen, Herr Minister.

Die Förderungsstrukturen müssen sich endlich ändern, hin zu einer fairen Ver­teilung, damit wir die noch übrigen Klein- und Mittelbetriebe erhalten können. Es muss eine Entwicklung hin zu einer modernen Landwirtschaft, die ökologisch, nachhaltig und sinnvoll ist, passieren. Vergessen wir nicht: Die Bäuerinnen und Bauern in unserem Land versorgen die Bevölkerung mit Lebensmitteln, erhalten die Almen und bewirtschaften alle land- und forstwirtschaftlichen Flächen in Österreich – für diese wertvolle Tätigkeit allen Bäuerinnen und Bauern ein herz­liches Dankeschön. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen der FPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

9.52



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Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Steinmaurer. – Bitte.


09.52.20

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuseher zu Hause und auf der Galerie! Die heutige Aktuelle Stunde betrifft das Thema Landwirtschaft. Da gibt es allerhand zu besprechen beziehungsweise aufzuzei­gen.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass die landwirtschaftlichen Betriebe von Idea­listen geführt und bewirtschaftet werden. Der größte Teil wird im Nebenerwerb bewirtschaftet. Das heißt, in der Regel geht der Bauer noch einer zusätzlichen Tätigkeit nach. Das dabei erwirtschaftete Einkommen wird dann wiederum in die Modernisierung der Gebäude und der Gerätschaften investiert. Logisch ist hoffentlich für uns alle, dass nur dadurch eine vernünftige, nachhaltige und wirt­schaftliche Betriebsführung möglich ist.

Die Ertragssituation ist seit dem EU-Betritt schlechter geworden. Ein wesent­licher Bewirtschaftungsschwerpunkt in Österreich ist die Milchviehhaltung. Ein Mitbewerber in der Milchviehhaltung ist zum Beispiel Holland, wo die Strukturen ganz anders aufgebaut sind. Die Stallgebäude sind in Holland mehrere Stock­werke hoch (Bundesrat Schreuder: Niederlande!), die Nitratbelastung ist dort mittlerweile so hoch, dass sogar die EU eingreifen musste und die Bewirt­schaf­tung dieser Art beendete. Die Nutzböden sind dort für mehrere Jahre mit Nitrat übersättigt.

Was hat das aber mit Österreich zu tun? – Ganz wesentlich ist, dass unsere Bauern in ihrer kleinstrukturierten Betriebsform nicht mit denen in der EU kon­kurrieren können. Die aktuelle Situation in Österreich ist besorgniserregend. Unsere hochwertige, nachhaltig und umweltschonend produzierte Milch wird zu Käse verarbeitet und dann nach Italien exportiert. Die Milch in unseren Ver­kaufs­regalen kommt dann aus Holland.


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In den Medien war vor einiger Zeit sogar einmal von einer Milchknappheit die Rede. Ich als Oberösterreicher, der eine Land- und Forstwirtschaft betreibt, weiß, was es heißt, die Struktur in den Bergen aufrechtzuerhalten. Bei der Bewirtschaftung der Bergwiesen muss das Kostenverständnis beiseitegestellt werden und der Gedanke im Hinterkopf sein, dass die Wiesen für unsere Nach­fahren erhalten werden müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

In Österreich bekommt der Bauer für einen Liter Milch circa 40 Cent. Mit diesem Preis ist ein Überleben nicht möglich. Logisch ist, dass damit eine Betriebsfüh­rung auch nicht möglich ist. In meiner Heimatgemeinde, der flächenmäßig größ­ten Gemeinde in Oberösterreich, gibt es mittlerweile keine Milchkuh mehr. Ich habe mich mit meinem Freund Manfred Haimbuchner dieser Sache angenom­men, wir haben ein Projekt zu dieser Ertragssituation der Landwirte erarbeitet, dieses ist bereits in Umsetzung. (Beifall bei der FPÖ.)

In den Bergregionen sind die Milchproduktion und die Kälbermästung die gän­gigsten Formen der Bewirtschaftung. Wir können in Oberösterreich zum Beispiel nur mit hoher Qualität einen höheren Erlös erzielen. Anhand dieser Gegeben­heiten haben sich, beginnend im Almtal und später auch im Kremstal, drei Bau­ernfamilien zusammengefunden, die mittlerweile Billa und Spar beliefern. Die allseits bekannte A2-Milch wurde geboren, ein Produkt, das auch Allergiker genießen können. Bei uns in Oberösterreich wurde die A2-Milch auch in die Schulmilchaktion aufgenommen. Mittlerweile sind die Bestellungen an der Kapazitätsgrenze angelangt. Dadurch konnte die Erwerbssituation wesentlich verbessert werden. Die Konsumenten sind auch bereit, für 1 Liter nachhaltig produzierter Milch 2 Euro zu bezahlen.

Besorgniserregend ist, dass für den Bauern der wichtigste Tag im Leben der Tag der Abgabe der Förderanträge bei den Bezirkskammern ist, wenn von einer positiven Behandlung ausgegangen werden kann.


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In der Forstwirtschaft ist die Situation ähnlich. Die Holzpreise haben sich in den letzten 20 Jahren nicht verbessert. Im Jahr 2018 hatten wir einen Festmeter­preis von 40 Euro, womit wiederum gerade die Erntekosten abgedeckt waren. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

9.57


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. Ich erteile ihm dieses.


09.57.36

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Also ich bin jetzt nicht zum Agrarier geworden – ich bin vorhin schon gefragt worden: Du redest zu einem Landwirtschaftsthema? –, obwohl mein Großvater – weil jetzt gerade die Nie­der­lande angesprochen worden sind – tatsächlich Bauer, ein Schafzüchter, in den Niederlanden war.

Wir haben – und das halte ich schon für ganz wichtig – jetzt eine Gemeinsame Agrarpolitik. Ich glaube, allein das muss man jetzt einmal unterstreichen. Wie oft haben wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten zum Beispiel im EU-Ausschuss darüber diskutiert, dass die Strukturen der Landwirtschaft in diesen Ländern – und die Niederlande sind ja tatsächlich ein gutes Beispiel – so unterschiedlich sind?

Österreich ist so stark auf kleinteilige Landwirtschaft ausgerichtet. Zum Beispiel in den Niederlanden wird die Agrarpolitik mittlerweile tatsächlich mit einer ausgesprochenen Brutalität, auch mit physischer Gewalt, ausgefochten; das muss man auch in dieser Form sagen. Da kann man schon sagen, dass in Öster­reich dadurch, dass schon sehr früh auf Biolandwirtschaft, auf kleinteilige Landwirtschaft gesetzt worden ist und das auch unterstützt worden ist, sicher etwas richtig gemacht worden ist.


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Wie gesagt: Ich bin kein Bauer, sondern ich bin ein Stadtmensch, ich komme aus Wien. Man merkt aber auch in Wien, wenn man auf die Bauernmärkte geht, die an Samstagen sehr, sehr gut besucht werden, dass das Bewusstsein der Men­schen dafür, welche Lebensmittel sie kaufen, aus welcher Region diese stammen und wie sie hergestellt werden, mittlerweile sehr groß geworden ist und immer mehr wächst.

Was mir zu sagen schon auch wichtig ist: Wir haben durchaus diskutiert, auch als Koalitionspartner, weil es da natürlich teilweise unterschiedliche Ansätze und Prioritäten gibt. Eines, glaube ich, ist ganz wichtig – und das sieht man auch in dieser GAP-Strategie, die wir gemeinsam entwickelt haben –: Klimaschutz und eine nachhaltige Landwirtschaft sind kein Gegensatz, die widersprechen einander nicht. Ich glaube, das ist das Wichtige: dass wir sagen müssen, Klima­schutz und eine nachhaltige Landwirtschaft gehen Hand in Hand.

Jetzt haben wir tatsächlich das Problem, dass mit dem brutalen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine der Preisdruck für alle Einkommensbezieher, für alle Haushalte enorm geworden ist. Wie viel man wofür zu bezahlen bereit ist, ist für viele Menschen jetzt eine völlig neue Frage geworden. Da müssen wir die österreichischen Bauern unterstützen. Wir wissen alle, dass der Preisdruck sehr groß ist.

Einen Punkt möchte ich noch ansprechen, weil er mir persönlich ein Anliegen ist: Das ist die Insektenpopulation in Österreich. Es gibt seit 1990 – und wir haben jetzt die Vergleichswerte bis 2020; die letzten zwei Jahre fehlen ja – in Öster­reich einen Einbruch der Insektenpopulation von 75 Prozent.

Mit dem Verlust dieser Insektenpopulation haben wir auch sehr, sehr viele Vogel­arten verloren. Ich kann mich noch erinnern, als Kind Wiedehopfe gesehen zu haben. Das ist wirklich ein wunderschönes Erlebnis gewesen. Also wer einmal einen Wiedehopf gesehen hat: Das ist ein unglaublich schöner Vogel, den man jetzt in Österreich eigentlich nicht mehr sehen kann, und das ist einfach schade.


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Insektenvielfalt ist auch deswegen so wichtig – natürlich nicht nur in Österreich, sondern weltweit –, weil sie auch für die Landwirtschaft wichtig ist. Der Welt­biodiversitätsrat hat ausgerechnet: Wenn der Insektenschwund weiter so fort­schreitet, dann verlieren wir 90 Prozent der Ernte bei Kakao, bei Wasser­melo­nen, bei Kürbissen, bis zu 90 Prozent bei Kirschen, Äpfeln, Gurken. Das kann man ja nicht wollen. Das heißt: Blühende Wiesen, Blumenwiesen, wieder Räume zu schaffen, damit Insekten existieren können, das ist etwas, das auch für die Landwirtschaft gut ist. – Das ist mir wichtig zu sagen. (Zwischenruf des Bun­des­rates Steiner.)

Ich denke, wir können bei dieser Gemeinsamen Agrarpolitik ganz froh darüber sein, dass auch solche Aspekte wieder stärker in den Vordergrund gerückt worden sind, dass Biolandwirtschaft in den Vordergrund gerückt wird. Wichtig ist auch die Tatsache – und darauf hat meine Kollegin, Frau Huber, hingewie­sen –, dass die Frage, wie wir mit unseren Bäuerinnen und Bauern umgehen, immer auch eine soziale Frage ist. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

10.02


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses.


10.02.49

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Europa ist auf der ganzen Welt für seine qualitativ hochwertigen Lebensmittel und seine vielfältigen kulinarischen Traditionen bekannt. Dank der Gemeinsamen Agrar­politik produzieren Bäuerinnen und Bauern die Lebensmittel, die wir brauchen, und wir genießen eine große Vielfalt an reichlich vorhandenen, erschwinglichen und sicheren Lebensmitteln, die den höchsten Standards entsprechen.


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Da die europäische Landwirtschaft und die ländlichen Gebiete eine entschei­dende Rolle bei der Gewährleistung einer nachhaltigen und rentablen Lebens­mittelproduktion spielen, muss mehr für ihre ökologische Nachhaltigkeit und für die kontinuierliche Entwicklung eines hohen Mehrwerts getan werden. Wir müssen sicherstellen, dass die qualitativ hochwertige Produktion der EU zuneh­mend den immer ehrgeizigeren Umweltstandards und der wirtschaftlichen und sozialen Tragfähigkeit entspricht. Das heißt, dass sie ein tragfähiges grünes Produktionsmodell erreicht, die Umwelt geschützt und die Wirtschaft ländlicher Gebiete an den Grünen Deal der EU und an die Ambitionen der digitalen Agenda angepasst wird.

Die Vision unserer europäischen Fraktion Renew Europe für Ernährung und Landwirtschaft ist eine nachhaltige, effiziente und produktive Landwirtschaft. Gemäß dieser Vision werden die Verpflichtungen der EU in den Bereichen Umwelt, Klima und Biodiversität vollständig mit einer starken, wider­stands­fähi­gen und nachhaltigen landwirtschaftlichen Produktion einhergehen, bei der genügend Bäuerinnen und Bauern ihren Lebensunterhalt verdienen, indem sie den Märkten und den Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher gerecht werden. (Bundesrat Hübner: Wie wird das gehen?)

Deshalb streben wir eine Kombination robuster neuer und innovativer GAP-Instrumente in beiden GAP-Säulen an – das heißt: Enhanced Eco-Schemes in der ersten Säule und Smart Green Investments in der zweiten Säule –, die es Bäue­rinnen und Bauern, Bürgerinnen und Bürgern und ländlichen Gebieten ermög­licht, ihr volles Potenzial für eine grüne Wirtschaft auszuschöpfen. (Bundesrat Hübner: Wie wird das gehen?)

Die Ökologisierungsmaßnahmen der GAP haben ihr Potenzial nicht vollständig und messbar ausgeschöpft. Aus diesem Grund unterstützen wir von den NEOS und Renew Europe die Einführung neuer innovativer Enhanced Eco-Schemes. Diese sollten obligatorisch sein, von den Mitgliedstaaten eingeführt werden, und jede Bäuerin und jeder Bauer muss die Möglichkeit haben, sich zu beteiligen, um den Übergang zur grünen Wirtschaft anzukurbeln.


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Wir sind der Ansicht, dass zu diesem Zweck ein wesentlicher Anteil von mindes­tens 30 bis 40 Prozent der ersten Säule, entsprechend den Enhanced Eco-Schemes, über die nächste GAP-Periode schrittweise zweckgebunden werden sollte. Um hohe grüne Ambitionen sicherzustellen, müssten die Enhanced Eco-Schemes die Konditionalität ergänzen, und sie sollten genügend Anreize bieten, um die Beteiligung der Bäuerinnen und Bauern zu maximieren. Sie sollten streng am Fortschritt der erzielten Ergebnisse gemessen werden und nicht Gegenstand eines doppelten Kontrollmechanismus sein. Damit muss jede Bäuerin, jeder Bauer, die:der die Unterstützung erhält, nicht nur Mindeststandards erfüllen, sondern sie:er muss durch eine Vielzahl von Anreizen für Eco-Schemes in die Lage versetzt werden, ehrgeizigere Umwelt-, Klima- und Tierschutzziele zu erreichen.

Die Politik zur Entwicklung des ländlichen Raumes, die darauf abzielt, ländliche Gebiete bei der Bewältigung einer Vielzahl von wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen zu unterstützen, kann eine Rolle bei der Förderung einer integrativeren Gesellschaft spielen und ländliche Gebiete zu einem besseren Ort, den Lebensunterhalt zu verdienen, machen.

Um die Menschen und insbesondere die jüngere Generation in ländlichen Gebie­ten zu halten und andere soziale Herausforderungen anzugehen, sind günstige Bedingungen wie der Zugang zu Geschäftsmöglichkeiten, Wissen und zu grund­legenden Dienstleistungen erforderlich. Unsere Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums, die von nationalen und regionalen Regierungen umgesetzt wird, hat sich aufgrund ihres zielgerichteten, ergebnisorientierten und maßge­schneiderten Ansatzes als wirksam bei der Erreichung der GAP-Ziele erwiesen.

Für Renew Europe und NEOS ist es außerdem von größter Bedeutung, dass wir eine Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums haben, die nicht nur den gesellschaftlichen Herausforderungen, sondern auch den ökologischen und kli­matischen Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, gerecht wird. Ergänzend zu unserem Enhanced-Eco-Schemes-Ansatz werden gezielte Maß­nahmen zu Agrarumweltverpflichtungen, zu ökologischen Landbaugebieten mit


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natürlichen Einschränkungen, zu Gebieten mit hohem Naturwert und Risiko­managementlösungen als Initiative und Ideenplattform für zukünftige Eco-Schemes dienen.

Außerdem schlagen wir eine Zweckbindung von mindestens 30 bis 40 Prozent der zweiten Säule für Umwelt- und Klimaziele, erhöhte Ambitionen durch die Kombination von Wirtschafts- und Umweltzielen vor, und wir würden mindes­tens 30 Prozent des Investitionspakets umwelt- und klimabezogenen Investi­tions­zielen, den sogenannten Smart Green Investments, zuweisen. – Vielen Dank.

10.07


Präsidentin Korinna Schumann: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich nochmals der Herr Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regi­onen und Wasserwirtschaft zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm und darf ihn darauf hinweisen, dass die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten ist.


10.08.01

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft Mag. Norbert Totschnig, MSc|: Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Ich möchte noch kurz auf zwei Aspekte ein­gehen.

Zum Aspekt mit der ordentlichen Angelobung: Ich beziehe mich da auf eine Infor­mation der Präsidentschaftskanzlei, die natürlich alles rechtlich sauber geprüft hat. Die Aussage ist sehr klar: Ich bin am 18. Mai als Bundesminister für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus angelobt worden. Es hat in der Folge eine Änderung des Bundesministeriengesetzes gegeben. Hier im Bundesrat ist das am 13. Juli beschlossen worden. Dieser Beschluss hat zur Folge gehabt, dass Kom­petenzen aus meinem Ressort in andere Ressorts abgewandert sind. Es hat eine Namensänderung gegeben, doch diese Änderung führt nicht dazu, dass eine


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neuerliche Angelobung notwendig ist. Das ist die Rechtsauskunft der Präsident­schaftskanzlei, die dafür verantwortlich ist. Ich habe volles Vertrauen in die Rechtsmeinung dieser Expertinnen und Experten.

Zu einem zweiten Punkt vielleicht noch, weil es Kollege Kovacs angesprochen hat: Natürlich haben wir derzeit eine unglaubliche Teuerung zu stemmen. Die belastet auch die Land- und Forstwirtschaft. Wir haben deswegen auch gezielt Maßnahmen zur Unterstützung der Landwirtschaft aufgelegt, vor allem zur Abfederung der hohen Betriebsmittelpreise, die es zu verkraften gibt.

Ich möchte anführen, damit Sie sich auch ein Bild machen können: Es gibt die sogenannte temporäre Agrardieselrückvergütung von 7 Cent pro Liter. Das sind 30 Millionen Euro, die werden nächstes Jahr zur Abfederung der gestiegenen Dieselpreise ausgezahlt.

Wir haben das 110-Millionen-Euro-Versorgungssicherungspaket, das ebenso die Betriebsmittelpreise, die Energiekosten, aber auch die gestiegenen Kosten von Düngemitteln und Futtermitteln abfedern soll. Die Auszahlung erfolgt vor Weih­nachten.

Es hat die Unterstützung für den geschützten Anbau in Wien gegeben. Die Glas­häuser sind ja aufgrund der hohen Energiekosten sehr unter Druck. Diese Unterstützung in der Höhe von 9 Millionen Euro wurde bereits Ende September ausgezahlt.

Es kommt jetzt in den nächsten Tagen – wir werden die Ausarbeitung abschließen – ein sogenannter Stromkostenzuschuss für die Landwirtschaft. Das ist ein Paket neben der Stromkostenbremse. Das soll wiederum Betriebe unterstützen, die einfach aufgrund der hohen Stromkosten unter Druck geraten. Ziel ist es, dass die Lebensmittelversorgung gesichert wird.

Abschließend noch der Aspekt mit der CO2-Bepreisung: Diese gilt ja seit 1. Okto­ber 2022. Für die Land- und Forstwirtschaft wurde mit dem Koalitionspartner eine sogenannte CO2-Rückvergütung ausverhandelt. Das, was über die CO2-


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Bepreisung draufkommt, wird für die Land- und Forstwirtschaft rückvergütet. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

10.10


Präsidentin Korinna Schumann: Die Aktuelle Stunde ist nun beendet.

10.10.54Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Korinna Schumann: Hinsichtlich des Schreibens des Verbin­dungs­dienstes des Bundeskanzleramts betreffend den Aufenthalt des Bundeskanzlers und eines anderen Mitglieds der Bundesregierung in einem anderen Mitglied­staat der Europäischen Union verweise ich auf diese im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Herrn Bundes­kanzler Karl Nehammer, MSc am 20. und 21. Oktober 2022 in Belgien, wobei seine Angelegenheiten im Bundesrat Frau Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm wahrnehmen wird (Anlage 1)

und

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Herrn Bundes­minister für Inneres Mag. Gerhard Karner am 20. Oktober 2022 in Deutschland,


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wobei seine Angelegenheiten im Bundesrat Frau Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA wahrnehmen wird (Anlage 2)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung) sowie

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

Außen- und Europapolitischer Bericht 2021 der Bundesregierung (III-795-BR/2022)

zugewiesen dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten

und

Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 2021) (III-796-BR/2022)

zugewiesen dem Ausschuss für innere Angelegenheiten

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Präsidentin Korinna Schumann: Einlangt und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abge­schlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Zur Geschäftsbehandlung: Bundesrat Steiner, bitte.

*****10.11.55


10.11.59

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Prä­sidentin! Zu den Entschuldigungen sei schon einmal eines gesagt: Wir sind ja nicht irgendwas und irgendwer.

Es gehört jetzt endlich einmal besprochen, dass er sich – denn ich kann mir schwer vorstellen, dass Herr Karner am Tag vor der Bundesratssitzung plötzlich erfahren hat, dass er eine Reise nach Deutschland hat – gestern mittags für die heutige Bundesratssitzung entschuldigen lässt. Er schickt anscheinend Frau Gewessler in den Bundesrat. Es ist dann doch nicht mehr Frau Gewessler, es kommt vielleicht Frau Edtstadler. Es ist dann vielleicht nicht mehr Frau Edtstadler, dann kommt vielleicht der Landwirtschaftsminister zu Themen, die Inneres betreffen.

Ich denke, als Präsidentin des Bundesrates sollte man das nicht nur so herunter­lesen, sondern schon einmal eine klare Ansage machen. (Heiterkeit bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Wie geht diese Regierung – die zwei Minister, die hier sitzen, sind zumindest jetzt einmal vorsichtig ausgenommen – oder ein Teil der Regierungsmitglieder wirklich mit der zweiten Kammer des österreichi­schen Parlaments um? Das ist ja nicht lustig!


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Es ist eine bodenlose Frechheit, bei Terminen, die über ein halbes Jahr vorher bekannt sind – und das sind unsere Bundesratssitzungen, außer es sind Sonder­sitzungen –, am Tag davor draufzukommen.

Wenn man sich dann vielleicht aus Angst, sich hier herinnen irgendetwas stellen zu müssen, schleicht und quasi als Karner zu einem der bekanntesten Flüchtlinge Österreichs wird, sich am Tag davor entschuldigen lässt und dann bis heute 10 Uhr nicht einmal weiß, wer einen vertritt (Bundesrat Preineder: ... Termine bekannt geben!), also da müssen wir uns als Bundesrat schon etwas überlegen, denn die fahren mit uns Wagerle, wie man so schön sagt.

Wenn wir uns das gefallen lassen, Frau Präsidentin, dann ist uns als Bundesrat und als zweiter Kammer, die ja anscheinend so stolz auf sich selber ist, nicht mehr zu helfen. (Beifall bei der FPÖ.)

10.14


Präsidentin Korinna Schumann: Ich verweise in diesem Zusammenhang auf das bereits im Juli an den Herrn Bundeskanzler ergangene Schreiben von mir. Wir werden diese Agenda natürlich in der nächsten Präsidiale wieder behan­deln.

Zu Wort gemeldet hat sich der Fraktionsvorsitzende der ÖVP. – Bitte.


10.14.18

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach der Empörung des Kollegen Steiner möchte ich hier schon einiges anmerken.

Zum einen: Die Termine der Bundesratsplenarsitzungen sind sehr wohl bekannt, es gibt aber auch internationale Termine und Verpflichtungen, die wahrzuneh­men sind. (Bundesrat Steiner: Aber nicht am Tag vorher!)

Das ist der Fall bei der Berliner Runde, bei der unser Herr Innenminister heute in Deutschland ist und bei der es auch um die Bekämpfung der illegalen Migration


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geht. Daher ist das ein Thema, bei dem er die Interessen unserer Republik und der Menschen in diesem Land vertritt. (Zwischenruf des Bundesrates Ofner. – Bundesrat Steiner: Das weiß er seit gestern?)

Lieber Herr Kollege Steiner! Ein bisschen Benehmen würde ich mir auch von dir erwarten. Ich habe zugehört und dich ausreden lassen, und das erwarte ich auch von dir. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Du lügst ja!)

Jetzt auch noch die Freiheit zu besitzen, mich der Lüge zu bezichtigen, ist schon eine bodenlose Frechheit, lieber Herr Kollege. (Bundesrat Steiner: Das ist die Wahrheit!)

Tatsache ist, dass dieses Treffen eine sehr wichtige gemeinsame Veranstaltung auf Einladung der deutschen Innenministerin ist und unser Bundesminister daher Österreich dort vertreten wird.

Die Kritik, dass diese Entschuldigung und die Information über die Vertretung gestern gekommen sind, nehme ich selbstverständlich mit und werde sie auch wei­tergeben. Das könnte man schon früher machen. Das nehme ich zur Kenntnis.

In diesem Sinne denke ich, dass wir in die Behandlung der Tagesordnung gehen können. (Beifall bei der ÖVP.)

10.15


Präsidentin Korinna Schumann: Zur Geschäftsordnung hat sich weiters der Fraktionsvorsitzende der SPÖ zu Wort gemeldet. – Bitte.


10.15.59

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Ich meine, Kollege Steiner hat nicht immer recht, aber in diesem Punkt hat er recht (Beifall bei der FPÖ), denn es ist ärgerlich – und in den letzten Plenarsitzungen mitan­zusehen –, dass in den Tagen davor die Flucht außer Landes beginnt. (Bundesrat


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Bader: Bitte hört auf! Schau dir an, wo der Bundeskanzler Faymann war!) – Ent­schuldige, schaut euch einmal die letzte Sitzung an! Da waren gleich sechs Minister entschuldigt. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Lieber Kollege Bader, du kannst dich hier entrüsten, wie du willst, aber eines muss man dieser Regierung mit diesem Verhalten schon vorwerfen: dass sie damit den Parlamentarismus ruiniert. Denn Minister und Ministerinnen haben sich den parlamentarischen Debatten zu stellen.

Dann kommt noch das Nächste: Ich meine, wie lange ist diese Regierung jetzt schon im Amt? (Bundesrätin Schartel: Zu lange!) Wir hatten erst zwei Frage­stunden – zwei Fragestunden! Eines der grundlegendsten Rechte der Parla­men­tarier ist, einen Minister oder eine Ministerin zu befragen, aber das Jahr wird zu Ende gehen und wir haben wieder keine Fragestunde, weil die Angst dieser Regierung und der Angehörigen dieser Regierung vor einer Fragestunde im Bun­desrat gigantisch ist. (Bundesrat Bader: Geh bitte!)

Ich hoffe, Herr Minister Brunner wird – als einer, der einmal hier bei uns geses­sen ist – diese Angst nicht haben und sich einer Fragestunde stellen. Da bin ich mir ganz sicher. (Heiterkeit bei SPÖ und FPÖ sowie Beifall bei der SPÖ. – Bundes­minister Brunner: Wieso sollte ich Angst vor dir haben?)

Da sind aber zwei Dinge, die wir wirklich mit Nachdruck sagen: Es ist bekannt, wann die Sitzungen des Bundesrates sind. Es ist das Mindeste, dass diese Flucht vor Bundesratssitzungen ein für alle Mal aufhört.

Wir verstehen: Der Herr Kanzler kann nicht da sein. Das wissen wir alle. Das ist auch richtig so, aber diese seltsame Geschichte des Innenministers – das ist eine seltsame Geschichte, diese schnell gesuchte Einladung, aber es ist okay. Wir werden darüber diskutieren. (Bundesrat Bader: Das ist keine seltsame Geschichte! – Bundesrat Kornhäusl: Auslandseinladung! Keine seltsame Geschichte!)


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Ich bedanke mich bei der Präsidentin, dass das Gegenstand der nächsten Prä­si­diale wird. (Beifall bei der SPÖ.)

10.18


Präsidentin Korinna Schumann: Zur Geschäftsordnung: Herr Steiner. – Bitte.


10.18.47

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsi­dentin! Zu den Fragestunden, die Herr Kollege Schennach angesprochen hat: Ja, wahrscheinlich sind auch nicht alle fähig, die Fragen dann ordentlich zu beant­worten, und man flüchtet sich vor Fragestunden. (Beifall bei Bundesrät:in­nen der FPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Hey!) Bei Herrn Brunner mache ich mir da weniger Sorgen, der wird sie schon durchstehen.

Mich würde aber interessieren, Herr Bader: Wie lange dauert denn diese angeb­lich so wichtige Berliner Runde, die gestern um die Mittagszeit plötzlich aufge­kommen ist und zu der er so wichtig hin muss, damit er die Migrationskrise von Berlin aus bekämpfen kann?

Oder passiert dann wieder das Gleiche, was Frau Merkel einmal gesagt hat: Der österreichische Bundeskanzler fährt mit seiner Meinung nach Deutschland (Zwischenbemerkung von Bundesminister Brunner) – ja, das war der SPÖ-Kanzler – und mit meiner Meinung wieder nach Österreich zurück!?

Das würde mich interessieren: Wie lange dauert denn diese Berliner Runde? Sonst unterbrechen wir die Sitzung und warten, bis der Innenminister wieder zurück ist. Das wäre kein Problem für uns. (Beifall bei der FPÖ.)

10.19


Präsidentin Korinna Schumann: Gibt es noch weitere Wortmeldungen? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.


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*****

10.19.54Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Korinna Schumann: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlags beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 1 und 2, 5 und 6, 7 und 8, 10 und 11, 17 und 18 sowie 19 bis 21 jeweils unter einem zu verhan­deln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Ankündigung von Dringlichen Anfragen


Präsidentin Korinna Schumann: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Daseinsvorsorge in Gefahr – Herr Finanzminister, was tun Sie für die Städte und Gemeinden in der Teuerungskrise?“ an den Herrn Bundesminister für Finanzen vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich weiters bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „,Land unter‘ in der Migrationskrise“ an den Bundesminister für Inneres vorliegt.

Die Behandlung der an den Bundesminister für Inneres gerichteten Dringlichen Anfrage wird unmittelbar im Anschluss an die Behandlung der Dringlichen Anfrage an den Herrn Bundesminister für Finanzen erfolgen.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.


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10.21.161. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Familienlasten­ausgleichsgesetz 1967 und das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert werden (Teuerungs-Entlastungspaket Teil II) (1662 d.B. und 1702 d.B. sowie 11098/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Energiekostenausgleichsgesetz 2022 geändert wird (2812/A und 1703 d.B. sowie 11099/BR d.B.)


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 1 und 2 ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Ich bitte um die Berichte.


10.21.50

Berichterstatter Otto Auer: Sehr geehrter Herr Minister! Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer hier und zu Hause! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommen­steuergesetz 1988, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Umsatz­steuergesetz 1994 geändert werden – Teuerungs-Entlastungspaket Teil II.

Der Bericht liegt Ihnen vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energiekostenausgleichsgesetz 2022 geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 67

Auch dafür liegt Ihnen der Bericht vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grossmann. Ich erteile es ihr. – Bitte.


10.23.13

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem liebe Jugend heute hier auf der Galerie, die Sie sich ein Bild vom lebendigen Parla­mentarismus machen! Hoffentlich nehmen Sie ein gutes Bild mit. Das wird vielleicht nicht immer so leicht möglich sein, aber so ist der parlamentarische Ablauf hier. (Bundesrat Himmer: So sind wir halt! – Bundesminister Brunner: Wir sind nicht so!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf und der dem zugrunde liegende Budgetentwurf folgen leider, muss ich sagen, einmal mehr dem Grundsatz: Wer hat, dem wird gegeben werden. Die Abschaffung der kalten Progression ist ja grundsätzlich begrüßenswert, aber es wurde bedauer­licherweise ein Modell gewählt, das Spitzenverdiener besonders profitieren lässt und Geringverdienerinnen billig abspeist. Ich habe hier jetzt bewusst gegendert beziehungsweise nicht gegendert, weil gerade Frauen die großen Verliererinnen des Budgets und auch dieses Gesetzes sind. Frauen und Kinder – das kann man voranstellen – sind die großen Verliererinnen und Verlierer.

Das ist jetzt nicht nur unsere Vermutung als SPÖ. Es ist auch nicht nur die Erkenntnis eines Instituts, das gerade von Regierungsseite gerne abgewertet, manchmal sogar diffamiert wird, nämlich des Momentum-Instituts, nein, wir haben auch beim Budgetdienst nachgefragt, der ja unser ureigenstes Hilfsorgan ist und dem hoffentlich alle Fraktionen hier vertrauen.


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Unsere Nationalratskollegin Eva Maria Holzleitner hat beim Budgetdienst des Parlaments entsprechend nachgefragt und hat damit eigentlich die Arbeit gemacht, die Sie als Finanzminister schon hätten machen sollen, nämlich zu überprüfen, wie sich das Gesetz jeweils auf Frauen und Männer auswirkt. Man bezeichnet das mit dem Fachausdruck Genderbudgeting. (Bundesrätin Schartel: Ganz wichtig!) – Ja, stimmt, Frau Kollegin, das ist ganz wichtig. Es ist nämlich wirklich ganz wichtig, dass man überprüft, wie sich ein Gesetz auf die einzelnen Bevölkerungsgruppen auswirkt, wie die Verteilungswirkung aussieht. (Bundesrat Spanring: Wenn ihr nicht immer gendern tätet, wären wir schon bei TOP 3! – Heiter­keit bei der FPÖ.) Das ist ganz, ganz entscheidend für ein Gesetz: Wer profitiert von einem Gesetz und wer profitiert sozusagen nicht oder weniger von einem Gesetz? (Bundesrat Spanring: Das ist unsere Lebenszeit!)

Das ist nicht nur ein verfassungsrechtlicher Grundsatz, den wir vor vielen Jahren mit großer Mehrheit gemeinsam beschlossen haben - - (Bundesrätin Schartel: Was ist denn das Genderbudgeting? Da muss ich ...!) – Sie waren offensichtlich nicht dabei, aber die Grünen waren jedenfalls dabei, auch die ÖVP war dabei und hat dieses Genderbudgetingprinzip mitbeschlossen. Davon ist heutzutage aber anscheinend nicht mehr oft die Rede. Das wird auch nicht mehr als verbindlich angesehen, weil dieses Gesetz sonst anders aussehen würde. Sonst würde auch das Budget anders aussehen und hätte so nicht passieren dürfen.

Was sagt nun der Budgetdienst? – Frauen profitieren weit weniger als Männer. Das Gesamtvolumen der Reform kommt nämlich zu 60 Prozent Männern und nur zu 40 Prozent Frauen zugute. Dieses Gesamtvolumen ist dabei zum einen aus der Komponente Abschaffung der kalten Progression zusammengesetzt. Das muss man fairerweise auch in der Gesamtbetrachtung mitberücksichtigen. Auch die Valorisierung mancher Sozialleistungen, die ja auch vorgenommen wurde, ist durchaus begrüßenswert – mancher Sozialleistungen, eben nicht aller. Trotzdem ergeben diese – gemeinsam betrachtet – so eine Verteilungswirkung. Das ist auch nicht überraschend, weil Frauen in den oberen Einkommensstufen kaum


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oder viel weniger vorkommen, dort aber die großen Volumina bewegt werden. (Vizepräsident Hirczy übernimmt den Vorsitz.)

Wenn sich die Bundesregierung dafür auf die Schulter klopft, dass sie für die unteren Einkommensstufen die kalte Progression für 2023 ja großzügigerweise jetzt schon um 6,3 Prozent ausgleicht und dementsprechend die Steuertarife anpasst, so muss dem entgegengehalten werden, dass die Inflation, wie wir wissen, mindestens 10,5 Prozent beträgt. Es ist also immer noch eine Kürzung – und das gerade bei einer Einkommensgruppe, die sich mit den Teuerungen ohnehin sehr, sehr schwertut. (Bundesrat Himmer: Das hat aber die SPÖ nie gesagt, dass sie nur für die Abschaffung der kalten Progression von Frauen ist! Die Position ist unbekannt!)

Weiters stellt der Budgetdienst fest, dass auch viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Kindern jetzt nichts von dieser Abschaffung der kalten Pro­gression merken werden, weil ihre Steuerlast schon durch den Familienbonus reduziert wurde, der ja nicht negativsteuerfähig ist, wie wir wissen. (Bundesrat Himmer: Also fordern Sie die Abschaffung der kalten Progression nur für Frauen? Ist das Ihre Position? – Heiterkeit des Bundesministers Brunner.)

Diese sehr einkommensschwachen Haushalte, die besonders unter der Teuerung leiden, gehen also durch diese Maßnahme leer aus. Das sind besonders viele Alleinerzieher:innen, Herr Kollege, die bei dieser Teuerung nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen. Die scheinen Ihnen anscheinend wurscht zu sein. (Bundesrat Himmer: Das ist bei den SPÖ-Vorschlägen auch nicht vorgekommen, dass nur die Frauen von der kalten Progression profitieren sollen! Das haben Sie vergessen, einzubringen, diese Vorschläge! Welche Vorschläge haben Sie da gebracht? – Bundesrätin Schartel: ... Genderbudgeting!) Da möchte ich Ihnen auch eine Umfrage mitgeben, nämlich der Plattform für Alleinerziehende, die zutage gebracht hat, dass 50 Prozent der Alleinerzieher:innen sich beim Kauf von Nah­rungsmitteln einschränken müssen – also beim Notwendigsten, gerade für die Kinder.


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Viele Familien – auch das ist erst unlängst von unserer Präsidentin in ihrer Funktion als ÖGB-Frauenvorsitzende thematisiert worden – melden ihre Kinder von der schulischen Nachmittagsbetreuung ab, weil sie sich das teurer gewor­dene Mittagessen einfach nicht mehr leisten können. Gerade im Zuge der Teuerungen sind da Auswirkungen für die Bevölkerung feststellbar, die so ein­fach nicht mehr tragbar sind.

Daneben wird auch der Flaf, der Familienlastenausgleichsfonds, weiter ausge­höhlt, indem der Dienstgeberbeitrag von 3,9 auf 3,7 Prozent abgesenkt wird. Das bedeutet auch im Gesamtvolumen eine Reduktion von 1,5 Milliarden Euro gerade in einer Zeit, in der dieser Fonds, der ja wichtige Aufgaben wie zum Beispiel die Finanzierung der Schüler:innenfreifahrt zu erfüllen hat, die immer schwerer fällt, besonders beansprucht wird. Gerade in den ländlichen Regionen gibt es immer mehr Probleme mit der Finanzierung. Auch da müssen wieder die Eltern einspringen – und das bei der gesamten Teuerungssituation. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht nur wir orten Zweifel an der Gerechtigkeit und Ausgewogenheit dieses Gesetzes und dieses Budgets. Auch Vertreter der kleineren Regierungspartei wollten es genauer wissen. Der Budgetsprecher und Klubobfraustellvertreter der Grünen im Nationalrat stellte eine schriftliche Anfrage an den Budgetdienst genau hinsichtlich der Verteilungswirkung und musste erfahren, dass das obere Fünftel 30 Prozent des Entlastungsvolumens bekommt, das unterste Fünftel aber nur 9 Prozent. Da muss ich Sie schon fragen: Ist das gerecht?

Wer hat, dem wird gegeben werden: Das ist wieder das offensichtliche Prinzip dieses Budgets. Das gilt jedenfalls für die ersten zwei Drittel des Gesamtvolu­mens, das schon verplant ist. Was das verbleibende Drittel angeht, so ist das anscheinend ein Überraschungsei, weil es eben noch keine gesetzliche Vorgabe dafür gibt, wie das dann tatsächlich auszugeben ist. Da wäre es natürlich schon möglich gewesen, diesbezüglich Parameter einzuziehen: dass eben nach sozial­politischen Leitlinien zu vergeben ist und nach Armut vermeidenden Gesichts­punkten vorzugehen ist.


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Was das Schlimmste ist, meine sehr geehrten Damen und Herren: Es fehlt die Gegenfinanzierung. Es wird viel Geld verteilt – hauptsächlich von unten nach oben –, aber wer wird das alles bezahlen? – Wahrscheinlich wieder einmal die vielen da unten, wenn beim Sozialstaat gespart werden muss, den die Schwäche­ren, die Personen mit niedrigen Einkommen, die Kinder und Jugendlichen und die Studierenden besonders brauchen. Da zeigt sich wieder einmal: Es ist eine Umverteilung von unten nach oben.

Man hätte es anders machen können und auch anders machen müssen. (Beifall bei der SPÖ.) Man hätte den untersten Einkommensbezieher:innen die Teuerung zur Gänze abdecken können. Da wäre dann auch die Genderbudgeting­verpflich­tung zu erfüllen gewesen. Man müsste dringend die Preisexplosion stoppen, anstatt sie mit der CO2-Bepreisung noch weiter anzuheizen. Die Mehrwert­steuer auf Grundnahrungsmittel gehört sofort ausgesetzt, die Mietensteigerungen gestoppt und endlich ein Gas- und Strompreisdeckel für Haushalte und Wirt­schaft eingezogen.

Man hätte vieles machen können, so aber ist der andere Weg gewählt worden: eine Umverteilung von unten nach oben mit den großen Verlierer:innen, den Verlierer:innengruppen Frauen und Kinder. Also dieses Budget und dieses Gesetz sind alles andere als gerecht. (Beifall bei der SPÖ.)

10.34


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Ich darf die Gelegenheit nützen, eine Abordnung der Landesberufsschule Fürstenfeld auf der Galerie recht herzlich zu begrüßen. Passend zum aktuellen Schwerpunkt unserer aktuellen Vorsitzführung: Lehrlinge, herzlich willkommen hier im Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Franz Ebner. – Bitte.



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10.34.42

Bundesrat Mag. Franz Ebner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir treffen heute einen historischen Beschluss: Wir schaffen die kalte Progression ab. Jetzt bin ich an sich nicht unbedingt ein Freund von Superlativen, aber wenn es einer Regierung nach fast 40 Jahren Dis­kussion gelingt, einen solchen Meilenstein zu setzen, dann ist das wahrlich historisch, denn mit dem heutigen Tag ist die kalte Progression Geschichte. Das lassen wir uns auch nicht schlechtreden, meine sehr geehrten Damen und Her­ren. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Was ist nun konkret an diesem Beschluss historisch? – Endlich wird diese schleichende Steuererhöhung – nichts anderes ist die kalte Progression –, die alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler Jahr für Jahr Hunderte Millionen Euro kostet, abgeschafft. Verdiente Lohnerhöhungen kommen künftig bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an, weil der Staat bei der ständigen Anhebung der Tarifstufen nicht mehr mitverdient.

Wer profitiert davon? – Ganz einfach: Davon profitieren alle, die lohn- und einkommensteuerpflichtig sind. Das sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Unternehmerinnen und Unternehmer und auch Pensionistinnen und Pensio­nisten. Allein in meinem Heimatbezirk Linz-Land sind das mehr als 127 000 Men­schen, österreichweit sind es rund sieben Millionen Menschen.

Auch die steuerfreie Einkommensgrenze wird nach oben verschoben. Das heißt, das hilft insbesondere auch Geringverdienern und Teilzeitkräften. Ebenso wird ein Drittel für den sozialen Ausgleich reserviert.

Die Abschaffung der kalten Progression ist eine Maßnahme, die die Menschen sofort in der Geldtasche spüren werden. Ich möchte das auch an zwei ganz konkreten Beispielen festmachen. Einem Arbeitnehmer mit einem Lohn von 3 170 Euro brutto – das ist das aktuelle Medianeinkommen in Österreich – bleiben bis 2026 in Summe 4 100 Euro mehr. Das sind im Durchschnitt etwas


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mehr als 1 000 Euro pro Jahr. Bei einer Pensionistin oder einem Pensionisten mit einer Bruttopension von 1 582 Euro – das ist die aktuelle Durchschnitts­pen­sion – sind es bis zum Jahr 2026 in Summe 3 770 Euro, also durchschnittlich auch fast um 1 000 Euro jährlich mehr.

An dieser Stelle darf ich noch einen sachdienlichen Hinweis auf den Entlastungs­rechner auf der Webseite des Finanzministeriums geben. Dort werden Ihnen alle Entlastungsmaßnahmen, die bisher gesetzt wurden, anhand von persönlichen Eingaben ausgerechnet. Gehen Sie auf die Seite des Finanzministeriums und lassen Sie sich die Entlastung, die Ihnen zukommt, auf dieser Seite ausrechnen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Allein 2023 werden die Menschen mit der Abschaffung der kalten Progression um 1,85 Milliarden Euro entlastet, bis 2026 sind es rund 20 Milliarden Euro; aber nicht nur die Tarifstufen, sondern auch die Absetzbeträge wie etwa Alleinver­dienerabsetzbetrag und Pensionistenabsetzbetrag werden um die volle Inflations­höhe angehoben.

Für die Bäuerinnen und Bauern wird erstmals seit 20 Jahren die Umsatzgrenze der Pauschalierung angehoben. Die Einheitswertgrenze für die Teilpauscha­lierung und die Einnahmen- und Ausgabentätigkeiten werden ebenfalls ange­passt.

Sehr geehrte Damen und Herren, ja, die Zeiten sind in jeder Hinsicht herausfor­dernd, aber die Regierung liefert auch Lösungen. Dass die Regierung – in diesem Fall federführend mit dem Finanzminister – die kalte Progression abschafft, das ist mutig, das ist nachhaltig und hilft den Menschen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundesrat Buchmann: Bravo, Finanzminister!)

Das ist aber auch noch nicht alles: Ab dem kommenden Jahr valorisieren wir die Familien- und Sozialleistungen. Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Studien­beihilfe und so weiter werden künftig jährlich automatisch angehoben. Auch das bringt den Betroffenen Monat für Monat mehr Geld zum Leben.


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Es werden jetzt Reformen umgesetzt, die seit Jahren und teilweise Jahrzehnten nur angekündigt und diskutiert wurden. Mit der Abschaffung der kalten Progres­sion, also dieser schleichenden Steuererhöhung, gelingt, denke ich, schon ein nachhaltiger Systemwechsel zugunsten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, und gemeinsam mit der Valorisierung der Sozial- und Familienleistungen, auch der Strompreisbremse sowie den bereits getätigten Entlastungsmaßnahmen gegen die Teuerung – und nicht zu vergessen: die ökosoziale Steuerreform – ist das ein weiterer und vor allem auch dauerhafter Entlastungsschub. Das beweist: Die Regierung ist mehr als handlungsfähig, und ehrlich gesagt kann ich nicht verstehen – und viele Menschen können es nicht verstehen –, wieso man da nicht zustimmen kann. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.40


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Inzwischen ist auch die zweite Gruppe der Lehrlinge aus Fürstenfeld eingetrof­fen, und ich darf auch diese zweite Gruppe mit ihren Lehrerinnen und Lehrern recht herzlich auf der Galerie begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


10.41.20

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste aus den Bundesländern und aus den Schulen! Also ich hoffe, es gibt, wie Kollegin Grossmann schon angekündigt hat, eine lebendige Debatte, und ich werde hoffentlich meinen Beitrag leisten, damit es lebendig aussieht. (Beifall bei der FPÖ.)

Kollege Ebner, eine lebendige Bemerkung zu Ihren Ausführungen: Erstens, die kalte Progression wird nicht abgeschafft, sie wird gemildert. Sie wird natürlich nicht abgeschafft, sie wird gemildert, weil nur zwei Drittel der kalten Progres­sion, also zwei Drittel der inflationsbedingten Erhöhungen der Wertgrenzen für


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die Steuersätze, abgeschafft werden. Das letzte Drittel behält sich die Regierung vor, damit es ja viel Bürokratie gibt und damit jedes Jahr viel zu tun ist und jedes Jahr ein neues Gesetz zu machen ist. (Bundesrat Schreuder: Das machen wir nur, um Sie zu ärgern!) Ob es die Regierung ausgleicht, nicht ausgleicht, ob sie aus übergeordneten – ich weiß nicht, integrationspolitischen oder ÖVP-politischen – Gründen (Bundesrat Schennach: Oder niederösterreichpolitischen! – Bundesrätin Zwazl: Was, was, was?) einen Teilausgleich oder gar keinen gibt, behält sie sich vor. Wichtig ist jedenfalls, dass es für den steuerzahlenden Staatsbürger keine Rechtssicherheit und keine völlige Planbarkeit gibt, sondern dass er immer war­ten muss: Was wird denn das nächste Gesetz hinsichtlich des Drittels bringen? – Das ist einmal das eine.

Abgesehen davon zeigen uns die Gesetzgebung und die Erwähnung der ver­schie­denen Absetzfreibeträge, Ausnahmen und so weiter, in welchem Dschungel an Steuergesetzen wir bereits gefangen sind und wie schwierig es für den ein­zelnen Bürger ist, da noch den Durchblick zu bewahren.

Ein Beispiel, das zeigt, es reicht offenbar der Dschungel noch nicht, er muss noch weiter verdichtet werden: Es ist Ihnen, also der Regierung und dem Herrn Finanzminister, eingefallen, einen weiteren steuerfreien Betrag von 200 Euro im Jahr einzuführen, dafür, dass der Dienstgeber einen Zuschuss zu einem Car­sharingprogramm CO2-emissionsfrei betriebener Fahrzeuge gibt – 200 Euro im Jahr. Wenn man jetzt zum Beispiel 23 Prozent Steuersatz hat – das wird ein durchschnittlicher Mediandienstnehmer haben –, dann erspart man sich 40 Euro im Jahr – im Jahr! –, also umgerechnet 3,60 Euro im Monat. Dafür wird aber im Gesetz eine neue Position eingeführt.

Das Zweite ist, dass es natürlich nicht um einen echten Inflationsausgleich geht, sondern um eine Ex-post-Betrachtung, die völlig losgelöst ist von dem, was los ist. Das sehen Sie daran, dass Sie jetzt einen automatisierten Ausgleich für das Jahr 2023 von 3,46 Prozent haben, bei einer aktuellen Inflation von 10,5 Pro­zent. Das heißt, im nächsten Jahr kriegen Sie nicht einmal das, was heuer an


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inflationärem Geschehen passiert, abgebildet, sondern Sie kriegen einen histo­rischen 3,46-Prozent-Anteil für Ihre zwei Drittel. Pauschal kriegen Sie jetzt schon etwas dazu, damit es kein neues Gesetz geben muss, sodass wir dann bei 5,2 Prozent landen. Also immerhin die Hälfte der tatsächlichen Progression durch die Inflation wird abgegolten, und das ist natürlich kein – aber nicht in Ansätzen! – voller Ausgleich der kalten Progression. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Es ist aber – zumindest da muss ich dem Finanzminister recht geben – ein Schritt in die richtige Richtung, und ich glaube, Kollegin Grossmann, auch ohne dass wir das jetzt durch Genderbudgeting völlig unadministrierbar machen und zerreden (Bundesrätin Schumann: Geh, geh, geh!), völlig unakzeptierbar machen und zer­reden (Bundesrätin Grossmann: Sollen wir uns nicht die Verteilungs... anschauen? – Bundesrätin Schumann: Na ist doch völlig wurscht, was mit den Frauen ist, das interessiert die FPÖ nicht!), können wir hier unsere Zustimmung erteilen; aber wir würden dringend empfehlen, die von mir aufgezeigten Unregelmäßigkeiten, Systemwidrigkeiten und Halbherzigkeiten, die in diesem Gesetz sind, zu repa­rieren. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Wir als freiheitliche Bundesräte bringen daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Optimierungsbedarf bei den Maßnahmen zur Bekämpfung der ,kalten Progres­sion‘“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen wer­den aufgefordert, die Maßnahmen zur Abschaffung der ,kalten Progression‘ zu optimieren und unter anderem umgehend folgende Maßnahmen gesetzlich sicherzustellen:


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1. Festlegung einer realistischen Inflationsrate, in die auch die Wirtschafts­entwicklung und Prognosen der jeweils kommenden 12 Monate Berücksich­tigung finden.

2. Automatische Anpassung von 100 % der auszugleichenden Inflation.

3. Anpassung sämtlicher Beträge des Einkommensteuergesetzes an die Infla­tion.“

*****

Die Begründung dafür habe ich bereits geliefert.

Jetzt aber zum zweiten Teil unserer Tagesordnung, nämlich zum Energie­kosten­ausgleichsgesetz. Dem haben wir ja schon bei seiner Einführung nicht zuge­stimmt, weil eine jährliche Bezahlung von 150 Euro, sprich also etwa 12 Euro im Monat, angesichts der derzeit laufenden Kostenlawine – unter uns gesagt – ein Witz ist. Ich sage nicht, dass 150 Euro ein Witz sind, aber einen solchen Aus­gleich zum Anlass zu nehmen, ein Gesetz zu verabschieden und sich als Energie­kostenausgleichsfinanzierer zu feiern, ist meiner Ansicht nach der Bevölkerung gegenüber zynisch. Deswegen haben wir das abgelehnt.

Es ist aber noch dazu nicht nur zynisch, sondern in hohem Maße auch gleich­heits­widrig, weil der Ansatz etwas skurril ist. Diesen Energiekostenausgleich kriegt nur derjenige, der einen Vertrag mit einem Energielieferanten hat. Das heißt, derjenige, der nicht direkt mit dem Energielieferanten kontrahiert, weil er etwa über einen Subzähler oder gemeinsame Energieabnahmeverträge mit dem Energielieferanten seinen Strom bezieht, kriegt nichts. Also wenn Sie in einem Studentenheim, in einer Anlage mit Subzählersystem oder bei Verwandten wohnen, wo Sie ein Stockwerk eines Hauses bewohnen und dergleichen, wenn Sie einen Pauschalmietzins haben, der die Energie beinhaltet, dann kriegen Sie nichts.


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Sogar die Volksanwaltschaft – und nicht Volksanwalt Rosenkranz, sondern die schwarze Volksanwältin Schwarz, der Minister wird es wissen – hat Ihnen einen Brief geschrieben und Sie auf diesen unhaltbaren Zustand und diese vollkommen sachwidrige Ungleichbehandlung aufmerksam gemacht, die man nicht damit begründen kann, dass der bürokratische Aufwand sonst größer wäre – der bürokratische Aufwand, der bei den Gesetzesmaterien der Regierung noch nie irgendeine Rolle gespielt hat. Ich verweise nur auf die 200 Euro Steuerfreibetrag für die Förderung CO2-emissionsloser Carsharingmodelle und dergleichen, auch das muss alles administriert werden. In diesem Fall aber ist auf einmal der admi­nistrative Aufwand dahin gehend, dass man die gesetzliche Bestimmung so macht, dass jeder Haushalt wenigstens diese 150 Euro bekommt, für den Minis­ter nicht vertretbar.

Wir bringen daher auch dazu einen Entschließungsantrag ein, diesen Mangel im Gesetz wenigstens zu reparieren und im Sinne des von der schwarzen Volksan­wältin Schwarz Vorgeschlagenen Folgendes zu tun:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausweitung der Anspruchsberechtigten beim Energiekostenausgleich“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird entsprechend den Anregungen von Volksanwältin Gabriele Schwarz aufgefor­dert, den Kreis der Anspruchsberechtigten nach dem Energiekosten­ausgleichs­gesetz um jene Teile der Bevölkerung zu erweitern, die Stromkosten tragen aber keinen eigenen Stromliefervertrag haben.“

*****

Ich ersuche in beiden Fällen um Zustimmung zu diesen Anträgen.


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Danke für die Aufmerksamkeit. Ich hoffe, dass der Beitrag lebendig genug war, und begebe mich wieder auf meinen Sitz. – Danke. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

10.49


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Der von den Bundesräten Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen ein­gebrachte Entschließungsantrag betreffend „Optimierungsbedarf bei den Maßnahmen zur Bekämpfung der ,kalten Progression‘“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu TOP 2: Der von den Bundesräten Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Ausweitung der Anspruchsberechtigten beim Energiekostenausgleich“ ist genügend unterstützt und steht demnach ebenfalls mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl. – Bitte, Frau Bundesrätin.


10.50.17

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen hier auf der Galerie und zu Hause! Nicht nur heute, auch letzte Woche im Rahmen der Debatte im Nationalrat gab es viele interessante Kommentare der SPÖ zu den Entlastungspaketen der Regierung. Was mir besonders in Erinne­rung blieb, ist der Vorwurf, die Maßnahmen und das Budget der Regierung seien ein Scherbenhaufen. Der Scherbenhaufen aber, liebe Kolleg:innen von der SPÖ, ist der Ihre und der Ihrer eigenen Regierungspolitik! (Bundesrätin Schumann: Na geh! Jetzt wird’s aber fad! Immer dasselbe, mein Gott!)

Warum haben Sie nicht gegen das, was Sie uns heute vorwerfen, vorgesorgt und nichts gegen Armut von Alleinerzieher:innen und Kindern getan? Die ist nichts Neues, die besteht nicht erst seit heute oder gestern, die gibt es schon lange.


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(Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bundesrätin Hahn: Aber jetzt seid ihr in der Regierung, nicht wir!)

In Ihrer eigenen Regierungsfunktion, die Sie über Jahrzehnte ausgeübt haben, auch mit Kanzlern, gelang Ihnen die Abschaffung der kalten Progression und die Valorisierung der Sozialleistungen offensichtlich nicht, sonst hätten Sie sie auch nicht bis gestern gefordert; und nun sind es ÖVP und Grüne, die es heute erst­mals umsetzen. Das schmerzt vielleicht, das verstehe ich. (Bundesrat Obrecht: Arbeitslosengeld wird valorisiert? – Bundesrätin Grossmann: Notstandshilfe, Arbeits­losengeld!)

Anscheinend machen Sie, um eben davon abzulenken, so eine laute und des­truktive Politik und reden die Unterstützungen klein und schlecht und machen den Menschen Angst, anstatt – das ist ein Appell an Sie – diese Unterstützungs­leistungen bekannt zu machen, damit sie von so vielen wie möglich in Anspruch genommen werden können; vor allem von denen, die sie dringend brauchen! (Zwischenruf des Bundesrates Schachner.) Sie haben die besten Kontakte dafür, deswegen noch einmal mein Appell: Bitte nutzen Sie Ihre Kontakte! (Beifall bei den Grünen.)

Wir schaffen aber nicht einfach die kalte Progression ab – und ja, wir schaffen die kalte Progression ab, da alle Einnahmen, die der Staat aus der kalten Pro­gression, das heißt aus der Inflation, hat, wieder zurückgegeben werden, und zwar von oben nach unten –, sondern wir haben uns zusätzlich noch ein Konzept überlegt, das geringe Einkommensbezieher:innen nicht vergisst, sondern stärker entlastet. (Bundesrätin Schumann: Ja, das sieht man! – Bundesrat Schachner: Die größte Steuerreform hat es bei uns gegeben!) Ja, es ist vielleicht ein komplexes System, und das ist gut und das ist genauso notwendig. Würden wir alle Steuer­stufen gleich indexieren, hätten ja genau die Menschen, die mehr verdie­nen, auch mehr davon, und nicht die, die weniger oder gar nichts verdienen und gar nicht in die Einkommensteuerklassen fallen.


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Genau um die Menschen, die existenziellen Nöten ausgesetzt sind, zu unter­stützen, haben wir uns meiner Meinung nach ein sehr kluges Konzept überlegt (Bundesrätin Hahn: Das hat aber Lücken, dieses Konzept!), nämlich: Zwei Drittel der Inflationsrate – wir haben es schon gehört – werden auf die Steuerstufen ab dem dritten Grenzsteuersatz, das sind derzeit 31 000 Euro, angewendet. (Bundesrätin Hahn: Was wäre mit einer Vermögensteuer?) Die berechneten Steu­ereinnahmen aus dem verbleibenden Drittel werden umverteilt, und zwar jedes Jahr aufs Neue, und an den jeweils aktuellen Bedarf angepasst. 2023 ist das eine erhöhte Umverteilung an die zwei niedrigsten Steuerstufen – 11 000 und 18 000 Euro –, um eine erhöhte Inflationsrate, und das führt eben dazu, dass die Geringverdienenden nicht in die nächsthöhere Steuerklasse fallen.

Was auch das Wichtige ist für Menschen, die nicht so viel verdienen und damit in keine Einkommensteuerklasse fallen, ist, dass die Negativsteuer und Absetz­beträge wie Verkehrsabsetzbeträge oder Pensionist:innenabsetzbetrag um die volle Inflationsrate erhöht werden. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Mit diesem Modell können die unteren und eben existenziell unsicheren Ein­kommen bevorzugt entlastet werden. Da geht es um Umverteilung, da geht es um Treffsicherheit, und natürlich geht es auch um Sozialpolitik und um Armut vermeidende Gesichtspunkte – und genau das waren ja die Parameter für dieses Modell. Es geht um die Menschen, die es schwer haben. Ja, Sie haben recht, das sind oft Frauen, und Sie haben recht, es sind auch oft alleinerziehende Frauen, und es sind auch oft Pensionistinnen mit sehr geringen Pensionen, weil sie Fami­lien- und nicht Erwerbsarbeit geleistet haben.

Ja, Frauen erhalten absolut gesehen weniger durch die Abschaffung der kalten Progression als Männer, aber sie werden durch die Valorisierung der Familien- und Sozialleistungen mehr erhalten (Bundesrätin Grossmann: Budgetdienst sagt was anderes!), und ja, sie erhalten absolut gesehen weniger, weil sie immer noch weniger verdienen, weil es immer noch einen riesigen Genderpaygap und einen


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noch größeren Genderpensiongap gibt. (Bundesrätin Schumann: Da tut ihr aber genau nichts dagegen, genau null!)

Die unterschiedliche Entlohnung, die unterschiedliche Kompetenzzuschreibung, die Rollenbilder, welcher Job für wen möglich und auch angemessen ist, und die dadurch eingeschränkten Handlungsspielräume führen dazu, dass kaum Frauen in Führungspositionen sind und kaum Männer in Familien- und Carearbeit. Das müssen wir ändern, daran müssen wir arbeiten! (Rufe bei der SPÖ: Ja, dann macht es! Ja, eh! Man müsste!)

Laut Budgetdienst wird 2022 aber – ja, wir haben auch angefragt und wir haben auch nachgeschaut, was er gesagt hat – der unterste Einkommensbereich auf­grund der Inflation mit 634 Euro belastet, aber die Entlastung ist höher, nämlich 698 Euro. Damit wird das unterste Einkommenszehntel mit den Teuerungs­ent­lastungspaketen komplett aufgefangen. Das ist gut gelungen.

Ja, Österreich wird bis 2026 in etwa 20 Milliarden Euro dafür ausgeben, dass die Einkommensteuergrenzen an die Teuerung angepasst und Einnahmen daraus gerechter verteilt werden. Es zahlt sich aus, viele Milliarden für unzählige kurz­fristige und damit sofort wirksame Unterstützungsleistungen genauso wie für langfristige strukturelle Entlastungsmaßnahmen in die Hand zu nehmen, denn es geht um soziale Sicherheit in Österreich in diesen nicht nur finanziell schwierigen Zeiten.

Ja, die Ausgaben sind höher als die Einnahmen, aber auch das passiert nicht zum ersten Mal und es passierte auch in Zeiten ohne Krise. Nun haben wir multiple Krisen, und eine Krise folgt auf die andere, und da ist es meiner Meinung nach ein Hohn, zu sagen: Wir dürfen nicht so viel Geld ausgeben! – Ganz im Gegen­teil: Wir müssen so viel Geld ausgeben! (Bundesrätin Grossmann: Aber richtig! Bitte!)

Ja, wir werden auch sparen müssen, aber jetzt müssen wir unterstützen und Verluste bei den untersten Einkommen abfedern. Ich glaube, wenn es Ihnen von


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der SPÖ gelingt, das anzuerkennen, zeigen Sie Größe. Wir sind alle – gerade heute in diesen Zeiten – einen großen Schritt weiter in einer konstruktiven und vertrauensstarken Politik (Zwischenrufe bei der SPÖ), die das Leben der Menschen in diesem Land, in diesen Zeiten erträglicher macht. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

10.57


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Egger-Kranzinger. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.57.57

Bundesrat David Egger-Kranzinger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher:innen auf der Galerie – schön, dass Sie uns heute wieder einmal im Parlament besuchen! Ich gebe Herrn Hübner selten recht, aber ja, das stimmt: Die Abschaffung der kalten Progression gibt es höchstens auf einem türkis-grünen Marketingpapierl und nicht in der Realität, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß, dass die ÖVP in den letzten 48 Stunden wenig zu feiern gehabt hat (Bundesrätin Schumann: Das glaube ich!), aber noch viel weniger zu feiern hat man ehrlich gesagt, wenn man sich das 70-Jahres-Hoch der Inflation – 10,5 Pro­zent! – anschaut. Die Teuerung galoppiert davon, und die ÖVP und Sie, Herr Finanz­minister, weigern sich weiterhin, in diesen wild gewordenen, explodierenden Markt einzugreifen! (Beifall bei der SPÖ.)

Die ÖVP schaut zu, wie Energiepreise, Strompreise durch die Decke schießen. Fragen Sie einmal bei Ihren Branchenkollegen nach, beim Bäcker mit den vielen Öfen, beim Metzger mit den vielen Kühlgeräten, bei den Gärtnereien mit den Gewächshäusern, was die jetzt tun! Fragen Sie vor allem aber auch bei den Pendlerinnen und Pendlern nach, die in der Früh in der Straßenbahn stehen, was


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sie von Ihrer ÖVP-Marktlogik und von der sogenannten Abschaffung der kalten Progression halten! Die halten nämlich nichts davon, weil Ihre sogenannten Hilfen nicht ankommen.

Drei Punkte dazu: In der Traumwelt der ÖVP heißt es: Der Markt regelt alles! Wir müssen alles dem freien Markt unterordnen und das wird sich von selbst regeln! – Das stimmt so nicht! Das ist nicht wahr! Preisschwankungen von 1 000 Prozent von einem Tag auf den anderen sind nicht normal. Der freie Markt ist nur für die Großen da, aber nicht für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, nicht für die Pendler, nicht für die, die jeden Tag fleißig ihren Beitrag leisten. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder. – Ruf bei der ÖVP: Auch der Arbeitsmarkt ist ein Markt!)

Da schüttet man oben in einen Trichter ganz, ganz viel Geld, Milliarden vom Finanzminister hinein, nur kommt bei den Arbeitnehmern nichts von diesen Hilfen und dieser sogenannten Abschaffung an. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Geh, geh, geh!) Es kommt nichts bei den Schülern an, es kommt nichts bei den Schulen an, es kommt nichts bei den Arbeitnehmern und bei den Pensio­nisten an. (Bundesrat Bader: Wo lebst du? – Bundesrätin Kittl: Verdoppelt und vervierfacht! – Bundesrat Preineder: Hast du die Richtlinien schon einmal gelesen, Herr Kollege? Der Klimabonus kommt zu jedem!)

Und, Frau Kollegin Kittl, Sie machen es den Pendlerinnen und Pendlern, die auf das Auto angewiesen sind, mit der CO2-Steuer noch schwerer. Ich kann mir den Frust der Grünen in Wien gut vorstellen, dass man nicht mehr in der Stadtregie­rung ist. Da hat man anscheinend noch eine Rechnung offen. (Beifall bei der SPÖ.) Sie schauen aber seit Monaten zu, wie die Inflation steigt und die Hilfen nicht ankommen.

Punkt zwei: Wer sind denn die Gewinner der sogenannten Abschaffung der kalten Progression? – Es sind zum Beispiel wir, die wir da sitzen, Mitglieder im Bundesrat, Spitzenverdiener, die vielleicht im Neben- oder Hauptgewerbe Anwälte sind, bei der Partei angestellt sind, ein Unternehmen haben. Das sind


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die Gewinner dieser sogenannten Abschaffung, die Spitzenverdiener. (Bundesrat Himmer: Die Steuerzahler!) Die bekommen nämlich doppelt so viel wie das zweit­schwächste Einkommensfünftel. Das heißt, die, die wirklich ums Überleben kämpfen, bekommen viel weniger als die Spitzenverdiener in diesem Land.

Punkt drei: die Steuerzahler – weil das ein Kollege gerade gesagt hat. Richtig, das ist ja der Taschenspielertrick. Man nimmt es aus der einen Tasche und gibt es dann in kleinen Portiönchen in die andere gutmütig zurück (Bundesrat Preineder: Das wollt ihr aber ständig: umverteilen, oder? Will die SPÖ nicht umverteilen?) und sagt, das ist der große Wurf. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Köck: Der Unter­schied ist: Ihr gebt nichts mehr zurück! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das ist ganz, ganz wichtig zu sagen, denn die fleißigen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sind 80 Prozent. 80 Prozent der Steuerleistung zahlen die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer gemeinsam mit den Konsumenten. Es gibt keine Gegenfinanzierung. Das heißt, man gibt ihnen ein bisschen Geld, aber bei den Übergewinnen der Energiekonzerne greift man nicht hin. Auch bei den Super­reichen in diesem Land greift man nicht hin. (Bundesrat Preineder: 60 Prozent ist noch immer zu wenig? 60 Prozent Einkommensteuer ist zu wenig, Herr Kollege? Kennen Sie das Steuersystem?) Nein, das tut man nicht. Schauen Sie auf die europäische Landkarte rundherum! Das ist ganz leicht zu googeln, liebe Kolle­ginnen und Kollegen von der ÖVP! Überall um Österreich herum wird Reichtum in irgendeiner Form besteuert. Italien, Frankreich, Deutschland: Fliehen dort die Unternehmer? Flieht dort die Industrie? – Nein! Aber bei uns greifen wir diese heilige Kuh natürlich nicht an.

Man geht bei der ÖVP sogar noch einen Schritt weiter: Sie reden über die KESt-Abschaffung. Wer sind denn die Profiteure? – Die Großaktionäre! Die werden sich wieder freuen. Wir senken die KöSt, die Körperschaftsteuer – da werden sich die großen Unternehmerinnen und Unternehmer, die Riesenkonzerne wieder freuen. Wir sind Europameister im Geldausgeben für die großen Kon­zerne, bei den Leuten kommt nichts an und wir sind Schlusslicht beim Wirt­schaftswachstum. Das ist zum Schämen! (Beifall bei der SPÖ.)


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Die ÖVP mit den Grünen macht in diesem Land Politik nur für die Superreichen und nicht für die Arbeitenden, nicht für die Schüler, nicht für die Pensionisten und nicht für die normalen Menschen in diesem Land! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Kittl: Bin ja froh, dass ihr das alles gemacht habt! – Bundesrätin Schumann: Geh, hör auf! – Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.)

11.04


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.04.18

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja wieder eine gemeinsame Debatte über zwei Tagesordnungspunkte. Ich werde von hinten anfangen.

Beim 2. Tagesordnungspunkt, dem Energiekostenausgleichsgesetz, geht es um den 150-Euro-Zuschuss. Wir wissen, das ist diese unglückliche Gutscheinlösung (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ – Bundesrat Schennach: Man kann auch ver­hunzte sagen!), die große Mängel in der Treffsicherheit hat, weil sie den Zuschuss bis zum Doppelten des Medianeinkommens gewährt, und auf der anderen Seite diese Lücken hat, wie Kollege Hübner auch in seinem Entschließungsantrag auf Basis der Kritik der Volksanwältin vorgebracht hat. Hier geht es aber quasi nur um die Metaebene, nämlich um die Einreichfrist für den Gutschein. Die wird verlängert, und dieser Verlängerung der Einreichfrist stimmen wir zu, obwohl wir gegen die gewählte Lösung für diesen Gutschein waren und sind.

Jetzt zum 1. Tagesordnungspunkt, dem, was Entlastungspaket II, glaube ich, heißt, da gibt es ja auch schon mehrere: Zuerst einmal zum Einkommen­steue­rgesetz, zur kalten Progression: Die wird zu zwei Dritteln abgeschafft. Insofern sind wir überwiegend dafür. Wir hätten uns natürlich gewünscht, dass sie zur


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Gänze abgeschafft wird, so wie es auch Kollege Hübner in seinem Ent­schließungs­antrag vorgebracht hat. Dass sie zumindest zu zwei Dritteln abgeschafft wird, wiegt für uns aber so schwer, dass wir dem ganzen Entwurf auch zustimmen, denn wir fordern das seit Jahren – fast Jahrzehnten, uns gibt es seit zehn Jah­ren –, seit Beginn.

Das Problem damit ist, dass ein Drittel nicht automatisch abgeschafft wird und dann quasi diskretionär jedes Jahr neu entschieden wird, so wie es heuer gemacht wird, also eigentlich für das nächste Jahr – wir hätten ja schon gefor­dert, dass es für 2022 gilt. Ich verstehe schon den Beweggrund dafür, dass aus Sicht der Armutsbekämpfung bei den unteren Tarifstufen mehr entlastet wird, nur verstärkt gerade das auch die bestehenden Teilzeitanreize. Die Progression wird ab einem bestimmten Punkt steiler; der Grenznutzen, mehr zu verdienen, wird an diesem Punkt also niedriger, das heißt, das Hindernis wird größer, und die steuerliche Grenzbelastung steigt an einem bestimmten Punkt. Wenn das immer so weitergeht, insbesondere wenn die Inflation hoch ist, gibt es dann irgendwann einmal eine Kante, so wie wir es derzeit auch in der Sozialversiche­rung mit der Geringfügigkeitsgrenze haben. Die Anreize, mehr zu arbeiten und damit mehr zu verdienen, sind quasi negativ. Das birgt dann wiederum die Gefahr, dass das Angebot an Arbeit, das uns ja so abgeht, auch negativ ange­passt wird.

Die anderen Punkte zur Einkommensteuer, den steuerfreien Zuschuss für die E-Car-Sharingplattform befürworten wir, und wir sind auch für die Anhebung der Einheitswertgrenze für die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe.

Artikel 2 Familienlastenausgleichsgesetz, die Beitragssenkung zum Flaf, sehen wir ambivalent. Grundsätzlich sind wir dafür, dass die Beiträge gesenkt werden. Nur so, wie es hier gemacht wird, läuft es darauf hinaus, dass die Beitrags­senkung erst 2025 wirklich kommt – was etwas anderes ist, als im Sommer mit Lohnnebenkostensenkung versprochen wurde; und es wird sehr kompliziert gemacht. Es wird auf sieben verschiedene Unterposten ausgegliedert, unter anderem auf Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen. Da laufen die


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Verhandlungen momentan schon. Die Chance, dass das in die derzeitigen Ver­handlungen schon eingebaut wird, ist sehr gering. Man hat sich das, glaube ich, von den Kollektivvertragsmaterien in der Pflegereform abgeschaut, aber das ist keine gute Umsetzung der Senkung der Beiträge zum Familienlastenausgleichsfonds.

Schließlich der dritte Punkt: die Anhebung der Umsatzgrenze für die Pauscha­lierung in der Landwirtschaft im Umsatzsteuergesetz. Kollege Ebner von der ÖVP hat das als großen Vorteil dieses Gesetzespakets gerühmt. Ich sehe das komplett konträr. Die Anhebung der Vollpauschalierungsgrenze von 400 000 auf 600 000 Euro ist eine Ungleichbehandlung, denn welche Berufsgruppen oder welche Personen aus welchen Einkunftsquellen haben diesen Vorteil der Voll­pauschalierung? – Das haben nur Landwirtinnen und Landwirte. Die Frage ist: Wie kommen die anderen Berufsgruppen dazu, dass sie nicht auch so eine Vollpauschalierung haben können?

Das wird immer kritischer, was die verfassungsrechtlichen Grundlagen betrifft. Es könnte irgendwer einmal draufkommen, das wegen Verletzung des Gleich­heitssatzes anzufechten, und es spricht auch dagegen, Einkünfte aus der Landwirtschaft als das zu behandeln, was sie sind, nämlich unternehmerische Einkünfte. Die Arbeit in der Landwirtschaft soll einer unternehmerischen Logik folgen. Man muss von dieser Arbeit leben können, nicht auf der einen Seite steuerliche Bevorzugungen haben, die andere Berufsgruppen nicht haben, und zusätzlich auch noch Förderungen bekommen, die andere Berufsgruppen nicht haben. (Bundesrat Preineder: Und trotzdem Abwanderung hat aus dem Beruf! Wie wollt ihr das dann machen? Mehr Steuern für die Bauern?)

Diese Teile in dem Paket, das wir hier abstimmen, sehen wir also sehr kritisch, insgesamt aber stimmen wir wegen der zumindest Zweidrittelabschaffung der kalten Progression dafür. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

11.10


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Vielen Dank, Herr Bundesrat.


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Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.10.20

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Als ich Kollegen Ebner so zugehört habe, habe ich mir gedacht, ich befinde mich in einer Extrastunde unter dem Titel Tarnen und Täuschen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Na, na, na!) – Ja, ja, Frau Kollegin Eder-Gitschthaler, das Tarnen und Täuschen kennen wir schon aus der Debatte zur Pensionsan­pas­sung. (Beifall bei der SPÖ.) Da haben wir beim letzten Mal einen Strauß ausge­fochten, wir müssen den heute nicht wieder ausfechten. Ich ziehe den Strauß zurück. (Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ich habe mich immer gefreut!) Hier aber zu sagen: Wir schaffen die kalte Progression ab!, also das ist schon – auf Wienerisch gesagt – ein bisschen eine Chuzpe.

Jetzt schau ich gerade Frau Grossmann an und dann schaue ich die Grünen an: Die letzten 20 Jahre sind die Grünen, insbesondere ein bestimmter Herr Prof. And­reas Novy, herumgelaufen und haben uns erklärt, wir müssen Genderbudgeting machen. Dann haben wir das zum allgemeinen Grundsatz erhoben. Es gibt wis­senschaftliche Studien, die sagen: Lasst die Frauen ein Budget machen (Zwi­schenruf der Bundesrätin Zwazl) – ja, lasst die Frauen ein Budget machen, Sonja –, dann schaut ein Budget ganz anders aus (Bundesrat Tiefnig: Das hat euch bei Fekter auch nicht gepasst!), weil sie aus ihrem Leben heraus ganz andere Schwer­punkte setzen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Tiefnig: Dann darfst du aber auch nicht mehr mitreden!) Nur fehlt dieses Genderbudgeting hier insbe­sondere beim letzten Drittel komplett. (Bundesrat Tiefnig: Du Mann, du!) Das letzte Drittel, das sich der Finanzminister zurückbehalten hat, könnte jetzt genau hier Ausgleiche schaffen.

Dann kommen wir zu den ersten beiden Tarifstufen: Da noch keine hundertpro­zentige Rückgabe zu machen ist doch so was von kleinlich! Genau in diese


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Stufen fallen die meisten Gehälter von Frauen, da wir noch immer so ein Riesen­loch haben.

Frau Kittl, wir wohnen Bezirk an Bezirk und wir sind beide aus Wien, da findet man sich automatisch auch sympathisch. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ah!) Ja, auch Himmer ist sympathisch, Gott im Himmel, also so ist es nicht. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Hier aber herauszugehen und zu versuchen, völlig unmotiviert alles der SPÖ rüberzukübeln, ist ein starkes Stück. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) In voller Sympathie sage ich nur: Liebe Frau Mag.a Kittl, lernen Sie Geschichte! (Bundesrat Schwindsackl: Daran ist schon Kreisky gescheitert!) Seit den Siebzigerjahren hat die Geschichte jeglicher familienpolitischen, sozialpolitischen Fortschritte eine einzige Handschrift, und das ist die Handschrift der Sozialde­mo­kratie. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Egal ob das das Gratisschulbuch war, ob das die Familienrechtsreform war, ob das die Schülerfreifahrt oder der Mutter-Kind-Pass, der jetzt in eine neue Krise kommt, war: Das sind alles Errungenschaften der Sozialdemokratie. Was sind jetzt eure Errungenschaften? – Abschaffung der Hacklerregelung – so schaut es aus! – (Beifall bei der SPÖ – Bundesrat Kovacs: Genau! – Bundesrat Köck: Hundstorfer hat das gemacht!); Abschaffung eines wirklich guten Integrationsprogrammes für Langzeitarbeitslose, der Aktion 20 000, bei der man Menschen die Würde zurück­gibt; keine Vermögen- und Erbschaftssteuer!

Schauen wir uns doch das aktuelle Budget an, schauen wir uns doch das völlige Aushungern der Universitäten an! Und plötzlich fällt ein paar Regierungsmit­gliedern ein: Da muss doch irgendetwas falsch gerechnet worden sein, weil der gesamte Inflationsausgleich die Universitäten nicht berührt. Die können jetzt ihre Posten nicht nachbesetzen. (Bundesrätin Schumann: Wahnsinn!)

Darf ich auch nachfragen, wo das Geld im Bereich der Pflege ist, im Bereich der mobilen Pflege? Ja, lieber Herr Finanzminister, wir machen da jetzt einen Schritt hinaus aus dem Kapitel Tarnen und Täuschen, erste Stunde. Das ist schon okay, wir sind auch dafür, aber Sie brauchen weitere Gesetzesvorlagen. Wo ist zum


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Beispiel die Valorisierung im Bereich der Pendlerpauschale, der Werbungs­kosten, der Inlandsdiäten, der Kilometergelder, der Veranlagungsfreibeträge; was ist mit den außergewöhnlichen Belastungen, mit der Besteuerung der Zuschläge und Sonderzahlungen? Das sind ja alles Dinge, zu denen Sie hier mit neuen Gesetzen wieder herzlich begrüßt werden. Das ist doch ein Witz: Seit Jahrzehnten haben wir hier überall dieselben Beträge!

Jetzt sage ich noch etwas: Wo bleibt die Valorisierung und Erhöhung des Arbeits­losengeldes? (Beifall bei der SPÖ.) Das ist etwas, was gerade - - (Bundesrat Kornhäusl: Das ist ja kein Arbeitsmodell! – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.Herr Doktor aus der Steiermark, nicht jeder Doktor ist allwissend. (Bundesrat Preineder: Das gilt auch für Professoren!) Darum gibt es ja Allgemeinmedizin und andere (Bundesminister Brunner: Auch nicht jeder Professor!) – Auch nicht jeder Vorarlberger ist allwissend. Wir behaupten das auch nicht. (Bundesrat Buchmann: Wie du weißt, das gilt für Professoren auch!) – Ja, ja, das weiß ich, und wenn du es auch weißt, wenn wir es beide wissen, ist das gut.

Jetzt hat mich der Herr Doktor tatsächlich ganz kurz rausgebracht, aber das macht nichts. Auch das gehört dazu. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Schön!)

Wir bringen zu diesem Punkt einen Entschließungsantrag, was Steuergeschenke an Spitzenverdiener und Spitzenverdienerinnen betrifft, ein, und zwar:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gezielte Hilfe in der Teuerungskrise statt Steuergeschenke für Spitzenver­diener*innen“

Der Bundesrat wolle beschließen:


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„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat unverzüglich ein Gesetzes­paket vorzulegen, mit welchem die Abschaffung der kalten Progression um folgende Punkte korrigiert wird:

- Die gänzliche Abgeltung der kalten Progression der ersten beiden Tarifstufen

- Die Ergänzung des Progressionsberichtes um eine detaillierte Verteilungsanalyse

- Die Verteilung des letzten Drittels des Steuersenkungsvolumens explizit nach sozialpolitischen – insbesondere Armut vermeidenden – Gesichtspunkten

- Sozialpolitische Maßnahmen, um Frauen und Männer gleichermaßen zu entlasten“

*****

Es sollen also Frauen und Männer gleichermaßen entlastet werden, nicht vorwiegend die Männer.

In diesem Sinne werden Sie nach all unseren Debatten verstehen, dass wir dem Kapitel Tarnen und Täuschen, was dieses Gesetzespaket betrifft, nicht zustim­men werden. (Beifall bei der SPÖ.)

11.18


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Herr Bundesrat.

Der von den Bundesräten Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen einge­brachte Entschließungsantrag betreffend „Gezielte Hilfe in der Teuerungskrise statt Steuergeschenke für Spitzenverdiener*innen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte, Frau Bundesrätin.



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11.19.07

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werter Herr Bundes­minister! Liebe Besucherinnen und Besucher auf der Galerie! Liebe Schülerinnen und Schüler! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Seit ich als junges Mädchen, so wie (in Richtung Galerie) ihr es seid oder ein bisschen jünger, begonnen habe, mich für Politik zu interessieren, beinhaltete der Diskurs der österreichischen Steuerpolitik immer schon einen zentralen Punkt, nämlich die kalte Progression.

Die Tageszeitung „Die Presse“ schrieb in ihrem Leitartikel vom 14. September deshalb über eine „steuerpolitische Revolution“, welche unter den Stillstands­koalitionen mit der SPÖ undenkbar war. Die an Auflagen stärkste Tageszeitung, die „Krone“, betitelte diese Abschaffung sogar als „Verdienst eines Finanz­minis­ters, der von vielen unterschätzt wurde“. (Bundesrat Bader: Von uns nicht!)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen der SPÖ! Die Abschaffung der kalten Pro­gression wurde unter Schwarz-Grün endlich nicht nur diskutiert, sondern auch zu 100 Prozent umgesetzt. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.) Das ist eine wichtige Maßnahme, welche in der aktuellen Zeit der Teuerungen nachhaltig Menschen entlastet. Unser Kollege Franz Ebner hat die Entlastungen vorhin in seiner Rede sehr gut mit Beispielen dargestellt und erklärt. Die Berück­sichtigung der Inflation, oder nennen wir es in dieser Situation besser Teue­rungsrate, ist ein klares Bekenntnis – für eine ehrliche Steuerpolitik, gegen die schleichende Steuererhöhung. Diese Ehrlichkeit wirkt sich dahin gehend aus, dass den Menschen deutlich mehr Netto vom Brutto bleibt. Bis 2026 werden den Menschen dadurch laut Berechnungen rund 18,7 Milliarden Euro an Steuer­geldern zurückgegeben, welche ihnen durch die schleichende Steuererhöhung sonst weggenommen worden wären.

Ich will jetzt hier nicht zu viele Zahlen nennen, aber erlauben Sie mir, nur ein Beispiel zu wiederholen, das die Abschaffung der kalten Progression gut


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verständlich macht, denn man kann es nicht oft genug sagen: Wir haben bis jetzt die Einkommensgrenze von 11 000 Euro gehabt – bis zu 11 000 Euro Jahresein­kommen sind steuerfrei. Mit diesem Gesetzesbeschluss verschieben wir im kommenden Jahr diese Grenze auf 11 693 Euro, das heißt, bis zu einem Jahres­einkommen von 11 693 Euro müssen nächstes Jahr keine Lohnsteuern bezahlt werden. Die Abschaffung der kalten Progression bedeutet: Die Menschen werden ab dem nächsten Jahr automatisch Geld bei sich behalten können. Das ist eine Maßnahme, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, die die Menschen entlastet, und zwar sofort.

Meine Vorredner Elisabeth Grossmann und David Egger-Kranzinger von der SPÖ haben den Vorwurf in den Raum gestellt, dass die Abschaffung der kalten Progression denjenigen, die ein hohes Einkommen haben, auch mehr bringt. Die prozentuelle Inflationsanpassung macht sich in Zahlen natürlich stärker bemerk­bar, wenn das Einkommen, das zur Berechnung herangezogen wird, höher ist. (Bundesrat Egger-Kranzinger: ... mehr, und die, die es brauchen, weniger! ÖVP halt! – Zwischenruf der Bundesrätin Grossmann.) Das Ziel war die Entlastung aller Men­schen, aber natürlich auch jener, die ein geringeres Einkommen haben. Des­halb ist die Valorisierung der Familien- und Sozialleistungen jene Maßnahme, welche den wirtschaftlich stärker belasteten Teil unserer Gesellschaft zusätzlich direkt unterstützen soll. (Beifall bei der ÖVP.) Wir lassen die Bürgerinnen und Bürger nicht im Stich, sondern wir setzen treffsichere Maßnahmen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Kollegin Grossmann hat außerdem gesagt, dass Frauen durch die Abschaffung der kalten Progression weniger profitieren würden als Männer. (Bundesrätin Grossmann: Ist ja auch so! Das sagt der Budgetdienst! – Bundesrat Schennach: Das ist so!) Das kann ich als Frau nicht unkommentiert lassen. (Zwischenruf der Bundesrätin Huber.) Man muss nämlich schon sagen, dass Frauen häufiger in jenen Bereichen arbeiten, in denen die Einkommen geringer sind, und dass Frauen auch einen Großteil der unbezahlten Pflegearbeit übernehmen. Folglich – und das ist natürlich wenig verwunderlich – profitieren Frauen in der Regel


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weniger von Steuerentlastungen. (Bundesrätin Grossmann: Also geben Sie mir recht?) Wir wollen natürlich auch in diesem Bereich weiterkommen, um die Frauen in Österreich zu unterstützen. Es geht ja nicht nur um die aktuellen Steuerentlastungen, von denen die Frauen im Gros aktuell nicht so profitieren, sondern wir brauchen unsere weibliche Bevölkerung, unsere Frauen, auch dringend mehr am Arbeitsmarkt – Stichwort Arbeitskräftemangel. Es geht auch um die Altersarmut der Frauen, die wir in Zukunft reduzieren wollen.

Im letzten Halbjahr, während meiner Bundesratspräsidentschaft, gab es dazu einige Schwerpunkte und unsere Bundesregierung war diesbezüglich bisher nicht untätig. Denken Sie unter anderem an die Kindergartenmilliarde und die große Offensive zum Ausbau der Elementarpädagogik. (Zwischenruf der Bundesrätin Grossmann.) Das wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nachhaltig verbessern. Wir haben auch eine Pflegereform auf den Weg gebracht, das ist frauenpolitisch auch sehr wichtig, weil in der Pflege vor allem Frauen arbeiten. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Das sind alles Maßnahmen, die dazu beitragen werden, dass auch die Frauen im Durchschnitt in Zukunft mehr verdienen werden, und dadurch werden sie auch in Zukunft von der Maßnahme der Abschaffung der kalten Progression mehr profitieren. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Auch wenn dieser Meilenstein der österreichischen Steuerpolitik seitens der Opposition, vor allem seitens der SPÖ – warum auch immer –, nicht honoriert wird (Bundesrat Buchmann: Unverständlich!), stehen die Regierungsparteien zu 100 Prozent hinter der Abschaffung der kalten Progression.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen der SPÖ! Die Regierungsvorlage zur Ent­lastung der Bevölkerung ist treffsicher und wird die privaten Haushalte sehr schnell merkbar entlasten. Mehr Netto vom Brutto wird bei den Menschen nicht unbemerkt bleiben, und dann stellt sich meiner Meinung nach nicht mehr die Frage, ob unsere erwerbstätige Bevölkerung diese Maßnahme dann wirklich als nicht treffsicher interpretieren wird. (Bundesrätin Grossmann: Treffsicher! – Bun­desrat Egger-Kranzinger: ... für die ÖVP mit Sicherheit!) Dieser historische


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Meilenstein der Abschaffung der kalten Progression zeigt wieder einmal, dass unsere Bundesregierung konstruktiv zusammenarbeitet (Oh-Rufe bei der SPÖ) und das Wohl der Menschen in Österreich als oberstes Ziel hat. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder. – Rufe bei der SPÖ: Danke! Danke!)

Die gute Zusammenarbeit der Bundesregierung für die Menschen ist aber nicht nur in der Abschaffung der kalten Progression bemerkbar, sondern findet sich auch in weiteren Entlastungen wieder. Österreich war in den letzten Jahr­zehnten im internationalen Vergleich immer ein Höchststeuerland. Der Trend der Entlastungen geht mit Schwarz-Grün aber über die Abschaffung der kalten Progression hinaus und macht sich unter anderem auch in der Senkung der Lohnnebenkosten bemerkbar. Wir valorisieren außerdem, wie bereits erwähnt, die Familien- und Sozialleistungen. Die Familienbeihilfe wird in Zukunft jährlich automatisch angehoben, auch das Kinderbetreuungsgeld wird automatisch jährlich valorisiert. Auch die Absetzbeträge wie etwa der Alleinverdiener­absetz­betrag und der Pensionistenabsetzbetrag werden im nächsten Jahr um die volle Inflationshöhe angehoben. Das sind Milliardenbeträge, die wir den Menschen in Österreich geben. Wir helfen damit den Menschen in unserem Land, denn sie leiden natürlich unter der Inflation beziehungsweise der Teuerung.

Ich gratuliere unserem Finanzminister Magnus Brunner wirklich dazu, was in unserem Budget alles inkludiert ist. Es sind Maßnahmen, die den Menschen auch in den nächsten Jahren Sicherheit geben – und das ist wichtig –, es sind Maß­nahmen, die bei den Menschen ankommen. Wir setzen um, und zwar nicht nur kurzfristige Maßnahmen, sondern Maßnahmen, die auch in die Zukunft gerichtet sind. So ist die Abschaffung der kalten Progression, die wir in diesem Tages­ordnungspunkt behandeln, eine laufende Steuerreform für die Ewigkeit. Wir vollziehen damit einen nachhaltigen Systemwechsel zugunsten der in Österreich lebenden Bevölkerung, denn genau diese schleichende Steuererhöhung, diese schleichende Belastung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wird abge­schafft.


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Die kalte Progression wird übrigens sehr wohl zu 100 Prozent abgeschafft, da muss ich meinen Vorrednern – Kollegen Hübner von der FPÖ und Kollegen Schennach von der SPÖ – schon widersprechen, sie wird nämlich zu zwei Drit­teln automatisch abgeschafft und das restliche Drittel kriegen auch die Steu­erzahlerinnen und Steuerzahler zurück. Dieses letzte Drittel wird die Politik jeweils flexibel und solidarisch verteilen, dieses dritte Drittel wird in Umvertei­lungsmaßnahmen gehen und ganz stark die unteren Einkommen adressieren. Wir geben also den Menschen sehr wohl das Geld zurück, das ihnen die Inflation genommen hat. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Inflation ... CO2 ...! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte an dieser Stelle aber auch noch den volkswirtschaftlichen Effekt dieser Maßnahmen nicht unerwähnt lassen. Die Wirtschaftsforscher von Eco Austria gehen davon aus, dass die Wirtschaft durch die Abschaffung der kalten Progression zusätzlich um 1 Prozent wachsen wird, und es werden allein durch diese Maßnahme 36 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Aber wenn es keine Unternehmen mehr gibt ...!)

Die Anhebung der Pauschalierungsgrenze für Landwirte von 400 000 auf 600 000 Euro begrüße ich ebenfalls. Für die Bäuerinnen und Bauern wird damit erstmals seit rund 20 Jahren die Umsatzgrenze der Pauschalierung angehoben. Auch ihre Produkte, die sie verkaufen, werden durch die Inflation teurer, wo­durch sich ihre Umsätze automatisch erhöhen werden. Daher ist es wichtig, dass in diesem Zusammenhang auch die Landwirte, die tagtäglich für unsere Lebens­mittel sorgen, nicht vergessen werden. (Zwischenruf der Bundes­rätin Grossmann.)

Gerade in Zeiten, in denen sich ganz Europa durch den Angriffskrieg von Russ­land auf die Ukraine mit dessen Auswirkungen beschäftigen muss, wäre bei uns ein Zusammenhalt dringend notwendig. Ich bin daher der Meinung, dass wir in Zeiten wie diesen dem populistischen Diskurs weniger Energie widmen und zu


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einer konstruktiven Gesprächskultur zurückkehren sollten. (Zwischenruf der Bundesrätin Grossmann.) Ich muss nämlich schon - -


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Ich darf an die freiwillige Redezeitbeschränkung erinnern.


Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (fortsetzend): Ich muss schon ganz ehrlich sagen: Wir setzen zahlreiche sinnvolle Maßnahmen um, die jahrzehn­telang von allen politischen Kräften in Österreich gefordert wurden. Trotzdem kritisiert die derzeitige Opposition die Regierungsparteien für die Umsetzung genau dieser Maßnahmen. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Ich bitte Sie um Zustimmung zu den genannten Maßnahmen im Sinne aller Menschen in Österreich, die in schwie­rigen Zeiten unbedingt Entlastung benötigen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

11.31


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Ich darf den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Herrn Dr. Martin Polaschek, recht herzlich im Sitzungssaal begrüßen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Bundesminister Dr. Magnus Brutter - - Brunner. – Bitte, Herr Bundesminister.


11.32.02

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M. (erheitert): Bruder! Okay, Bro! (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren Bundesräte! (Bundesrat Buchmann: Mehr Netto vom Brunner!) Es ist immer


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lebhaft und immer lustig und interessant im Bundesrat. (Zwischenruf des Bun­desrates Steiner.) – Ich komme wirklich gerne her, Herr Kollege Steiner, es freut mich immer, wenn ich da bin. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren, jetzt aber zum Inhaltlichen: Ich wollte mich eigentlich dem Tagesordnungspunkt Abschaffung der kalten Progression – neben dem Gutschein – widmen, aber es sind jetzt so viele Begriffe, die eigent­lich miteinander und interessanterweise auch mit der kalten Progression über­haupt nichts zu tun haben, in die Luft geworfen worden, dass ich doch zwei, drei Sätze dazu sagen muss, weil einige Dinge, glaube ich, zu Missverständnissen führen. Vielleicht kann ich zumindest einen Beitrag dazu leisten, diese Missver­ständnisse auszuräumen.

Ein paar Dinge, die nichts miteinander zu tun haben: Die Energiepreise bezie­hungsweise dann auch die Besteuerung von – Sie haben es Übergewinne genannt; Übergewinne halte ich für den falschen Ausdruck, das haben wir letztes Mal schon besprochen – Zufallsgewinnen, Krisengewinnen: Ja, darüber kann man natürlich reden, das hat jetzt aber nichts mit der kalten Progression zu tun. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Frau Kollegin Grossmann hat gesagt, man müsse deckeln, fast alles deckeln. Da sollte man vielleicht schon auch klar sagen: Nein! Ich glaube, es gibt intelligen­tere Lösungen, nämlich beispielsweise eine Strompreisbremse. Das ist etwas ganz anderes als ein Deckel. Ein Deckel kann nur auf europäischer Ebene funk­tionieren, und daran arbeitet die Europäische Kommission. (Bundesrat Egger-Kranzinger: Frankreich, Spanien, Portugal!)  Das ist das iberische Modell, nämlich ein Deckel auf Gas, das für die Verstromung verwendet wird. (Zwischenruf der Bundesrätin Grossmann.  Bundesrat Schennach: Hat der Bundeskanzler aber gestern im Fernsehen gesagt! – Bundesrat Himmer: Der Fernseher hat nicht immer recht!)

Ein Deckel auf Strom auf nationaler Ebene – nur zur Erklärung – hätte den Effekt, dass wir mit österreichischem Steuergeld den Strom subventionieren, und


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der Strommarkt ist natürlich europäisch, sodass dann auch unsere Nachbar­staa­ten, von Bayern bis Slowenien, bis Italien und andere, natürlich von öster­reichi­schem Steuergeld profitieren würden. Ob das der Sinne der Sache ist, wage ich, zu bezweifeln. Das sehen auch alle Expertinnen und Experten auf der ganzen Welt, aber auch in Österreich so. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das nur zum ersten Missverständnis. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum zweiten Missverständnis, Herr Kollege Egger-Kranzinger – Übergewinne haben Sie es genannt, nennen wir es Zufallsgewinne; darüber haben wir beim letzten Mal, glaube ich, auch schon geredet, wir wissen aber, wir reden vom Gleichen (Bundesrat Himmer: Vielleicht!) –: Ja, das ist jetzt auf europäischer Ebene angestoßen worden, und es gibt auch eine Verordnung, die wir in Österreich möglichst intelligent umsetzen müssen – das werden wir natürlich auch tun –, intelligent deswegen, weil es für die Investitionsfähigkeit der Energieunter­neh­men, die sehr viel in die Energiewende, in den Netzausbau, in den Speicheraus­bau investieren müssen – die Salzburg AG beispielsweise –, natürlich nicht zum Nachteil werden darf. Diese Investitionsfähigkeit für Unternehmen muss gegeben sein, und deswegen wird es hoffentlich eine intelligente Umsetzung dieser Verordnung, die wir auf europäischer Ebene ohnehin haben, geben. (Bundesrätin Hahn: Investitionen sind aber etwas anderes als diverse Ausschüt­tun­gen!) Da stellt sich also gar nicht mehr die Frage, ob wir es machen, das ist eine Verordnung, die unmittelbar auf die Republik Österreich als Mitgliedstaat der Europäischen Union anwendbar ist. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Zum Budget muss ich auch noch etwas sagen, weil Herr Prof. Schennach und andere auch das Budget angesprochen haben. Auf das Budget insgesamt und die Schwerpunkte dazu möchte ich jetzt gar nicht eingehen, aber auf zwei Punkte schon: Du (in Richtung Bundesrat Schennach) hast die Universitäten ange­sprochen, und ich erlaube mir, obwohl der Bildungs- und Wissenschaftsminister neben mir sitzt und sich natürlich viel besser auskennt, zu sagen, dass wir zusätzlich zu den Leistungsvereinbarungen, die ja über einige Jahre gelten, eben genau, um diese


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Teuerungen auszugleichen, 1 Milliarde Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt haben. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Also das ist ja nicht nichts. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Hahn: ... schwarzer Tag für die Unis!)

Das Gleiche gilt für die Pflege, Herr Prof. Schennach: Auch da gibt es 1 Milliarde Euro und alles war mit Ihrem Parteikollegen Stadtrat Hacker abgesprochen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Da müssen Sie bitte auch zu – jetzt sage ich Prof. Hacker – zu Stadtrat Hacker gehen, Herr Prof. Schennach. (Bundesrätin Schumann: Da sind Ihre Beliebtheitswerte hoch ...!)

Jetzt komme ich aber tatsächlich zum Tagesordnungspunkt Abschaffung der kal­ten Progression. Inhaltlich ist schon vieles gesagt worden. (Bundesrat Schennach: Aber den Vizekanzler müssen Sie auch informieren, oder?) – Ja, der Herr Vizekanzler hat dem Budget auch zugestimmt, genau. Das habe ich ihm natürlich gesagt. (Bundesrat Schennach: Ich kann mit Hacker reden, Sie reden mit dem Vizekanzler!) Zur kalten Progression: Ja, das ist wirklich historisch. Interessant ist – und dazu komme ich dann später noch einmal –, dass die Meinungen auseinandergehen, und ich glaube, da gibt es heute hier herinnen auch Missverständnisse, wenn es darum geht: 100 Prozent – ja oder nein, gut oder schlecht?

Zur Abschaffung der kalten Progression prinzipiell: Ja, wir schaffen sie ab und vor allem schaffen wir sie zu 100 Prozent ab. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Dieses Missverständnis möchte ich bitte auch aufklären: 100 Prozent deswegen, weil es zwei Drittel automatisch und ein Drittel dazu gibt. Es war interessant, zu sehen – und das war, glaube ich, das Missverständnis, wo vielleicht nicht alle zugehört haben –, dass Sie, als der Kollege von den NEOS (neuerlicher Zwischen­ruf der Bundesrätin Hahn) – ich kann alles nachvollziehen, überhaupt keine Frage – kritisiert hat und eine ganz andere Kritik aufgebracht hat, als Sie aufge­bracht haben, bei seiner Rede geklatscht haben. Das habe ich irgendwie skurril gefunden (Bundesrätin Hahn: Warum?), weil Sie natürlich genau das Gegenteil von dem wollen, was Kollege Arlamovsky will. (Bundesrätin Hahn: Das nennt man Fairness, glaube ich! – Bundesrätin Grossmann: Das ist Respekt! – Bundesrat


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Schennach: Fairness ist für euch ein Fremdwort! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Zuhören!)

Darf ich versuchen, das aufzuklären: Kollege Arlamovsky möchte, nachvoll­zieh­bar, wirklich 100 Prozent auf alle Tarifstufen haben – auf alle Tarifstufen. Sie möchten ja genau das Gegenteil, Sie möchten es nicht automatisch auf alle Tarifstufen haben, sondern Sie möchten innerhalb der Abschaffung der kalten Progression umverteilen, und zwar mehr umverteilen, als wir es machen. (Bun­desrätin Hahn: Es muss aber in die richtige Richtung umverteilt werden! – Bundes­rätin Grossmann: ... wollen jetzt schon ... erhöhen! ) Wir verteilen mit einem Drittel um, Sie hätten gerne drei Drittel zur Umverteilung. Das ist also genau das Gegenteil von dem, was Herr Arlamovsky will. Das war ein bisschen witzig und skurril, aber okay. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme noch zu dem verbleibenden Drittel, weil das jetzt so viel diskutiert wird: Ja, dazu stehen wir. Wir möchten das denen zugutekommen lassen, die weniger verdienen. (Bundesrätin Grossmann: Aha, wie geht das?) Die erste und zweite Einkommensteuerstufe werden zusätzlich entlastet. Das ist also auch das Gegenteil dessen, was Herr Prof. Schennach – ich darf du sagen, weil wir hier im Bundesrat ja unter uns sind, Entschuldigung (Bundesrat Schennach: Selbstver­ständlich!) –, was du gesagt hast. Das ist ja genau das Gegenteil. Wenn bei der Abschaffung der kalten Progression drei Drittel entlastet würden, dann würde es normalerweise über alle Steuerstufen verteilt; wir entlasten zusätzlich noch die erste und zweite Steuerstufe. Das ist also eine zusätzliche Entlastung für die­jenigen, die weniger verdienen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

Übrigens wird dieses Modell interessanterweise jetzt gerade von Deutschland, von einer rot geführten Regierung, ganz genau angescheit - - Entschuldigung, angeschaut und gilt als Vorbild für Deutschland, weil es dort anders ist. (Bun­desrätin Schumann: Gescheit, genau! Das war ein guter Freud’scher, ein ausgezeich­neter Freud’scher!) Ja, das stimmt, dort gibt es keinen Automatismus, da wurde die Abschaffung der kalten Progression vor einigen Jahren beschlossen, aber dort wird frei umverteilt. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Das, was wir in


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den letzten 40 Jahren alle paar Jahre in Steuerreformen gemacht haben, wird dort zwar verpflichtend gemacht, aber zur freien Verfügung der Bundesregie­rung. Das wollten wir eben nicht, sondern wir wollten es automatisch haben.

Noch ein Hinweis zur Entlastung, weil ich das auch oft von der Sozialdemokratie gehört habe: Ja um Gottes willen, diese Maßnahme ist ja nur etwas, das Steuer­zahlern und Steuerzahlerinnen zugutekommt! – Ja genau, das ist der Sinn der Abschaffung der kalten Progression, dass die, die Steuern zahlen, mit dieser einen Maßnahme auch entsprechend entlastet werden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Huber. – Rufe bei der SPÖ: Oh! Jeder zahlt Steuern! Mehr­wert­steuer! – Bundesrätin Schumann: Jeder Konsument zahlt Steuern!)

Zum Modell wurde, glaube ich, alles gesagt. Nur einen Hinweis noch zum Budget­dienst – weil das auch interessant ist, weil der Budgetdienst des Parlaments heute schon öfters zitiert worden ist –: Ja, der Budgetdienst des Parlaments hat sich dieses Paket, die Verteilungswirkung dieser beiden Maßnahmen, die natür­lich zusammengehören – Abschaffung der kalten Progression und die Valorisie­rung der Sozialleistungen –, angeschaut und ist zum Schluss gekommen, dass diese beiden Maßnahmen die Haushalte mit weniger Einkommen relativ mehr entlasten als alle anderen. Weil Sie den Budgetdienst angesprochen haben: Genau der hat das entsprechend festgestellt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

40 Jahre diskutiert, in allen Regierungsprogrammen der letzten 40 Jahre war es vorhanden, manche Regierungen haben es versucht, und wir haben es jetzt umgesetzt. Ich glaube, das kann man bei aller Kritik durchaus anerkennen, was die unterschiedlichen Modelle betrifft. (Bundesrat Schachner: Schauen wir ein­mal!) – Danke, Herr Kollege, dass Sie es anerkennen (Bundesrätin Schumann: Ja, schauen wir einmal!), und jedenfalls auch danke für die breite Unterstützung trotz aller unterschiedlichen Zugänge. (Bundesrätin Grimling: Wir stimmen nicht zu!)

Wichtig ist, dass die Menschen entlastet werden. Mit den Entlastungen durch die Bundesregierung haben wir, glaube ich, gezeigt, dass wir alle Menschen in Österreich, die von der Teuerung betroffen sind, entlasten, aber vor allem


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diejenigen, die überdimensional, überdurchschnittlich von der Teuerung betrof­fen sind. Das ist die Aufgabe der Regierung und der kommen wir natürlich sehr gerne nach. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.41 11.41.39


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesord­nungs­punkte getrennt erfolgt. (Bundesrat Schennach: Jetzt wird’s ernst!) – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2020 betreffend ein Teuerungs-Entlastungspaket Teil II.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kolle­gen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Optimierungsbedarf bei den Maßnahmen zur Bekämpfung der ‚kalten Progression‘“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Minderheit, der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Gezielte Hilfe in der Teuerungskrise


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statt Steuergeschenke für Spitzenverdiener*innen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenminderheit, der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energiekosten­ausgleichsgesetz 2022 geändert wird.

Wir nehmen von unserem Stimmrecht Gebrauch. 

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. Ich ersuche die Schriftführung um Unterstützung bei der Feststellung der Mehrheit beziehungsweise Minderheit. – Dies ist die Stimmenmehrheit, der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenom­men.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kolle­gen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Ausweitung der Anspruchsbe­rechtigten beim Energiekostenausgleich“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungs­antrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit, der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt. (Bundesrat Schennach: Sicher? Kann man das auszählen? ... dass man es in Ziffern sagt!) – 29 zu 30!

11.45.263. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichts­gesetz, das


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Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz und das Gesundheits- und Kran­kenpflegegesetz geändert werden (1696 d.B. und 1742 d.B. sowie 11097/BR d.B.)


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Sebastian Kolland. – Ich bitte um den Bericht.


11.45.56

Berichterstatter Sebastian Kolland: Ich bringe den Bericht des Unterrichts­aus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2022 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunter­richtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbe­reitungslehrgänge, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz und das Gesund­heits- und Krankenpflegegesetz geändert werden.

Die Unterlagen liegen Ihnen vor, ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenein­hel­ligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Herr Berichterstatter.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner. – Bitte, Frau Bundesrätin.


11.46.39

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Herr Prä­sident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuhörende! Worum geht es beim TOP 3? – Es geht um eine neue Schulform im öffentlichen Regelschulwesen, um eine neue berufsbildende mittlere und höhere


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Schule, und zwar um eine für Pflege- und Sozialbetreuung. Wir schließen damit eine Lücke. Man kann jetzt direkt nach dem Pflichtschulabschluss in diese neue Schulform einsteigen. Ich freue mich sehr, dass wir bereits im Ausschuss ein einstimmiges Ergebnis erzielen konnten, und würde mich über einen einstim­mi­gen Beschluss auch hier im Plenum freuen.

Bis zum Jahr 2030 wird von einem zusätzlichen Bedarf von 70 000 bis 100 000 Pfle­genden ausgegangen, das heißt, wir brauchen dringend junge Men­schen, die sich für einen Pflegeberuf entscheiden. 8 000 sollen es im Voll­ausbau sein, und dazu stellt der Bund 350 Millionen Euro bis 2026 zur Ver­fügung. Zum Start werden dafür mehr als 47 Millionen Euro vom Bund bereit­gestellt, und die­ser Betrag wird dann dem jährlichen Ausbau entsprechend auch erhöht.

Diese neue Schulform hat mehrere Vorteile. Sie hat den Vorteil, dass junge Men­schen in dieser Schulform vielseitig, breit und umfassend ausgebildet werden. Auf der einen Seite bekommen sie eine breite Allgemeinbildung, auf der anderen Seite zusätzlich eine praktische Berufsbildung mit einem Abschluss. Das heißt, es wird möglich sein, die allgemeine Hochschulreife zu erlangen und zusätzlich auch einen Abschluss als Pflegefachassistenz oder Sozialbetreuer, Sozialbetreuerin zu machen.

Englisch wird Unterrichtssprache sein. Das finde ich einen ganz, ganz wichtigen Punkt, weil auf die Schüler und Schülerinnen in der Praxis kulturelle und sprach­liche Herausforderungen zukommen werden. Deshalb finde ich es sehr wichtig, dass sie sich bereits im Unterricht mit Englisch als Beratungs- und Betreuungs­sprache beschäftigen werden. Die Praxis wird ab dem 17. Lebensjahr beginnen, das finde ich auch sehr sinnvoll. Es laufen ja in diesem Bereich bereits an sieben Standorten in Österreich – wie zum Beispiel auch in Niederösterreich, in Gaming – neun Schulversuche. Diese werden jetzt nahtlos ins Regelschulwesen über­gehen.


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Meine geschätzten Damen und Herren, wir machen da einen neuen, attraktiven Karriereweg mit noch mehr Durchlässigkeit auf – eine Ausbildung nahe am Menschen. Man kann mit diesem Fachschulabschluss als Pflegeassistent, Pfle­geassistentin gleich in den Beruf einsteigen oder sich auch in Richtung Fach­hochschule weiterbilden. Man kann das gleich machen oder zuerst einmal arbei­ten und erst später, nach ein paar Jahren wieder einsteigen. Man kann nach der Matura gleich in den Beruf gehen und hat quasi eine Jobgarantie als Pflege­fachassistent, Pflegefachassistentin, oder man kann akademisch in Richtung Bachelor und Master weitermachen. Sicher ist, wir werden auf allen Ebenen Expertise brauchen.

Was das Pflegepersonal in den letzten Jahren geleistet hat, ist außerordentlich – vielen Dank dafür!

Diese Wertschätzung ist gut, aber diese Wertschätzung allein ist zu wenig. Es braucht meiner Ansicht nach noch mehr, um das Image des Pflegeberufs zu verbessern. Die umfassende Pflegereform bringt bereits Verbesserungen für den Pflegeberuf, für die Pflegeausbildung und auch für die Betroffenen und deren pflegende Angehörige.

Aus den Medien ist ja bereits bekannt, dass diese Pflegereform insgesamt 20 Maßnahmen und ein Volumen von 1 Milliarde Euro bis 2024 umfasst: Maß­nahmen wie zum Beispiel einen monatlichen Gehaltsbonus für jeden Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin; für Auszubildende gibt es 600 Euro pro Praktikums­monat – ich denke, das ist nicht nur fair, sondern soll natürlich auch eine Motiva­tion sein, um diese Ausbildung zu machen; ich kann von der Fachhochschule berichten, dass diese Maßnahme tatsächlich bis jetzt gewirkt hat, wir konnten unsere Plätze im Bachelor auch füllen –; Umsteiger und Umsteigerinnen, aber auch Wiedereinsteiger und Wiedereinsteigerinnen erhalten unter gewissen Bedingungen 1 400 Euro monatlich; ab dem Jahr 2023 erhalten pflegende Ange­hörige 1 500 Euro, wenn sie einen schwer pflegebedürftigen Menschen unter­stützen und selbst weiter versichert sind, und noch viele weitere Maß­nahmen.


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Ich komme auch schon zum Schluss: Geben wir der Pflege den Stellenwert, den sie verdient hat! Geben wir den Menschen die Möglichkeit, in Würde zu altern! Meine Damen und Herren, geben wir vor allem dieser neuen Schulform eine solide Basis! Geben wir dieser Schulform eine einstimmige Zustimmung! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.52


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Doris Hahn. – Bitte, Frau Bundesrätin.


11.52.26

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Minister! Werte Damen und Herren – nicht mehr so viele, aber doch noch ein paar – auf der Galerie! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer zu Hause via Livestream! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Laut Altersalma­nach gibt es heute bereits mehr als 450 000 Menschen, die auf Pflege ange­wiesen sind. Wenn man den Studien und den Schätzungen für die nächsten Jahre Glauben schenken darf, dann könnten das bis 2050 noch bis zu einer Million Menschen oder sogar mehr werden.

Ja, schön: Wir werden alle älter – aber wir bleiben nicht immer automatisch auch bis zum Lebensende gesund. Das heißt, wir brauchen infolgedessen auch – unter Umständen über eine längere Zeit hinweg – Pflege und Betreuung im Alter. Das heißt, das kann natürlich auch jeden von uns, wie wir hier sitzen, treffen. Ich glaube, auch wir würden uns über ein würdevolles und qualitätvolles Pflege­ange­­bot entsprechend freuen.

Auf der anderen Seite haben wir bereits jetzt, bereits heute einen immensen Personalmangel in diesem Bereich, der sich sowohl bei den Pflegeeinrich­tungen – in den Pflegeheimen –, aber auch bei den sozialen Diensten – egal ob Volkshilfe, Caritas, Hilfswerk, Asbö und wie sie alle heißen – bemerkbar macht.


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Sie suchen händeringend qualifiziertes Personal, um ihr Angebot entsprechend qualitativ hochwertig aufrechterhalten zu können. Jene, die im Beruf stehen, klagen über Burn-out – sie brennen aus – und vieles andere mehr. Sie klagen auch – das darf man nicht vergessen – über ein wirklich mangelhaftes oder schlechtes Image der Pflege, das dringendst aufgewertet gehört.

Insofern begrüßen wir natürlich auch seitens der Sozialdemokratie diese Initia­tive, die uns jetzt mit diesem Gesetzentwurf vorliegt, damit eben zumindest ein Teil des Bedarfs, den es auch in Zukunft noch geben wird und der anstehen wird, abgefedert werden kann. Es soll dann also – das haben wir schon gehört – im Vollausbau in Summe 8 000 zusätzliche Ausbildungsplätze in dem Bereich der Pflege geben: ein guter, wichtiger Schritt, wie wir glauben. Wir dürfen aber da, glaube ich, nicht der Illusion erliegen – ich muss zugeben, das ist auch mir fast passiert –, dass es dann am Ende auch tatsächlich diese 8 000 Absolventinnen und Absolventen gibt. Nochmals, aus unserer Sicht: Es ist durchaus begrüßens­wert – daher auch unsere Zustimmung –, aber ich glaube oder bin mir vielmehr sicher, dass es da noch ganz, ganz viele Aspekte gibt, auf die man in Zukunft wird schauen müssen und die man weiterentwickeln muss.

Zum einen: Wir haben gehört, das betrifft aktuell insgesamt 16 Standorte in ganz Österreich, an denen es bereits Schulversuche gibt – das sind neun höhere Lehr­anstalten, sieben Fachhochschulen –, aber der Experte im Ausschuss hat uns auch ganz klar bestätigt, dass es noch weit mehr Standorte braucht und dass da auch weitere Anstrengungen nötig sind. Wir wissen alle, wie lang so ein Projekt, ein Neubau dauern kann. Von der Planung bis zur Eröffnung eines derartigen Neubaus können durchaus schon einmal zehn Jahre oder mehr vergehen. Da ist also eine entsprechende Planung dringend notwendig.

Zum anderen muss ich auch dazusagen, ich bin durchaus skeptisch, was die nötigen Lehrkräfte betrifft. Ich wage schon zu bezweifeln, dass die Lehrkräfte – da es ohnehin schon einen eklatanten Lehrerinnen- und Lehrermangel gerade auch in diesem Fachbereich, im Fachbereich Pflege, gibt – vorhanden sind. Die wachsen, glaube ich, nicht auf den Bäumen, aber ich lasse mich da gerne eines


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Besseren belehren. Wenn es sich sozusagen ausgeht, freuen wir uns alle, aber ich bin da sehr skeptisch.

Zum Dritten muss man dazusagen, Ausbildungsplätze sind das eine, aber auf der anderen Seite muss man ganz, ganz intensiv auch darauf schauen, dass die künftigen Absolvent:innen dann auch im Bereich bleiben, also auch wirklich im Beruf arbeiten. Sonst haben wir eine Situation, wie wir sie in vielen, vielen anderen Bereichen auch sehen (Beifall bei der SPÖ): beispielsweise in der Kinder­betreuung, wo viele auch schon direkt nach der Bafep, wenn sie die Schule absolviert haben, gar nicht in den Beruf einsteigen, sondern gleich einen anderen Arbeitsweg gehen, weil eben die Arbeitsbedingungen im Bereich nicht wirklich attraktiv sind und offensichtlich in den letzten Jahren auch nicht besser gewor­den sind, oder auch – eine ähnliche Situation – im Pflichtschulbereich, wo ebenso viele, viele Junglehrer:innen – und in Wahrheit viel zu viele Jungleh­rer:innen – eine mögliche Neuanstellung dezidiert nicht annehmen, weil die Bedingungen sind, wie sie sind, nämlich nicht attraktiv.

Das heißt, gleichzeitig zu den neu geschaffenen Ausbildungsplätzen müssen natürlich auch und ganz besonders die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessert werden. Es braucht eine bessere Planbarkeit. Es braucht auch genü­gend Zeit am Patienten. Das ist so immens wichtig. Wir brauchen einen verbind­lichen Personalschlüssel. Wir müssen dafür sorgen, dass die Pflege auch das Image bekommt, das ihr zusteht, und – aus meiner Sicht ganz an oberster Stelle, da wir immer hören, wie wichtig die Pflege ist, und ich glaube, da sind wir uns einig – wir müssen die Menschen in der Pflege bitte auch ordentlich und angemessen bezahlen. (Beifall bei der SPÖ.) Es ist schon so oft zitiert worden, aber man kann es nicht oft genug sagen: Klatschen alleine wird wohl nicht genügen!

Wir sehen also, es ist über viele Ressorts hinweg noch ganz viel zu tun. Unsere Zustimmung wird es dazu natürlich geben, dennoch lautet unser dringender Appell, da auch noch weiterzuarbeiten und weiterzuentwickeln, denn – ich


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glaube, das muss uns allen klar sein –: Ein Bett alleine pflegt dich nicht. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.58


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.58.38

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Pflegevorbereitung im Regelschul­wesen, Herr Bildungsminister, ist eine grundvernünftige Geschichte. Es ist sinnvoll, den Einstieg so niederschwellig wie möglich zu machen. (Oh-Rufe bei der ÖVP. – Bundesrätin Zwazl – erheitert –: Boah!) Es ist, wie jeder hier herinnen hoffentlich weiß, eine urfreiheitliche Forderung. Ich glaube, das ist schon in unserem ersten freiheitlichen Parteiprogramm drinnen gestanden, und das liegt weit zurück. Das ist also eine gute Geschichte. Einige werden sich vielleicht wundern, warum der Steiner zu einer Plusmaterie redet, aber auch das – dass ich zu einer Plusmaterie spreche – sei einmal gestattet. (Beifall bei der FPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder. – Ruf bei der ÖVP: Kommt da ein Plus heraus?)

Wir müssen nur wirklich folgendes Problem im Auge behalten: Wir müssen jetzt schon aufpassen, was den Mangel an Lehrenden betrifft, dass wir da nicht aus den Anstalten – aus den Krankenanstalten, aus den Kuranstalten oder sonst wo – das Personal zum Lehren abziehen. Ich weiß, Herr Minister, Sie haben es schon dementiert – aber woher die Lehrenden nehmen, wenn wir sie nicht haben? Natürlich wird man auch auf das Fachpersonal in den jeweiligen Einrich­tungen zurückgreifen müssen. Anders, Herr Minister, kann es gar nicht gehen, auch wenn Sie es dementieren. Darauf müssen Sie also schon ein großes, großes Augenmerk legen, weil wir massive Probleme in diesen Einrichtungen haben. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)


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Ich kann nur sagen, ich bin, als wir das letzte Mal vom Bundesratsplenum nach Hause gefahren sind, am Samstag mit dem Zug retour gefahren und zufällig mit zwei Ärzten – einer war aus Vorarlberg und einer war aus Innsbruck – im Zugabteil gegessen. Sie haben geredet, und man hört natürlich ein bisschen zu. Dann haben sie natürlich über das ganze Problem Pflege gesprochen, und da war ich schon ein bissl schockiert, weil uns natürlich allen bewusst ist, dass das ein Problemfeld ist, aber dass es so gravierend ist, dass Schwestern Nachtdienste auf vollen Stationen – ich rede da jetzt nicht von drei, vier, fünf oder sechs Betten – alleine schieben müssen, ist nicht länger hinnehmbar und tragbar. Da müssen wir uns dringendst auf die Hinterfüße stellen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das war ganz interessant, weil der eine Internist und der andere Orthopäde war. Was die Pflege betrifft, haben sie beide – der aus Vorarlberg und der aus Innsbruck – unisono komplett dasselbe gesagt. Das heißt, das zieht sich eigent­lich quer durch Österreich durch. Nur: Mir ist zu wenig – das muss man ganz ehrlich sagen –, dass man immer darüber redet – auch Frau Berger-Grabner hat es vorhin gesagt, ich habe es mir aufgeschrieben –: Das Pflegepersonal hat die letzten zwei Monate Unglaubliches geleistet, das braucht jetzt „Wertschät­zung“! – Nur, wo ist die Wertschätzung? Wann kommt sie? Wann kriegt die Pflegerin, der Pfleger, der schon im Beruf steht, der die letzten zwei Jahre wie ein Narrischer gebuckelt hat, von dieser Regierung die ihm zustehende Wert­schätzung? (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Kollegin Berger-Grabner, das sagen Sie nie dazu. Sie sagen nie dazu, wann er diese Wertschätzung bekommt, denn bis heute hat er außer ein bissl Klatscherei und ein paar lieben Worten von Ihnen, Frau Berger-Grabner, da heraußen am Rednerpult nichts bekommen. (Bundesrat Bader: Stimmt ja nicht! Stimmt ja nicht!) Das nutzt keinem einzigen Pfleger, wenn Sie da heraußen stehen und so lieb dahinreden. Das nutzt nix. Die wollen Geld in der Tasche haben, damit sie ordentlich leben können, und endlich einmal ordentlich für diesen echt harten Beruf bezahlt werden. – So schaut es nämlich aus. (Beifall bei der FPÖ.)


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Weil es mich interessiert hat, weil es ja immer so kleingeredet worden ist, habe ich die zwei Ärzte im Zug gefragt, wie denn das bei ihnen in den Kliniken – sie arbeiten beide in einer Klinik – war, als das Impfpflichtgschichtl aufgetaucht ist – in Tirol haben wir es ja gehört, über 300 Pflegekräfte, Krankenschwestern und so weiter haben ja gekündigt –, und ob das wirklich so dramatisch war. Es sind zwei Ärzte – ich habe extra nachgefragt –, die sehr wohl die Impfung befür­wortet haben und sehr wohl in ihren Kliniken auch die Impfung für ihre Mitarbei­ter:innen, für das Pflegepersonal und so weiter empfohlen haben. Dann hat einer gesagt: Das war schlimm, als die alle gekündigt haben, gegangen sind, denn wohin haben wir die verloren? – Die sind nämlich nicht im Pflegeberuf geblie­ben, sagt mir der Vorarlberger, die sind irgendwohin in die Industrie gegangen, und die haben wir auf immer verloren. Da sind Fachkräfte aus dem Pflegebe­reich, wo wir sie eh so nötig haben, die man mit einer Impfpflicht traktiert hat, jetzt in Berufe, Industrieberufe abgewandert – und wir haben diese Pflegekräfte auf immer verloren. Das ist Auswuchs eurer wahnsinnigen Coronapolitik gewesen. Das muss man halt auch ganz ehrlich einmal dazusagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bildungsminister, es nützt aber dann halt auch die beste Ausbildung, die wir jetzt ja hoffentlich vorhaben, nix – die hilft uns allen nix –, wenn die Rahmen­be­dingungen in der Ausübung des Berufs, von denen ich jetzt gesprochen habe – das betrifft Schichtdienste, das betrifft ordentliche finanzielle Abgeltungen und weit, weit mehr Rahmenbedingungen –, nicht endlich korrigiert und ausgebes­sert werden.

Was wird uns passieren? – Jetzt lässt sich jemand mit diesem niedrigschwelligen Einstieg in den Pflegeberuf ausbilden, geht dann in den Beruf, und nach zwei, drei Jahren ist er fertig – körperlich fertig, psychisch fertig –, sieht aber: Eigent­lich kann ich mir überhaupt nichts leisten, außer dass ich mich fertigmache! – Na, was wird der oder die machen? – Der wird den Beruf wieder verlassen. Das heißt, das ist ein Teufelskreis. Die beste Ausbildung nützt uns nichts, wenn wir nicht endlich die Rahmenbedingungen ändern. Da müssen wir jetzt den Hebel


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ansetzen, und ich weiß schon, da sind Sie jetzt natürlich der falsche Ansprech­partner, das ist mir schon bewusst, da bräuchte es jetzt den Herrn Gesundheits- und Sozialminister, aber ihr habt ja dieses Gesetz auch gemeinsam gemacht, dann werden wir auch das nächste in der Regierung hoffentlich gemeinsam schaffen.

Es ist wichtig, die Rahmenbedingungen jetzt ordentlich zu ändern, damit uns die Ausgebildeten dann auch in diesem Beruf bleiben. Sonst nützt das alles nichts. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Er ist der Gewerkschafter, unser Herr Steiner! – Bundesrätin Grimling: Ja!)

Es ist so – zum Abschluss noch –: Der Grundstein ist gelegt, das stimmt. Der Grundstein ist mit heute gelegt, aber alles rundherum, was zu einem ordent­lichen Hausbau dazugehört – das reicht vom Mauerwerk bis zur Installation und, und, und, wenn man in bildlicher Sprache spricht –, fehlt noch. Da müsst ihr euch in dieser Regierung also schon jetzt einmal die Schuhe aufdoppeln und ordent­lich die Rahmenbedingungen für das Pflegepersonal ändern, sonst nützt uns dieser Beschluss heute gar nichts. (Beifall bei der FPÖ.)

12.06


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Kittl. – Bitte.


12.06.16

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Will­kommen, Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier und vor den Bildschirmen! Ja, Arbeit in der Pflege ist anspruchsvoll und anstrengend, aber auch sinnstiftend und erfüllend, und damit der Anspruch nicht die Erfüllung auffrisst, müssen wir mehr in die Ausbildung genauso wie in die Berufserleich­terung und in die bessere Bezahlung investieren. Das wurde und wird getan: einerseits mit 1 Milliarde Euro für die in der Pflege Arbeitenden und andererseits mit dem heutigen Gesetzentwurf für eine bessere und attraktivere Ausbildung.


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Nach der Pflichtschule stehen Jugendlichen viele Wege offen. Wir wissen es: Arbeit, Lehre, eine weitere Schulbildung wie BHS oder BMS, AHS, HBLA, HTL, HAK, HLW und andere höhere Schulen. Ab nun kann man erstmals auch schon im Alter von 14 Jahren – man muss also nicht mehr warten, bis man 17 ist, und daher auch keine unnötige Überbrückung haben – in eine dreijährige Fachhoch­schule oder in eine fünfjährige Pflege- und Sozialschule wechseln. Das ist eine große Erleichterung für die, die sich für eine Pflege- und Sozialschule entschei­den.

Es gab schon bisher eine große Auswahl, was nach der Pflichtschule gemacht werden kann, ich habe nur einen kleinen Teil davon erwähnt. Sie wird nun größer, und auch das ist gut, weil es eben die Chancengleichheit in der Bildungs­wahlentscheidung erhöht.

Warum soll sich nun ein Jugendlicher, eine Jugendliche für die Pflegeschule inter­essieren? – Weil man danach – und wir haben es schon öfters gehört – sicher einen Job findet. Man muss es aber nicht, man muss nicht sofort danach in einen Job, sondern man kann auch – nach der Fünfjährigen zum Beispiel, die mit Matura und Qualifikationsnachweis endet – eine weitere Ausbildung auf einer Fachhochschule oder Uni machen. Zudem – ein weiterer, sehr guter Punkt – bekommen die Schüler:innen ab dem 17. Lebensjahr in der Zeit ihrer Pflicht­prak­tika 600 Euro im Monat bezahlt. Auch das ist ein wichtiger Anreiz für junge Menschen.

Wenn man sich erst später im Leben dafür entscheidet, auf die Pflegearbeit umzusteigen – und auch das ist wichtig für uns, um so mehr Fachkräfte zu bekommen –, gibt es schon jetzt ein Pflegestipendium in Höhe von 1 400 Euro im Monat. Das alles sind gute Anreize für mehr und gut ausgebildete Pflege­kräfte.

Darüber hinaus eröffnet diese neue Ausbildungsform für Pflegefachkräfte neue Karrieremöglichkeiten im Unterricht und in der Schulorganisation. Kollege


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Steiner hat es zuerst erwähnt: Was tun die, die zum Beispiel nicht mehr im Kran­kenhaus arbeiten möchten? – Sie können in den Unterricht gehen, und auch das ist gut, weil es sozusagen die Arbeitsmöglichkeiten der im Pflegebereich Arbei­tenden erweitert und das Spektrum breiter macht. Diese neuen Karrieremöglich­keiten, diese neuen Ausbildungsmöglichkeiten heben vor allem die Pflege auf ein höheres Niveau, und das ist sehr gut so. (Beifall bei den Grünen und bei Bundes­rät:innen der ÖVP.)

Insgesamt investiert der Bund bis zum Jahr 2027 etwa 350 Millionen Euro und schafft 8 000 neue wichtige und notwendige Ausbildungsplätze. Das alles pas­siert gut abgestimmt und in Kooperation mit den schon vorhandenen Schulen für Gesundheits- und Pflegeberufe, den Guk-Schulen – und das ist wichtig, auch für die Ausbildungskräfte. Es erfolgt auch im guten Austausch mit Bund und Ländern – das ist nicht selbstverständlich, wie wir leider wissen – und zwischen Sozial- und Bildungsministerium; dafür danke ich allen Mitwirkenden.

Um den akuten Mangel an Pflegepersonal zu beheben, braucht es eben nicht nur die Verbesserung im Beruf, sondern auch im Berufsbild und in der Ausbildung. Das ist mit den heutigen Gesetzesnovellen gelungen, und das bringt mehr Fachkräfte in die Pflege – vielen Dank dafür.

Eine kleine, wichtige Gesetzesänderung, die heute noch niemand erwähnt hat, die ich aber trotzdem oder gerade deswegen erwähnen möchte, ist, dass an Schulen – auch an Volksschulen – nun Englisch als Unterrichtssprache eingesetzt werden kann. Das ist sehr gut, denn es macht uns internationaler, es verbessert den Zugang und den Austausch an internationalen Bildungseinrichtungen, auch nach der Schule, für internationale Arbeitsplätze und in der Forschung. Dieser internationale Wissensaustausch ist gut für so ein kleines, aber schönes Land wie Österreich. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

12.11


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte, Frau Präsidentin.



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12.11.49

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Werter Herr Bundesminister! Die Ausbildungsoffensive in der Pflege ist ein ganz, ganz wesent­licher Schritt. Wir wissen, dass uns in den nächsten Jahren bis zu 70 000 Per­sonen in der Pflege fehlen werden. Was uns auch fehlt, sind die budgetären Mittel, die wir brauchen würden, um wirklich einen starken Ausbau zu erreichen. – Kollege Steiner, wie gesagt, heute haben wir den Tag, an dem man recht geben kann. Es ist alles sehr verdächtig, aber Sie haben natürlich völlig recht (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie des Bundesrates Steiner): Es braucht gescheite Arbeitsbedingungen (Ruf bei der ÖVP: ... stolz sein!), es braucht eine gescheite Bezahlung und eine generelle Attraktivierung des Berufsbildes, sonst würde man kaum jemanden finden, der in dieses Berufsfeld geht. Es benötigt auch die Aner­kennung, dass das keine Arbeit ist, die man so nebenbei macht, sondern eine, für die man Empathie und Herzblut braucht – und es ist wichtig, dafür attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, als Gewerkschafterin bin ich irgendwie ein Fan von Hand­schlagqualität – und ich bin auch ein begeisterter Fan der Sozialpartnerschaft. In der letzten Sitzung im Juli habe ich darauf hingewiesen, dass wir gerne als Arbeitnehmer:innenvertretung im Beirat für Elementarpädagogik dabei wären – dies deshalb, weil die Problematik für die Beschäftigten in der Elementarpäda­go­gik österreichweit extrem groß ist. Die gleiche Problematik, die in der Pflege existiert, gibt es bei der Suche nach Personal für die elementarpädagogischen Einrichtungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch da geht es um dasselbe: gute Arbeitsbedingungen, kleinere Gruppen­größen, bundeseinheitliche Regelungen, damit das über alle Länder hinweg gleich gere­gelt wird. Ein ordentlicher Ausbau der elementarpädagogischen Einrichtungen kann nur mit motivierten und guten Arbeitskräften vonstattengehen. Nun war ich im März bei Ihnen – ich habe es in der letzten Rede erwähnt – mit der Bitte, uns als Sozialpartner in den Beirat für Elementarpädagogik aufzunehmen.


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(Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Mir wurde zugesagt, es wird ein Schrei­ben geben, wie die Entscheidung erfolgt. Bis Juli ist das nicht passiert. Im Juli habe ich darauf hingewiesen: Noch immer haben wir kein Schreiben. Gut, Sie haben mir in die Hand versprochen, haben gesagt: Nun werden Sie bald die Mitteilung erhalten. – Nichts habe ich erhalten! Wir als Arbeitnehmer:in­nenver­treter und Arbeitnehmer:innenvertreterinnen haben dazu nichts erhalten, und das ist schon sehr schmerzhaft.

Nun ist uns auf der Gerüchteebene zugegangen, dass es bereits wieder eine Bei­ratssitzung gegeben hat. Wir wurden wieder nicht eingeladen; wir haben auch keine Absage erhalten, dass wir nicht dabei sein dürfen, denn darauf könnte man reagieren. Ich finde es schon ganz erstaunlich, wie man da mit der Sozialpart­nerschaft umgeht. Ich glaube, das ist kein guter Schritt, weil es schon sehr klug wäre, die Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmervertretung einzubinden, wenn man eine Reform in der Elementarpädagogik im Sinne der Beschäftigten machen möchte.

Ich bin wirklich, noch einmal gesagt, ein Fan von Handschlagqualität. Wenn mir jemand sagt: Du kriegst ein Schreiben, du kriegst eine Ablehnung, du kriegst eine Zustimmung!, was auch immer, dann gehe ich davon aus, dass ich die kriege. Wenn sie nicht kommt, dann muss ich das mit großem Bedauern feststellen. Wir haben dazu eine Aussendung gemacht, und, Herr Bundesminister, ich habe es Ihnen heute noch einmal mitgegeben: So geht man mit der Sozialpartnerschaft nicht um. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

12.15


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Martin Polaschek. – Bitte, Herr Bundesminister.


12.15.20

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Ja, es ist nun bereits


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mehrfach angesprochen worden: Mit der gegenständlichen Regierungsvorlage wird ein wichtiger und grundlegender Punkt der Pflegereform der Bundes­regie­rung umgesetzt. Wir schaffen mit der Einrichtung einer höheren Lehranstalt für Sozialbetreuung und Pflege eine völlig neue und eigenständige Schulform. Der Schwerpunkt ist wirklich zukunftsweisend und wichtig. Ab dem Schuljahr 2023/24 wird dank der Beschlussfassung des Parlaments die neue Ausbildung regulär möglich sein. Wir werden zum Start dafür 47 Millionen Euro vom Bund bereit­stellen, und dieser Betrag wird dann entsprechend im jährlichen Ausbau erhöht; insgesamt investiert der Bund bis 2027 dafür bis zu 350 Millionen Euro.

Die bereits laufenden Schulversuchsstandorte werden nahtlos ins Regelschul­wesen übergehen. Es werden zudem weitere neue Standorte geprüft, um in Zukunft noch mehr Personal im Bereich der Pflege ausbilden zu können. Ich darf dazu auch sagen – weil es bereits angesprochen worden ist –: Neue Standorte bedeuten nicht, dass es sofort auch neuer Schulbauten bedarf. Das heißt, dass die Vorausschau durchaus eine kürzere ist als etwa zehn Jahre, weil wir selbst­verständlich bereits in sehr intensivem Gespräch mit den Bildungsdirektionen und auch mit den in den Ländern dafür zuständigen Referentinnen und Refe­renten sind, um zu prüfen, wo neue Standorte möglich sind (Zwischenruf bei der SPÖ), die zum Teil natürlich auch dort, wo es bereits andere Schulbauten gibt, eingerichtet werden können. Es bedarf also keiner neuen Bauten, sondern die Einrichtung kann natürlich auch auf andere Art und Weise erfolgen. (Ruf bei der SPÖ: Nicht notwendigerweise! – Bundesrat Schennach: ... Ausstattung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Auch die Ausstattung der Schulen wird natürlich in diesem Fall nicht so lange brauchen, davon gehen wir aus. (Bundesrat Schennach: Wir schauen uns das an!)

Ich darf auch noch einmal daran erinnern, dass es ja nicht nur um die höhere Lehranstalt geht, sondern auch um die Einrichtung einer Fachschule für Sozial­berufe mit Pflegevorbereitung. Diese Ausbildung wird drei Jahre dauern, und mit der verpflichtend vorgesehenen Kooperation der neuen höheren Lehranstalten mit bestehenden und bewährten Ausbildungsstrukturen ist sichergestellt, dass


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das hohe fachliche Niveau der Pflegeausbildung in Österreich auch im berufs­bildenden Schulwesen gewährleistet ist. Wir planen eben im Vollausbau bis zu 8 000 Ausbildungsplätze, und ich bin davon überzeugt, dass damit wirklich ein wesentlicher Beitrag zur Verringerung des bestehenden Personalmangels in Gesundheits- und Pflegeberufen geleistet wird. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Lassen Sie mich auch noch einmal darauf hinweisen, dass wir auch die Nutzung von Englisch als Unterrichtssprache erweitern, was dankenswerterweise von Frau Bundesrätin Kittl am Schluss auch erwähnt wurde. Damit ist ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Bildung und Ausbildung der Schülerinnen und Schüler in diesem Bereich gesetzt.

Abschließend zu Ihnen, Frau Abgeordnete Schumann: Ja, Sie haben mich im Juli darauf angesprochen. Ich kann in diesem Fall nur um Entschuldigung bitten. Ich habe sofort nach der Sitzung den Auftrag weitergeleitet, dass Sie ein entsprechen­des Schreiben bekommen. Dass Sie dieses Schreiben nicht bekommen haben, tut mir wirklich leid. Ich stehe natürlich auch zu meinem Handschlag – und wenn ich Ihnen das zugesagt habe, so kann ich dafür nur um Entschuldigung bitten. Sie hätten selbstverständlich ein entsprechendes Schreiben bekommen sollen. Die Angelegenheit ist im Beirat besprochen worden. Es ist so, dass sich der Beirat selbst die Geschäftsordnung gibt und es am Beirat liegt, darüber zu entscheiden, weitere Gruppierungen in den Beirat mitaufzunehmen. (Zwischenruf der Bundes­rätin Grimling.) Ein solcher Beschluss ist nicht erfolgt, das liegt nicht in meinem Bereich, aber dass Sie ein solches Schreiben nicht bekommen haben, dafür kann ich nur um Entschuldigung bitten, das war nicht meine Absicht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

12.19


Vizepräsident Günther Novak: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Schartel. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 122

12.19.34

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Ganz kurz nur: Ich muss aufgrund der Redebeitrags von Frau Kollegin Kickl, Kittl noch einmal bekräftigen, was Herr Steiner gesagt hat. (Bundesrat Raggl: Kickl?! – Heiterkeit bei der ÖVP.) Wenn ich Ihnen zuhöre, habe ich das Empfinden, Sie haben bis heute noch immer nicht kapiert, worum es in Wirklichkeit geht: Es geht nicht darum, akademische Grade noch und nöcher in einem neuen Berufsfeld einzuführen. Es geht darum, die richtigen Rahmenbedingungen für die Menschen zu schaffen, damit sie gerne und mit Leidenschaft diesen Beruf ausüben. (Bundesrat Schreuder: Genau das hat sie gesagt! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Der Ansatz, den ihr schon wieder habt, dass man hergeht und sagt: Na ja, man muss ja, wenn man absolviert, nicht unbedingt in den Beruf einsteigen, man kann ja noch ein bisschen auf die Fachhochschule gehen!, ist der falsche Ansatz. Wenn Sie nun hergehen und das wieder vergeigen, verstehe ich das nicht. Es geht um so viel mehr. Warum seht ihr das nicht? Es geht darum, dass die Men­schen, die in diesem Beruf sind, nicht mehr wissen, wo vorne und hinten ist. Das Gleiche passiert auch in den Kindergärten, auch da steht man vor folgendem Problem: Es gibt tolle Schulen, die Kindergärtner ausbilden, und was passiert? – Es geht keiner in den Beruf, sondern es ist für viele oft auch eine Ausweich­schule, weil bestimmte Gegenstände, auf die in normalen Gymnasien etwas mehr Fokus gelegt wird, in diesen Schulen nicht so vorrangig sind. Bitte, bitte macht das!

Zum Englisch: Das finde ich toll, aber nur, sofern es nicht das Hintertürl ist, dass jene Menschen, die nicht die deutsche Muttersprache haben, dann nicht mehr die deutsche Sprache erlernen müssen. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit des Bun­desrates Bader. – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

12.21


12.21.14

Vizepräsident Günther Novak: So, ich schaue noch einmal in die Runde. Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.


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Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.21.474. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2022 betreffend eine Ver­einbarung gemäß Artikel 15a Abs. 1 B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Digital Sciences Austria samt Anlagen (IDSA-Vereinbarung) (1676 d.B. und 1706 d.B. sowie 11088/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu Punkt 4 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Barbara Tausch. – Ich bitte um den Bericht.


12.22.21

Berichterstatterin Barbara Tausch: Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolle­gin­nen und Kollegen! Werter Herr Minister! Geschätzte Jugendliche auf der Galerie! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung bringen, und zwar geht es um den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2022 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a Abs. 1 B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Digital Sciences Austria samt Anlagen, kurz Idsa-Vereinbarung genannt.

Ziel der Gründung der neuen Universität in Oberösterreich ist die Schaffung einer international attraktiven und innovativen Universität. Die Gründung ist ja in den Juli-Sitzungen des Nationalrates und Bundesrates beschlossen worden,


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nun geht es um die Budgetplanung. Entsprechend der Notwendigkeit, die Kosten für die jeweilige Budgetplanung konkret und auch transparent fest­zulegen, liegen dem Vorhaben gemäß der Vereinbarung ein detaillierter Finanzierungs- und Ausbauplan des Bundes und des Landes Oberösterreich zugrunde.

Der detaillierte Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Ich möchte die Gelegenheit nutzen, die vielen Schülerinnen und Schüler auf der Galerie zu begrüßen. Leider weiß ich nicht, aus welcher Schule und aus welchem Bundesland sie kommen, trotzdem: Seien Sie herzlich willkommen! (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Bitte.


12.24.11

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor dem Livestream! Ja, bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um das Institute of Digital Sciences in Linz. Ich muss eines vorwegschicken – das habe ich auch schon im Ausschuss getan und ich möchte es ausdrücklich noch einmal beto­nen –: Wir sind nicht gegen dieses Institut als solches, ganz im Gegenteil. Ich glaube, der Grundgedanke, eine technische Universität zu gründen, die sich speziell mit den Fragen der Digitalisierung beschäftigen soll, ist durchaus begrüßenswert. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen Digitalisierung, glaube ich, in aller Munde ist, ist das ein guter Zugang.


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Was wir in diesem Zusammenhang kritisieren müssen, ist allerdings das Konzept, das da in Wahrheit dahintersteckt. Da frage ich mich jetzt: Welches Konzept eigentlich? Gibt es eines? – Ganz offensichtlich nicht, ich habe gegoogelt, ich habe gelesen, ich habe gesucht und ich habe keines gefunden.

Die Uniko, die Universitätenkonferenz – Sie kennen sie sehr gut; ich glaube, sie ist durchaus ein Gremium mit Expertise, wenn ich das so sagen darf –, kritisiert immer noch (Zwischenruf bei der SPÖ), dass es bis heute keine Bedarfsanalyse gegeben hat, dass es kein Standortkonzept gibt, dass es in diesem Zusam­men­hang in Wahrheit auch keinerlei Transparenz gibt, weil eben nicht einmal die Uniko selbst im Vorfeld in irgendwelche Beratungen involviert war.

Der Betriebsrat der Kepler-Uni sagt zum Beispiel – ich zitiere –, das Konzept sei völlig untauglich, und der Betriebsrat weist auch darauf hin, dass Digitalisierung, digitale Transformation in Wahrheit keine wirklich eigenständigen wissenschaft­lichen Fächer darstellen und somit für eine derartige technische Universität nicht wirklich geeignet sind.

Ich persönlich frage mich: Was soll diese Uni denn am Ende leisten oder leisten können? (Bundesrat Schennach: Prestige!) Das ist mir aus einem Konzept, das ich, wie gesagt, bis heute sträflichst vermisse, nicht hervorgegangen. Sind es Bache­lorstudien, sind es PhD-Studien, sind es Postdoc-Programme, was auch immer? Im Ausschuss hat eine Expertin gemeint: Es werden vermutlich zu Beginn PhD-Programme sein – aber „vermutlich“ ist nicht unbedingt ein großes planungs­sicheres Wort, wie ich meine. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Ich frage mich: Wie schaut es mit Stipendien aus? (Bundesrat Himmer: Sie hat im Übrigen aber „sicher“ gesagt, Frau Kollegin!) Wie schaut es ganz konkret mit Kriterien dazu aus? Wie schaut es mit Curricula aus? – Herr Kollege, Sie können sich dann gerne noch zu Wort melden, aber jetzt bin einmal ich dran. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)


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Die Uniko-Präsidentin Seidler und auch viele andere, muss man dazusagen, befürchten da gar eine einseitige Orientierung an der Industrie und an bestimm­ten Unternehmen in der Region. Ich frage mich da halt schon – womit ich auch nicht die Einzige bin –, ob die Freiheit von Forschung und Lehre da wirklich garan­tiert und gewährleistet werden kann. Darauf habe ich allerdings im Aus­schuss keine Antwort erhalten, das muss ich auch dazusagen.

Kollege Schennach hat Sie schon im Sommer auch auf die fehlenden Kollek­tivverträge hingewiesen – die wird es offensichtlich nicht geben. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Das heißt, es besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann in irgendwelchen prekären Beschäfti­gungs­­verhältnissen stehen werden. Das kann es meines Erachtens nicht sein und da muss man auf alle Fälle noch einmal genauer hinschauen. (Bundesrätin Schartel: Wenn’s keinen Kollektivvertrag gibt?! Also, ich meine ...!)

Immerhin hat sich vor wenigen Tagen der Gründungskonvent konstituiert, und bis Ende des Jahres soll es dem Vernehmen nach Hearings geben, um Anfang 2023 eine Gründungspräsidentin oder einen Gründungspräsidenten zu wählen, und im Anschluss daran soll es erst Curricula geben. Es soll dann nach Profes­soren gesucht werden und vieles andere mehr.

Nun habe ich vernommen, und da war ich schon einigermaßen erstaunt, es hätte im Oberösterreichischen Landtag im Oktober eine Planungsenquete geben sol­len, die sich mit all diesen Fragen hätte beschäftigen sollen, und diese ist auf Feb­ruar 2023 verschoben worden – auch völlig unverständlich. Transparenz schaut jedenfalls anders aus, Punkt. Man muss es sagen, wie es leider ist.

Zumindest wissen wir eines, nämlich welche budgetären Auswirkungen es für das Land Oberösterreich, aber auch für den Bund hat. Man nimmt dafür auf alle Fälle genug Geld in die Hand, das muss man so sagen – allerdings Geld, das im Umkehrschluss den öffentlichen Unis fehlt. Das ist nicht meine Einschätzung, sondern sehr wohl die Einschätzung derer, die es wissen müssen, nämlich auch der Uniko. Ich darf auch an dieser Stelle noch einmal Frau Seidler zitieren, die, als


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Sie das Unibudget präsentiert haben, gemeint hat: ein schwarzer Tag für die Unis. Ich glaube, das sagt alles: ein schwarzer Tag für die Unis. (Beifall bei der SPÖ.) Na gut, freuen werden sich die Universitäten darüber vermutlich nicht.

Ich möchte aber nicht mit etwas Negativem, ich möchte durchaus mit etwas Positivem schließen: Dass es auch anders geht, nämlich wirklich konstruktiv, positiv und transparent, das sieht man zum Beispiel in meinem Heimatbezirk Klosterneuburg. Kollegin Zwazl ist gerade nicht im Saal, aber ich war erst unlängst mit Bundesratskollegen Schreuder und -kollegin Berger-Grabner in Klosterneuburg. Wir haben uns vor Ort von der Qualität und Exzellenz der wissenschaftlichen Arbeit am IST Austria, dem Institute for Science and Technology, überzeugen können.

Da hat es zunächst auch große Skepsis und vielleicht auch die eine oder andere Kritik gegeben: Soll das eine Elite-Uni werden? Was soll das konkret darstellen? Die Bevölkerung war ein bisschen verunsichert, was das werden soll, aber inzwischen gibt es, weil eben ein gutes, überzeugendes, transparentes und durch­dachtes Konzept vorhanden war, 75 Forschungsgruppen, die noch weiter ausgebaut werden sollen, und 1 008 angestellte Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter. Wir haben erst kürzlich – ich glaube, es ist ein knappes Dreivierteljahr oder Jahr her – eine weitere 15a-Vereinbarung beschlossen.

Mit Fug und Recht lässt sich behaupten, dass dort die Maxime der Freiheit von Forschung und Lehre mit Leben erfüllt wird, und das zeigt sich durchaus auch im internationalen Vergleich, wo das IST mehr als anerkannt ist. Ich glaube, das sollte man sich durchaus zum Vorbild nehmen. Es geht transparent, nachvoll­zieh­bar und gut geplant – und ich glaube, das sollten Sie sich auch noch einmal genauer anschauen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.30


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Alexandra Platzer. – Bitte sehr.



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12.30.57

Bundesrätin Alexandra Platzer, MBA (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Wissenschaftsminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher! Ja, herzlich willkommen im 21. Jahrhundert! Nachdem das 20. Jahrhundert von der Mobilität und von der neuen Weltordnung geprägt war, steht das 21. Jahrhundert jetzt für die Digitalisierung und für die Transformation.

Es geht heute um eine 15a-Vereinbarung zwischen dem Bund einerseits und dem Land Oberösterreich andererseits, und zwar zur Errichtung einer Institution, die zuerst unter dem Titel Technische Universität Linz geführt wurde und nun den Namen Institute of Digital Sciences Austria trägt. Die Ausrichtung geht klar in Richtung digitale Transformation und soll natürlich auch der Sicherung der digitalen Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Österreich dienen, denn gerade unsere Unternehmen brauchen in der gegenwärtigen Zeit in vielen Bereichen Fachkräfte, die genau in dem Bereich für uns wichtig sind und dort wertschät­zend ausgebildet werden.

Heute geht es um eine rechtliche Grundlage für den nächsten Schritt, und zwar um eine Finanzierung in Zusammenarbeit mit dem Land Oberösterreich. Ober­österreich geht nach der Kunstuni Linz und der medizinischen Fakultät in Linz nun bereits zum dritten Mal in die Vorleistung; und die Vereinbarung beinhaltet, dass das Land Oberösterreich bei der Errichtung der Gebäude 50 Prozent der Kosten übernehmen wird.

Der Gründungskonvent hat sich letzte Woche, wie die Kollegin schon erwähnt hat, konstituiert und wird natürlich auch einen guten Gründungspräsidenten oder eine gute Gründungspräsidentin finden.

Man plant, dass nach dem Vollausbau im Jahre 2036/2037 etwa 100 bis 150 Ar­beitsgruppen, also gut 6 000 Studierenden, ein Bachelor-, ein Master- und ein Doktoratsstudium zur Verfügung stehen werden. Gestartet wird nächstes Jahr mit einem kleinen Programm, fokussiert auf ein PhD-Studium, das heißt ein Doktoratsstudium. Natürlich ist das ein neues Terrain, auf das wir uns bewegen,


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was jedoch in der heutigen Zeit dringend nötig ist und, das steht für mich zumindest außer Frage, auch so sein soll.

Wie man immer wahrnehmen kann, entwickeln sich auch die anderen Uni­versitäten in Österreich sehr gut. Wir haben mittlerweile hohes internationales Ansehen. So wurde auch vor einigen Wochen neben der Universität Wien und der Medizinischen Universität Graz nun auch die Medizinische Universität Wien unter die Top 200 weltweit geratet.

Irgendwann muss man einfach immer den ersten Schritt setzen, und genau für solche Pionierprojekte braucht es einfach ein bisschen Mut und ein bissel Zuver­sicht. Genau diese Zuversicht habe ich, dass in meinem Bundesland Ober­öster­reich das Institute of Digital Sciences Austria eine gute Heimat finden wird und wir alle darauf stolz sein können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder. – Bundesrat Himmer: Bravo!)

12.34


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günter Pröller. – Bitte.


12.34.12

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Ja, die technische Universität, das Institut für Digitali­sierung, wird kommen und den Betrieb nächstes Jahr aufnehmen – und es wird und es ist ein Pionierprojekt, gerade für Oberösterreich.

Kollegin Hahn, wenn es nach Ihnen, nach der SPÖ ginge: Mit Ihren Bedenken wäre das Institut in den nächsten fünf oder zehn Jahren wahrscheinlich nicht möglich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrätin Hahn: Ja, aber was genau soll diese Uni - -?) Daher ist es gut (Bundesrätin Hahn: Nein, nein! ... Das ist ein Überraschungsei, dieses ...!), dass es in Oberösterreich eine schwarz-blaue Regie­rung gibt. (Bundesrätin Hahn: Eine Uni ist kein Überraschungsei! – Bundesrat


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Schennach: Hauptsache, ein Türschild! – Bundesrätin Hahn: Eine Uni ist kein Über­raschungsei!) Vertrauen Sie uns, wir wissen, was wir tun, und es wird auch ein Erfolg werden! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Daher ist es mir unverständlich, dass gerade die SPÖ-Bundesräte aus Oberösterreich da nicht mitgehen können und sogar dagegen stimmen. (Bundesrätin Hahn: Wenn ihr Bedenken und Kritik einfach wegwischt, ist eh ...! – Bundesrat Schennach: Das ist ja kein Länderspiel Oberöster­reich gegen die anderen!)

Beim vorherigen Tagesordnungspunkt war das Abstimmungsergebnis einstim­mig, weil es um die Schulform für Pflege- und Sozialberufe ging. Das ist not­wendig, und es stehen viele Branchen vor dem gleichen Problem, dass sie dringend Fachkräfte benötigen. (Bundesrat Schennach: Was soll das für ein Stu­dium sein?) Daher wird das Institut eine Plattform und ein attraktives Angebot für Oberösterreich und darüber hinaus schaffen. Vor allem die Nähe zur Wirtschaft, die Sie kritisiert haben (Bundesrätin Hahn: Wir beschließen ...!?), ist wichtig. (Bun­desrätin Hahn: Das heißt, wir forschen das, was das Unternehmen gerne hätte, dass wir forschen!) Daher wird heute mit unseren Stimmen die 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Land fixiert, und dann wird auch die Einrichtung möglich sein.

Die oberösterreichischen Betriebe stehen bereit, im Herbst 2023 wird die neue technische Universität den Betrieb aufnehmen – sie sprechen auch von einer Jahrhundertchance, nicht nur für Oberösterreich, sondern generell für den Standort Österreich.

Geschätzte Damen und Herren, mich als Oberösterreicher freut es daher, dass wir es geschafft haben, dass die Rahmenbedingungen für eine technische Uni­versität umgesetzt werden (Bundesrätin Hahn: Welche Rahmenbedingungen? Wir kennen die ja gar nicht!) und die Regierung auch in Zukunft für diese Universität beziehungsweise für alle Universitäten und auch die Fachhochschulen in Öster­reich verantwortlich ist (Bundesrätin Hahn: Außer dem Budget ist nichts bekannt! Welche Rahmenbedingungen?), die insbesondere aufgrund der Teuerungswelle


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unterfinanziert sind, und daher auch die Finanzierung sichergestellt wird. (Zwi­schenruf des Bundesrates Schennach.)

Ich sehe es auch wie die Präsidentin der Österreichischen Universitäten­kon­ferenz Sabine Seidler – Sie haben es eh angesprochen –, dass es trotz der einen Milliarde mehr, die der Finanzminister erwähnt hat, immer noch zu wenig ist aufgrund der Teuerungswelle, zu der auch Sie einen Beitrag leisten, und ich hoffe, dass es kein schwarzer Tag für die Wissenschaft wird.

Geschätzte Damen und Herren! Ich fordere daher auch Sie, Herr Minister, auf, den Finanzierungsplan für die Zukunft der Universitäten und Fachhochschulen sicherzustellen. (Bundesrat Schennach: Die Reserve ist weg!) – Die Reserve ist nicht weg. Dafür ist die Regierung verantwortlich. (Bundesrat Schennach: Das ist die Reserve!) Ja, die Regierung ist verantwortlich. (Rufe bei der SPÖ: Das ist die Reserve! – Bundesrat Schennach: Informieren Sie sich! Das ist die Reserve!)

Nützen wir die Möglichkeit! Der Gründungskonvent hat die Arbeit aufgenom­men, und ich bin daher sehr zuversichtlich, dass die Ziele umgesetzt werden und es ein Erfolgsprojekt wird! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.37


Vizepräsident Günther Novak: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ist als Nächster zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.38.03

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen! Herr Minister! Mit der vor­liegenden 15a-Vereinbarung wird über Jahre hinaus – um genau zu sein, bis 2036 – die Finanzierung einer neuen Universität, eben des Institute of Digital Sciences Austria, gesichert. Ja, das stimmt, das ist ein Vertrauensvorschuss, keine Frage. Die detaillierten Curricula und das Forschungskonzept sind schließlich ja noch auszuarbeiten, Spitzenpersonal ist zu finden und so weiter, und no na, das wird auch Geld brauchen, das kann man auch nicht aus der


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eigenen oder Uni-Kassa machen. (Bundesrat Schennach: Eine Menge Geld, ohne zu wissen, für was!)

Der Aufbau wird Zeit brauchen. Das zeigt sich übrigens auch im Budgetplan in der Vereinbarung, der überschaubar beginnt und erst in einigen Jahren wirklich sehr stark zulegen wird. Dafür zu sorgen und auch sicherzustellen, dass die nächsten Schritte auf einem hohen Niveau und unabhängig – das möchte ich betonen: unabhängig – passieren, dafür gibt es den Gründungskonvent, der sich ja vor Kurzem konstituiert hat.

Ich habe nun auch einen Blick auf die Mitglieder, die Damen und Herren dieses Konvents geworfen – da darf man schon Zuversicht haben. Da sind wirklich Spitzen der österreichischen Forschung drinnen, absolute Spitzenleute von Uni­versitäten, auch eine Dame aus der Wirtschaft – auch gut, dass dieser Aspekt eingebunden ist. Ich glaube, da kann man schon Zuversicht haben, dass da etwas Gutes entsteht. Es sind ja auch die Ambitionen in quantitativer Hinsicht hoch, immerhin sollen im Vollausbau in 14 Jahren 6 000 Studierende ausgebildet wer­den, und bereits im nächsten Herbst sollen Vorlesungen starten.

Die Grundlage für diesen Finanzierungsplan, den wir heute, denke ich, beschließen werden, ist mit dem Gesetz geschaffen worden, das wir im Juli debattiert haben.

Das ist durchaus sehr spannend, denn es soll um digitale Transformation in einem breiten, explizit interdisziplinären Verständnis gehen. Das möchte ich schon einmal kurz hervorheben. In Anbetracht der Tragweite der sich beschleu­nigenden Digitalisierung ist es mehr als nur angebracht, die digitale Transfor­mation endlich in der gesamten Breite, die sie hat, aufzuarbeiten.

Da geht es beispielsweise um Wechselwirkungen mit sozialen Fragen. Es wird sich die Arbeitswelt dramatisch verändern. (Bundesrätin Schumann: Aber geh!) Es werden viele Jobs verschwinden, es werden viele Berufsbilder generiert werden. Da gibt es viele Fragen zu den wirtschaftlichen Implikationen und nicht zuletzt


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zu den Auswirkungen auf das Alltagsleben, zu den Folgen für die Wissenschaft. Nicht zuletzt hat das Folgen für die staatliche Finanzierung, das sollten wir nicht vergessen. Es werden sehr viele Jobs in die Automatisierung hineinverlagert werden, und das wird auch das ganze Gefüge des Steueraufkommens transfor­mieren. (Bundesrätin Schumann: Na geh! Und was machen wir da jetzt? Eine neue Uni, oder was? – Bundesrat Schennach: Genau, deswegen haben wir die Uni!)

Nicht zuletzt geht es natürlich um ihre Wechselwirkung mit Kunst und Kultur, auf die die Digitalisierung sehr großen Einfluss hat. Auch da findet eine Transformation statt. Da ist Linz, so finde ich jetzt ganz ehrlich, ein durchaus spannender Standort.

Eines möchte ich zu den Ausführungen von Herrn Pröller schon noch anmerken: Das ist eine Universität – das zu sagen ist mir ganz wichtig –, das ist keine Fachhochschule. (Bundesrat Schennach: Das nimmt er nicht so genau!) Das soll keine Maschine werden, die Industriefachkräfte ausbildet (Bundesrat Schennach: Wir haben dazu eine Berufsschule in Wien, im 5. Bezirk!), darum bitte Vorsicht mit der Industrienähe von Universitäten. Das möchte ich in aller Klarheit sagen. So wie der Konvent zusammengesetzt ist, habe ich ein gewisses Vertrauen, dass auch darauf geachtet werden wird, dass eben genau das, was Sie eingefordert haben, Herr Pröller – und ich hoffe, die FPÖ hat da die Finger draußen –, nicht passiert.

Die Entstehungsgeschichte stimmt nicht wirklich glücklich, dem stimme ich schon zu, und das wurde ja mehrfach kritisiert, auch von mir, auch von meiner Kollegin im Nationalrat, die Idee ist allerdings überzeugend – ich denke, das darf man auch sagen. Natürlich dürfen wir erwarten, dass mit dem Gründungsgesetz und der jetzigen Finanzierungsvereinbarung, mit der doch sehr, sehr viel öffentliches Geld zur Verfügung gestellt wird, eine exzellente Universität ent­steht. Ich sehe jetzt keinen Grund, Misstrauen zu haben.

Ich setze darauf, auch mit Ihrem Dazutun, Herr Minister, dass vor allem der Konvent wirklich unabhängig arbeitet und sich auch stark für die Idee einer


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Universität, das möchte ich noch einmal betonen, einsetzt und sie auch durch­setzt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

12.43


Vizepräsident Günther Novak: Ich darf bei uns im Bundesrat den Herrn Bundes­minister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Herrn Johan­nes Rauch, begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Martin Polaschek. – Bitte, Herr Minister. (Bundesrat Schennach: Wer ist jetzt die ominöse Dame aus der Wirtschaft? Sonja Zwazl?)


12.43.27

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! 2021 hat die Bundesregierung beschlossen, eine neuartige Universität mit Schwerpunktsetzung Digitalisierung und Transformation und mit internationaler Ausrichtung zu errichten. Seither geht der Aufbau Schritt für Schritt voran.

Der rechtliche Rahmen in Form des Gründungsgesetzes wurde vor der Sommer­pause beschlossen und nun wurde planmäßig der finanzielle Rahmen in Form einer Artikel-15a-Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Oberöster­reich ausgearbeitet. Darin ist festgelegt, dass der Bund wie üblich die dauerhafte Finanzierung von Forschung und Lehre übernimmt. Die Errichtungskosten wie­derum werden ab dem Studienjahr 2023/24 von Bund und Land gemeinsam getragen. Der Finanzierungsbeitrag des Landes umfasst somit 50 Prozent der Errichtungskosten der erforderlichen neu zu errichtenden Gebäude samt funk­ti­onszugehörigen Neben- und Außenanlagen für die Zwecke der Universität. Wie bereits mehrfach kommuniziert, sollen schlussendlich ab dem Endausbau im Studienjahr 2036/37 der Universität jährlich zumindest 150 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.


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Ich darf es noch einmal auch an dieser Stelle ausdrücklich sagen: Dieses Geld fehlt nicht den öffentlichen Universitäten. Das ist Geld, das zusätzlich für diese neue Universität zur Verfügung gestellt wird.

Nicht nur die langfristige Finanzierung ist sichergestellt. Letzte Woche hat sich auch der Gründungskonvent konstituiert und seine Arbeit aufgenommen. Das bedeutet eben, dass die Erstellung von Entwicklungsplänen und die Ausarbei­tung von Curricula in Angriff genommen worden sind. Insbesondere wird das Gremium über die Bewerbungen für die Gründungsrektorin, den Gründungs­rek­tor beraten und entscheiden, dies selbstverständlich nach einem entsprechen­den Hearing.

Und ja, selbstverständlich wird an dieser Universität die Freiheit von Forschung und Lehre gewährleistet sein. Was die Arbeitsverträge angeht, ist es natürlich das Ziel, die besten Köpfe zu bekommen, also werden selbstverständlich auch die entsprechenden Dienst- und Arbeitsverhältnisse begründet werden und die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden.

Sie sehen, die Umsetzung ist gut auf Schiene und wird kontinuierlich voran­getrieben, auch wenn der zeitliche Druck zur Umsetzung natürlich nicht nach­gelassen hat. Die bisherigen Umsetzungsschritte wurden jedenfalls äußerst professionell und zügig durchgeführt. Auf Grundlage dieser Erfahrungen bin ich überzeugt, dass auch die kommenden Aufgaben planmäßig abgearbeitet werden und die Errichtung des Institute of Digital Sciences Austria planmäßig weiter vorangehen wird. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und Grünen.)

12.46 12.46.20


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


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Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

12.46.575. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allge­meine Pensionsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpen­sions­gesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (Pensionsanpas­sungsgesetz 2023 – PAG 2023) (2810/A und 1721 d.B. sowie 11073/BR d.B. und 11080/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (2811/A und 1722 d.B. sowie 11081/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punkten 5 und 6, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 5 und 6 ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um die Berichte.


12.47.32

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungs­gesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz,


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das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundes­bahn-Pensionsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe auch den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Kon­su­men­tenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geän­dert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Vizepräsident Günther Novak: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Schachner. – Bitte.


12.48.57

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann euch zu den Pensionserhöhungen sagen – ihr wisst, was


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ich das letzte Mal hier am Rednerpult gesagt habe –, mit denen können wir so, in dieser Form nicht leben, und ich sage euch auch, warum.

Am 1.1.2022 wurden die Pensionen in Österreich um 1,8 Prozent erhöht. Damals gab es schon eine Inflationsrate von 5 Prozent. Im Juli ist dann noch einmal beziehungsweise für das Jahr 2023 erhöht worden. Damals gab es eine Infla­tions­rate von 8,7 Prozent und jetzt liegt sie bei 10,5 Prozent. Die war in den letzten 70 Jahren noch nie so hoch.

Ich bin einfach der Meinung, es wäre wichtig und gut für die Pensionistinnen und Pensionisten, dass man da noch etwas nachschärft und etwas tut. Dass ihr nichts gemacht habt, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren, es ist ja etwas gemacht worden, aber das greift zu spät und es ist zu wenig. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Köck: Es ist immer zu spät und zu niedrig! – Gegenrufe bei der SPÖ.) – Du kannst ja sagen, was du willst.

Ich werde euch sagen, warum. Ich wollte heute ganz ruhig hier heraußen reden, aber du forderst mich ja jetzt heraus. (Bundesrat Köck: Das ist immer das Gleiche!) – Pass auf! Die Durchschnittspension in Österreich – das wirst du wahrscheinlich gar nicht wissen, aber ich sage es dir jetzt (Beifall bei der SPÖ) – beträgt 1 400 Euro für Männer, 1 130 Euro für Frauen. (Bundesrat Köck: Ein Zehntel von dem, was du einmal kriegst! – Bundesrätin Schumann – in Richtung Bundesrat Köck –: Du redest so einen Blödsinn! – Bundesrätin Grimling: Gerade Kollege Köck!) Und jetzt sage ich euch etwas: 1 130 Euro für eine Frau, die vielleicht alleine lebt, einen Haushalt zu führen hat und Miete zahlen muss, ist beschämend. (Bundesrat Schennach: Der Redner ist, glaube ich, am Wort!) – Das ist überhaupt kein Problem, wenn er etwas zu sagen hat, kann er ja nachher ans Rednerpult kommen. (Bundesrat Schennach: Köck provoziert heute!)

Es ist ja beschämend, dass wir in einem Land, das das sechstreichste Land auf der ganzen Welt ist, darüber reden müssen, dass Frauen 1 130 Euro Durch­schnittspension haben. Mit diesen 1 130 Euro, das könnt ihr mir glauben, geht


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sich das mit dieser Erhöhung nicht aus, die sie da mit dieser Pensionsanpassung kriegen. Das funktioniert so nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Schaut, wie die Lebensmittelpreise im heurigen Jahr gestiegen sind! Wir sind jetzt schon bei weit über 20 Prozent bei den Lebensmitteln, die man tagtäglich braucht – über 20 Prozent beim täglichen Einkauf! Die Energiekosten sind weit über 100 Prozent gestiegen. Die Mieten sind alle gestiegen, bei gewissen Woh­nungen im heurigen Jahr sogar zwei Mal. Und jetzt frage ich euch ganz ehrlich: Wie soll sich das mit 1 130 Euro oder auch bei einem Mann mit 1 400 Euro ausgehen? Das funktioniert einfach nicht.

Deshalb müssen wir über das System nachdenken. Es kann nicht richtig sein, wenn man das Jahr 2021 heranzieht, wenn man im August sagt: Jetzt rechnen wir von August 2021 bis Juli 2022 durch!, und das kriegen sie dann in Wirklich­keit erst eineinhalb Jahre später auf das Konto. Das funktioniert nicht. Die Menschen kommen mit dem Geld, das man jetzt an Pensionsanpassung gibt, im nächsten Jahr einfach nicht aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber ich weiß, dass viele sagen: Okay, ist uns ja egal!, und da hast du schon vollkommen recht: Wir hier herinnen, die wir alle viel verdienen, haben ohnedies kein Problem damit. Rede aber einmal mit der Nachbarin draußen oder mit sonst irgendwem oder rede einmal mit Leuten, die 1 500 Euro im Monat netto raus­kriegen und die sich ihr Leben einfach nicht mehr leisten können! Das ist beschä­mend, wenn wir hier herinnen über so etwas reden müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihr habt das schon einmal bei der Hacklerregelung gezeigt, die heute schon ein paarmal angesprochen worden ist. Glaubt mir, wenn Leute 45, 46, 47 oder 48 Jahre arbeiten und noch immer Abschläge kassieren, weil ihr das irgendwann einmal, im Jahr 2003, beschlossen habt, nämlich dass Abschläge kommen, dann ist das, das muss ich euch ganz ehrlich sagen, kein Ruhmesblatt für Österreich. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Schumann: So ist es!)

12.53



BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 140

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­des­rätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte.


12.53.19

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Nicht erschrecken: Österreich ist ein Paradies für Senior:innen! (Bundesrat Schennach: Aha!) – So betitelte nämlich interessan­ter­weise der „Münchner Merkur“ im letzten Jahr einen Artikel zur Thematik „So hoch sind die Renten in Österreich im Vergleich zu Deutschland“. (Bundesrat Schennach: Ja, die Bayern!)

Österreich ist natürlich kein Paradies, obwohl es das Ausland so sieht. Gerade die heute zu beschließende Anhebung der Pensionen zeigt aber sehr deutlich, dass wir in Österreich sehr hohe Verantwortlichkeit gegenüber unseren Pen­sionist:innen zeigen. (Bundesrätin Grimling: Das stimmt ja nicht!)

Ich möchte jetzt ganz kurz auf die Pensionsregelung 2023 eingehen. Es werden alle Pensionen mit dem gesetzlichen Anpassungsfaktor nach § 108 ASVG, nämlich um 5,8 Prozent, erhöht. Die Ausgleichszulage hingegen wird um 7,8 Pro­zent erhöht. Das bedeutet eine Erhöhung von 1 030 auf 1 110 Euro für knapp 200 000 Pensionist:innen mit dem niedrigsten Haushaltseinkommen.

Mit einer steuer- und abgabenfreien Einmalzahlung von 30 Prozent der monat­lichen Bruttoleistung bis zur Höhe von 500 Euro wird für Bezieher:innen von Pensionen bis etwa 1 700 Euro, das sind circa 60 Prozent aller Pensionist:innen, die gesamte Inflation im Jahr 2023 abgedeckt, die derzeit vom Wifo mit 8,3 Pro­zent errechnet wurde.

Bei der ersten Valorisierung der Pensionen, also beim ersten Jahreswechsel nach Pensionsantritt, wird für das Jahr 2023 ein Sockel von zusätzlich 2,9 Prozent eingezogen. Es kann also keinen Fall geben, der keine Erhöhung bekommt, selbst


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wenn die Person erst im Dezember in Pension gegangen ist. Pensionen, die höher sind – ab 5 670 Euro –, werden um einen Fixbetrag erhöht.

Über eine Verfassungsbestimmung werden auch die Landes- und Gemein­de­pensionen einbezogen. Warum? – Es gibt eine seit Jahrzehnten bestehende Formel zur Berechnung der Pensionsanpassung, die nicht einfach ohne erhebliche Nebenwirkungen verändert werden kann. Die Inflation im Beob­achtungszeitraum – das ist August 2021 bis Juli 2022 – ist durch die uns bekannten Ereignisse sehr stark gestiegen, sodass die ermittelte Jahresinflation im Vergleich zur aktuellen Monatsinflation niedrig erscheint. Außerdem ist die Inflation nach Ende des gesetzlichen Beobachtungszeitraums noch weiter gestiegen – das hat ohnedies der Kollege gerade eben schon gesagt.

Wenn jetzt aber die Inflation im und auch noch nach dem Beobachtungszeitraum steigt, führt das zwangsläufig dazu, dass die Menschen im Verlauf des Folge­jahres höhere Preise bezahlen, die durch die Pensionsanpassung nicht abgedeckt werden. Um, und das ist vor allem das Ziel, jene Menschen, die besonders stark von der Teuerung betroffen sind, sehr gezielt und konkret zu stärken – und das sind die Menschen in den armutsgefährdeten Haushalten, im Falle der Pensionen sind es 195 000 Bezieher:innen einer Ausgleichszulage –, ist eine pauschale Anhebung der Pensionen aber nicht zielführend, weil dadurch eben nicht allein sozial benachteiligte und akut bedrohte Gruppen gestärkt werden, sondern Menschen mit besonders hohen Pensionen in absoluten Zahlen ausgedrückt besonders stark profitieren würden. Dazu kommt, dass sich auch eine stufen­weise prozentuelle Anhebung der Pensionen nach Einkommenshöhen aufgrund bereits vergangener Anhebungen bei hohen Pensionen – tatsächlich sind das Pensionen ab 2 500 Euro brutto, die 18 Prozent aller Pensionen ausmachen – auswirken würde.

Zusammengefasst – das waren jetzt viele Zahlen –: Die zur Debatte stehenden zusätzlichen mehr als 4 Milliarden Euro, die 2023 für Pensionen aufgewandt werden, werden möglichst gezielt zur Stärkung sozial benachteiligter Gruppen eingesetzt, ohne aus populistischen Gründen teure Nebeneffekte in Kauf zu


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nehmen. Das wurde umgesetzt, wie ich schon gesagt habe, alle erhalten nach der gesetzlichen Formel den Erhöhungsprozentsatz von 5,8 Prozent.

Ab 2024 wird die gesamte gestiegene Inflation des zweiten Halbjahres 2022 automatisch valorisiert. Weil die Menschen aber ein Jahr lang die höheren Preise bezahlen müssen, ehe sie diese gesetzliche Valorisierung erhalten, werden die Bezieher:innen von Pensionen bis etwa 1 700 Euro, das sind etwa 62 Prozent, den aus der Differenz zwischen den 5,8 Prozent und der zuletzt prognostizierten Jahresinflation von etwa 8,3 Prozent für das ganze Jahr 2023 ermittelten gesam­ten Nettobetrag im März in Form einer Direktzahlung erhalten.

Ja, damit werden eben – ich sage es noch einmal – konkret die Menschen mit den Pensionen, die am niedrigsten sind, die die Zahlung am stärksten benötigen, erreicht, ohne unerwünschte Nebeneffekte in Kauf nehmen zu müssen. Zur Zurückdrängung von Armutsgefährdung, gegen soziale Ausgrenzung und Alters­armut wird die Ausgleichszulage – ich sage es auch noch einmal – um 7,8 Pro­zent erhöht, plus die Einmalzahlung im März von 333 Euro.

Abschließend: Österreich ist kein Paradies für alle Senior:innen, aber die Regie­rung setzt sich dafür ein, dass alle Senior:innen in Österreich in ihrem verdienten Ruhestand gut leben können. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.59


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Markus Leinfellner. – Bitte.


12.59.18

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Liebe Österreicher! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Inflation – wir haben es heute schon gehört, und ich kann wirklich jedes Wort, das du, lieber Horst, hier gesagt hast, nur unterstreichen – liegt bei mehr als 10 Prozent, bei 10,5 Pro­zent. Der Preis für den Mikrowarenkorb ist um 11,5 Prozent gestiegen, für den


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Wocheneinkauf um 16,1 Prozent, für Getränke um 13,9 Prozent, für Fleisch um 15,3 Prozent, für Milch, Käse und Eier um über 20 Prozent, für Brot um 13 Pro­zent, für Speiseöl um 29,8 Prozent und für die Butter sogar um 39,6 Prozent.

Und diese Bundesregierung will jetzt mit einer Pensionserhöhung von 5,8 Pro­zent den Österreichern ein X für ein U vormachen. Ich muss sagen, leider ist genau das Gegenteil der Fall: 5,8 Prozent Pensionserhöhung decken diese Inflation in keiner Art und Weise ab, wie diese Bundesregierung den Pensionis­ten vorgaukelt. Diese 5,8 Prozent bedeuten nichts anderes als einen Realkauf­kraftverlust für die Menschen, die dieses Land aufgebaut haben, für Menschen, die dieses Land so lebenswert gemacht haben, wie wir es gekannt haben, bevor diese Bundesregierung in Amt und Würden gewesen ist. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Diese Bundesregierung geht ihren Weg weiter und treibt unsere Pensionisten noch ein Stück weiter in die Armut hinein. Das ist einzig und allein das Verdienst dieser schwarz-grünen Chaosregierung. Ja, Sie haben es auch zu verantworten, dass die Inflation bei über 10 Prozent liegt. Sie haben es mit Ihren völlig über­zogenen Coronamaßnahmen zu verantworten, für die Sie 100 Milliarden Euro beim Fenster hinausgeworfen haben, Sie haben es mit Ihren völlig sinnlosen Sanktionen, mit Ihrer sinnlosen Sanktionspolitik, mit der Sie nicht Russland sanktionieren, sondern unsere Österreicherinnen und Österreicher, zu verant­worten. Sie haben es auch, und über das werden wir uns heute ja auch noch einmal unterhalten, mit Ihrer völlig fehlgeleiteten Zuwanderungspolitik zu verantworten, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Glauben Sie wirklich, dass Ihnen angesichts dieser wirklich hohen Inflation irgendjemand aus der Bevölkerung für 5,8 Prozent Pensionserhöhung auf die Schulter klopfen wird? Glauben Sie das wirklich, meine Damen und Herren von der ÖVP und von den Grünen? Glauben Sie das wirklich?

Ich kann Ihnen nur sagen, die Österreicherinnen und Österreicher werden sich dafür nicht bei Ihnen bedanken. Sie werden sich aber bei der nächsten Wahl


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dafür bedanken und euch sprichwörtlich mit dem nassen Fetzen aus euren Ämtern hinausjagen. Das ist die wirkliche Wirklichkeit. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Preineder: Das hat man bei der Bundespräsidentenwahl gesehen!) – Na ja, über die Bundespräsidentenwahl können wir uns gerne unterhalten, bei der sich vier Parteien eingehängt haben. Dividiert das Ergebnis einmal durch vier, und dann schauen wir, wo der Erste, Zweite, Dritte und Vierte steht. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann Ihnen nur sagen, es grenzt an Verhöhnung, was Sie da mit den Pen­sionisten wieder aufführen. Horst Schachner hat es bereits gesagt. Wisst ihr, was das ausmacht? – Das macht bei einem Pensionisten mit Durchschnittspension 100 Euro aus und bei einer Luxuspension macht es 4 600 Euro aus, meine sehr geehrten Damen und Herren, und das grenzt an Verhöhnung.

Ihr nehmt 2,5 Milliarden Euro für die Pensionisten in die Hand, erwartet euch, dass man dafür Danke schön sagt, und auf der anderen Seite schmeißt ihr Hunderte Milliarden Euro beim Fenster hinaus. Das ist schlicht und ergreifend die Wahrheit. Horst Schachner hat auch die Hacklerregelung schon ange­sprochen. Ich meine, ihr schmeißt mehr Geld für eure Regierungspropaganda und eure PR beim Fenster hinaus, als diese Hacklerregelung gekostet hätte. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Regierung ist empathielos, diese Regierung ist ideenlos und diese Regie­rung ist inzwischen völlig fehl am Platz, meine sehr geehrten Damen und Herren. Viele Österreicher wissen inzwischen nicht mehr, wie sie über die Runden kom­men sollen, und Sie geben diesen Menschen nicht einmal die Möglichkeit, etwas dazuzuverdienen, unseren Pensionisten nicht die Möglichkeit, etwas dazuzuver­dienen, ohne dass diese schwarz-grüne Bundesregierung diese Menschen wieder steuerlich immens mehr belastet und ihnen das Geld sprichwörtlich aus den Taschen zieht. (Beifall bei der FPÖ.)

Ihr zieht unseren österreichischen Pensionisten das Geld aus den Taschen, das ihr dann wieder für eure PR-Maschinerie braucht, für irgendwelche zwielichtigen


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 145

Geschäfte, wie man es jetzt in den letzten Tagen wieder in den Medien lesen konnte. Darum wird sich der Untersuchungsausschuss kümmern.

Ich kann Ihnen nur sagen: Sie können es nicht! Das beweisen Sie jetzt seit mehr als zwei Jahren. Machen Sie den Weg frei für Neuwahlen! – Ich sage es mit den Worten eures gefallenen Engels Kurz: Genug ist genug! (Beifall bei der FPÖ.)

13.05


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler desinfiziert Redner:innenpult und Mikrofone. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Vorsorge ist besser! So viel Zeit muss sein! – Bundesrat Steiner: Passt!)


13.05.11

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte junge Herren und Damen – die Damen sehe ich jetzt gerade nicht – auf der Galerie! Schön, dass Sie wieder da sind und unserer Bundesratssitzung folgen.

Kollege Leinfellner, irgendwie fehlen mir fast die Worte zu dem, was du gesagt hast. Ich bin Seniorenvertreterin, bin Funktionärin, habe ständig Meetings, Konferenzen, Jahreshauptversammlungen mit den Seniorinnen und Senioren. (Bundesrat Steiner: Mit den ÖVP-Senioren! Mit dem Seniorenbund, oder?) Und du hast da ein völlig anderes Bild von den Seniorinnen und Senioren gezeichnet. Entweder ich liege da so falsch und du bist da sozusagen der Überdrüberflieger – aber ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Kollege Schachner hat viel­leicht ein bisschen mehr Expertise, aber auch das kann ich nicht ganz nachvoll­ziehen, was du, Kollege Schachner, uns da gesagt hast. (Bundesrätin Grimling: Warum nicht? Das ist doch logisch!) – Weil sich mir das anders darstellt. (Bun­desrätin Grimling: Das stimmt doch nicht! – Bundesrat Steiner: Wenn man sich nur im eigenen Saft bewegt, dann wundert mich das nicht!)


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Ich darf sagen, wir haben am Montag eine Bezirkskonferenz gehabt, bei der auch der Kreisvorsitzende der CSU da war, der zu mir gesagt hat: Ihr lebt in Öster­reich in einem Paradies! Euren Seniorinnen und Senioren geht es viel, viel besser! (Bundesrätin Grimling: Ja, da brauche ich wen von der CSU!) Ich möchte euch das einmal sagen, denn ich weiß, bei euch gibt es immer die Diskussionen. (Bun­des­rätin Schumann: Ja, da hole ich mir wen aus Bayern!)

Ja, der Prophet im eigenen Land, liebe Kolleginnen und Kollegen – das ist es! Ich sage jetzt nicht, dass alles schön und gut ist und dass wir nicht gemeinsam um Verbesserungen kämpfen sollen – no na ned, ist ohnehin klar. (Bundesrat Steiner: Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt!)

Lieber Kollege Schachner, auch mir wäre es lieber, wenn wir den Berechnungs­zeitraum nicht von August bis Juli hätten, sondern wirklich von Dezember bis Dezember oder so. Dafür setzen wir uns ja im Seniorenrat gemeinsam ein – ich glaube, das weißt du ja auch –, Vorsitzender Kostelka, Präsidentin Korosec und ich, und der Herr Minister weiß, dass wir da sehr stark lobbyieren. Wir werden das auch immer fordern und wir werden uns da stark dafür einsetzen, und mit­einander sind wir da eine Größe, no na ned!

Trotzdem, und ich sage das wirklich mit vollster Überzeugung: Das, was da auf dem Tisch liegt, kann sich sehen lassen. Das sind nicht nur 5,8 Prozent, wie du das gesagt hast, Kollege Leinfellner. Kollegin Hauschildt-Buschberger hat das schon ganz, ganz genau ausgeführt: 5,8 Prozent für alle bis zur Höchstbei­tragsgrenze. Darüber hinaus, lieber Kollege, gibt es nicht 5 000 Euro, sondern gibt es einen Betrag von 329 Euro für alle, die über die Höchstbeitragsgrenze kommen. Da werden also schon wieder Äpfel mit Birnen vermischt. Das ist einfach nicht so!

Bei diesen 5,8 Prozent müssen wir schauen, dass wir für die Höchstbeitrags­pen­sionistinnen und -pensionisten, die ja auch dafür eingezahlt haben – Ver­siche­rungsprinzip, liebe Kolleginnen und Kollegen –, die Pensionen werterhal­tend sichern. Unterhalb dieser Grenze haben wir sehr, sehr viele Maßnahmen gesetzt.


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Ich darf es noch einmal sagen: erstes und zweites Entlastungspaket, im Früh­jahr 2022 150 Euro Einmalzahlung für Ausgleichszulagenbezieher:innen (Bundesrätin Schumann: Einmalzahlung!), im April Einmalzahlung für Ausgleichs­zulagenbezieher:innen von 150 Euro (Bundesrätin Schumann: Einmalzahlung!), Aussetzung der Ökostrompauschale und des Ökostromförderbeitrags: 100 Euro, Senkung der Gas- und Elektrizitätsabgabe: 100 Euro, Energiegutschein: 150 Euro. Dann haben wir im September den erhöhten Klimabonus und den Teuerungs­bonus gemacht (Bundesrätin Schumann: Einmalzahlungen!), das sind insgesamt 500 Euro.

Dann gibt es eine Einmalzahlung für Ausgleichszulagenbezieher:innen im Sep­tember von 300 Euro und eine Einmalzahlung prozentuell gestaffelt nach Höhe der Eigenpension bis 500 Euro. (Bundesrätin Schumann: Ja, Einmalzahlun­gen!) Alle, die eine Nettopension zwischen 1 200 und 1 800 Euro haben, haben diese 500 Euro gekriegt. Da ist es auch manchmal zu Missverständnissen gekommen, weil die Herrschaften geglaubt haben, sie haben die 500-Euro-Klimabonus schon, dabei waren es die 500 Euro, die wir schon vorher, mit 1. September, mit der Pension ausbezahlt haben.

Es ist also ein ausgewogenes Paket, es ist ein sinnvolles Paket. Natürlich kann es immer mehr sein, dafür setzen wir uns im Seniorenbeirat ein, Herr Minister, Sie wissen, wir sind intensive Verhandler im Seniorenbereich. (Bundesrätin Grimling: Aber das ist doch ein Hohn, das zu sagen!)

Es ist eine Wertschätzung gegenüber den Seniorinnen und Senioren (Bundesrätin Grimling: Nein!), denn sie sind ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft, und ich denke, mit diesen Erhöhungen kommen wir jetzt sehr, sehr gut über die Run­den. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Das war nichts!)

13.10



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Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.


13.10.44

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Pensionsanpassungsgesetz 2023 fällt weniger schlecht aus als diejenigen der Vorjahre.

Ich fange mit dem Positiven an: Was hat sich gegenüber den Pensionsanpas­sungsgesetzen der Vorjahre verbessert? – Die Ausgleichszulage wurde erhöht. Das war ein Kritikpunkt, den wir in den letzten Jahren hatten: Wenn man den Mindestpensionistinnen und Mindestpensionisten helfen möchte, sollte man das über die Ausgleichszulage machen und nicht, indem man die kleinen Pensionen überdurchschnittlich anhebt. Die kleinen Pensionen kommen nämlich nicht deckungsgleich den Kleinpensionistinnen und Kleinpensionisten zugute, sondern zu ungefähr 90 Prozent auch Personen, die nur Teilpensionen haben, weil sie zum Beispiel im Ausland leben und in Österreich Pensionsversicherungsmonate erworben haben.

Jetzt zum Negativen an diesem Gesetzesbeschluss: Es handelt sich um die sechste außertourliche Pensionserhöhung, es wird immer mehr vom Versiche­rungsprinzip abgewichen. Es gibt ein Gesetz, das die Pensionserhöhung vorsieht, wir haben es gehört, und dieser gesetzliche Mechanismus, von dem man eigent­lich nicht abweichen sollte, hat seine Berechtigung.

Die Rechnung für die Abweichungen zahlen diejenigen, die jetzt erwerbstätig sind, zahlen diejenigen, die noch jung sind und erst erwerbstätig sein werden – und diese Rechnung wird sehr hoch sein. Laut der Gebarungsvorschau der Sozialversicherung wird der Pensionszuschuss in die Pensionsversicherung – ich spreche jetzt noch gar nicht von den sogenannten Beamtenpensionen – von


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heuer 10,7 Milliarden Euro bis zum Jahr 2026 – das ist gar nicht mehr so lang – auf 19,4 Milliarden Euro steigen, das ist fast eine Verdoppelung. Dazu kommen noch die 10 Milliarden Euro für die sogenannten Beamtenpensionen. (Bundes­rätin Schumann: ... Pensionen schlechtreden!)

Es ist außerdem nicht nachvollziehbar, warum es für die im Jahr 2022 in Pension gegangenen Personen eine zusätzliche Pensionserhöhung nach dem Gießkan­nen­prinzip gibt – wenn schon, dann hätte man das auch aliquotieren können entsprechend der Anzahl an Monaten, die sie schon in Pension sind.

Zu Tagesordnungspunkt 6: Das ist wiederum ein positiver Punkt, da geht es um den Deckel für die Pensionserhöhung von 329 Euro für die Pensionen über der Höchstbeitragsgrundlage, das erfordert eine Zweidrittelmehrheit hier im Bun­desrat. Wir halten das für einen guten Punkt – das sollte eigentlich nicht nur heuer, sondern jedes Jahr gemacht werden. – Vielen Dank.

13.13


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


13.13.48

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Werte Bundesrätinnen und Bundesräte! Zum Pensionsanpassungsgesetz 2023 vielleicht ein paar Bemerkungen: Es gibt ja einen sehr klugen Mechanismus in Österreich, der gesetzlich verankert ist, nämlich wird zur Berechnung der Teuerung ein sogenannter Durchrechnungs­zeitraum in Augenschein genommen, das heißt von der Mitte des Vorjahres bis zum Sommer des heurigen Jahres. Das hat deshalb einen Sinn, weil man damit nicht die augenblickliche Teuerung, die augenblickliche Inflation eines Monats abbildet, sondern ein gesamtes Jahr betrachtet.

Über das Jahr betrachtet, liegt die Inflation bei 5,8 Prozent. Das wird übrigens im nächsten Jahr genau gleich sein: Im nächsten Jahr wird der Zeithorizont vom


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heurigen Sommer bis nächstes Jahr betrachtet, das heißt, da wird die wesentlich höhere Inflation, die wir jetzt haben, einfließen. Das bedeutet wiederum, jedes Zehntelprozent an Teuerung wird abgegolten – mit Verzögerung, das ist korrekt, aber genau wegen dieser Verzögerung machen wir es ja eben so, dass im März nächsten Jahres eine Einmalzahlung beziehungsweise Sonderzahlung ausbezahlt wird, um dies abzugelten.

Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass mit den Antiteuerungsmaßnahmen des heurigen Jahres eine durchschnittliche Pensionistin, ein durchschnittlicher Pensionist 1 400 Euro erhalten hat, damit ist die Inflation des heurigen Jahres abgegolten.

Wir haben darauf geachtet, es ist erwähnt worden, die Ausgleichszulage anzu­passen, nämlich um 20 Euro. Das ist deshalb wichtig, weil damit erstmals die Richtsätze für die Ausgleichszulage stärker erhöht werden als die sogenannten kleinen Pensionen, die ja vielfach auch Zusatzpensionen sind, jedenfalls in einer großen Zahl der Fälle. Der Ausgleichszulagenrichtsatz liegt damit jetzt bei 1 110 Euro brutto.

Im März 2023 wird es wie gesagt eine Sonderzahlung in Höhe von 500 Euro beziehungsweise 30 Prozent der Pensionsleistung geben, das ist eine vorge­zogene Inflationsabgeltung.

Wir haben das durchgerechnet, es gibt damit für Pensionsbezieherinnen und Pensionsbezieher mit einer Ausgleichszulage eine Pensionserhöhung von etwa 10,2 Prozent; alle ohne Ausgleichszulage bis 1 500 Euro Pension erhalten 8,2 Prozent Erhöhung; darüber schleift sich das dann auf 5,8 Prozent ein, der Anstieg der hohen Pensionen ist gedeckelt.

Das ist, wie ich meine, auch deshalb ausgewogen, weil es ja auch darum geht, das Budget insgesamt im Auge zu behalten. Das Gesamtpaket der Pensionserhö­hung kostet insgesamt in etwa 3,4 Milliarden Euro, dazu kommen die 650 Mil­lionen Euro für die Einmalzahlung. Das ist damit ausgewogen, was ja nicht ganz


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unwichtig ist, weil es schon darum geht, auch Budgetspielräume für die kom­menden Generationen, deren Vertreter oben auf der Besuchergalerie sitzen, im Auge zu behalten.

Es gilt also, eine Balance zwischen guter Pensionsanpassung und Teuerungs­abgeltung auf der einen Seite und einem zukunftsfähigen Budget auf der ande­ren Seite zu wahren. – Danke sehr. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.17


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister.

Als Letzter in dieser Debatte zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Bitte.


13.17.23

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Herr Vizepräsident! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren hier im Saal! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer, herzlich willkommen! Johann Wolfgang von Goethe hat uns ja viele wertvolle, intelligente Anleitungen – heute würde man Tipps sagen (Ruf bei der SPÖ: Lifehacks!) – gegeben, die auf alle Fälle auch ganz gut zu dem einen oder anderen Thema passen, so: Man sollte, ich zitiere, zumindest einmal am Tag ein gutes Musikstück hören (Bundesrat Schreuder: Der Meinung bin ich auch!), ein Bild betrachten, sich ein schönes Gedicht – Klammer: kann auch ein Gesicht sein – gönnen und, wenn möglich – jetzt kommt der Schwierigkeits­grad, den der Herr Geheimrat eingebaut hat –, ein paar vernünftige Worte am Tage von sich geben.

Geschätzte Damen und Herren! Bei den Vorrednern der Opposition habe ich das sehr vermisst, sie sind in keiner Weise Johann Wolfgang von Goethe nachge­kommen! (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ sowie Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Die Botschaft hör ich wohl! – Bundesrätin Schumann: Also das ist ja so platt, das ist ja ganz tiefe Schublade!) – Wolfgang von Goethe ist tief? – Dann lernen Sie


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Geschichte, Frau Präsidentin! (Bundesrätin Schumann: Nein, Ihr Zirkelschluss ist tief!)

Geschätzte Damen und Herren, wir haben natürlich sehr, sehr viel von dieser Thematik schon gehört. Man könnte das eine oder andere wiederholen, das ersparen Sie mir aber und das erspare auch ich Ihnen – obwohl Wiederholung ja pädagogisch nicht schlecht ist, wie wir wissen. (Bundesrätin Grimling: Danke, wir werden trotzdem nicht zustimmen!)

Schauen Sie, die ältere Generation ist bei Ihnen von der Sozialdemokratie schon längst abgeschrieben, darüber brauchen wir gar nicht mehr zu reden! Sie haben sich das eine oder andere Mal als deren Anwalt aufgespielt, sie aber schon längst vergessen.

Für Sie sind nämlich alle anderen Zielgruppen viel, viel wichtiger, obwohl gerade die Pensionisten, die Seniorinnen und Senioren auch unwahrscheinlich viel für die Wertschöpfung leisten! Sie leisten unwahrscheinlich viel in den diversen Vereinen und Institutionen – ob das im kirchlichen Bereich ist oder in vielen anderen Bereichen –, und es geht darum, dass diese Damen und Herren eine besondere Wertschätzung erfahren sollten.

Eines ist aber natürlich nicht unwichtig: Motivationsfaktoren gibt es ja mehrere, und Geld ist ein Faktor, natürlich. Es heißt ja so schön:  Das Geld haben die Phönizier erfunden, aber viel zu wenig; beziehungsweise: Mein Geld ist nicht weg, es hat nur ein anderer. All diese Dinge sind ja bekannt und dazu möchte ich auch nicht weiter ausschweifen.

Es gilt aber vor allem auch eines: Geld ist ein kurzfristiger Motivator – ent­schei­dend ist die Wertschätzung, und diese hat diese Republik der älteren Generation auf alle Fälle entgegenzubringen und Dank zu erweisen. (Bundesrat Steiner: Geld brauchen wir aber zum Überleben – mit der Wertschätzung kann man nicht über­le­ben, Kollege!) – Das ist eine ganz neue Erkenntnis, Herr Professor!


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Auf alle Fälle ist diese gesetzliche Pensionsanpassung eine treffsichere und vor allem eine sozial ausgewogene. (Bundesrätin Steiner-Wieser: ... leider eine Mogel­packung! – Ruf bei der SPÖ: Das ist nicht ausgewogen!) Sie können sie schlecht­reden, wie Sie wollen: Das ist absolut die richtige Entscheidung, die da getroffen wurde! (Beifall bei der ÖVP.)

Sie können das Spiel immer wieder spielen, Sie glauben es ja zum Teil eh selber nicht, das merkt man aufgrund Ihrer Gestik und Ihres Gestikulierens!

Es ist halt auch eines spürbar: dass dieses Paket mit großer Ausgewogenheit entworfen wurde – das ist ja nicht irgendwie entstanden –, dass es auch finan­ziell vertretbar ist. (Bundesrat Schennach – in Richtung seiner Fraktionskolleg:in­nen –: Aufpassen, damit das wirklich die letzte Rede jetzt ist, bevor wir uns dann nochmal melden müssen!) Es sind ja bitte 4,1 Milliarden Euro für die ältere Generation in die Hand genommen worden, für die Pensionserhöhung. Dieses Geld ist natürlich bestens angelegt, damit wird ja nicht einfach irgendetwas gemacht. (Bundesrat Schennach: Ewige Werte!)

Eines möchte ich auch der Opposition in Erinnerung rufen, SPÖ wie auch FPÖ, weil Sie die Einmalzahlung so geißeln und in manchen Sonntagsreden sogar als Rosstäuscherei erwähnen: Ich möchte dazu nur ausführen und in Erinnerung rufen, dass Sozialminister, SPÖ-Sozialminister, innerhalb des Pensionssystems Einmalzahlungen tätigten, nämlich in den Jahren 2007, 2008, 2009 und 2016! (Bundesrätin Schumann: Bei 10,5 Prozent Inflation?!)

Auch unter FPÖ-Ministern wurden in den Jahren 2001, 2002, 2003 und 2004 diese Einmalzahlungen laut verkündet und in den Medien entsprechend breit­getreten. (Bundesrat Schennach: Aber da waren sie mit euch in der Regierung! – Heiterkeit bei der SPÖ.) – Sie lachen über Ihre eigenen Minister – würde ich auch machen, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, auf alle Fälle. Das sind ja die Bereiche, die Sie treffen! (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: FPÖ-Alleinregierung, ihr wart nie dabei! – Ruf bei der FPÖ: Wer hat denn zu dieser Zeit den Finanzminister gestellt?)


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Schauen Sie: Wenn Sie damals selber diese Einmalzahlungen getätigt haben (Bundesrat Steiner: Bei was für einer Höhe der Inflation?) und jetzt aber ganz frustriert sind, dass nun dasselbe passiert, dann sollten Sie sich wirklich selbst an der Nase nehmen! (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Sie sollten schauen, dass Sie möglichst bald die richtigen Worte für die Pensio­nis­tinnen und Pensionisten finden. (Ruf bei der SPÖ: Wir schon!)

Übrigens: Sie wissen eh, woher das Wort Pension stammt? – Nicht von der Pen­sion Schöller, wie manche vielleicht meinen. (Ruf bei der SPÖ: Ha, ha ...!) Das ist auch wichtig, dass dieser Begriff Rentner, Rentnerin 1962 in das System der Pension eingeführt wurde.

Die ältere Generation kann sich auf die Volkspartei und auf die Grünen in der Koalition verlassen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Gross. – Ruf bei der SPÖ: Dann sind sie verlassen! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Schauen Sie, Sie hören bei den wichtigsten Dingen nicht zu – das ist eigentlich schade, aber Sie können es ja dann im Protokoll nachlesen.

Wir wissen, dass die ältere Generation einen ganz wesentlichen Beitrag für unseren Staat, für unseren Wohlstand – den haben ja nicht wir allein erfunden und geleistet – und für das gesamte Land Österreich leistet und geleistet hat. – Ich schließe mit einem steirischen Glück auf! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Jetzt wissen wir um Ihre kulturellen Vorlieben!)

13.23


Vizepräsident Günther Novak: Zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Steiner-Wieser. – Bitte.


13.23.52

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schwindsackl hat gerade gesagt, die Senioren könnten sich auf die ÖVP „verlassen“. (Ruf bei der ÖVP: So schaut’s aus!) – Wenn man sich in diesem Land auf die ÖVP verlässt, dann ist man verloren, so schaut


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es nämlich aus für einen Senior! (Beifall bei FPÖ und SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Super Begründung!)

Die Wertschätzung von Schwarz und Grün, eure schwarz-grüne Wertschätzung gegenüber den Senioren, den Pensionisten sieht man allein schon an der Abschaffung der Hacklerregelung! (Beifall bei FPÖ und SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Da haben Menschen 45 Jahre lang voll gearbeitet, sind Nettobeitragszahler gewesen, und das ist eure Wertschätzung gegenüber den Senioren, ihnen das Weiße aus den Augen herauszuholen! Mit 5,8 Prozent werden die Senioren abgespeist!

Über 10 Prozent Inflation haben wir, und wahrscheinlich werden wir nächstes Jahr über 15 oder sogar 20 Prozent Inflation haben. (Ruf bei der ÖVP: Na, na, na!) – Wer weiß es? Wer weiß es?

Schämt euch! Schämt euch und nehmt nie mehr gegenüber den Senioren das Wort Wertschätzung in den Mund! – Danke. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

13.2413.24.58


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen? (Ruf bei der ÖVP: Liegen nicht vor! – Ruf bei der SPÖ: Nicht einsagen, bitte!) – Weitere Wortmel­dun­gen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist auch nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Pensionsanpassungsgesetz 2023.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das sind die notwendigen 30 Stimmen. Das ist die Stimmenmehrheit. (Bundesrat Steiner: Das bezweifle ich!) – Das bezweifelst du?

Wir können gerne noch einmal nachzählen: Die ÖVP und die Regierung (Bun­desrat Schreuder: Grüne heißen wir!) sind alle anwesend. – Das sind genau 30 Stimmen. Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozial­versicherungsgesetz geändert wird, 2811/A und 1722 der Beilagen sowie 11081/BR der Beilagen.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mit­glieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist damit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen. Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zwei­drittelmehrheit fest.

13.28.507. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungs­ge­setz 1977, das Studienförderungsgesetz 1992, das Kinderbetreuungs­geld­gesetz, das Familienzeitbonusgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (Teuerungs-Entlas­tungspaket III) (1663 d.B. und 1678 d.B. sowie 11082/BR d.B.)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird (1679 d.B. sowie 11083/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Punkten 7 und 8 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 7 und 8 ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um die Berichte.


13.29.23

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungs­ge­setz 1977, das Studienförderungsgesetz 1992, das Kinderbetreuungsgeldgesetz,


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das Familienzeitbonusgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. (Präsidentin Schumann übernimmt den Vorsitz.)

Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. – Bitte, Frau Bundesrätin.


13.30.38

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Lieber Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier im Haus und vor den Bildschirmen! Endlich werden die Sozial- und Familienleistungen an die Inflation angepasst, und weil es so schön ist, sage ich auch genau, welche: die Familienbeihilfe, das Kinderbetreuungsgeld, der Kinderabsetzbetrag, der Mehr-


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kindzuschlag, die Schüler:innenbeihilfen, das Schulstartgeld, der Familienzeit­bonus, das Wiedereingliederungsgeld, das Umschulungsgeld sowie die Studien­beihilfe.

Für das Krankengeld wird eine entsprechende Option geschaffen, das Pflegegeld wurde schon zu Jahreswechsel indexangepasst, die Bedarfsorientierte Mindest­sicherung ist ebenfalls bereits indexiert. Darüber hinaus wird das Schulstartgeld nun bereits im August ausbezahlt, und die Schüler:innenbeihilfe wird rückwir­kend mit September 2022 erhöht.

Eine solche umfassende Valorisierung, also Wertanpassung der Familien- und Sozialleistungen kommt zum ersten Mal – und sie kommt genau zur richtigen Zeit. Die Erhöhungen aus der Valorisierung haben nämlich die stärkste Ent­lastungswirkung, auch in absoluten Zahlen, auf das unterste Einkommensfünftel, also jenen Bevölkerungsanteil, den die Inflation am stärksten trifft.

Ein kleiner Exkurs, weil gesagt wird, wir sähen nur zu und handelten nicht: Die Auszahlung des Klimabonus und des Antiteuerungsbonus ist abgeschlossen, 500 Euro für jeden erwachsenen Menschen in Österreich und 250 Euro für jedes Kind, und das wurde innerhalb von nur sieben Wochen bewerkstelligt. Das ist Soforthilfe für Menschen mit geringem Einkommen! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Besonders erfreulich ist auch, dass es sich um Zahlungen handelt – jetzt spreche ich wieder die Valorisierungen an –, die zu 57 Prozent Frauen zugutekommen. Es sind auch, ganz wichtig, die Alleinerziehenden, die am stärksten entlastet wer­den: Von den Alleinerziehenden, wir wissen es, sind 95 Prozent Frauen, und davon sind 50 Prozent von Armut gefährdet, daher ist das ein besonders wich­tiger Punkt. Kinderarmut darf nicht sein, das stimmt, da stimmen wir wohl alle zu, und da vertraue ich auch auf den Sozialminister, dass er das stets gut im Auge behält.


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Endlich erfolgt die Anpassung – endlich habe ich zu Beginn meiner Rede deswegen gesagt, weil die Wertanpassung der Sozialleistungen nie selbst­ver­ständlich war. Ich kann mich erinnern, dass es mich wunderte, als ich das zum ersten Mal hörte. Ich komme aus der Privatwirtschaft, aus dem Immobilien­bereich, und dort ist alles indexiert! Wir wissen das leider gerade derzeit sehr gut, wenn man an die aktuellen Mieterhöhungen aufgrund der Indexanpassung denkt.

Noch mehr wunderte mich aber, dass es diese Valorisierungen nicht gab, obwohl die Sozialdemokratie lange, sehr lange in Regierungsverantwortung war. Ich wiederhole es, ich habe es heute schon einmal gesagt: Es spricht nicht für die SPÖ, dass diese Valorisierung nun unter einer schwarz-grünen Regierung – mit einem kleinen, aber starken grünen Partner – gelungen ist, und zwar nach jahr­zehntelangen Forderungen von Sozial-NGOs und Gewerkschaften. Auch hier im Parlament wurde diese Anpassung gefordert, und nun wird diese Indexierung der staatlichen Unterstützungsleistungen eingeführt und damit der Sozialstaat gestärkt. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Weil ein anderer Punkt immer wieder in der Debatte vorkommt: Ja, nicht erfasst sind das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe. Das sind keine Sozialleistun­gen – daher jetzt auch nicht erfasst –, sondern Versicherungsleistungen, die auf dem zuletzt bezahlten Gehalt und den darauf basierenden Versicherungsein­zah­lungen der Berechtigten basieren. Sie sind durch die Arbeitslosenversicherung finanziert und nicht durch Steuergeld – aber auch da könnte man sich eigentlich fragen, warum die SPÖ das nicht damals eingeführt hat, als sie selbst in Regie­rungsverantwortung war.

Erhöhungen der Sozialleistungen gab es in den letzten Jahren nämlich nur sporadisch, und sie waren weit davon entfernt, die Erhöhungen der Alltags­ausgaben auszugleichen.

Es gibt ein gutes Beispiel des Momentum-Instituts, das die Familienbeihilfe auf das Jahr 2000 zurückrechnet. Wenn man das mit der Inflation in Vergleich setzt,


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ergibt das ein reales Minus von 30 Prozent. Einem Kind, das 2000 geboren wurde – und heute zum Beispiel noch studiert –, wäre eine Familienbeihilfe von 7 300 Euro entgangen. Das fehlt den Eltern, das fehlt natürlich auch den Kin­dern, und es fehlt auch dort, wo die soziale Mobilität erhöht werden soll: bei 50 000 Studierenden.

Diese Versäumnisse nehmen aber die derzeitige Regierung nicht aus der Ver­antwortung, ganz im Gegenteil, sie sind uns klar und schmerzhaft bewusst. Wir versuchen, diese Versäumnisse bedacht, aber so gut und so schnell wie möglich zu beheben. Unter anderem zeigen das die Teuerungs-Entlastungspakete Teil I, II und III, die kurzfristigen und die langfristigen strukturellen Maßnahmen.

Mit der Abschaffung der kalten Progression und der Valorisierung der Familien- und Sozialleistungen setzen wir hier und heute einen sozialpolitischen Meilen­stein. (Ruf bei der FPÖ: Nein!)

Gerade heute braucht es nämlich die Krisenfestigkeit des Sozialstaats mehr denn je, damit erhöht sich auch die Kaufkraft in diesem Land, und auch die Arbeits­plätze bleiben sicher. Das dient der sozialen Sicherheit und sorgt dafür, dass wir vielleicht ein wenig beruhigter in die Zukunft schauen können. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

13.37


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krumböck. Ich erteile es ihm.


13.37.22

Bundesrat Florian Krumböck, BA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben im vorigen Tagesordnungspunkt über die Erhöhung der Pensionen für die Älteren und Ältesten bei uns in Österreich gesprochen. Dafür gibt es eine gesetzliche Grundlage, die den Werterhalt der Pensionen sichert. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Die automatische


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Inflationsanpassung, die die Pensionistinnen und Pensionisten – zu Recht – erhalten, gibt es in vielen anderen Bereichen aber nicht, und genau das werden wir heute ändern, geschätzte Kolleginnen und Kollegen.

In Zukunft bekommen nicht nur die Älteren und Ältesten, sondern auch die Jungen und Jüngsten im Land gemeinsam mit ihren Eltern eine Wertsicherung. Das ist nicht nur echte Hilfe bei der anhaltenden Teuerung, sondern das ist strukturell festgeschriebene Generationengerechtigkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sie wissen, worum es geht, und Sie haben es auch in der Rede davor gehört – lassen Sie mich aber für die Zuseher:innen noch einmal ausführen, welch großen Schritt wir heute setzen: Ab 1. Jänner 2023 werden verschiedenste Sozial- und Unterstützungsleistungen, allen voran Familienleistungen, jährlich an die Teue­rung angepasst, sie behalten damit ihren Wert. Das betrifft Krankengeld, Reha­bilitationsgeld, Wiedereingliederungsgeld, Umschulungsgeld und Studienbei­hilfen. Es betrifft weiters die Familienbeihilfe, den Kinderabsetzbetrag, den Mehrkindzuschlag, das Kinderbetreuungsgeld und den Familienzeitbonus. Eben­so gilt das für Schulbeihilfe, Heim- und Fahrtkostenbeihilfe. All diese Wertan­passungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind gekommen, um zu bleiben.

Lassen Sie mich genau bei diesem Punkt bleiben: Wenn Familien für uns einen großen gesellschaftlichen Wert haben, wie eigentlich alle Parteien hier im Hohen Haus immer wieder sagen und betonen, dann müssen wir ihnen diesen Wert auch geben. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Die Bundesregierung und wir hier im Parlament tun genau das, und darauf können wir stolz sein – nicht nur wir Bundesrät:innen in den Regierungs­fraktionen, sondern alle Bundesrätinnen und Bundesräte, die dieser Änderung heute zustimmen! Warum? – Weil wir nicht nur von Werten reden, sondern sich das Gesagte auch in bare Münze umrechnen lässt, etwa für die im Schnitt 83 400 Neugeborenen pro Jahr.


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Wie komme ich darauf? – Lassen Sie mich da ein Beispiel anführen. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) – Frau Kollegin Steiner-Wieser, vielleicht neh­men Sie das Beispiel auch mit: Stellen wir uns eine Sankt Pöltner Familie vor – sei es eine Salzburger Familie, wenn Ihnen das näher ist –, die am 1.1.2023 ein Kind bekommt. Über einen Zeitraum von 18 Jahren wird die Familie für dieses Kind nach derzeitigem Modell knappe 27 930 Euro an Familienbeihilfe kriegen, 12 614 Euro Kinderabsetzbetrag und 1 000 Euro Schulstartgeld – nach derzei­ti­gem Modell! Das sind insgesamt 41 540 Euro in diesen 18 Jahren, wenn man mit dem aktuellen Stand rechnet.

Mit der heutigen Gesetzesänderung sprechen wir – bei einer angenommenen Inflation von 2,5 Prozent, wir sind damit weit unter dem aktuellen Wert, es war beim Rechnen ehrlicherweise einfacher, wenn wir über diese 18 Jahre hinweg einen Inflationsschnitt von 2,5 Prozent nehmen, und der Effekt wird größer, wenn die Inflation höher ist (in Richtung Bundesrätin Steiner-Wieser), also nicht so böse schauen! (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser) – für dasselbe Kind von insgesamt 35 960 Euro Familienbeihilfe, über 16 000 Euro Kinder­absetz­be­trag und fast 1 300 Euro Schulstartgeld. Das sind insgesamt 53 342 Euro.

Wer nicht so schnell mitrechnen kann – Sie haben es nicht mitgeschrieben, Frau Bundesrätin, aber ich sage es Ihnen –: Für dieses Kind ist es ein Plus von 11 800 Euro, das es sonst nicht hätte, und ich glaube, das ist es auch wirklich wert, zu erwähnen. Beim zweiten Kind ist die Rechnung natürlich noch größer. Da sprechen wir dann sogar von insgesamt 28 530 Euro, die dieser Werterhalt für die Familie bringt.

Aber es verwundert ja wenig, wie das heute so abläuft. Sogar in einer Diskus­sion, in der alle dafür sind, werden wir heute von der Opposition sehr kritische Stimmen hören. Das sei Ihnen unbenommen (Rufe bei SPÖ und FPÖ: Danke!), also machen Sie es denn auch! Sie müssen sich ja eh selbst dafür verantworten.


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Ich finde das aber schade, und ich bin froh, dass man zumindest zu Hause in Niederösterreich noch ein politisches Miteinander findet, denn das, was hier in Wien passiert, ist, dass eine Regierung in Krisenzeiten historische Reformen liefert und dass die Opposition genau das kritisiert, was in der Vergangenheit von ihr selbst gefordert worden ist, und ich finde das richtig, richtig seltsam. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Familienleistungen ...!)

Nichtsdestotrotz können wir heute stolz darauf sein, denn wir werden damit einen echten Unterschied zum bisherigen Leben von ganz vielen Familien in diesem Land schaffen. Wie gesagt wird der Effekt sogar noch größer, je höher die Teuerung ist. Wir unterlegen damit unsere gesellschaftlichen Werte mit handfesten monetären Werten und sorgen auch in Zeiten von Krisen dafür, dass junge Menschen Ja zu einer eigenen Familie sagen können. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

13.42


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Gruber-Pruner. – Bitte Frau Bundesrätin.


13.42.29

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und Zuschau­er:in­nen via Livestream! Irgendwie verwundert mich dieses Oppositionsbashing (Bundesrat Gross: Na!), das da gerade passiert. Kollege Krumböck gesteht uns als Opposition Meinungsfreiheit zu, das spricht für sich, das ist ein bisschen lächer­lich; genauso das Bashing, das Sie, Kollegin Kittl, in den letzten Redebeiträgen gemacht haben. (Bundesrat Himmer: ... kein Bashing der Opposition! – Zwischenruf der Bundesrätin Kittl.) – O ja! (Bundesrat Himmer: Austeilen, aber nicht einstecken können!)

Ich möchte darauf hinweisen, dass der aktuelle Sozialstaat, auf dem auch diese Maßnahmen beruhen, die heute gesetzt werden – sie werden zu Recht gesetzt, und wir stimmen da auch mit (Beifall des Bundesrates Krumböck), denn wir sind


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froh, dass in diesen Bereichen etwas erhöht wird –, schon auch mit großer Beteiligung der SPÖ stattgefunden hat; ohne die Grünen, wofür Sie jetzt nichts können. Sie betonen aber die ganze Zeit, was alles nicht passiert ist, dabei trägt dieser Sozialstaat, über den wir zu Recht alle sehr froh sind und der uns auch ein Stück weit durch die bisherigen Krisen getragen hat, schon eine starke rote Handschrift, auf die wir sehr stolz sind, und das lassen wir uns von Ihnen auch nicht schlechtreden. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Kittl: Genauso wie unsere Maßnahmen nicht schlechtzureden sind!)

Ich komme aber zurück zu den Menschen in diesem Land, die sich zu Recht – auch das ist natürlich nicht von uns verschuldet und nicht so gewollt – sorgen, weil die aktuelle Lebenssituation leider dazu Anlass gibt, sich Sorgen zu machen. Die wirtschaftlichen Dynamiken – auch für diese können wir aktiv nichts – und die steigenden Preise, die uns aktuell beschäftigen, bereiten vielen Menschen tatsächlich große Sorgen und verunsichern sie in ihrer Existenz. Es steht ein Winter vor der Tür, die Temperaturen werden nach und nach niedriger, und viele fragen sich, ob sie sich das Heizen in diesem Winter werden leisten können. Das sind keine Plattitüden, sondern Menschen, die ich kenne, machen sich in Bezug auf die nächste Rechnung tatsächlich große, große Sorgen.

In unserem Land ist es nach wie vor so, dass Krisen am meisten jene Menschen betreffen, die sowieso schon prekär leben und prekär leben müssen, und genau auf sie muss man schauen: auf jene Menschen, die an oder unter der Armuts­grenze leben müssen und sich vor jedem Extraeuro, den es auszugeben gilt, fürchten. Das sind vor allem Einelternhaushalte und auch Mehrkinderhaushalte, das sind die Pensionist:innen, das sind die arbeitslosen Menschen; ihnen gilt unser starker Fokus.

Ja, ich gestehe das sehr, sehr gerne ein: Wir Sozialdemokrat:innen begrüßen heute die Maßnahmen, die hier gesetzt werden (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser), denn jede Bedrohung, die weniger wird, ist natürlich gut für die Menschen, und eine Valorisierung, eine Wertanpassung bei Sozialleistungen, die


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vorgenommen wird, ist gut. Der Wertverlust wird damit nicht in jedem Bereich vollständig aufgeholt, aber zumindest teilweise, und da sind wir dabei.

Trotzdem haben wir die Meinungsfreiheit und als Opposition auch die Aufgabe, auf jene Punkte zu schauen, die in diesem Fall nicht dabei sind und bei denen es gut gewesen wäre, wenn sie dabei wären, und ich möchte sie thematisieren.

Eines, was in diesem Zusammenhang aufpoppt, ist, dass die Valorisierung und die Erhöhung der Leistungen mit 1. Jänner 2023 in Kraft treten werden. Bis dahin sind es noch zweieinhalb Monate, die den Menschen Sorgen machen. Das heißt, es ist noch eine Zeit lang hin, die überbrückt gehört, was die Menschen verunsichert.

Ein zweiter, für uns ganz massiver Kritikpunkt ist, dass die Tagessätze beim Arbeitslosengeld und bei der Notstandshilfe in diesem Fall nicht indexiert wurden, obwohl das auch eine Versicherungsleistung ist und die Arbeitslosigkeit zurzeit ein massiver Faktor dafür ist, dass teilweise ganze Familien in Armut leben oder jetzt in die Armut schlittern. Niemand von uns kann sich vorstellen und niemand kann es sich leisten, mit der Hälfte des bisherigen Einkommens auskommen zu müssen, und es wäre relativ einfach zu beheben, indem man die Nettoersatzrate auf zumindest 70, 75 Prozent erhöht. Offensichtlich will die Regierung das aber nicht, denn diese Erhöhung hätte man jetzt auch vornehmen können.

Noch ein Gedanke: Wenn man im Kinder-, Jugend- und Familienbereich arbeitet, dann merkt man nach und nach, dass die Fülle an unterschiedlichsten Sozial-, Versicherungs-, Familienleistungen mittlerweile dermaßen komplex ist, dass man als einfache Bürgerin, als einfacher Bürger, aber selbst als Experte oder Expertin kaum mehr durchblickt, was wem zu welchem Zeitpunkt in welcher Lebensphase zusteht. Man braucht fast eine persönliche Steuerberatung, damit man sich alles abholen kann, was es abzuholen gäbe. Wir plädieren darum immer mehr und auch mit Experten dafür, da sozusagen eine Grundabsicherung von Menschen


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und speziell von Kindern in Armut anzudenken, die dieses komplexe, undurch­sichtige System möglicherweise ersetzt und Klarheit schafft.

Die Absicherung von Kindern in Österreich ist der SPÖ-Fraktion und mir ein besonderes Herzensanliegen, weil sie eine Zukunftsfrage ist. Wir alle wissen mittlerweile – niemand behauptet mehr etwas anderes –, dass es immer der bessere und billigere Weg ist, Armut präventiv zu behandeln, als Armutskon­se­quenzen später zu behandeln. Auch die Kindergarantie der EU hätte das so vorgesehen und hat die Mitgliedstaaten aufgefordert, diesbezüglich Maßnahmen zu ergreifen. Österreich ist im Liefern der Maßnahmen und sozusagen in der Rückspielung an die EU übrigens noch säumig. Es wäre jetzt dringend an der Zeit dafür.

Auch die Kinder- und Jugendhilfereferenten der Länder haben – das war letzte Woche, glaube ich – den gemeinsamen Beschluss gefasst, Kinderarmut zu bekämpfen und Kinder nachhaltig konsequent grundabzusichern. Mit welchem Modell auch immer: In Deutschland gibt es in der Regierung mittlerweile einen Beschluss für eine Kindergrundsicherung. Es gibt ein Modell der Volkshilfe.

Für welches Modell auch immer man sich entscheiden möchte: Es wäre jeden­falls notwendig, eine solche Grundabsicherung dauerhaft einzuführen. Das ist eine Zukunftsfrage und eine Zukunftsentscheidung, die notwendig wäre. Deshalb bringe ich einen Entschließungsantrag ein, der genau das zum Inhalt hat: nämlich dass Kinder und Jugendliche in verschiedensten Bereichen nachhaltig abgesichert werden.

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wir lassen kein Kind zurück – Kinderarmut endlich langfristig bekämpfen!“

Der Bundesrat wolle beschließen:


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„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat umgehend ein Sofortmaßnahmenpaket zur effektiven und nachhaltigen Bekämp­fung von Kinderarmut vorzulegen und dafür Sorge zu tragen, dass in Österreich kein Kind zurückgelassen wird. Des Weiteren sollen rasch Maßnahmen ergriffen werden, welche die materielle Versorgung, die gesundheitliche Entwicklung, die soziale Teilhabe und die Wahrnehmung von Bildungschancen aller Kindern in Österreich garantieren.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.51


Präsidentin Korinna Schumann: Der von den Bundesräten Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Wir lassen kein Kind zurück – Kinderarmut endlich langfristig bekämpfen!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Bun­des­rätin.


13.51.27

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die heute zu beschließende Valori­sierung von Sozial- und Familienleistungen ist ein lange überfälliger Schritt und sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Darum freut es mich, dass Kollege Krumböck heute so eine Brandrede zur Valorisierung und auch zu den Familienleistungen gehalten hat, sind das doch freiheitliche Kernthemen: die Stärkung der Familien und den jungen Menschen Mut zu machen, dass sie Fami­lien gründen. (In Richtung Bundesrat Krumböck:) Sie, als 1991 Geborener, stehen ja noch vor der Familiengründung. Ich wünsche alles Gute – und denken Sie vielleicht auch ab und zu daran, dass es freiheitliche Ideen waren, die da jetzt umgesetzt werden. (Heiterkeit des Bundesrates Krumböck. – Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrätin Platzer.)


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Zur heute beschlossenen Valorisierung: Für viele Familien wird diese Erhöhung leider zu spät kommen, denn wir haben derzeit eine Inflation von über 10 Pro­zent, und diese Valorisierungen, Anpassungen werden erst 2023 wirken. Das bedeutet, die Menschen müssen über einen bitterkalten Winter kommen, wissen aber schon jetzt nicht, wie sie die Lebenshaltungskosten decken sollen, und schon gar nicht, wie sie die Strom- und Heizkosten bezahlen sollen.

Die finanzielle und soziale Situation wird sich noch weiter verschärfen. Die Zahlungen kommen in vielen Monaten an, falls sie überhaupt ankommen, und werden dann wahrscheinlich großteils für Kontoabdeckungen oder zur Zahlung von Mietrückständen verwendet. Und wenn die schwarz-grüne Bundesregierung da allen Ernstes einen ganz normalen Vorgang wie eine Wertanpassung an die Inflation als Erfolg und als sogenanntes Entlastungspaket für die Bürger präsen­tiert, dann ist das für mich ja eigentlich eine Farce. (Beifall bei der FPÖ.)

Eigentlich ist es eine Pflanzerei, denn das, was Sie den Menschen als das soge­nannte Entlastungspaket (Bundesrat Schreuder: Die Hartinger hat es auch nicht gemacht!), als Unterstützung präsentieren, ist doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es wird eigentlich nur ein bisserl was von dem zurückgegeben, was ihr mit eurer Politik verbockt habt.

Bei der letzten Sitzung am 6. Oktober haben Sie beschlossen, dass ukrainische Flüchtlinge Kinderbetreuungsgeld und Familienbeihilfe bekommen, und zwar rückwirkend ab März 2022. Die Anpassung der Sozial- und Familienleistungen für Österreicher wirkt aber erst ab 2023. Das passt ja hinten und vorne nicht zusammen. (Beifall bei der FPÖ.) Das passt ja hinten und vorne nicht zusammen, das ist ja doppelbödig: Auf der einen Seite schöpft man nachträglich Hundert­tausende Euros für Nichtösterreicher, die keine Steuern hier im Land gezahlt haben, aus, auf der anderen Seite lässt man österreichische Familien im Regen stehen und gibt ihnen die Wertanpassung erst irgendwann 2023. (Die Bundes­rät:innen Kittl und Schreuder: Das ist schäbig!)


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Des Weiteren möchte man den Menschen vielleicht auch noch verklickern, dass sie durch die Valorisierung mehr Geld erhalten, und auf der anderen Seite holt man ihnen das Weiße aus den Augen; man schaue sich nur die Einführung dieser unsinnigen CO2-Steuer an. (Beifall bei der FPÖ.)

Da wird den Menschen das Weiße aus den Augen geholt, und so etwas finde ich schäbig, ich finde es nicht in Ordnung. Wir Freiheitliche haben ja ein Zwölfpunk­te­programm vorgelegt, das die Menschen wirklich entlasten könnte, aber das ist ja alles abgelehnt und vom Tisch gefegt worden. Aber ich verstehe es schon, ich verstehe es wirklich, dass man mit dieser Valorisierung, mit diesem Brotkrümel, den man den Menschen jetzt gibt, von den eigentlichen Problemen ablenken möchte. Ihr wollt von den Problemen ablenken, die in Österreich vorherrschen und die ihr mitverschuldet habt (Bundesrat Himmer: Also hätten wir das nicht machen sollen?) – die ihr mitverschuldet habt.

Ich denke an die massiven Teuerungen, die Gefährdung des sozialen Friedens, und ich denke auch an die zu erwartende Staatsverschuldung. (Zwischenruf des Bundesrates Schwindsackl.) Bis Ende 2023 werden circa 370 Milliarden Euro Staatsschulden vorliegen (Zwischenruf bei der ÖVP), und diese von euch verschul­dete Staatsverschuldung werden auch noch unsere Kinder, unsere Enkelkinder und Urenkelkinder ausbaden müssen. Das ist ein Wahnsinn, und ich kann da nur sagen: Tu Felix Austria. (Beifall bei der FPÖ.)

13.55


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Bitte, Frau Bundesrätin.


13.56.12

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Lieber Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher auf der Galerie, liebe Zuseher daheim! Wissen Sie, was Windeln kosten? – 2 200 Windeln jähr­lich, das ist so der durchschnittliche Verbrauch eines Babys, kosten 480 Euro. Mit zwei Windelkindern gibt man jährlich also an die 1 000 Euro aus. Bei der


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derzeitigen Inflation von an die 10 Prozent sind das jährlich 100 Euro mehr, die wir für Windeln ausgeben.

Bisher war es so, dass die Familien diese Preisanstiege selber berappen mussten, da die Familienbeihilfe und andere Sozialleistungen – wir haben es heute schon gehört – nicht jährlich an die Inflation angepasst wurden. Ab nächstem Jahr wird das anders, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Und ich bin wirklich froh, dass der Beschluss heute dem Vernehmen nach über alle Parteigrenzen hinweg einstimmig zustande kommt. Das zeigt nämlich, dass Familien für uns alle im Bundesrat wichtig sind.

Das ist gut, doch gute Werthaltungen und Bekundungen helfen unseren Familien bekanntlich nicht; Taten sind es, die wichtig sind, und die können sich durchaus sehen lassen. Im internationalen Vergleich liegt Österreich bei den Ausgaben für Geldleistungen für Familien nämlich unter den Top fünf, und gemessen an der Wirtschaftsleistung gehört Österreich zu den Ländern, die besonders viel für die Antiteuerungsmaßnahmen ausgegeben haben. Kaum ein Land in der EU gibt in so gebündelter und vielfältiger Form Geld für seine Familien aus wie Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Drei Beispiele möchte ich nochmals aufgreifen, um die finanziellen Erleich­terungen, die mit diesem Beschluss kommen, greifbarer zu machen.

Beispiel eins: einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld. Wenn eine Familie das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld – das gilt für ein Jahr, also bis zum ersten Geburtstag des Kindes – in Anspruch nimmt, bekommt sie mit der derzeitigen Inflation 1 400 Euro zusätzlich.

Beispiel zwei: 1 300 Euro zusätzliches Schulstartgeld gibt es im Laufe einer Schulkarriere für alle Familien bei einer angenommenen Inflation von 2,5 Pro­zent, also sehr zuversichtlich gerechnet. Je höher die Inflation, desto mehr bleibt den Familien natürlich.


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Beispiel drei, das letzte Beispiel: Wenn jemand am 1.1.2023 ein Kind bekommt, gibt es bei einer angenommenen Inflation von wiederum 2,5 Prozent bis zum 18. Geburtstag des Kindes 8 000 Euro an Familienbeihilfe zusätzlich zur bis­herigen Familienbeihilfe.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, all das beschließen wir heute.

Noch kurz zur Kritik der Opposition, sowohl der Sozialdemokraten als auch der Freiheitlichen Partei: Sie sagen, es sind trotz alledem zu wenig Hilfeleistungen, und sie sind zu wenig schnell.

Liebe Sozialdemokraten, ich weiß nicht, vielleicht spricht da oder dort auch etwas der Neid aus Ihnen, da Sie diesen historischen Beschluss in Ihrer jahrelangen Regierungsverantwortung nicht geschafft haben. Das kann ich mir durchaus vorstellen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Kahofer.)

Aber zur Kritik am zeitlichen Faktor: Nichtsdestotrotz eignen sich Einmalzah­lungen im ersten Schritt immer besonders gut, um zu helfen. Warum? – Weil sie eben kurzfristig wirken und schnell auf den Weg gebracht werden können. Das haben wir gemacht (Bundesrätin Kahofer: ... Familie und Finanzen!): Wir haben im Sommer eine Sonderfamilienbeihilfe von 180 Euro ausbezahlt, wir haben den Antiteuerungsbonus von 500 beziehungsweise 250 Euro pro Kind bereits ausbe­zahlt, wir haben die Anhebung des Familienbonus Plus und des Kindermehrbetrags auf den Weg gebracht.

In einem zweiten Schritt helfen wir strukturell und nachhaltig mit der Abschaf­fung der kalten Progression, mit der Senkung der Einkommensteuer­sätze, mit der Senkung der Lohnnebenkosten und mit dem, was wir heute beschließen: der Valorisierung der Familienleistungen. Wenn das, meine liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nachhaltig und strukturell ist, dann weiß ich auch nicht mehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)


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Dass Familienleistungen und Sozialleistungen nun jährlich automatisch an die Inflation angepasst werden, ist ein sozialpolitischer Meilenstein, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, und ich freue mich deshalb über die breite Zustim­mung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

14.00


Präsidentin Korinna Schumann: Herr Bundesminister Rauch hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte.


14.01.01

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Sehr geehrte Vorsitzende! Geschätzter Bundesrat! Zunächst darf ich mich für die sich abzeichnende breite Zustimmung zu diesem Punkt bedanken. Es ist, wie schon gesagt wurde, ein Meilenstein, die Sozial- und Familienleistungen zu valorisieren. Damit ist gewährleistet, dass ab 1.1.2023 jährlich die Anpassung entlang der Teuerung stattfindet. Das ist insofern ein Meilenstein, als in den vergangenen Jahren durch die Inflation ein Realverlust eingetreten ist.

Auf einzelne Punkte ist schon eingegangen worden. Wichtig scheint mir noch festzuhalten, dass – der Bereich Familienbeihilfe ist schon angesprochen worden – heuer im August eine doppelte Familienbeihilfe ausbezahlt worden ist. Wir haben im Zuge einer sehr breiten Erhebung international verglichen, was die anderen europäischen Staaten gemacht haben, um einfach einmal einen Überblick zu haben, wie Österreich im Vergleich mit den anderen EU-Staaten betreffend Teuerungsmaßnahmen dasteht. Es lohnt sich schon, einen Blick darauf zu werfen, denn hierzulande hört man ja immer: zu spät, zu wenig, zu wenig nachhaltig, das verpufft alles und ist zum Fenster hinausgeworfenes Geld!

Ich würde Ihnen wirklich dringend empfehlen – und das meine ich ganz sach­lich –, einen Blick darauf zu werfen, was andere EU-Mitgliedstaaten gemacht haben und noch machen. Österreich hat im Vergleich – das ist dokumentiert – am raschesten reagiert und das meiste Geld in die Hand genommen. (Zwischenruf


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der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Wir haben von allen europäischen Staaten am raschesten reagiert und das meiste Geld in die Hand genommen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das kann man nicht wegdiskutieren, das ist belegbar, das ist nachweisbar. Wir haben auch – wenn man das jetzt noch heranziehen und es gerecht machen will – entlang des BIP, also sozusagen der Wirtschaftskraft des Landes, das meiste Geld in die Hand genommen. Das ist evident.

Man muss jetzt einmal zur Kenntnis nehmen, dass die österreichische Bundes­regierung in dieser Frage zum Beispiel im Vergleich mit Deutschland um den Faktor zehn mehr Geld zur Abfederung der Teuerung in die Hand genommen hat und das auch noch schneller zustande gebracht hat. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ein Nachtrag – weil ich es vergessen habe – zu den Pensionserhöhungen: Ich habe mir jetzt noch einmal durchgeschaut, wie stark die Pensionen in den EU-Mitgliedstaaten angehoben worden sind. Frankreich: 4 Prozent, andere: 3,5 Pro­zent, Einmalzahlungen von 150 Euro, Durchschnittspensionen – übrigens weit unter den österreichischen – um 100 Euro angehoben. Auch da gilt: Der Ver­gleich macht einfach sicher.

Jetzt geht es mir nicht darum, zu sagen: Wir sind die Besten überhaupt auf der Welt! (Bundesrat Schennach: Ein bissl schon!) – Was ich möchte, ist, dass zur Kenntnis genommen wird – und das muss man einfach sagen –: Wir haben in Österreich durch die Maßnahmen, die ergriffen worden sind, einer durchschnitt­lichen Alleinerzieherin mit zwei Kindern im heurigen Jahr 2 400 Euro zukommen lassen. Das ist viel Geld für diese Frau. Wir haben eine durchschnittliche Pen­sionistin, einen durchschnittlichen Pensionisten mit 1 400 Euro entlastet. Das ist die Abgeltung der Inflation im heurigen Jahr. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Worauf es ankommt – da teile ich die Bedenken, die hier von vielen geäußert worden sind –: Das wird nicht ausreichen, weil die Inflationsraten hoch bleiben


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werden, jedenfalls eine Zeit lang, weil die Europäische Zentralbank mit ihrer Zinspolitik jetzt eine Wende in Richtung höhere Zinsen vollzieht.

Das wird auch eine Auswirkung auf ganz viele Darlehen haben. Viele Menschen in diesem Land haben Kredite aufgenommen und haben variable Zinssätze bei Banken, was ein riesiges Problem darstellt, weil logischerweise die Erhöhung des Leitzinses um 1 Prozent die Ratenzahlung um 30 Prozent erhöht. Das ist vielen nicht bewusst.

Ich habe dazu vorsorgend mit dem Bankensektor Kontakt aufgenommen, um ein Paket dafür zu schnüren. Das werden wir tun, weil wir nämlich davon ausgehen, dass wir im nächsten Frühjahr, wenn die Teuerung voll durchschlägt, ein Problem betreffend Verschuldung und Überschuldung von Haushalten bekommen. Das ist auch der Grund, warum ich die Mittel für die Schuldenberatung in meinem Ressort massiv erhöht habe, warum wir den Wohnschirm aufgestockt haben, warum wir den Wohnschirm auf die Energiezahlungen ausweiten wollen und so weiter.

Mir ist also sehr wohl bewusst und ich will nicht kleinreden, dass die Situation für viele Menschen in Österreich eine dramatisch schwierige ist, insbesondere für Menschen mit kleinen Einkommen, für Pensionistinnen und Pensionisten und für Menschen mit mehreren Kindern. Daran arbeiten wir, das tun wir. Wir tref­fen bestmöglich Vorsorge.

Was notwendig sein wird, ist, gerade im Hinblick auf die steigenden Energie­preise, zu europäischen Lösungen zu kommen. Es muss gelingen, zunächst Gaspreise und Elektrizität zu entkoppeln – das ist ein riesiges Drama, das man jetzt nicht ausführen kann, weil es zu technisch ist (Zwischenruf des Bundesrates Schachner) – und insgesamt zu Regelungen zu kommen, um die Preisentwicklung auf diesen Märkten in den Griff zu bekommen.

Nationalstaaten allein – das ist unisono die Haltung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union – werden das mit den eigenen nationalen Budgets nicht


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mehr schaffen, das geht sich ökonomisch schlicht und einfach nicht mehr aus. Um zu Preisregelungen auf den Gasmärkten zu kommen, laufen gerade aktuell auf europäischer Ebene höchst komplexe Verhandlungen. Ich bin zuversichtlich, dass es da zu einer Lösung kommen wird, aus einem schlicht und einfach klaren Grund: Gelingt das nicht, wird die Preissituation so eskalieren, dass das aus nationalen Budgets gar nicht mehr abgestützt werden kann. – Danke sehr. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.06 14.06.44


Präsidentin Korinna Schumann: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Teuerungs-Entlastungspaket.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Wir lassen kein Kind zurück – Kinderarmut endlich langfristig bekämpfen!“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 177

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfen­gesetz 1983 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.08.139. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Selb­ständigen-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfall­versicherungsgesetz geändert werden (2794/A und 1682 d.B. sowie 11084/BR d.B.)


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.


14.08.32

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialver­siche­rungsgesetz, das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.


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Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Bera­tung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. 14.09.05


Präsidentin Korinna Schumann: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Es liegen keine Wortmeldungen vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie wieder Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.09.3210. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversiche­rungsgesetz geändert werden (2830/A und 1713 d.B. sowie 11100/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1714 d.B. sowie 11101/BR d.B.)


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunk­ten 10 und 11, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 10 und 11 ist wieder Frau Bundesrätin Hauschildt-Buschberger. Ich bitte um die


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 179

Berichte.


14.10.01

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehr­heit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe auch den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, und ich komme auch da gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehr­heit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Korinna Schumann: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.10.56

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher und Zuseherinnen! Inhaltlich geht es bei diesen beiden Tagesordnungspunkten eigentlich um dasselbe: Nach dem Wegfall der Impfpflicht entfallen analog zum


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ASVG nun auch im GSVG, im BSVG und im B-KUVG die an die Covid-19-Impfpflicht angeknüpften Honorarbestimmungen für die Ausstellung von Bestätigungen über das Vorliegen eines Ausnahmegrundes von der Covid-19-Impfpflicht für Schwangere.

Außerdem wird geregelt, dass die Ausstellung eines positiven Covid-19-Risikoattests für Versicherte nach dem Beamten-Kranken- und Unfallver­siche­rungsgesetz nur mehr dann zulässig ist, wenn die betroffene Person aus medizinischen Gründen nicht mehr gegen Covid-19 geimpft oder mittels Anti­körperpräparaten auch nicht ausreichend geschützt werden kann.

Darüber hinaus wird eine Art neue Teststrategie beschlossen, zusätzlich zu den fünf kostenlosen Tests pro Monat werden niedergelassene Ärzt:innen künftig berechtigt sein, bei besonders gefährdeten Personen Antigentests durchzu­führen, auch wenn sie symptomfrei sind. Dazu zählen zum Beispiel Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben oder einen Body-Mass-Index von über 30 aufweisen.

Weiters wird beschlossen, dass die KV-Träger den Ärzt:innen ein Honorar von 25 Euro zahlen und der Bund diese Kosten ersetzt. Weiters zahlen die KV-Träger 12 Euro im Kalendervierteljahr für die Beratung über Heilmittel zur Behandlung von Covid-19. Auch diese Kosten sollen vom Bund ersetzt werden.

Herr Bundesminister, es ist zu hoffen, dass der Regierung bei den rapid ansteigenden Infektionszahlen mehr einfällt, damit Österreich nicht wieder unvorbereitet in die Herbst-Winter-Welle stolpert.

Zur Formulierung der Testbestimmungen ist anzumerken: Es macht schon einen Unterschied, ob es den Patienten möglich ist, sich testen zu lassen, oder ob die Ärzte berechtigt werden, Tests auf Kosten der Allgemeinheit durchzuführen. Außerdem stellt sich die Frage, ob eine Extrazahlung für die Beratung über ein Medikament nicht zum Ergebnis führen wird, dass künftig bei anderen neuen


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Arzneimitteln für die Beratung darüber vonseiten der Ärzteschaft auch eine Bezahlung eingefordert wird.

Wir können daher den Tagesordnungspunkten 10 und 11 unsere Zustimmung nicht geben. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.13


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.14.03

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Tatsächlich ist es draußen kalt geworden, wir gehen in Richtung dritten Coronawinter und inzwischen hat auch jede und jeder von uns eine gewisse Coronaexpertise. Vermutlich ist vielen von uns jetzt auch klar, dass gerade jetzt das Maskentragen in geschlossenen Räumen mit vielen Menschen für einen guten Schutz sorgt. (Bundesrat Spanring: Warum trägt sie sie dann nicht? Warum trägt sie dann niemand, Frau Kollegin?)

Seitens der Regierung wird der Virusvariantenmanagementplan umgesetzt. Wir befinden uns im Szenario zwei. Mittlerweile haben wir ein deutlich anderes, besseres Instrumentarium zur Verfügung, was den Umgang mit der Pandemie betrifft. Wir haben besseres Zahlen- und Datenmaterial, wir wissen Bescheid, mit welchen Vorerkrankungen, mit welchen Haupterkrankungen die Menschen im Krankenhaus sind, es gibt das Covid-19-Datenregister.

Heute ist es notwendig – Kollege Appé hat es schon ausgeführt –, einige Ände­rungen an bestehenden Gesetzen vorzunehmen. Neben den Löschungen, die aufgrund der Aufhebung der Impfpflicht notwendig geworden sind, möchte ich anhand eines Beispiels – das ist vielleicht gar nicht so schlecht – auf die neu zu beschließenden Materien eingehen.


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 182

Als ich gestern die Rede für heute vorbereitet habe, läutete mein Telefon, ein lieber Bekannter rief mich an. Der Herr ist 80 Jahre alt und erzählte mir, er hatte – ganz asymptomatisch – Gliederschmerzen, hat überhaupt nicht mit Corona gerechnet und seinen Hausarzt aufgesucht. Der Arzt hat gleich einen Coronatest gemacht, und es wurde anhand dieses Schnelltests festgestellt, dass er asymptomatisch an Corona erkrankt ist. Er ist über 80 Jahre alt, leidet an Diabetes und hat starkes Übergewicht. Aufgrund dieser Indikation hat der Arzt ihm vorgeschlagen, eine medikamentöse Therapie mit einem Coronamedikament zu machen.

Es ist gar nicht so einfach, mit einem 80-Jährigen ein solches Gespräch zu füh­ren, herauszufinden, welche Vorerkrankungen es gibt, welche weiteren Medi­kamente eingenommen werden, was die Risiken und die Nebenwirkungen einer solchen Behandlung sind. Der Arzt hat sich sehr viel Zeit genommen, der Mann hat sich bei dem Gespräch sehr gut aufgehoben gefühlt. Ich denke, es ist daher sehr sinnvoll, den Ärzten diese zeitaufwendige Beratung genauso abzugelten wie die Testung. Was hätte es für einen Sinn gemacht, wenn er, wenn er schon Schmerzen hatte und sich kaum bewegen konnte, noch in eine Teststraße gegan­gen wäre?

Ich glaube, es kommt nicht selten vor, dass Menschen mehr Zeit für die Bera­tung bei den Ärzten einfordern. Wir kennen die Kassenverträge und wissen, dass da nicht sehr viel Zeit einkalkuliert ist, um Menschen zu beraten. Deshalb halte ich es für sehr sinnvoll, gerade in so einer komplexen Materie wie der Corona­medi­kation ein Extrahonorar zu bezahlen. Also: Aus meiner Sicht ist das gut und sinnvoll, die Vorlage zu beschließen ist ein weiterer Schritt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

14.17


Präsidentin Korinna Schumann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. – Bitte, Herr Bundesrat.



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14.17.36

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! (Ruf: -Innen!) Es ist inzwischen sehr, sehr mühsam geworden, zum Coronathema in Österreich und zu den Corona­maßnahmen dieser Bundesregierung überhaupt etwas zu sagen. Nicht nur ich kann das inzwischen schon nicht mehr hören, sondern auch die Österreicher können das inzwischen nicht mehr hören. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Bundesregierung drangsaliert uns Österreicher seit mehr als zwei Jahren, diese Bundesregierung hat unseren Kindern mehr als zwei Jahre ihrer Kindheit genommen und Betriebe vor die Scherben ihrer Existenz gestellt. Wir brauchen uns nur anzuschauen, wie viele Betriebe in Österreich inzwischen zugesperrt haben. Anscheinend ist das das Beste aus zwei Welten, das Beste, das man sich von dieser Chaosregierung erwarten kann.

Sie haben so viele Schäden in diesem Land angerichtet und viele, viele Men­schen wirklich in den Wahnsinn getrieben. (Bundesrat Himmer: Jetzt erzählst was, was du noch nicht erzählt hast!) Sie haben Ängste vor Triagen in Spitälern geschürt und damit Triagen notwendig gemacht, nämlich in den Psychiatrien und Kinderpsychiatrien, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Mit diesen zwei Tagesordnungspunkten werden heute diese sadistischen Fan­tasien wieder weitergesponnen, um unsere Österreicherinnen und Österreicher auch im heurigen Winter weiter quälen zu können. Ich sage, irgendwann muss Schluss damit sein. Die ganze Welt hat es inzwischen schon verstanden und die Pandemie für beendet erklärt. (Bundesrat Preineder: Ganz China!) Schimpansen in Schönbrunn brauchen sieben Wiederholungen, in Österreich sind wir noch immer nicht so weit. In Österreich sind wir dort, dass wir genau diesen Corona­wahnsinn, diese Pandemie auch im heurigen Winter und auch in der weiteren Zukunft fortführen. (Beifall bei der FPÖ.)


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Dieses Coronaschreckgespenst geistert noch immer in den Köpfen dieser Bundesregierung herum. Ich sage, nach rund drei Jahren sollten wir schön langsam von Notmaßnahmenverordnungen wegkommen, inzwischen können wir nicht mehr davon sprechen. Wir müssen schön langsam dazu bereit sein, zur Normalität überzugehen, nämlich nicht zu Ihrer neuen Normalität, wie Sie es permanent propagieren, sondern zu unserer normalen, gewohnten Normalität.

Ja, die Bundespräsidentenwahl war vorbei und nicht einmal 12 Stunden später ist die grüne Klubobfrau vor der Kamera gestanden und hat bereits wieder die Masken propagiert, gesagt, dass wir Masken brauchen. Schauen wir mal, was Sie am 23. oder 24. Oktober zu dem Ganzen sagen. Schauen wir einmal, was Sie dann dazu sagen. (Bundesminister Rauch: Ist schon erledigt!) – Ich glaube es dann, wenn dieser Winter vorbei ist, denn diese Bundesregierung hat uns schon so viel versprochen. Die Regierungsburka hat man uns jeden Winter aufgezwängt. (Bundesrätin Zwazl: Regierungsburka?!) Einen Testzwang hat man eingeführt, um irgendwelche künstliche Fallzahlen herbeizutesten – inzwischen sind wir ja schon wieder so weit.

Ich habe inzwischen zweimal Corona gehabt und ich glaube, auch diese Bundes­regierung sollte inzwischen so weit sein, Corona als Verkühlung oder als normale Krankheit zu behandeln. Corona – ich habe es schon öfter gesagt – ist gekom­men, um zu bleiben. Daran werden Ihre Fetzen nichts ändern, daran werden Ihre Tests nichts ändern.

Bitte hören wir endlich auf, für irgendwelche Impfungen – von denen man bis heute noch nicht weiß, ob sie wirken, wie sie wirken – sinnlos Milliarden beim Fenster hinauszuschmeißen! Eines steht auf jeden Fall fest: Auch Geimpfte haben Corona bekommen, sind erkrankt (Bundesrätin Zwazl: Leichter!), Unge­impfte haben Corona bekommen, sind erkrankt.

Ich glaube, wir können uns diese Milliarden sparen, dann würden wir uns heute nämlich nicht über eine Pensionserhöhung in der Höhe von 5,8 Prozent unter­halten, sondern dann könnten wir die Inflation vielleicht wirklich abdecken.


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Hören wir bitte endlich mit diesem Coronamärchen auf! Diese schwarz-grüne Bundesregierung hat für mich jegliche Glaubwürdigkeit verloren. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.22


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.22.16

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ja, die letzten beiden Jahre haben uns gelehrt, mit den Auswirkungen einer weltweiten Pandemie umzugehen. Jeder von uns hatte in seinem persön­lichen Umfeld mit oder ohne ausgebrochener Krankheit, mit mehr oder weniger Symptomen zu kämpfen gehabt. Wir haben uns selbst geschützt, um andere zu schützen, weil keiner von uns wissen wollte, welche Auswirkungen es ohne Maßnahmen gegeben hätte.

Wir sind im dritten Jahr der Pandemie in einer Phase angelangt, in der wir mit diesem Coronavirus leben und uns auch entsprechend verhalten müssen. Maßnahmenempfehlungen und mehr Eigenverantwortung werden in dieser Phase zunehmend sinnvoller.

Inhaltlich haben meine Vorrednerinnen und -redner zu den Vorlagen aus dem Nationalrat schon alles, was wichtig war, erläutert. Ich möchte aber nochmals betonen, auch für Kollegen Leinfellner, dass es dabei um keine verpflichtenden Testungen von Risikopatienten geht, sondern um die Möglichkeit, bei Risiko­patienten, die keine Symptome aufweisen, mittels eines Antigentests zu überprüfen, ob möglicherweise nicht doch eine Infektion vorliegt. Die Bestim­mung läuft auch Ende 2022 aus. Ich denke, das ist eine sinnvolle Sache, wenn es um den Schutz der Patienten geht. Ich finde, es ist schon sehr schade, dass die Kolleg:innen der Opposition aus verschiedensten Gründen hier nicht zustimmen können.


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Weiters wird verankert, dass Covid-Medikamente im niedergelassenen Bereich verschrieben werden können und dass notwendige Beratungs- und Aufklärungs­gespräche mittels eines pauschalen Honorars vergütet werden.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen der FPÖ! Ich denke, es wäre schon an der Zeit, das Thema jetzt weniger zu emotionalisieren und aufzuhören, die Men­schen damit zu verunsichern. Bitte hören Sie auf, das Thema unnötig am Köcheln zu halten! (Bundesrätin Schartel erheitert : Wer hält’s denn unnötig am Köcheln? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich denke, die Menschen wünschen sich im Umgang mit dem Virus wieder mehr Normalität, sie können Ihre Aussagen einfach nicht mehr hören. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist jetzt wichtig, die Dynamik und die Entwicklung im Auge zu behalten, aber aus dem Dauerkrisenmodus herauszukommen. (Bundesrat Steiner: Ja wer hat denn den Dauerkrisenmodus erfunden? Das warst wohl du mit deiner Partie da!) Es ist wesentlich vernünftiger, an Themen zu arbeiten, die uns aktuell und in Zukunft einfach mehr beschäftigen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Regierung arbeitet auf Hochdruck, um die Menschen zu entlasten. Die Abschaffung der kalten Progression ist zum Beispiel ein historischer Schritt für die Menschen, die arbeiten, die tagtäglich für sich und für dieses Land etwas leisten. Es ist eine langjährige Forderung fast aller Par­tei­en, und wir setzen sie jetzt um. Mit der Schaffung von neuen Pflegeschulen werden wir dem Fachkräftemangel im Pflegebereich entgegenwirken. Das sind wir den älteren und hilfsbedürftigen Menschen in unserem Land und deren Angehörigen schuldig.

Das Pflegestipendium wirkt ab 2023, damit erhalten alle Auszubildenden in Sozialbetreuungsberufen einen Ausbildungszuschuss. Mit dem Gehaltszuschuss in der Pflege, der sehr bald finalisiert wird, werden aktuell in Pflege- und Betreu­ungsberufen Beschäftigte unterstützt und es wird ihnen auch finanziell eine angemessene Wertschätzung entgegengebracht.


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Die Pensionsreform, die Pensionsanpassung passiert nicht mit der Gießkanne. Sie ist sozial gestaffelt und an die Inflation angepasst. (Zwischenruf der Bun­des­rätin Schartel.) Das ist eine Gesamtentlastung für unsere Pensionistinnen und Pensionisten von 4 Milliarden Euro im kommenden Jahr. Das Ergebnis ist ein gutes. (Bundesrat Steiner: Na, eben nicht! Das ist ein anderer Tagesordnungspunkt!) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, das müssen Sie sich auch eingestehen. (Bundesrat Steiner: Haben wir schon abgestimmt!)

Der Energiekostenzuschuss für die Haushalte ist höher, als zum Beispiel der ÖGB-Präsident im Vorfeld gefordert hat. (Bundesrat Steiner: Falscher Tagesord­nungspunkt! Das haben wir schon abgestimmt, Frau Kollegin!) Wir haben unser Ohr bei den Menschen, lieber Herr Kollege Steiner, wir bemühen uns dement­sprechend um Entlastung. (Bundesrat Steiner: Ist schon erledigt, alles erledigt! Bundesrätin Zwazl: Lass sie reden!)

Die Valorisierung der Sozialleistungen ist ein Meilenstein. Ich weiß, geschätzter Kollege von der FPÖ, Sie können das nicht hören, aber wir wiederholen es immer wieder, weil es so wichtig ist. (Beifall bei der ÖVP. Bundesrat Steiner: Alles schon abgestimmt!) Zur Wiederholung, weil Sie es nicht hören können – ich verstehe es (Bundesrat Tiefnig: Willst es du siebenmal wiederholen? Zwischenrufe bei der FPÖ) –: Die Valorisierung der Sozialleistungen ist ein Meilenstein. Bei einigen Zuschüssen hat es seit 20 Jahren keine Anpassung mehr gegeben. (Bundesrat Steiner: Alles abgestimmt!) Das sind alles Maßnahmen, die die Men­schen auch spüren werden.

Wir denken aber auch an die Zukunft. Mit der Digital-Uni am künftigen Standort in Linz (Bundesrat Steiner: Unbedingt vorlesen noch! Unbedingt vorlesen! Bundes­rätin Zwazl: Lass sie jetzt!) soll durch Lehre, Forschung und Anwendung (Bundes­rat Steiner: ... muss sie vorlesen!) dem Fachkräftemangel auch in diesem Bereich entgegengewirkt werden.

Mit dem Budget 2023 investieren wir in die Zukunft. Damit wird der Fokus klar auf die Sicherheit gelegt: mit Investitionen in die Verteidigung, in die Pflege und


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auch in die Digitalisierung. (Bundesrat Steiner: Haben wir schon abgestimmt!) – Sie haben ja nicht immer mitgestimmt, ich weiß, verstehe. (Bundesrat Steiner: Aber trotzdem ist es schon erledigt!) Dabei geht es um die militärische und innere Sicherheit, um die soziale Sicherheit und um Versorgungssicherheit in vielen Bereichen. Dabei wird mit dem Steuergeld sorgsam umgegangen und trotzdem können wir es uns nicht leisten, nicht zu helfen und nicht in die Zukunft unseres Landes zu investieren.

Das ist die Verantwortung, die die Regierung übernommen hat, auch wahrge­nommen hat beziehungsweise wahrnimmt. Das ist Ihnen von der Opposition natürlich ein Dorn im Auge und muss bei jeder Gelegenheit bekämpft und auch schlechtgemacht werden. Das ist anscheinend Ihre Aufgabe, aber wir werden es zur Kenntnis nehmen. Wir, meine Kolleginnen und Kollegen, werden aber nicht müde, über unsere Bemühungen, unsere Arbeit zu erzählen, darüber zu reden, und das müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.28


Präsidentin Korinna Schumann: Weitere Wortmeldungen liegen vor: Herr Bundesrat Leinfellner, bitte. (Bundesrat Tiefnig: More of the same! Bundesrat Himmer: Aber jetzt etwas anderes!)


14.28.43

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Diese Rede von Frau Kollegin Miesenberger kann man nicht so im Raum stehen lassen. Wir Freiheitliche halten dieses Thema sicher nicht am Köcheln. Das seid schon ihr selber. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich muss euch da jetzt wirklich etwas erzählen (Bundesrätin Zwazl: Na, nicht notwendig!), es ist erst ein paar Wochen her. Ich weiß schon, dass ihr das nicht hören wollt, aber die Wahrheit ist uns in diesem Haus zumutbar und deswegen werde ich es euch jetzt erzählen. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 189

Vor rund vier Wochen hätte ich eine geplante Operation gehabt. Die Spitäler verlangen ja nach wie vor einen PCR-Test, dieser PCR-Test war positiv. Gut, ich sehe es ein: Diese Operation hat sich ein wenig verschoben. (Ruf bei der ÖVP: Zu Recht!) Ein paar Tage später ist mein PCR-Test zum Glück negativ gewesen und ich bin dann zur geplanten Aufnahme ins Spital gekommen. Ich wurde im Spital aufgeklärt – Herr Bundesminister, Sie haben zu diesem Thema bereits eine Anfrage vorliegen –, mein PCR-Test wurde im Spital natürlich noch einmal gemacht, ich wurde so um die Mittagszeit aufgenommen und habe dann dort mein Abendessen gekriegt.

Kurz nach dem Abendessen kommt eine Ärztin herein und sagt: Setzen Sie sofort eine Maske auf, Sie müssen nach Hause gehen! Ich frage: Warum muss ich nach Hause gehen? Sagt sie: Ja, weil Sie einen positiven Coronatest haben. Sage ich: Wie kommen Sie auf das, dass ich einen positiven Coronatest habe? – Sie hat gerade meinen CT-Wert bekommen. Sage ich: Na und wo liegt der CT-Wert? Sagt sie: Bei 38,1. Sage ich: Ja, Frau Doktor, aber dann wären wir eigent­lich fertig. Dann werde ich ja wohl hoffentlich operiert werden können. – Dem war nicht so. Ich habe meine Sachen gepackt und bin mit einem negativen PCR-Test, mit dem ich eingeliefert worden bin, nach Hause gefahren, mit einem CT-Wert im Spital von 38,1. Wer glaubt, dass ich eine Woche später vielleicht hätte operiert werden können, der irrt, denn auch eine Woche später hat ihnen der CT-Wert noch immer nicht gepasst, da scheinbar knapp an die 40 noch immer zu wenig ist, und das unter Ihrer Führung, Herr Gesundheitsminister (Ruf bei der ÖVP: Damit hat der Minister nichts zu tun!), und unter Ressortverantwortung die­ser schwarz-grünen Bundesregierung. (Beifall bei der FPÖ.)

Deswegen: Nicht wir halten dieses Thema am Köcheln, das seid schon ihr selber, die dieses Thema am Köcheln halten! Als pumperlgesunder Österreicher – ich habe nicht einmal einen Schnupfen gehabt, auch mit dem positiven PCR-Test habe ich nicht einmal einen Schnupfen gehabt – ist es nicht möglich, in diesem Land operiert zu werden. Ich frage mich schon (Bundesrätin Zwazl: Bist du jetzt operiert oder nicht?), wie viele Menschen aufgrund Ihrer völlig überzogenen


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Maßnahmen in diesem Land leiden müssen und nicht operiert werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Bitte hören Sie endlich mit diesem Coronawahnsinn auf und hören Sie auf, diese Sache noch immer am Köcheln zu halten! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.31


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Schartel. – Bitte, Frau Bundesrätin Schartel. (Bundesrat Schreuder: Jetzt erzählen wir alle a gsunde Gschicht, oder?)


14.31.50

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Auch wenn Sie sagen, wir erzählen da Gschichten: Ich habe bedauerlicherweise einen Mann, der sehr, sehr schwer krank ist, und dadurch bin ich sehr, sehr viel mit ihm in den Kran­kenhäusern. Heute ist es – weil ich nicht zu Hause, sondern hier bin – passiert, dass mein Sohn bedauerlicherweise das Handy meines Mannes vergessen hat, auf dem natürlich der 3G-Nachweis drauf ist. Obwohl mein Mann permanent auf der Strahlenambulanz ist, wollten sie ihn wieder heimschicken. Dadurch hat sich seine Aufnahme um eineinhalb Stunden verzögert, obwohl das eine ganz wich­tige Untersuchung war. Auf der Pulmologie fragt dich nicht einmal einer mehr, ob man geimpft, getestet oder genesen ist. Das sind die Dinge, die so wahnwitzig sind!

Auch ich selber bin immer wieder davon betroffen, dass unter Umständen für mich wichtige Kontrolluntersuchungen aufgrund dieser wirklich überzogenen Maßnahmen verschoben oder abgesagt werden. Reden Sie einmal mit Men­schen, zum Beispiel mit jemandem, der eine Mammografie machen soll! Viele Frauen erkranken leider durch diese ganzen Maßnahmen an Brustkrebs, weil sie entweder ihre Termine nicht bekommen haben oder weil sie sich nicht getraut haben, hinzugehen.


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Es geht einfach nur darum, Herr Rauch hat es selber schon einmal gesagt, dass Corona mittlerweile nichts anderes als eine stärkere Grippe ist. Das hat er hier in diesem Haus gesagt! Nur darum geht es! Wir halten es nicht am Köcheln. Es muss doch bitte möglich sein, vernünftige Argumente liefern zu dürfen und als Opposition sagen zu können: Es ist nicht alles richtig, was ihr als Regierung macht! (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Steiner: Bravo, Andrea!)

14.33 14.33.38


Präsidentin Korinna Schumann: Gibt es dazu noch weitere Wortmeldungen? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte wird getrennt abgestimmt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen. Der Beschluss des Bundesrates ist somit zustande gekommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 192

14.34.5912. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird (2795/A und 1718 d.B. sowie 11102/BR d.B.)


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.


14.35.16

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits­telematikgesetz 2012 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmen­mehr­heit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.36.04

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Was ist mit dieser Änderung zukünftig möglich? Zusätzlich zu den ohnehin zur Nachtragung berechtigten Gesundheitsdienste­anbietern können nun auch Apotheken Impfungen, die verabreicht und schrift­lich dokumentiert sind, nachtragen. Die Einschränkung, dass Hebammen nur


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bestimmte Impfungen nachtragen können und vidieren dürfen, entfällt somit auch.

Bislang durften Apotheken sowohl auf Elga als auch auf das zentrale Impf­register zwei Stunden zugreifen. Zukünftig soll die Zugriffsdauer auf 28 Tage verlängert werden und damit hinsichtlich des zentralen Impfpasses an die übrigen Gesundheitsdienstleister angeglichen werden.

Grundsätzlich ist dies eine sinnvolle Maßnahme, für uns ist es allerdings nicht erklärbar, dass eine Apotheke 28 Tage auf Elga zugreifen kann. Ein Apotheker ist kein Gesundheitsdienstleister, der Behandlungen oder Therapien durchführt. Auch wenn die Eintragung von Impfungen beziehungsweise eine eventuelle Kontrolle von der Aushändigung verschriebener Medikamente einen gewissen Zeitraum in Anspruch nimmt, wird dies sicher nicht 28 Tage benötigen, sondern sicher einen kürzeren Zeitraum. Daher ist aus unserer Sicht eine derartig lange Öffnung der individuellen Gesundheitsakte unverhältnismäßig.

Eines möchte ich hier schon festhalten, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Die 1 400 Apotheken in Österreich leisten täglich einen ausgezeichneten Dienst an 400 000 bis 500 000 Menschen. Sie sind Arbeitgeber, Versorger vor Ort und ein unverzichtbarer Gesundheitsdienstleister in allen Gemeinden. Während der letzten beiden Jahre, in der Pandemie, waren sie eine unverzichtbare Stütze bei der Bewältigung der Krise.

Herr Bundesminister! Wenn wir aber hier schon über die Apotheken reden: Viele Medikamente sind derzeit nicht lieferbar. Das Problem liegt aber nicht bei den Apotheken, sondern ganz woanders. Von Antibiotika über Schmerzmittel bis zum Hustensaft müssen sich die Konsumenten dieser Tage auf Engpässe ein­stellen. Einer der Gründe dafür ist die Auslagerung der Produktion nach China und Indien. Da die Arzneimittelwirkstoffe aus Kostengründen zunehmend dort hergestellt werden, besteht die Gefahr, dass die verhängten Sperren und Reisebeschränkungen Auswirkungen auf Produktion und Lieferung von Wirk­stoffen und damit auf die Verfügbarkeit der Arzneimittel auf unserem Markt


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haben. Diese Auslagerungen an internationale Konzerne fällt Europa nun auf den Kopf.

Das zweite Problem ist der Zusammenschluss von Pharmaunternehmen. Dadurch werden gewisse Wirkstoffe nur mehr von einem Unternehmen hergestellt, und dies nur mehr an einem einzigen Ort. Fällt dort die Produktion aus, ist ebenfalls eine Unterversorgung des Weltmarktes die Folge.

Die Problematik besteht vor allem bei gängigen Medikamenten, die oft ver­schrieben werden, wie Schmerzmittel – zurzeit Parkemed – oder Antibiotika. Bei speziellen teuren Arzneimitteln, wie etwa Krebsmedikamenten, ist der Ausfall äußerst gering.

Was machen die Apotheken in dieser Situation? – Viele Apotheker versuchen in dieser Situation, für die Patienten tragbare Lösungen zu finden, indem sie selbst aktiv werden, nach Absprache mit dem Arzt des Patienten nach Ersatzmedika­menten suchen, andere Apotheken kontaktieren, es dann von dort beschaffen oder in seltenen Fällen im Ausland bestellen. Laut Umfragen verbringen die Pharmazeuten im Schnitt pro Tag 2 Stunden damit, Ersatzanschaffungen von fehlenden Medikamenten durchzuführen. Mit einer Entspannung dieser Situ­a­tion ist in nächster Zeit nicht zu rechnen. Wir können sie aber verbessern, indem für Ausfälle die Vorräte in Österreich kurzfristig erhöht werden und auf lange Sicht die Produktion nach Europa zurückkehrt.

Was ist da passiert? – Vor zwei Jahren, am Beginn der Pandemie, haben wir hier im Parlament die großen Ankündigungen und das Versprechen vernommen: Die Antibiotikaproduktion muss ins Land zurückkommen! Mit Kundl und der Bio­chemie wären wir hier sehr gut aufgestellt. Passiert ist leider nichts. Bitte kom­men Sie auch da in die Gänge! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.41


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.



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14.41.19

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Minister! Nach der Ausschusssitzung am Dienstag und der Vorbereitung für die heutige Sitzung habe ich mir ein paar Minuten Zeit genom­men und habe mich einmal in mein Elga-Portal eingeloggt. Das ist ziemlich einfach, unter www.gesundheit.gv.at kann man mittels Mobiltelefon, aktivierter Handysignatur, gültiger Bürgerkarte in dieses Portal hineinkommen.

Trotz aller Bedenken, die immer wieder in Bezug auf Datenschutz geäußert wer­den, können Patient:innen und Ärzte wirklich maximal von diesem Portal profi­tieren. Man findet dort eben genau eine Auflistung der verordneten Medika­mente sogar der letzten Jahre (Bundesrätin Grimling: Um das geht es nicht! Es geht um die 28 Tage!), kann in das zentrale Impfregister Einschau halten und findet dort auch den grünen Pass.

Ich habe gerade an Kollegin Schartel gedacht, die ich jetzt gar nicht sehe, denn wenn man das Handy einmal vergisst und in irgendeiner Organisation ist, kann man tatsächlich auch über die Bürgerkarte und das Elga-Portal nachschauen, welchen Status man bei der Impfung hat und so weiter. Es ist also wirklich eine praktische Sache.

Als ich eben in diesem Elga-Portal dringewesen bin, ist mir aufgefallen, dass dort nicht alle Impfungen von mir vermerkt sind und ich derzeit über keinen Hausarzt oder keine Hausärztin verfüge, die mir die Impfung nachtragen könnte. In der Apotheke ist das aber ziemlich einfach und niederschwellig möglich (Bundesrätin Grimling: Es geht um die 28 Tage!) – wäre es möglich, wenn wir das jetzt beschließen. Ich nehme meinen analogen Impfpass und gehe in die Apotheke, das wird dort nachgetragen und ist dann eben im digitalen Impfpass sichtbar. (Bundesrätin Hahn: Aber warum muss das Fenster 28 Tage offen sein? – Bundesrätin Grimling: Warum 28 Tage?) – Dabei bin ich ja noch gar nicht! Ich rede momentan ja noch über etwas anderes. Ich rede über das Nachtragen von Impfungen, die zukünftig


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durch Apotheker vorgenommen werden können. (Bundesrätin Grimling: Da haben wir kein Problem! Das ist kein Thema!) Zu dem anderen komme ich später. Bitte bis zum Ende zuhören!

Auf jeden Fall wird das eine zusätzliche Serviceleistung sein. Die kann man in Anspruch nehmen oder nicht. Ich finde es praktisch, ich finde es gut, und das können in Zukunft eben Apotheken machen, dass Impfungen nachgetragen wer­den. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Jetzt kommen wir zu den umstrittenen 28 Tagen. Das ist im Ausschuss auch schon diskutiert worden, da geht es um 28 Tage, die der Apotheker nach einer Rezepteinlösung die Möglichkeit hat, Elga noch offen zu haben. Warum? – Auch das hat gute Gründe. Momentan sind es ja nur 2 Stunden. Ich denke zum Bei­spiel daran, dass ich für einen älteren Herrn öfter Rezepte abhole. Ich bringe sie ihm hin, und dann hat er eine Frage, die erst am nächsten Tag auftaucht. Dann kann er aber in der Apotheke gar keine Auskunft mehr bekommen, denn ich müsste dann wieder mit seiner E-Card dorthin gehen (Bundesrätin Grimling: 28 Tage!), die müsste wieder gesteckt werden, und dann könnte er anrufen. Das ist also höchst umständlich. In Zeiten, in denen man aus Corona auch gelernt hat, dass es oftmals einfacher ist, den Telefonhörer in die Hand zu nehmen, ist auch das eine sehr, sehr sinnvolle Sache. Es geht eben um Rezepteinlösung in Vertre­tung und spätere telefonische Beratung, wie ich gerade gesagt habe.

Es geht auch um Notfallsituationen außerhalb der Öffnungszeiten der Apotheke. Es geht um Medikationsanalyse. Ich habe jetzt gerade auch die Ausführungen von Kollegen Appé gehört, und da denke ich mir auch – das ist jetzt mein persön­licher Zugang –: Wenn es Probleme bei der Medikamentenbeschaffung gibt, es Ersatzmedikamente braucht, macht es ja durchaus auch Sinn, zu wissen: Was muss ich bestellen? Brauche ich eventuell Medikamentenersatz? Das ist ja auch für die Apotheken ein Vorteil.

Ich persönlich habe da überhaupt keine Bedenken. (Bundesrätin Grimling: Das haben wir eh gewusst!) Ich meine, es handelt sich um Apotheken. Das ist kein


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öffentlicher Bildschirm, wo jeder einschauen kann, sondern es unterliegt stren­gen Kriterien des Datenschutzes und jeder Zugriff ist sowieso dokumentiert. (Bundesrätin Hahn: Aber das nützt nichts, wenn die Daten schon missbraucht worden sind!) Ich wiederhole es noch einmal, weil ich es so wichtig finde: Es ist eine Serviceleistung, gerade wenn Patient:innen eingeschränkt sind und tele­fonische Beratung brauchen. (Bundesrätin Grimling: Da ist der Datenschutz wurst!)

Jetzt muss ich doch noch einmal zum Schluss Deutschland als Beispiel bemühen. Ich höre ganz oft von deutschen Kolleginnen und Kollegen, sie wären wirklich froh, auf ein zentrales Impfregister zugreifen zu können, ein solches oder Elga überhaupt zu haben. Es ist also eine sinnvolle Änderung, das System, was die Impfungen betrifft, schneller zu befüllen. (Bundesrätin Grimling: 28 Tage!) Alles andere kommt den Menschen in der Praxis auch sehr zugute. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrätin Grimling: 28 Tage! Und von Datenschutz noch nie etwas gehört! – Bundesrätin Hahn: Das ist völlig überschießend! – Bundesrätin Grimling: Aber sonst tun wir den Datenschutz in die Höhe heben bis zum Gehtnichtmehr!)

14.46


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karlheinz Kornhäusl. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrätin Grimling: Aber jetzt wird uns der Herr Doktor das erklären!)


14.46.13

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren auf der Galerie! Liebe Damen und Herren, die über den Livestream zugeschaltet sind! Kollegin Hauschildt-Buschberger hat mir den Praxisbezug fast aufgelegt.

Ich glaube, es ist schon gesagt worden: Worum geht es beim Gesundheits­tele­matikgesetz? – Zwei wesentliche Punkte: Das eine ist das Eintragen von spe­ziellen Impfungen durch Apothekerinnen, Apotheker und Hebammen in den elektronischen Impfpass, und der zweite wesentliche Punkt ist die Möglichkeit


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für Apothekerinnen und Apotheker, in Elga nachzusehen, wenn es um spezielle Medikamente geht.

Warum brauchen wir das? – Jetzt erzähle ich Ihnen tatsächlich aus der Praxis, weil ich es regelmäßig erlebe, dass Patientinnen und Patienten in der Ambulanz sind. Man fragt zum Beispiel nach dem Impfstatus – ich kenne das ja selber von mir –, und dann hat man diesen gelben Impfpass nicht dabei, er ist nicht aktuell oder man hat ihn verloren oder sonst irgendetwas. Daher hat es absolut Sinn, den E-Impfpass weiter auszubauen, weiter zu füttern, und ist es nur gut und richtig, das noch niederschwelliger zu gestalten, indem Apotheker und Hebam­men diese Möglichkeit haben. – Punkt eins.

Punkt zwei: Ich habe vorhin schon zu Kollegen Steiner gesagt, was ich Ihnen jetzt sage – jetzt ist er leider draußen. Heute ist ja der Tag, an dem die Frei­heitlichen regelmäßig recht bekommen, heute auch von meiner Seite bei diesem speziellen Punkt. Der Kollege lacht schon. Ich habe mir nämlich den Redebeitrag des Nationalratsabgeordneten Kaniak angeschaut, in diesem Fall als selbststän­diger Apotheker wirklich auch ein Mann der Praxis. Auch das erlebe ich und erlebt wahrscheinlich auch der Abgeordnete Kaniak regelmäßig: Ich sitze in der Notaufnahme, dann kommt ein Anruf aus einer Apotheke, und die Apothekerin oder der Apotheker fragt: Herr Oberarzt, ich habe gerade einen Herrn hier, der vor 17 Tagen bei Ihnen in der Ambulanz war. Sie haben ihm ein Medikament empfohlen, und er hat das Rezept dann beim Hausarzt geholt. Er hat jetzt Fragen zu dem Medikament. Der Hausarzt ist nicht da und nicht erreichbar, und ich weiß jetzt nicht, was für ein Medikament das war. Können Sie in Ihren Unter­lagen nachschauen?

Ja, natürlich kann ich das, aber es ist natürlich ein zeitlicher Aufwand, der damit verbunden ist, für die Bediensteten in der Apotheke und für uns Ärztinnen und Ärzte, die wir in der Notfallambulanz sitzen. Jetzt kann man hergehen und sagen, um Gottes willen, 28 Tage, das ist so schrecklich, es hätten 21, 15 oder, was weiß ich was, sein sollen. (Bundesrätin Grimling: Dann verlange ich 32 Tage!) Ich glaube, es ist sinnvoll, dass Apothekerinnen und Apotheker 28 Tage lang in Elga


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nachschauen können, wenn es um Medikamente geht. (Bundesrätin Hahn: Warum 28? – Bundesrätin Grimling: Warum? Aber die kann ich am 31. Tag auch brauchen!) – Ich verstehe Ihre Sorge nicht, Frau Kollegin, ich verstehe es wirklich nicht. Wenn sogar die Datenschutzbehörde sagt, das ist völlig einwandfrei und zu begrüßen, dann müssen Sie päpstlicher als der Papst oder noch strenger sein. (Die Bundesrätinnen Grimling und Hahn: Dass es euch wurst ist, wissen wir eh!) Ich verstehe es nicht. Es ist eine Verbesserung, vor allem für die Patientinnen und Patienten in diesem Land (Bundesrätin Hahn: Von 2 Stunden auf 28 Tage, das ist ...! Das ist eine willkürliche Zahl! – Bundesrätin Grimling: Das ist eine Verbesserung?), aber auch für die Apotheken und die Ärztinnen und Ärzte. Ich sehe Ihre Beden­ken nicht. Ich kann sie tatsächlich nicht teilen. Das ist weder zynisch noch bösartig von mir, ich kann sie schlicht und ergreifend nicht teilen. (Bundesrätin Grimling: Wir auch nicht!)

In diesem Sinne bin ich froh, dass dieses Gesundheitstelematikgesetz so auf Schiene gebracht worden ist, Herr Minister, weil es uns wirklich den Alltag im Spital, in den Apotheken, in den Ordinationen erleichtert. (Bundesrätin Grimling: Danke! Danke! Danke! Danke!) Ich bin auch froh, dass es vermeintlich auf breite Zustimmung treffen wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.50 14.50.09


Präsidentin Korinna Schumann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


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14.50.4213. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekammergesetz geän­dert werden (1657 d.B. und 1719 d.B. sowie 11103/BR d.B.)


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.


14.50.58

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekammergesetz geän­dert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. 14.51.24


Präsidentin Korinna Schumann: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Es liegen dazu keine Wortmeldungen vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


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14.51.5014. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Urlaubsgesetz, das Landarbeitsgesetz 2021 und das Heimarbeitsgesetz 1960 geändert werden (2793/A und 1683 d.B. sowie 11076/BR d.B. und 11085/BR d.B.)


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesord­nung.

Als Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl genannt. – Ich bitte um den Bericht.


14.52.07

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz, das Landarbeitsgesetz 2021 und das Heimarbeitsgesetz 1960 geändert werden.

Über Vorabentscheidungsersuchen des OGH hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 25. November 2021 in der Rechtssache C-233/20 entschieden, dass Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestal­tung in Verbindung mit Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Euro­päi­schen Union dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Vorschrift entge­gensteht, wonach eine Urlaubsersatzleistung für das laufende letzte Arbeitsjahr nicht gebührt, wenn der Arbeitnehmer beziehungsweise die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund vorzeitig einseitig beendet. (Bundesrat Schennach: Der Kocher ist nicht da! – Bundesrätin Grimling: Er ist nicht da, aus, Ende!)

Der umfangreiche Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor (Bundesrätin Grimling – in Richtung Bundesrätin Zwazl –: Er braucht das nicht vorlesen! – Bundesrätin Zwazl: Er wollte nur die Zeit überbrücken! – Bundesrätin Grimling: Ja,


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aber so blöd sind wir auch nicht, auch wenn er es immer glaubt!) –, darum habe ich hier nur einen Auszug gebracht. Und das entscheide ich, wenn ich das bringe.

Der Antrag liegt Ihnen vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke schön. (Bundesrat Schennach: Zur Geschäftsordnung!)


Präsidentin Korinna Schumann: Vielen Dank.

Zur Geschäftsbehandlung: Herr Bundesrat Schennach, bitte.

*****


14.54.12

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrte Frau Präsidentin, da der zuständige Minister noch nicht hier ist, würde ich vorschlagen, bis zu seiner Ankunft die Sitzung zu unterbrechen.

14.54


Präsidentin Korinna Schumann: Mir wurde gesagt, dass nicht der Herr Bundes­minister, sondern die Staatssekretärin im Ministerium kommt.

Das heißt, ich unterbreche die Sitzung, bis die Staatssekretärin eingetroffen ist.

14.54.31 *****

(Die Sitzung wird um 14.54 Uhr unterbrochen und um 14.55 Uhr wieder aufge­nommen.)


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*****

14.55.01 Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Korinna Schumann: Wir nehmen die Sitzung wieder auf und begrüßen die Staatssekretärin bei uns. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sascha Obrecht. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.55.22

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So froh ich bin, dass Sie hier sind, Frau Staatssekretärin, noch froher wäre ich gewesen, wenn der Minister hier wäre. Es fügt sich leider in das Bild des Tages ein. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Schennach: Jawohl!)

Man muss wirklich sagen, dass die Bundesregierung heute schon wiederholt durch Abwesenheit der verantwortlichen Ministerinnen und Minister glänzt. (Bundesrat Bader: Das ist wirklich Ihr Problem!) – Hören Sie mir bitte zu, bevor Sie reinschreien! Das ist bemerkenswert und zeigt auch eine Missachtung dieses Hauses. (Bundesrat Bader: Geh bitte, jetzt kann man sich diese Kindereien anhören! Was soll denn das, bitte? – Bundesrätin Grimling: Kollege Bader, Sie würden nicht anders agieren! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ist das eine Kinderei, dass wir wollen, dass die Bundesregierung bei einer Debatte im Parlament anwesend ist, wenn es um ein Thema geht, das der Minister oder die Ministerin jeweils zu verantworten hat? Das ist eine Kinderei für Sie? Das ist keine Kinderei für mich, das ist für mich ein Grundsatz unserer Demokratie. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der FPÖ. – Bundesrätin Grimling: Sehr gut! Bravo!)

Kommen wir aber vielleicht zum Thema. Das Thema ist das Urlaubsgesetz. Das Urlaubsrecht – prinzipiell ja eigentlich eine sonnigere Seite des Lebens – hat zwei Benefits aufseiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und damit im


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Grunde auch für das ganze Land, einerseits fünf Wochen Erholung, ab 25 Jahren sogar sechs Wochen Erholung, andererseits wird es auch bezahlt. Das heißt, man hat während dieser Zeit eine finanzielle Sicherheit.

Ich habe ein wenig verfolgt, wie der Oberste Gerichtshof sich die Frage gestellt hat, ob die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Urlaubsgesetz europarechtskonform ist. Machen wir es einfach und lassen wir die Paragrafen weg, da geht es um folgen­des Szenario: Der Arbeitnehmer, die Arbeitnehmerin tritt unberechtigt aus, das heißt, sie kommt von einem Tag auf den anderen nicht mehr in die Arbeit. Da war die österreichische Rechtslage, es gebührt keine Urlaubsersatzleistung, gar nichts.

Der OGH hat Zweifel dran gehabt, ob das wirklich europarechtskonform ist, denn in der Arbeitszeitrichtlinie – das ist die europäische Grundlage – steht drinnen: vier Wochen Urlaubsanspruch, also ein bissel weniger. Österreich übererfüllt das, aber prinzipiell sind es vier Wochen Urlaubsanspruch, und die Ersatzleistung für diese vier Wochen muss auch sein. Österreich macht das durch diese Regelung nicht, deswegen sagt der OGH, für diese vier Wochen gibt es jedenfalls eine Urlaubsersatzleistung, bei der fünften muss er sich an die nationale Gesetzgebung halten.

Es ist also ein recht klares Urteil. Der OGH hat das aufgenommen (Bundesrätin Zwazl: Ja!), hat auch genau so Recht gesprochen, und wir beschließen jetzt genau dieses Gesetz. Wir vollziehen eins zu eins nach, was uns der EuGH und der OGH gesagt haben.

Das Problem dabei ist, dass in den Materialien zu diesem Gesetz das so darge­stellt wird, als wäre das die einzige Option gewesen. Das war sie natürlich nicht. Die Arbeitszeitrichtlinie darf grundsätzlich nicht dafür herangezogen werden, um zu sagen, dass man Ansprüche nach unten nivelliert. Dementsprechend hätte man genauso gut einfach die Bestimmung, die wir jetzt hier behelfsmäßig novel­lieren, entfallen lassen können. Ergebnis wäre gewesen, dass die Arbeiterneh-


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mer:innen fünf Wochen beziehungsweise nach 25 Jahren sechs Wochen bekom­men hätten. Jetzt kriegen wir vier. (Bundesrätin Zwazl: Ja, wir haben vorher gar nichts gehabt!)

Das zeigt auch den Umgang des Arbeitsministers – Frau Staatssekretärin, das trifft zwar nicht ganz Ihren Bereich – mit dem Europarecht. Jedes Mal, wenn es dazu gut ist, Arbeitnehmer:innenrechte nach unten zu nivellieren, erfüllt er es sofort. Da ist er wirklich Europa- und Weltmeister. Das kann ich auch zuge­ste­hen, da ist er dann wirklich Europa- und Weltmeister. Wenn es darum geht, Arbeitnehmer:innenrechte aufgrund des Europarechts zu erhöhen, dann ist er nicht einmal Hausmeister. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Der Punkt ist nämlich: Es gibt die Mindestlohnrichtlinie – da hat er sich enthal­ten. Er hat noch immer nicht seine Meinung dazu kundgetan. Es ist eine Maß­nahme, die extrem vielen Menschen, extrem vielen Arbeitnehmer:innen – viel­leicht nicht in Österreich, aber quer durch Europa – viel helfen würde. Es gibt die Whistleblowerrichtlinie, die seit Ende letzten Jahres hätte umgesetzt werden sollen. Wir sind säumig. Wir sind bald ein Jahr säumig! Das Begutachtungsver­fahren hat im Juli geendet, es gibt nach wie vor keinen Gesetzesvorschlag. Immer wenn es darum geht, die Rechte von Arbeitnehmer:innen zu erhöhen – nichts. Wenn es darum geht, nach unten zu nivellieren, ist er der Erste und der Schnellste. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich will an der Stelle auch schon zu einem Ende kommen. Die Sache, mit der ich schließen will, ist eine ernst gemeinte Danksagung frei von Zynismus, tatsächlich ernst gemeint, die mir als Bundesrat, aber auch als Staatsbürger dieses Landes ein Anliegen ist: Ich möchte der Mutter von Thomas Schmid Dank aussprechen (Bundesrätin Zwazl: Der vieles ... wird!), denn die Mama von Thomas Schmid ist dafür verantwortlich, dass all diese Informationen rausgekommen sind (Zwischen­ruf bei der ÖVP), dass Thomas Schmid endlich auch wirklich ausgepackt hat und wir sehen, was für ein türkiser Sumpf dahintersteht. – Insofern sind Sie, Thomas Schmids Mama, Rosmarie Schmid, für mich jetzt schon Österreicherin des


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Jahres 2022! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser. – Bundesrätin Zwazl: Also das war steil! – Weiterer Zwischenruf bei der ÖVP.)

15.00


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.00.14

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem Tagesord­nungspunkt folgen wir – das hat mein Vorredner ja schon gesagt – einem EuGH-Entscheid. Mit diesem Entscheid stärken wir den Arbeitnehmerschutz, denn wir beschließen etwas, das es vorher nicht gab. Das ist schon wichtig zu betonen. (Beifall bei Bundesrät:innen von Grünen und ÖVP.)

Wir ändern mit dieser Novellierung das österreichische Urlaubsrecht. Was ändern wir? – Dass auch bei ungerechtfertigtem Ausscheiden aus einem Arbeits­verhältnis Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen ein unverbrauchter Jahres­urlaub im Ausmaß von vier Wochen erhalten bleiben muss. Bisher verfiel der unverbrauchte Urlaubsanspruch nämlich im Fall des ungerechtfertigten Aus­scheidens. Es handelt sich also um eine Verbesserung des Arbeitnehmer­schut­zes. Das ist immer wichtig zu sagen. (Vizepräsident Hirczy übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben das übrigens für den öffentlichen Dienst bereits beschlossen. Interes­santerweise war die FPÖ bei dieser Abstimmung dafür. Ich bin also durchaus neugierig, warum man jetzt dagegen ist. Im Grunde ist der EuGH-Entscheid schon wichtig. Das EU-Recht hat uns in diesem Fall geholfen, die Arbeitneh­mer­rechte auszubauen und zu erweitern. Es wird nichts beschnitten, es wird nichts nach unten nivelliert, es wird nichts zurückgedreht, es wird auch nichts abge­schafft. Ganz im Gegenteil: Eine Gruppe, die bisher keinen Anspruch hatte, hat jetzt einen Anspruch. (Bundesrat Obrecht: Anwendungsvorrang ...!)


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Wer ein bisschen die Lebensrealität und manchmal auch grausame Lebensreali­tät kennt, weiß, wo denn solche außergewöhnlichen Maßnahmen, solche außer­gewöhnlichen Kündigungsgeschichten vorkommen. Die kommen oft bei lebens­gefährlichen Arbeitsbedingungen, dann, wenn monatelang keine Bezahlung erfolgt, bei sexuellen Übergriffen, bei systematischem Mobbing, Diskriminie­run­gen und so weiter vor. Genau diese Leute, Herr Kollege Obrecht, bekommen jetzt Recht auf diesen Jahresurlaub. (Bundesrat Obrecht: Auch ohne diesen Beschluss! Auch ohne diesen Beschluss!)

Die Behauptung, dass einmal bestehende Urlaubsansprüche aus den Vorjahren nicht mehr geltend gemacht werden können, ist übrigens auch falsch. Das ist ja auch öfter geäußert worden. Das bleibt ja wie bislang bestehen. Was tatsächlich passiert, ist, dass vier Wochen an Jahresurlaub künftig von jenem Jahr abgegol­ten werden, in dem der vorzeitige Austritt stattfindet, so wie es der EuGH eben geurteilt hat. Diesen Anspruch gab es bisher nicht, aber mit dem Beschluss heute gibt es ihn. Deswegen kann man da getrost zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

15.03


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Bundesrätin.


15.03.11

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aufgrund eines EuGH-Urteils vom November 2021 und einem OGH-Urteil vom Februar 2022 ist es erforderlich, das Urlaubsgesetz, das Landarbeitsgesetz und das Heimarbeitsgesetz zu ändern. Die Änderung ist dahin gehend begrüßenswert, dass, wenn ein Arbeitnehmer das Dienstverhältnis ohne besondere Gründe löst, der nicht konsumierte Urlaub ausbezahlt wird. Das ist ja einmal prinzipiell zu begrüßen.

Negativ an dieser Gesetzgebung ist, dass der Anspruch mit dem laut EU vorge­geben Mindeststandard, Mindestanspruch auf Urlaub, nämlich auf vier Wochen,


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begrenzt ist. In Österreich – das wissen wir und der Kollege hat es ja schon erklärt – haben wir mindestens fünf Wochen Urlaub, nach 25 Jahren haben wir sechs Wochen Urlaub, und man greift mit dieser Regelung jetzt auch in alle Kollektivverträge ein, die auch einen höheren Anspruch hätten.

In der Plenarsitzung vor der Sommerpause hat der Sozial- und Gesundheits­minister nach der Vorstellung seines Pflegereförmchens ja bejubelt, dass es für Arbeitnehmer im Pflegebereich in Zukunft leichter sein wird, dass man sechs Wochen Urlaubsanspruch hat. Da ist die Krux drinnen, denn es kann aufgrund des Fachkräftemangels in der Pflege kein Mensch – darum ist ja das Pflegeper­sonal so ausgelaugt – tatsächlich den Urlaub konsumieren. Das heißt, wenn eine Pflegekraft vorzeitig ihr Dienstverhältnis löst, wird sie diese sechs Wochen nicht verbrauchten Urlaub nie und nimmer ausbezahlt bekommen.

Ich kann mir diese Entscheidung der Regierung, warum sie es genau auf vier Wochen, also auf das unterste Niveau ansetzt, nur damit erklären, dass der zustän­dige Arbeitsminister gleichzeitig auch Wirtschaftsminister ist und bei der Um­setzung die Wirtschafts- und Unternehmerinteressenvertretung, aber keines­falls die Arbeitnehmerinteressen im Fokus hatte.

Wir wissen alle: In den meisten Fällen, wenn Österreich eine EU-Richtlinie, eine -Verordnung oder was auch immer umzusetzen hatte, ist Österreich immer als Musterschüler vorangegangen. Wir haben alles umgesetzt, oftmals haben wir noch ein bisschen mehr umgesetzt, als die EU eigentlich gefordert hat. Wenn es um Richtlinien oder Verordnungen im Zusammenhang mit allen möglichen Din­gen ging, waren wir immer Musterschüler.

Wir Freiheitliche werden einem arbeitnehmerfeindlichen Gesetz sicherlich nicht unsere Zustimmung geben, und ich hoffe, dass man sich besinnt, dass man das irgendwann einmal auf eine mit den österreichischen Gesetzen konforme Rege­lung anhebt. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

15.06



BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 209

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­des­rätin Sonja Zwazl. – Bitte, Frau Bundesrätin.


15.06.11

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin. Ich sage ein herzliches Dankeschön und freue mich, dass die Frau Staatssekretärin den Herrn Minister vertritt. Sie ist Unternehmerin und kennt das Arbeitsrecht und das Urlaubsrecht aus ihrer langjährigen Praxis sehr genau. (Bundesrätin Grimling: Na dann, Sonja!)

Außerdem ist es ganz einfach so, dass wir heute hier eine Besserstellung beschließen. Ich verstehe auch gar nicht, warum das arbeitnehmerfeindlich ist, wenn jetzt jemand einen Anspruch kriegt, den er vorher nicht hatte. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir tun jetzt so, als ob es nur einen berechtigten und einen unberechtigten Aus­tritt als Lösung eines Arbeitsvertrages, eines Beschäftigungsverhältnisses gibt. Wir alle wissen aber, es gibt eine einvernehmliche Kündigung, eine durch den Dienstnehmer, durch den Dienstgeber, es gibt eine berechtigte, eine unberech­tigte Entlassung und es gibt einen berechtigten vorzeitigen Austritt. Da hat es ja überhaupt keine Schlechterstellung gegeben.

Es gibt aber auch einen unberechtigten vorzeitigen Austritt, und so arbeit­neh­mer:innenfreundlich ist der gar nicht, denn es ist nicht nett, wenn jemand in der Früh anruft und sagt: Schickt mir das Geld und die Papiere, ich komme nicht mehr! – Es kann sein, dass dann zum Beispiel ein Kollege, eine Kollegin den Urlaubsantritt verschieben muss.

So ist das nicht. Wenn ein vorzeitiger Austritt unbedingt notwendig ist und ich ihn begründen kann, dann mache ich das. Wenn er jetzt bei einem unberech­tigten vorzeitigen Austritt die vier Wochen kriegt, dann verstehe ich nicht, warum man das hier als eine Schlechterstellung bezeichnen kann.


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Ich finde einen unberechtigten vorzeitigen Austritt wirklich in jede Richtung nicht fair – in Richtung des Unternehmens, aber auch nicht in Richtung der Kolleginnen und der Kollegen. So sehe ich das ganz einfach. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Es gibt ganz einfach Regeln, die wir im Gesellschaftsleben, im Leben haben, ob das jetzt beim Autofahren oder auch in den Unternehmen ist. Dass man beim unberechtigten vorzeitigen Austritt jetzt auch diese vier Wochen oder den aliquoten Anteil bekommt, finde ich eine Besserstellung, und ich kann nicht nach­vollziehen, warum man eine Besserstellung als arbeitnehmerfeindlich bezeichnet.

Ich wünsche mir – ich weiß, dass das Klima in unseren Betrieben ein sehr gutes ist –, dass wir sehr wenige unberechtigte vorzeitige Austritte haben. Deshalb bitte ich auch, dass alle hier zustimmen. Ich denke, dass wir alle gemeinsam dazu beitragen, dass es auch in Zukunft wenige solche Austritte gibt. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.09


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Frau Bundesrätin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat.


15.09.19

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Herr Vizepräsident! Werte Frau Staatssekretärin! Ich mache es recht kurz: Es ist jetzt mehrfach an dieser Stelle behauptet worden, wir schaffen damit heute einen Anspruch, den es bislang nicht gibt. Rechtlich ist das falsch. Es gibt den Anwendungsvorrang des Europa­rechts – der gilt. Das heißt, selbst, wenn wir diesen Beschluss heute nicht fassen würden, wären vier Wochen Anspruch da. Mit diesem Gesetz machen wir das nicht. – Das sage ich nur, damit das auch wirklich klar ist, weil das jetzt mehrfach gesagt worden ist und wirklich einfach falsch ist, was gesagt wurde. (Bundesrätin


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Zwazl: Aber bis jetzt wurde es nicht - -!) Die Frage ist, warum man systemwidrig vier Wochen und nicht fünf und sechs Wochen macht, wie es dem österreichi­schen Urlaubsrecht immer entsprochen hat.

Insofern wirklich die Klarstellung: Selbst, wenn wir das heute hier nicht beschließen würden, gibt es diese vier Wochen, und das ist kein Anspruch, der hier kreiert wird. (Beifall bei der SPÖ.)

15.10


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster gelangt Bundesrat Karl Bader zu Wort. – Bitte.


15.10.16

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte kurz auf die Empörung der SPÖ im Hinblick auf die Anwesenheit von Mitgliedern der Bundesregierung eingehen.

Ich finde es eine Herabwürdigung der Frau Staatssekretärin, hier diese Empö­rung zu zeigen. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Die Staatssekretärin ist auch Mitglied der Bundesregierung, dem Bundesminister beigegeben. Ich kann mich schon an viele Jahre erinnern, als es SPÖ-Minister gegeben hat, denen Staats­sekretäre beigegeben waren, SPÖ-Bundeskanzler gegeben hat, denen Staats­sekretärinnen und Staatssekretäre beigegeben wurden (anhaltende Zwischenrufe der Bundesrätin Hahn), FPÖ-Innenminister und so weiter und so fort. Ich erwarte also schon diese Wertschätzung jedem Mitglied der Bundesregierung gegen­über, denn die Vertretung des Ministers durch die Frau Staatssekretärin ist keine Missachtung des Parlaments. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Anscheinend ist es in diesem Haus aber so, wenn die SPÖ diese Vorgehensweise wählt, ist es hui, wenn es die ÖVP macht, ist es pfui.

Und ein Zweites, das ich auch noch ansprechen möchte, im Hinblick auf die Schadenfreude in der Rede des Kollegen Obrecht und die zynische Aussage


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betreffend die Mutter von Herrn Schmid: Es ist für mich eine klare Missachtung des Rechtsstaates, was Sie mit Ihren Aussagen hier betreiben. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Das ist nicht zynisch! – Ruf: Ja, du!) Es ist eine Miss­achtung des Rechtsstaates, weil Sie ganz einfach hergehen und die Aussage eines Beschuldigten heranziehen, der für Sie noch vor einem Jahr eine Persona non grata war, aber jetzt den großen Gott darstellt, weil er eine Aussage getätigt hat (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), eine Aussage eines Beschuldigten, der nicht unter Wahrheitspflicht steht. Es steht Aussage gegen Aussage. Es ist daher auch klar und deutlich vom Herrn Bundeskanzler angesprochen worden: Wir stehen für volle Aufklärung (Bundesrat Spanring: Natürlich!), und diese Aufklärung ist von den Staatsanwälten und dann von den Gerichten durchzuführen. Was Sie tun, ist nichts anderes als eine politische Vorverurteilung. Ich sage Ihnen, eine politische Vorverurteilung und eine Vorverurteilung insgesamt ist ein massives Unrecht in diesem Land. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

15.13


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster gelangt Bundesrat Stefan Schennach zu Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.13.39

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Mein Gott, muss das Gewissen drücken, das ist ja unglaublich. (Bundesrat Spanring: Was für ein Gewissen, der hat ja keines?!) – Sein Gewissen! Das ist eben Ausdruck schlechten Gewissens gewesen, nämlich in beiden Bereichen, die Kollege Bader hier angesprochen hat. Zum einen: Kollege Obrecht hat in keiner Weise die Frau Staatssekretärin herabgewürdigt. (Bundesrat Bader: Ja, du! – Bundesrat Buchmann: Herr Kollege, wir wissen, dass die parlamentarische Rede aus Rede und Widerrede besteht! – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Bader.– Jetzt einmal Ruhe, Herr Fraktionsvorsitzender! (Beifall bei der SPÖ.) Wir haben uns diese Anschuldigungen gerade angehört und jetzt antworte ich auf diese Anschuldigungen. Kollege Obrecht hat einzig und allein den Wunsch ausgedrückt, diese wichtige Frage mit dem ressortführenden Minister zu klären.


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Der ressortführende Minister, Entschuldigung, ist aber nicht die Staatssekretärin, nichts anderes hat Kollege Obrecht gesagt. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass Kollege Steiner und ich generell am Beginn dieser Sitzung den akuten Ministermangel – der ist fast schon so akut wie der Medizinmangel, von dem Herr Appé erzählt hat, oder Tablettenmangel – artikuliert haben, kann ja nicht nachher zu diesen Reaktionen führen.

Zweitens: Kollege Obrecht hat überhaupt den Rechtsstaat in keiner Weise herabgewürdigt. Er hat einzig und allein – und das sollten du und andere vielleicht auch tun – über eine Mutter gesagt, was für eine starke Mutter das ist, die ihrem Sohn sagt: Wenn du etwas angestellt hat, dann steh dazu! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Preineder: Die zweite Lächerlichkeit! – Ruf: ... nicht zu über­bieten! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich zitiere hier Kollegen Obrecht, und wenn Kollege Bader da etwas anderes heraushört, dann entspricht das offensichtlich seiner extremen Nervosität in dieser Sache. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich kann das ja auch verstehen, die letzten 48 Stunden waren fürchterlich. Deshalb: Lassen wir es einfach! Stell dein Pferd in den Stall, nimm den Sattel herunter und die Bemerkung des Kollegen Obrecht einfach so, wie sie war: eine tolle Mutter, die ihrem Sohn so ins Gewissen redet – nichts anderes! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf: Bravo! – Bundesrat Himmer: Einen Orden für die Mama!)

15.16


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster ist Bundesrat Dr. Karl-Arthur Arlamovsky zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.16.34

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gar nicht auf die politische Debatte hier eingehen, sondern rechtlich klarstellen: Kollege Bader, wenn du sagst, Staatssekretärinnen und Staatssekretäre würden


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der Bundesregierung angehören, so ist das falsch. Sie sind nicht Mitglieder der Bundesregierung, sie sind auch nicht stimmberechtigt im Ministerrat, sie dürfen aber am Ministerrat teilnehmen (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Spanring) – Artikel 69 und folgende B-VG –, und das hat Kollege Obrecht ja prä­zise formuliert, subtil formuliert auch damit gemeint. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Spanring.)

15.17 15.17.15


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

 

15.17.5315. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (2796/A und 1685 d.B. sowie 11086/BR d.B.)


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Franz Ebner. – Ich bitte um den Bericht.


15.18.17

Berichterstatter Mag. Franz Ebner: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den


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Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher direkt zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.19.05

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja in letzter Zeit immer wieder Tagesordnungspunkte, in denen wir etwas, was wir schon sehr oft hier diskutiert haben, wieder verlängern, da uns diese Pandemie nun einmal zermürbend lange – das möchte ich schon auch zugeben – begleitet. In diesem Falle ist tatsächlich eine Erweiterung beziehungsweise eine neue Phase notwendig. Es geht um die Sonderbetreuungszeit.

Die sechste Phase, die wir für die Sonderbetreuungszeit hatten, ist am 8. Juli dieses Jahres ausgelaufen. Da wir immer noch Sonderbetreuungszeiten brauchen, beschließen wir eben jetzt Phase sieben, die dann bis 31. Dezember gelten wird. Danach werden wir weiterschauen, und wenn es dann eine achte Phase braucht, wird es eine achte, und wenn es eine neunte braucht, wird es eine neunte geben. So ist das eben in dieser Pandemie und so wird das auch weiter sein. (Bundesrat Steiner: Was für eine Pandemie?!) Die Sonderbetreu­ungszeit gegen Fortzahlung des Entgelts wird verlängert (Bundesrat Steiner: Nicht


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am Köcheln halten!) – ihr seid ja eh auch dafür –, als Höchstanspruch sind insge­samt drei Wochen je Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer vorgesehen. Arbeit­geber haben Anspruch auf Vergütung des in der Sonderbetreuungszeit an die Arbeitnehmer gezahlten Entgelts durch den Bund aus Mitteln des Covid-19-Krisenbewältigungsfonds.

So, welche Fallgruppen sind das jetzt? – Es sind drei Gruppen. Es geht um Kin­der, für die eine Betreuungspflicht besteht, wenn diese aufgrund einer Ver­ordnung nach dem Epidemiegesetz – und jetzt gebe ich Ihnen Antwort auf Ihre Frage, Herr Christoph Steiner – beim Betreten einer Lehranstalt oder einer Kinderbetreuungseinrichtung eingeschränkt werden – wenn diese also geschlos­sen ist. Es geht um Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr, für die eine Betreuungspflicht besteht, wenn sie wegen der teilweisen oder vollständigen behördlichen Schließung von Lehranstalten diese nicht besuchen können, und es geht um Menschen mit Behinderungen, für die eine Betreuungspflicht besteht, die auch aus besagten Gründen nicht hingehen können, weil sie unter Quarantäne stehen oder weil die Einrichtung geschlossen ist.

Darum geht es, mehr ist es nicht. Ich glaube, da kann man getrost zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

15.21


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Barbara Tausch zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.


15.21.49

Bundesrätin Barbara Tausch (ÖVP, Oberösterreich): Werter Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause live vor dem Bildschirm! Ja, es wäre schön, wenn wir die Sonderbetreuungszeit nicht nochmals verlängern müssten, doch unseligerweise bringen es die Umstände wieder mit sich. Es ist leider noch immer nicht vorbei. Noch immer zeigt die Pandemie ihre Zähne, will nicht


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weichen und fordert nach wie vor die Familien und dazu die Betriebe, wenn Kinder an Covid erkranken und Mamas oder Papas Betreuung notwendig ist.

Daher macht es Sinn, dass wir die pandemiebedingte Sonderbetreuungszeit nochmals verlängern, und zwar rückwirkend ab 5. September bis zum 31. Dezember 2022. Damit geben wir den Eltern Sicherheit; zum einen die Sicherheit, dass, wenn notwendig, nochmals bis zu drei Wochen Sonderbetreu­ungszeit für Kinder in Anspruch genommen werden können, also auch wenn sie davor schon einmal genutzt werden musste. Und wir geben damit auch den Unternehmerinnen und Unternehmern Sicherheit, denn damit werden zumindest die Kosten für die Freistellung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Covid-19-Krisenbewältigungsfonds übernommen.

Ja, wir geben damit Sicherheit in Krisenzeiten, in außergewöhnlichen Zeiten, in herausfordernden Zeiten. Es ist ja mittlerweile nicht nur die Pandemie zu bewäl­tigen, sondern auch die Teuerung, die Energiekrise und der unberechenbare Krieg in der Ukraine. Gerade da braucht es gezielte Maßnahmen, quasi Krisen­entschärfer, um der Bevölkerung in den herausfordernden Zeiten zu helfen, um auch tatsächlich aus der Krise zu kommen.

Ja, da haben wir in Österreich zum Glück schon sehr viel auf den Weg gebracht, und das darf mit keiner Silbe unerwähnt bleiben. Wie wir heute schon mehrmals gehört haben, ist es auch pädagogisch sinnvoll, so manche Dinge auch mehrfach zu wiederholen. Denken wir an die Unterstützungen der diversen Covid-Hilfen, Energiepakete, ökosoziale Steuerreform, Abschaffung der kalten Progression. Wenn ich jetzt überall ins Detail gehen würde, stünde ich morgen noch da, was ja eigentlich ein gutes Zeichen für ein sehr umfangreiches und sehr gutes Krisen­bewältigungsprogramm ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, erlauben Sie mir im Zusammenhang mit die­sem Tagesordnungspunkt nochmals vor allem auf die Familien zu blicken. Kolle­gin Eder hat es schon erwähnt, aber ich möchte es trotzdem auch anmerken, denn es ist, wie gesagt, pädagogisch wertvoll, wenn man so manches wiederholt.


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Ja, was wurde bereits auf den Weg gebracht? Welche Krisenentschärfer sind noch zu erwarten? – Zum einen, wenn man speziell auf Familienleistungen blickt, hat es im Juli bereits die Familienbonuserhöhung von 1 500 auf bis zu 2 000 Euro gegeben beziehungsweise hat es im August dann eine extra Familienbeihilfen­zahlung von 180 Euro gegeben. Das ist ausbezahlt worden, und der Kinder­mehr­betrag ist 2022 bereits auf 550 Euro erhöht worden.

Wenn man dann auf so Allgemeines blickt, etwa was die Einkommensteuer betrifft, muss man sagen, da gab es heuer die Senkung von 35 auf 30 Prozent beziehungsweise einen Mischsatz und nächstes Jahr kommt dann die Senkung von 42 auf 40 Prozent. Auch die 500 Euro Klimabonus muss man sich nochmals vor Augen führen; also 250 Euro Klimabonus und 250 Euro Antiteuerungsbonus.

Schauen wir noch weiter, auf den Bereich Mobilität – das sind ja Dinge, die wir schon fast vergessen hätten –: Seit Mai gilt ja die Erhöhung des Pendlerpau­scha­les und des Pendlereuros. Auch hinsichtlich der Energiekosten wurden schon sehr bald Maßnahmen gesetzt: das Aussetzen der Ökostrompauschale und des Ökostromförderbeitrags – das macht rund 100 Euro im Jahr aus – oder der Gutschein für 150 Euro Energiekostenausgleich.

Es geht noch weiter, es gibt Unterstützungen für Familien im Bereich der Ausbildung der Kinder: die Erhöhung der Studienbeihilfe von 8 bis 12 Prozent, die Verlängerung des Digischecks für Lehrlinge, also Studierende und Lehrlinge. Und wenn man nochmals auf die heutigen Beschlüsse blickt, so gilt dann ab dem nächsten Jahr die bereits angesprochene und ja Gott sei Dank auch beschlos­sene an die Teuerungsrate angeglichene jährliche Erhöhung – das ist histo­risch! – der Familienleistungen, also von Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Familien­zeitbonus, Schülerbeihilfe.

Das ist schon irrsinnig viel – und es geht noch weiter, wenn man sich die Abschaf­fung der kalten Progression anschaut. Es ist also Schluss mit der schleichenden Steuererhöhung, dass man wegen der Lohnerhöhung in die nächste Steuerstufe kommt und dann aufgrund dessen diese Teuerung nicht abfedern kann. Die kalte


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Progression ist Gott sei Dank wirklich zu 100 Prozent abgeschafft worden, aber darüber haben wir heute schon diskutiert. Ab 1.12. gilt dann auch schon die Strompreisbremse, was auch nicht unerwähnt bleiben darf.

Es gibt also sehr, sehr viele Maßnahmen, die man wirklich auf keinen Fall schlechtreden darf und die sehr, sehr gute Arbeit sind. Das ist einfach ein guter Mix aus treffsicheren Soforthilfen und langfristigen Entlastungen, im Speziellen für unsere Familien.

Diese Maßnahmen sind keine Selbstverständlichkeit, und für sie gilt kein: Ja, das steht mir zu!, was man auch oft hört. Das ist nicht fair. Blicken wir über unseren Tellerrand, also über Österreich hinaus, stellen wir fest, wir sind im EU-Vergleich auf Platz zwei mit den Unterstützungsleistungen, und diese betragen sogar bis zu rund 4 000 Euro pro Person. Das ist also nicht nichts. Österreich leistet da Außergewöhnliches, und großer Dank gilt dabei vor allem auch unserem Bundes­kanzler Karl Nehammer, Finanzminister Magnus Brunner und dem gesamten Regierungsteam. Es wird hier ordentliche Arbeit geleistet. (Beifall bei der ÖVP.)

Damit komme ich zum Schluss. Die Vereinbarung von Beruf und Familie ist wahrlich eine Challenge, das weiß jeder. Es ist auch ein ständiger Wandlungs- und Anpassungsprozess. Das muss uns bewusst sein, und das ist uns auch bewusst, und wir müssen auch da ständig arbeiten. Die Pandemie und die aktu­ellen Herausforderungen haben es uns natürlich nicht leicht gemacht. Wie erwähnt, Unterstützungsleistungen sind nicht die alleinigen Krisenentschärfer, das wissen wir, sondern es sind auch der Zusammenhalt in der Gesellschaft, das gegenseitige Vertrauen und auch die Rahmenbedingungen, wie eben etwa die vorliegende Verlängerung der Sonderbetreuungszeit. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

15.28


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächste zu Wort gemeldet ist unsere Präsi­dentin Korinna Schumann. – Bitte, Frau Präsidentin.



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15.28.51

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es ist ja alles so wunderbar, wir haben faktisch paradiesische Zustände (Beifall bei Bundesrät:in­nen der ÖVP) – applaudieren Sie, jawohl! –, aber leider kommt es bei den Leuten nicht an. (Bundesrat Preineder: Weil Sie es wegreden!) Ich weiß nicht, mit wem bitte reden Sie? Reden Sie mit den Menschen im Supermarkt? Reden Sie mit denen! Reden Sie mit den Menschen, die verzweifelt versuchen, irgendwie ihre Rechnungen zu bezahlen? Reden Sie mit denen? – Ich glaube nicht, denn wenn man davon redet, es seien paradiesische Zustände, dann muss ich dazu sagen, das entspricht einfach nicht der Lebensrealität der Menschen.

Wir reden mit sehr vielen Menschen, und ich als Gewerkschafterin sowieso, und die Verzweiflung ist extrem groß. Jede Maßnahme, die ein bisschen hilft, ist schon gut, aber sie hilft nicht im Gesamten. Und vor allen Dingen haben wir die Problematik: Es ist nett, wenn man Einmalzahlungen und Ausgleichszahlungen und eine Erhöhung der Sozialleistungen macht, das ist alles gut, aber wichtiger wäre es gewesen, die Inflation zu dämpfen. Das ist etwas, was hilft. Da gilt es, Maßnahmen zu setzen. (Bundesrat Preineder: Dann darf ich die Löhne nicht so erhöhen!) Dann braucht es auch nicht so viele Ausgleichszahlungen. Darum geht es. (Beifall bei der SPÖ.) Wir haben eine extrem hohe Inflation im europäischen Vergleich, darum geht es – und dann bräuchte man auch nicht so viel abzufe­dern. Die Menschen sind verzweifelt.

Die Sonderbetreuungszeit ist wieder ein Zeichen. Die ÖVP und auch die Grünen sagen, sie tun so viel für die Familien – ist schon alles gut, aber: Wie kommt es denn dazu, dass man die Sonderbetreuungszeit jetzt rückwirkend wieder einfüh­ren will? – Sie haben es nicht am Radar gehabt! Sie haben die Situation der Eltern nicht am Radar gehabt, und wir haben schreien müssen: Bitte, die Sonder­betreuungszeit gehört wieder verlängert! (Beifall bei der SPÖ.) Natürlich haben


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Sie es nicht gemacht, nur auf Druck ist es wieder passiert, weil Sie die Lebens­realität der Menschen einfach nicht im Blick haben. Ihr Himmel ist ein abge­hobener, unser Leben ist die Realität der Menschen und denen zu helfen.

Lassen Sie mich noch einmal ein bisschen die Thematik der gesamten Betreu­ungsstruktur ansprechen, denn da geht es um sehr viel – die Frau Staatssekre­tärin wird es auch wissen –, denn es geht auch um den Tourismus, es geht auch um die Gastronomie und es geht um die Arbeitskräfte. Und es geht um die Frage: Wie sehr habe ich die Chance, Beruf und Familie zu vereinbaren? Da wäre es extrem wichtig gewesen, im Ausbau der elementarpädagogischen Einrichtun­gen einen großen Schub zu machen, aber das ist nicht passiert. (Bundesrat Preineder: Niederösterreich macht es jetzt!) – Geh! Dreimal haben Sie es versaut, ganz eindeutig. (Bundesrat Steiner: Frau Präsidentin!) – Ich nehme das Wort „versaut“ zurück. Dreimal haben Sie nicht richtig gehandelt. – Ich entschuldige mich für „versaut“, das war nicht gut, das war aus der Emotion, das war nicht richtig.

Das erste Mal wäre es im Resilienzfonds möglich gewesen. Es wäre europäisches Geld da gewesen, um einen wirklichen Schub im Ausbau der Kinderbetreuung zu machen. Das zweite Mal war bei der 15a-Vereinbarung, da ist nur gekleckert worden und nicht geklotzt. Von einem Ausbau in Milliardenhöhe kann doch nicht die Rede sein. Sie haben halt über fünf Jahre die Summen zusammengerechnet, dann kommen Sie auf 1 Milliarde. Das ist nicht das, was es im Ausbau der Elemen­tarpädagogik braucht. (Beifall bei der SPÖ.)

Und das dritte Mal jetzt im Budget: Für die Bildung ist einfach kein zusätzliches Geld da. Die Menschen, die Familien leiden darunter, dass sie keine Betreuungs­plätze haben, es ist ein riesiges Problem – keine Betreuungsplätze, die leistbar sind, die ganztags geöffnet sind und die überhaupt mit Vollzeitarbeit vereinbar sind.

Ein nächster Punkt: Schauen Sie sich bitte die Fragen der Ganztagsschule und der Nachmittagsbetreuung an, das ist ein weiteres riesiges Problem! Sie haben


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versprochen, bis 2022 haben 40 Prozent aller Kinder die Chance auf einen Ganztagsschulplatz. Das ist aber nicht der Fall, nur Wien und das Burgenland haben das geschafft, alle anderen Bundesländer nicht. In Tirol haben wir eine Quote von 11 Prozent. Das ist wirklich ein Problem, denn es geht darum, wie man Beruf und Familie vereinbaren kann, und das ist ganz, ganz schwierig. Ganztagsschulformen sind sehr gut und bieten die Möglichkeit, dass man das Kind wirklich gut – in verzahnter Form – betreut hat. Auch die Nachmittags­be­treuung ist richtig, aber da sind die Bedingungen für die Freizeitpädagog:innen ganz, ganz schwierig, man findet sehr schwer Kräfte.

Und was die Menschen jetzt wirklich drückt und wirklich belastet, das ist die Teuerung. Wir haben zig Abmeldungen von der Nachmittagsbetreuung, weil sich die Eltern die Betreuung, auch wenn sie sozial gestaffelt ist, nicht mehr leisten können, weil 70 Euro oder 140 Euro monatlich pro Kind einfach nicht leistbar sind.

Was heißt das aber in der Konsequenz? – Die Frauen stecken zurück, arbeiten wieder weniger Stunden oder gehen ganz aus dem Erwerbsleben, oder es heißt auf der anderen Seite, die Kinder sitzen allein daheim vor dem Computer oder vor dem Fernseher. Das kann es doch nicht sein, das ist ja nicht das, was man in einer wissens- und bildungsorientierten Gesellschaft möchte. Da hinzuschauen und da hinzugreifen wäre Ihre Aufgabe, um den Familien wirklich zu helfen und einem Wissensland wie Österreich eine Zukunft und eine Vision zu geben, dahin gehend, wie es ausschauen kann und wie man die Fragen der Digitalisierung wirklich umsetzen kann. Die Universität in Linz allein wird es nicht sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Zu den Universitäten sei auch noch gesagt: Im Bildungsbudget nicht genügend auszugeben und zu sparen, indem man Planstellen einfach nicht nachbesetzt, ist für ein Land wie Österreich, das die Wissenschaft so dringend braucht, um konkurrenzstark zu bleiben – wir sind kein Billigproduktionsland, wir sind ein Wissensland –, das Schlimmste, was uns passieren kann. (Bundesrat Preineder: Es gibt 1 Milliarde mehr für die Universitäten!)


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Wir brauchen gescheite, flächendeckende elementarpädagogische Angebote, wir brauchen gescheite Ganztagsschulangebote, wir brauchen gescheite Nachmit­tagsbetreuungsangebote.

Und eines noch zum ländlichen Raum, weil das so wichtig ist: Sie haben in vielen Präsidentschaften der ÖVP gesagt, wie wichtig die Stützung des ländlichen Raumes ist. – Da ist es ganz wichtig, Nachmittags- und Ganztagsbetreuung zu haben, ganz einfach. (Beifall bei der SPÖ.) Das sagen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister genauso, denn sie brauchen das, erstens um einen lebenswerten Raum in ihrem Ort, in ihrer Gemeinde zu haben und zweitens auch um als Betriebs­standort attraktiv zu sein. Dafür braucht es diese Betreuungseinrichtungen.

Das heißt, Sie haben den Familien keinen Dienst getan, indem Sie hier alles ver­schlafen haben, was man verschlafen kann. So kann man den Familien nicht hel­fen, in dieser Form auf keinen Fall. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.35


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.35.51

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Staatssekretärin! Herr Vizepräsident! Bei diesem Tagesordnungspunkt 15 geht es um die neuer­liche Verlängerung des Rechtsanspruches auf Sonderbetreuungszeit, wenn aufgrund des Epidemiegesetzes das Betreten von Schulen beziehungsweise Kinderbetreuungseinrichtungen beschränkt wird.

Dieses Gesetz der Sonderbetreuungszeit Phase sechs ist mit 31.7.2022 aus­gelaufen, die Phase sieben gilt daher rückwirkend mit 5.9.2022, wird neuerlich befristet und endet am 31.12.2022.

Würde unsere derzeitige Regierung zukunftsorientiert und vorausschauend handeln, hätte sie die Befristung bis Ende Februar 2023 beschlossen, denn aus der Erfahrung der letzten zwei Jahre heraus müsste ihnen bekannt sein, dass


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durch die epidemiologische Lage mit Beginn des Herbstes bis in das Frühjahr immer wieder erhöhte Infektionszahlen bekannt werden.

Im Sinne des Kindeswohls und der betroffenen Familien werden wir dieser neuer­lich befristeten Verlängerung zustimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.37 15.37.12


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Herr Bundesrat.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.38.0116. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird (2720/A und 1688 d.B. sowie 11087/BR d.B.)


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Wir gelangen zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Ich bitte um den Bericht.


15.38.34

Berichterstatterin Heike Eder, BSc MBA: Ich bringe den Bericht des Ausschus­ses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Natio­nalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 225

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Sascha Obrecht. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.39.12

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Herr Vizepräsident! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für das Ausländerbeschäfti­gungsgesetz gibt es eine einfache Grundregel: Jemand, der wiederholt Aus­länderinnen und Ausländer illegal beschäftigt – wiederholt im Sinne von zwei­mal –, ist für ein Jahr gesperrt. Das ist eine recht schlüssige Regel, das ist so eine Art No-Brainer, da muss man nicht viel nachdenken, das scheint sehr sinnvoll. Mit diesem Gesetz soll jetzt eine Ausnahme geschaffen werden, es soll dann im Regionalbeirat des AMS beschlossen werden, dass man, wenn bestimmte Gründe vorliegen, davon abgehen kann.

Dafür sehe ich ganz ehrlich überhaupt keinen Grund. Warum sollte das so sein?

Ich weiß, da gab es dem Vernehmen nach Interventionen von großen Handels­unternehmen, die gemeint haben, dass sie da ein Managementproblem haben. Da wurden auf der untersten Ebene solche Konstruktionen gewählt, dann sind sie für ein Jahr gesperrt worden, und dann haben sie sich beschwert.

Ich erwarte mir aber von einem Arbeitsminister, dass er sagt: Handlungen haben Konsequenzen, das ist das Recht! Wenn Sie wiederholt Menschen illegal beschäf­tigen, dann sind Sie einfach einmal gesperrt, dann kriegen Sie für ein Jahr keine Beschäftigungsbewilligungen mehr vom AMS!


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 226

Diese Regelung finde ich super, die soll genau so bleiben. Mit dieser Änderung weichen wir diese Regelung auf. Das ist sachlich überhaupt nicht gerechtfertigt, deswegen sind wir dagegen.

Eines vielleicht noch, was Sie dem Arbeitsminister mitnehmen können: Wenn wir schon über Regelungen reden, die das AMS betreffen, dann frage ich mich: Warum sind im Budget 300 Millionen Euro an Kürzungen für das AMS vorge­sehen? Brauchen wir das nicht? Das verstehe ich nicht.

Da hat er sogar einen Schmäh gemacht und hat fast sein eigenes Haus ein bisschen vorgeführt. Er hat zuerst gesagt: Es sind 400 Millionen Euro an Kür­zungen! Dann hat er gesagt: Nein, wir retten euch 100 Millionen Euro! – Also was ist das für eine Erhöhung, wenn man 400 Millionen Euro wegnimmt und 100 Millionen Euro wieder zurückgibt? Insgesamt fehlen dem AMS wieder 300 Millionen Euro, was sie irgendwie stemmen müssen.

Er hat 10 Milliarden Euro an Kosten für Kurzarbeit festgestellt – ich werde das jedes Mal sagen, wenn auch nur irgendjemand vom Arbeitsministerium da ist –, 10 Milliarden Euro an Steuergeld, und wir wissen noch immer nicht, wem die gegeben wurden. Der ORF, der probiert hat, das herauszufinden, wird immer ans Gericht verwiesen. (Ruf bei der SPÖ: Genau!) Das ist die Art und Weise, wie das Arbeitsministerium momentan vorgeht, wenn der ORF wissen will, wohin 10 Mil­liarden Euro an Steuergeld gegangen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Insofern – das ist die Aufgabe des Arbeitsministers –: Kümmern wir uns darum, dass das AMS gut funktionieren kann, dass es ordentlich ausgestattet ist! Finden wir endlich heraus, wem diese 10 Milliarden Euro an Geld vom Steuerzahler gegeben wurden, und lösen wir nicht Regelungen auf, die wirklich Sinn machen, mit denen wir sagen, dass Leute, die sich nicht an die Regeln halten, zukünftig – eh nur für einen beschränkten Zeitraum – keine Beschäftigungsbewilligung kriegen! Das ist eh schon eine sehr schwache Formulierung. (Beifall bei der SPÖ.)

15.41


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Herr Bundesrat.


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 227

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber. – Bitte, Frau Bundesrätin.


15.42.07

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe Zuhörende! Ja, nach dieser emotionalen Rede von Herrn Obrecht kommen wir wieder zurück, und zwar: Worum geht es in der Gesetzesvorlage wirklich? Was ist die dahinterliegende Intention? – Wir haben hiermit eine Regelung vorgelegt, um Härtefälle für österreichische Unternehmen und ausländische Arbeitskräfte zu vermeiden, wenn es ohne Absicht zu einem Verstoß gegen die Bestimmungen über die Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mern gekommen ist.

Bisher galt – das hat Herr Obrecht auch schon richtig ausgeführt –, dass sowohl die betroffenen Unternehmen als auch die betroffenen Arbeitskräfte für ein Jahr für weitere Bewilligungen gesperrt wurden, wenn sie zweimal beispielsweise ohne aufrechte Beschäftigungsbewilligung angetroffen wurden. In dieser Rege­lung wurde weder auf die Art noch auf die Dauer der Verfehlung noch auf den Grad des Verschuldens in irgendeiner Form Rücksicht genommen.

Die bestehende Gesetzeslage war sehr starr, und nicht vergleichbare Sachver­halte sind mit den gleichen strengen Sanktionen geahndet worden, ganz egal, wie der Einzelfall gelegen ist, ob es sich beispielsweise nur um einen sehr kurzen Zeitraum gehandelt hat, weil irgendjemand einen Fehler bei der Anmeldung begangen hat, oder weil beispielsweise ein Unternehmen oder auch eine NGO eine Arbeitskraft mit einem Aufenthaltstitel eingestellt hat, dieser ist vielleicht ausgelaufen, und die Arbeitskraft hat vergessen, der Arbeitgeber:in das zu sagen. Dieser Umstand hätte dann auch diese Sperre bewirkt.

Noch einmal: Egal, ob es irrtümlich zu einem Fehler gekommen ist oder ob das schlichtweg absichtlich und systematisch erfolgt ist – ungleiche Sachverhalte wurden gleich sanktioniert. Genau diesen kleinen Mangel beheben wir jetzt.


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 228

Diese teils überschießende Regelung wird durch die vorliegende Novelle korri­giert, und dem AMS wird ein Ermessensspielraum gegeben. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Warum ist diese neue Regelung kein Freibrief, um Billigstarbeitskräfte zu rekru­tieren oder systematisches Lohn- und Sozialdumping zu betreiben? – Der Regionalbeirat des AMS ist ja ein Gremium, in dem auch Vertreter:innen der Sozialpartner:innen sitzen. Genau dieses Gremium entscheidet nach einer differenzierten Prüfung darüber, ob berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen oder nicht. Voraussetzung ist auch, dass die Unternehmen selbstverständlich konkrete technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen setzen müssen, damit ein derartiger Fall nicht mehr passieren kann.

Ich halte das aus der betrieblichen Praxis heraus wirklich für eine sinnvolle und pragmatische Regelung und bitte daher um Ihre Zustimmung. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

15.45


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.45.29

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Ja, dieser Gesetzesvorschlag zeigt noch deutlicher, was die wahren Prioritäten des Wirtschafts- und Arbeits­minis­ters sind, nämlich: Wirtschaftsinteressen vor Arbeitnehmerinteressen!

Kollegin Huber hat jetzt zwar – wenig überraschend – versucht, das schön zu verkaufen. Mit diesem Gesetz wird aber der Arbeitsmarkt geöffnet, und der illegalen Beschäftigung begegnen Sie in Zukunft mit Toleranz. Damit wird unberechtigter Ausländerbeschäftigung Tür und Tor geöffnet. (Beifall bei der


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 229

FPÖ.) Meine Damen und Herren, Schwarzarbeit wird so ein bisschen ein Kava­liersdelikt.

Wir wollen, dass Arbeitnehmer in diesem Land ordentlich verdienen. Wir wollen kein Lohndumping, indem Billigstarbeitskräfte, die hier eigentlich gar nicht arbeiten dürften, weil sie keine Arbeitsgenehmigung haben, dem Arbeitsmarkt zugeführt werden. Das ist aber Ihr Weg, der jetzt gegangen wird.

Bei dieser Gesetzesänderung geht es ernsthaft darum, dass Unternehmen, die aufgrund eines zweimaligen Vergehens gegen das derzeit gültige Ausländerbe­schäfti­gungsgesetz von Sanktionen betroffen wären, davon befreit werden können.

Laut derzeit gültigem Recht wird sowohl das betroffene Unternehmen als auch der betroffene Arbeitnehmer bezüglich der Erteilung einer Beschäftigungs­bewilligung für ein Jahr gesperrt. In der Begründung für die Gesetzesänderung wird darauf verwiesen, dass es sich auch um einen „Eingriff in die Erwerbs- und Eigentumsfreiheit“ handelt. Das ist typisch ÖVP. Sie machen Klientelpolitik, und das wird immer sichtbarer, ob es beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsaus­schuss oder bei der Causa Thomas Schmid ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren – Kollege Obrecht hat es eh gesagt –: Auch für mich liest sich der neue Gesetzestext so, als ob Wirtschaftslobbyisten dazu den Denkanstoß geliefert haben.

Eines noch in Richtung ÖVP: Wenn man sich auf der einen Seite den Innen­minis­ter im Fernsehen anschaut – hierher kommt er eh nicht mehr –, sieht man, wie er gegen illegale Einwanderung mobilmacht, wobei er aber total versagt. In Summe sind es bereits über 72 000 Asylanträge im heurigen Jahr. Das ist eine absolute Bankrotterklärung dieser schwarz-grünen Bundesregierung. Auf der anderen Seite machen Sie jetzt hier in diesem Haus die illegale Ausländerbeschäftigung salonfähig. Wir werden daher diesem Gesetzesantrag auf gar keinen Fall zustim­men. (Beifall bei der FPÖ.)

15.48



BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 230

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Herr Bundesrat.

Über 180 Personen haben die heutige Bundesratssitzung auf der Galerie bereits mitverfolgt. Nun darf ich eine Abordnung des Seniorenbundes aus Nesselwängle, Tirol, und auch eine Abordnung der PVA recht herzlich begrüßen. Herzlich will­kommen hier bei uns im Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.48.50

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Geschätzte Gäste auf der Galerie! Wir diskutieren das Ausländer­beschäftigungsgesetz. Die Kollegen Vorredner haben schon darauf hingewiesen, worum es inhaltlich geht, nämlich nur um eine ganz kleine Anpassung der Strafmaßnahmen, wenn eine Verfehlung bei der Beschäftigung eines Ausländers aus einem Drittstaat passiert. Es geht darum, ob es zeitgemäß ist, ob es ent­sprechend ist, ob es angemessen ist, dass das Unternehmen und der Arbeit­neh­mer zur Gänze für ein Jahr gesperrt werden, wenn es eine mehrmalige, sprich zweimalige, Verfehlung gibt.

Das ist eine klare, einfache Regelung, darauf wurde hingewiesen. Vielleicht ist es aber nicht wirklich eine praktikable Regelung, und vielleicht ist es nicht einmal eine soziale Regelung, Herr Kollege Obrecht, weil man sich immer den jeweiligen Fall ansehen muss.

Frau Kollegin Huber hat schon darauf hingewiesen: Es gibt kleinere Verfehlun­gen – man hat einen Tag zu spät angemeldet, vielleicht hat man die falsche Bewilligung oder den falschen Bewilligungstitel (Bundesrat Steiner: Na ja! Ein Tag zu spät ...! – Bundesrätin Grimling: Geh bitte! Ja, ja! Die einen werden bestraft! Und die anderen?) –, und schon ist die Bewilligung nicht rechtskräftig. Ein Jurist sieht


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 231

das vielleicht anders als ein Unternehmer, weil Kleinigkeiten juristisch manchmal anders ausschauen als in der Praxis.

Um da sozial, mitarbeitergerecht und menschlich zu handeln, hat das AMS – also eh eine Stelle, die den Arbeitnehmern nähersteht als den Unternehmen – die Möglichkeit, zu entscheiden und abzuwägen. Ich glaube, diese Möglichkeit sollte man ihm auch entsprechend geben, weil so austariert und eine angemessene Entscheidung getroffen werden kann und nicht muss. Damit wird auch nicht irgend­einem Zugang „Tür und Tor geöffnet“, sondern in einer Zeit, in der die Wirt­schaft dringend nach Arbeitskräften sucht, in der wir Vollbeschäftigung haben und daher das AMS Gott sei Dank nicht mehr so stark beschäftigt sein muss, in der wir Mitarbeiter brauchen, sollen wir diese Mitarbeiter auch hereinbekom­men, wenn es notwendig ist.

Es soll also nicht so sein – um im Fußballjargon zu sprechen –: Zwei Mal über die Outlinie geschossen ist eine rote Karte. Oder: Zwei Mal die Straßenverkehrs­ord­nung zu übertreten bedeutet ein Jahr Führerscheinentzug. – Ich glaube, das wollen wir alle nicht. Darum bitte ich Sie, dieser Vorlage zuzustimmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.51 15.51.44


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Herr Bundesrat.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen. (Vizepräsident Hirczy berät


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 232

sich mit einer Bediensteten der Parlamentsdirektion. Rufe bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ: Weiter! – Bundesrat Schreuder: Ein Präsident, 200 Souffleure!)

15.52.3617. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbe­lastungen durch den Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschafts­standort genehmigt wird, und das Bundesgesetz über einen Energiekos­tenzuschuss für energieintensive Unternehmen (Unternehmens-Energie­kostenzuschussgesetz – UEZG) geändert werden (2829/A und 1732 d.B. sowie 11090/BR d.B.)

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Härtefallfondsgesetz geändert wird (2838/A und 1734 d.B. sowie 11074/BR d.B. und 11091/BR d.B.)


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Es sind noch 8 Minuten bis 16 Uhr, daher gelangen wir nun zu den Tagesordnungspunkten 17 und 18, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 17 und 18 ist Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. – Ich bitte um die Berichte.


15.53.26

Berichterstatterin Elisabeth Wolff, BA: Ich bringe den Bericht des Wirtschafts­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begrün­dung von Vorbelastungen durch den Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird, und das Bundesgesetz über einen Energie­kostenzuschuss für energieintensive Unternehmen geändert werden.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 233

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehr­heit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ebenso bringe ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Härtefallfondsgesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenein­hel­ligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Vielen Dank.


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Frau Bundesrätin.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. – Bitte, Frau Bundesrätin.


15.54.34

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer hier auf der Galerie, aber auch zu Hause via Livestream! Ich werde jetzt zu den beiden Tagesordnungspunkten sprechen, ich werde beides einbeziehen.

Ich möchte aber gleich sagen, dass bei dem Bundesgesetz über den Energie­kostenzuschuss für energieintensive Unternehmen in Wahrheit ja der Geset­zestitel schon falsch ist. Wir reden jetzt ja nicht mehr nur von den energie­intensiven Betrieben, denn wir verhandeln hier die Erhöhung von 450 Millionen Euro auf 1,3 Milliarden Euro an Förderungen, wobei jetzt nicht mehr nur die energieintensiven Unternehmen – mit über 3 Prozent Energieanteil am Umsatz –


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berücksichtigt werden, sondern auch alle Unternehmen mit unter 700 000 Euro Umsatz pauschal gefördert werden.

Ich muss mein Konzept jetzt ein bisschen umstellen, weil der Herr Wirtschafts­minister, mit dem ich schon das eine oder andere Mal den einen Punkt bezüglich Wirtschaft hier diskutiert habe, nicht da ist. Ich glaube aber, Sie (in Richtung Staatssekretärin Kraus-Winkler) wissen, was Wirtschaften, was Unternehmer, Unternehmerin zu sein bedeutet. Sie kommen ja aus der Wirtschaft und wissen auch, wie es Unternehmerinnen und Unternehmern geht, warum man selbst­ständig wird.

Es gibt da zwei ganz große Gruppen: Es gibt die einen, die leider sehr oft in eine Selbstständigkeit hineingedrängt werden, weil sie auf dem Arbeitsmarkt keinen Job bekommen (Bundesrat Preineder: Jetzt wäre das anders! Jetzt wäre es gerade anders!), weil sie die Kinderbetreuung nicht mit ihren Arbeitsplätzen vereinbaren können. Auch diesen Unternehmer:innen – das sind meistens Frauen – gelingt es mit viel Einsatz von finanziellen Mitteln und Zeit zu reüssieren. Dann gibt es natürlich die, die wirklich mit großen Zukunftsplänen sehr idealistisch in die Selbst­ständigkeit gehen.

Alle eint sie eines: Sie wollen Unternehmerin und Unternehmer sein, sie wollen planen, sie wollen schaffen, sie wollen zur Wirtschaft und zur Gesellschaft beitragen.

Dazu braucht es aber Rahmenbedingungen, und daran fehlt es jetzt, denn all diese Produktanbieter, der Handel, die Dienstleistungsanbieter haben jetzt zu kämpfen, und zwar massiv, weil ihnen etwas fehlt, das ihrer DNA entspräche. Sie können nämlich nicht kalkulieren, nicht planen, denn was macht diese Regie­rung? (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Sie schafft keine sicheren Rahmen­bedingungen. Diese wären nämlich im Energiekostensektor nur möglich, indem wir das Modell umsetzen, das wir schon lange vorschlagen: gemeinsamer Einkauf von Gas, 50 Euro pro Megawattstunde, und das an die Stromanbieter, die Ener­gie­lieferanten und somit an die Unternehmungen und dann an den Endkunden


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weitergeben, und dann können Unternehmer nämlich das tun, was sie tun wollen: planen, wirtschaften und wirklich zielgerichtet arbeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Was Unternehmerinnen und Unternehmer sicher nicht sein wollen: Almosen­empfänger. Das ist aber ein bisschen so, weil diese Regierung glaubt, wenn sie im Nachhinein ein bisschen Geld für die Leistung, die diese Unternehmen schon erbracht haben, verteilt, dann müssen alle unendlich dankbar sein. Das ist nicht wertschätzend.

Auch wir reden jetzt wieder über die Zuschüsse für Februar bis Dezember 2022, nicht über die Zukunft, und wir wissen, dass da auch nur Gas und Strom sub­ventioniert und gefördert werden, aber nicht Treibstoff. Es haben auch treib­stoff­abhängige Betriebe zu kämpfen, nämlich Taxiunternehmen, Busunternehmen, jene, die Krankentransporte und Schülertransporte machen.

Es haben auch die Gärtner zu kämpfen. Ich habe das hier im Frühling schon einmal gesagt: Wir werden in die Situation kommen, dass Gärtnereibetriebe im Winter ihre Glashäuser nicht heizen können, und dann werden wir im nächsten Jahr ein großes Problem haben, was regionale und frische Lebensmittel betrifft. An diesem Punkt sind wir jetzt angelangt, das ist bereits passiert. Es werden Glashäuser heuer nicht beheizt.

Dann kommt auch noch die CO2-Bepreisung. Da können die Grünen jetzt bitte nicht behaupten (Bundesrätin Kittl: Was ist mit dem Klimabonus?), dass diese CO2-Bepreisung im Augenblick auch nur in irgendeiner Weise einen Lenkungseffekt hat, denn eines kann ich Ihnen sagen: Es fährt nur mehr der mit dem Auto herum, der es sich leisten kann, oder der, der es unbedingt tun muss, weil er keine andere Wahl hat, weil er es beruflich, weil er es als Pendler und Unter­neh­mer braucht. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Himmer: Also eh nur die, die wollen, und die, die müssen! Wer soll denn sonst mit dem Auto fahren?)


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Indem das teurer wird, wird nur die Inflation angeheizt. Es wird in keiner Weise in die Richtung gelenkt, dass das Klima geschont wird, denn wer nicht fahren muss, der tut es eh nicht.

Die Infrastruktur funktioniert leider auch nicht. Die Wiener, die hier sitzen, können gerne die Köpfe schütteln. Ihr seid in Wien im gelobten Land, ihr habt die Infrastruktur. Kommt einmal aufs Land! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Aufs Land kommen sie nur zur Erholung!) – Genau, und das dann mit dem Taxi oder mit dem Chauffeur. Da macht die CO2-Bepreisung auch nicht so viel aus. (Bundesrat Schreuder: Ja, und wir wohnen nur im Dachgeschoß und wir essen nur Florentiner Kartoffeln und wir haben keinen Menschen, den wir kennen!)

Wisst ihr, was? Es wäre auch eine Möglichkeit, die Kilometergeldpauschale einmal anzuheben. Das wäre für die Freiberufler wichtig. Das ist so nicht mehr finanzierbar, und keiner kann diese Preise mehr den Konsumenten weiter­ver­rechnen.

Deutschland hat uns vieles vorgemacht. Diese Regierung gefährdet jetzt auch noch den Wirtschaftsstandort Österreich, weil sie einfach nicht bereit ist, andere Wege zu beschreiten. Für kleine Unternehmer muss - -


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Frau Bundesrätin, wir müssen aufgrund der Uhr­zeit unterbrechen. Sie haben noch 3 Minuten Redezeit, Sie können Ihre Rede später fortsetzen.


Bundesrätin Andrea Kahofer (fortsetzend): Ein Satz noch, dann bin ich fertig: Der Experte hat im Ausschuss gesagt, diese Einmalzahlungen können keine Zukunfts­lösung sein, es braucht in Zukunft andere Lösungen, auch solche auf EU-Ebene. (Bundesrat Schennach: Stimmt! Hat er gesagt!) – Ja.

Unsere Regierung soll das nicht immer behindern, sondern aktiv daran arbeiten. Dann kann nämlich unsere Wirtschaft überleben, die Arbeitsplätze sichern, und die Gesellschaft wird besser funktionieren. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.02



BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 237

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Frau Bundesrätin.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung.

Ich darf Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Florian Tursky recht herzlich bei uns in der Runde begrüßen. (Beifall bei der ÖVP.)

16.02.30Dringliche Anfrage

der Bundesrät:innen Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Daseinsvorsorge in Gefahr – Herr Finanzminister, was tun Sie für die Städte und Gemeinden in der Teuerungskrise?“ (4040/J-BR/2022)


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Finanzen.

Da die Dringliche Anfrage allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster als erster Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte, Frau Bundesrätin.


16.03.09

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Frau Staatssekretärin! Werte Bundesratskollegen und -kollegin­nen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher vor Ort und vor den Bildschirmen! Trist schaut es aus für unsere Gemeinden und Städte mit einer türkis-grünen Regie­rung bei multiplen Krisengeschehen. Der zuständige Finanzminister lässt sich vertreten. Wertschätzung gegenüber dem Bundesrat? – Fehlanzeige! Das ken­nen wir aber heute schon. (Beifall bei der SPÖ.)

Desinteresse an den berechtigten Anliegen der Gemeinden: das überrascht mich jetzt doch. Herr Staatssekretär Tursky, Sie spielen jetzt den Platzhalter für den


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 238

sich drückenden Finanzminister. (Bundesrat Buchmann: Geh! Er war den ganzen Vormittag ...!) Vielleicht verkündet der Herr Minister im Augenblick ein neues nachhaltiges Gemeindepaket. Man weiß ja nie. Nur so könnte ich es entschul­di­gen.

Zur vorliegenden Dringlichen Anfrage: Den Teuerungsausgleich für die Gemein­den, um die lokalen, örtlichen Haushalte halbwegs abzusichern, Herr Staatss­ekretär, sucht man im Budgetentwurf Ihres Regierungskollegen vergeblich. Mit der groben Vernachlässigung der Kommunen im Budget riskiert die Regierung eine prekäre Situation bei der öffentlichen Infrastruktur und den öffentlichen Leis­tungen in den Gemeinden sowie hohe Belastungen für die Menschen.

Die kommunalen Finanzen stürzen ab. Die Prognosen zeigen für das Jahr 2023 fallende Ertragsanteile, laut KDZ bis zu 1,5 Milliarden Euro. Die Ursachen dafür liegen auch in der von den Regierungsparteien hochgepriesenen letzten Steuer­reform, die zuungunsten der Gemeinden ausging.

Die Energiekosten für kommunale Einrichtungen steigen in manchen Gemeinden um das Zigfache. Laufende Bauprojekte produzieren gravierende Kostensteige­rungen. Die Coronakrise hat den Gemeinden zudem schwer zugesetzt. Rück­lagen wurden aufgelöst: für den ordentlichen Haushalt, aber auch um KIP-Kofinan­zie­run­gen auf die Beine zu stellen – auch so eine nachhaltige Glanzleistung für die Gemeinden, die mithalf, dass die Rücklagenkassen vieler Gemeinden zu Beginn der Teuerungskrise bereits leer waren.

Herr Staatssekretär, richten Sie bitte dem Herrn Finanzminister aus: Die Rech­nung geht sich nicht mehr aus; es eilt! Die Gemeinden sind gerade im Begriff, ihre Rechnungsvoranschläge 2023 zu erstellen. Wir brauchen jetzt seine Ant­worten auf die brennenden Fragen Stromkostenzuschlag, Baukostenzuschlag und so weiter.

Dieses grün-türkise Budget riskiert die Verlässlichkeit der Kommunen bei der Erbringung der Daseinsvorsorge und der Gestaltung des sozialen Miteinanders.


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Das ist schlecht, schlecht für die Menschen in unserem Land, schlecht für unsere Gesellschaft und besonders schlecht für die Menschen im strukturschwachen ländlichen Raum, dessen Entwicklung der türkisen Fraktion ja so sehr am Herzen liegt. Wie es ausschaut, ist aber auch da viel Geschwafel und wenig bis nichts ernst Gemeintes dabei. (Beifall bei der SPÖ.)

Der abwesende Minister schafft mit seinem Budgetentwurf prekäre Zustände durch das Imstichlassen der Gemeinden. (Bundesrätin Kittl: Das stimmt doch nicht!) Zudem steht er nicht einmal für eine Debatte im Bundesrat zur Verfü­gung. Vor den Bürgerinnen und Bürgern müssen sich sowieso die Bürgermeis­terinnen und Bürgermeister verantworten. Der Minister oder auch Sie, Herr Staatssekretär, werden sich wohl kaum vor Ihrer Nachbarin für fehlende Elementarbildungsplätze, für zu hohe Bastel- und Essensbeiträge, für Schlag­löcher bei den Zufahrtsstraßen, für fehlendes Angebot an innerörtlichen öffentlichen Verkehrsmitteln, für hohe Trink- und Abwassergebühren und so weiter verantworten müssen.

Wie Sie sicher wissen, Herr Staatssekretär, sind die Aufgaben der Gemeinden vielfältig, und ihre Erledigung ist entscheidend für die Lebensqualität und Standortsicherheit in unserem Land. Auch Ihr Fachbereich – Glasfaser und Digitalisierung – produziert unaufschiebbare Ausgaben in unseren Gemeinden.

Es gibt aber auch andere Ausgaben: Auch den Theatervereinen, den Musik­vereinen, den Sportvereinen müssen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister immer häufiger mitteilen, dass es sich leider nicht mehr ausgeht und die jähr­lichen Förderungen mit sofortiger Wirkung eingestellt werden müssen. Letzt­genannte, die freiwilligen Ausgaben der Gemeinden, müssen bei der Rechnungs­voranschlagerstellung 2023 als erste gestrichen werden, und genau diese Ausgaben finanzieren den Kitt für das soziale Zusammenleben in unseren Gemein­den und sind daher von ungemeiner Wichtigkeit. Das nachhaltige Ange­bot in der Nähe des Wohnortes wird schwer unter der gegenwärtigen türkis-grünen Finanzpolitik leiden.


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 240

Die Leistungen der Gemeinden hat die Regierung anscheinend mit einer äußerst niedrigen Priorität belegt. Das tut weh und wird – ich wiederhole mich – durch die Abwesenheit des angesprochenen Finanzministers nochmals unterstrichen. Laut Gesprächen mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in Oberösterreich wird der Ausgleich des Haushalts im kommenden Jahr trotz massiver Streichun­gen und Einsparungen vielen nicht mehr gelingen. Es sind die vielen, die anzei­gen, dass es eine Schieflage zuungunsten der Gemeinden gibt.

Die sozialdemokratische Forderung für die Gemeinden lautet daher: Die durch die Teuerungswelle anfallenden Mehrkosten müssen im laufenden Haushalt 2023 für die Gemeinden dringendst durch nicht rückzahlbare Sonderzahlungen kompensiert werden. Für die Folgejahre braucht es jetzt Planungssicherheit in den Gemeinden. Die Zusage für eine gesicherte Finanzierung der Daseinsvor­sorge durch die Regierung ist dringend notwendig.

Jetzt noch zum angekündigten  KIP 2023 und dem Zweckzuschuss im Umfang von 500 Millionen Euro für Maßnahmen zur Energieeffizienz und zu erneuer­baren Energien: Ja, das ist im Ansatz sinnvoll. Gemeinden sind gefordert, ihre Bausubstanz enkeltauglich zu sanieren und das Energiepotenzial zu nutzen. Mehr noch: Kommunen haben Vorbildwirkung bei der Ökologisierung des Energiesektors. Gemeinden bereiten den Boden für lokale, aber auch regionale Energiegemeinschaften auf. (Beifall bei der SPÖ.) Gemeinden unterstützen nicht nur lokale Wärmenetze, sie sind mit ihren Gebäuden auch wichtige Kundinnen – in meiner Gemeinde seit über 30 Jahren.

Sinnhaft ist das KIP 2023 nur, wenn es gelingt, dass alle Gemeinden diesen Zweckzuschuss abrufen können – auch jene mit leeren Kassen und unausge­glichenen Rechnungsvoranschlägen. Sonst laufen wir Gefahr, dass die Menschen im strukturschwachen Raum wieder den Kürzeren ziehen. Das kann wohl nicht im Interesse der Türkisen sein – oder etwa doch?

Im Übrigen bin ich der Überzeugung, dass die nicht verwendeten Mittel der kommunalen Impfkampagnenzweckzuschüsse nicht als Bedarfsmittelzuweisung


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 241

gelten sollen. Zwar verbleiben sie so in den Gemeinden, sind aber quasi nur eine Vorauszahlung dessen, was sowieso kommen sollte. Bitte keine Täuschungen! Wir wollen die nicht verbrauchten Mittel als Sonderzuschuss und nichts anderes.

Ich hoffe, dass den Regierungsparteien die Gemeinden noch etwas wert sind. Ich erwarte eine positive Beantwortung unserer Anfrage, denn als gelernte Kommu­nalpolitikerin kenne ich das Sprichwort: Die Hoffnung stirbt zuletzt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.12


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Zur Beantwortung hat sich Herr Staatssekretär Tursky zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.


16.12.57

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Florian Tursky, MBA MSc: Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesrätinnen! Sehr geehrte Bundesräte! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf als Staatssekretär im Finanzministe­rium heute den Herrn Bundesminister vertreten.

Er hat ja vergangene Woche im Nationalrat mit seiner ersten Budgetrede auch den Budgetentwurf für das Jahr 2023 präsentiert, der sich aktuell in Verhand­lung befindet. Wir übernehmen mit diesem Budget für das Jahr 2023 Verant­wortung für morgen und reagieren auf diese besonderen Herausforderungen, denen wir uns in den letzten Jahren und insbesondere auch in den letzten Monaten entgegenstellen.

Wir investieren in Themen der Zukunft, in die Sicherheit – in die militärische Sicherheit, in die wirtschaftliche Sicherheit, aber auch in die soziale Sicherheit und maßgeblich in die ökologische – und, was mir als Digitalisierungsstaats­sekretär natürlich auch besonders wichtig ist, in die digitale Transformation. Wir geben damit natürlich einerseits kurzfristig Antworten, andererseits investieren wir aber auch gezielt in Bereiche, die Österreich für die gesamte Zukunft stär­ken.


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Es sind unsichere Zeiten, und auch die Inflationsentwicklung ist unsicher. Die Prognose der Europäischen Zentralbank hat sich, was die Inflationsrate betrifft, für die Eurozone von 0,9 Prozent im ersten Quartal 2021 hin zu 7,3 Prozent im dritten Quartal 2022 verändert.

Es ist für uns aber ganz klar: Wir müssen jetzt investieren, jedoch nach der Krise die Schulden wieder reduzieren – und das nicht als Selbstzweck, sondern weil es eine Vorsorge für kommende Krisen ist.

Jetzt ist es unsere oberste Priorität, die Kaufkraft zu stärken und den Menschen Sicherheit zu geben. Das tun wir mit der Abschaffung der kalten Progression, mit der Valorisierung der Sozialleistungen und auch mit der Senkung der dritten Tarifstufe (Bundesrat Hübner: Was hat das mit den Gemeinden zu tun?) – ich komme gleich auf die Gemeinden zu sprechen, selbstverständlich – nach dem Motto: Wir können es uns nicht leisten, jetzt nicht zu helfen.

Das haben wir auch in der Coronapandemie mit einem Gesamtvolumen von 46,5 Milliarden Euro bereits getan. So sind wir auch schneller aus der Krise herausgekommen. (Bundesrätin Schumann: Die bleibt aber! Die bleibt, die Krise!)

Neben der Coronakrise hat uns natürlich insbesondere der Angriff Russlands auf die Ukraine beschäftigt – neben dem unermesslichen menschlichen Leid dort die unglaublich steigenden Energiemarktpreise in Europa. Auch diese Preisanstiege treffen Österreich finanziell stark – nicht nur die Bevölkerung, nicht nur die Unternehmen, nicht nur die Bundesländer, sondern, wie bereits von der Frau Bundesrätin ausgeführt, natürlich auch die Kommunen.

Zu den gesetzten Maßnahmen, die für die Menschen in unserem Land bereits jetzt spürbar sind, kommen noch weitere: der Stromkostenzuschuss, die Strom­kostenbremse, der Teuerungsabsetzbetrag oder auch die Anhebung der Pend­lerpauschale. Trotzdem setzen wir im zukünftigen Budget Schwerpunkte – ich habe es zuvor erwähnt –: 5,3 Milliarden Euro für das österreichische


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Bundesheer, 4,9 Milliarden Euro investieren wir in die ökologische und digitale Transformation. (Bundesrat Hübner: Kommt auch nicht den Gemeinden zugute!)

Daneben unterstützen wir die Familien: Ab dem 1.1.2023 werden die Familien­beihilfe, der Mehrkindzuschlag, das Kinderbetreuungsgeld und der Familien­zeit­bonus valorisiert. Das sind 253 Millionen Euro für höhere Sozialleistungen.

Auch im Pflegebereich werden mit der Pflegereform bis ins Jahr 2026 1,7 Mil­liarden Euro mehr investiert. Es wurde schon gesagt: Das sind Maßnahmen zur Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger.

Ganz klar ist aber auch, eine Gemeinde ist nur dann lebensfähig, wenn es auch den Gemeindemitgliedern gut geht. Die Bundesregierung hat bei diesem Budget natürlich nicht auf die Gemeinden vergessen (Bundesrat Schennach: Stimmt ja nicht!), ebenso wenig, wie wir es in der Vergangenheit getan haben, als infolge reduzierter Steuereinnahmen die Gemeinden diese massiven Herausforderungen hatten. Wir haben immer unter die Arme gegriffen. Wir haben Investitionen in den Gemeinden besonders unterstützt, weil wir sie als Konjunkturmotoren, Arbeit­geber und auch unerlässliche Partner für uns gesehen haben.

Auch im Jahr 2022 steigen die Ertragsanteile deutlich: bei den Ländern laut den aktuellen Prognosen um 3,572 Millionen Euro beziehungsweise über 22 Prozent, bei den Gemeinden um 1,601 Millionen Euro beziehungsweise 13,6 Prozent. Auch in den kommenden Jahren – das ist leider nicht so, wie Sie es ausgeführt haben – wird sich das positiv weiterentwickeln. (Bundesrätin Schumann: Haben wir ein Kostenproblem?) Gemäß dem Bundesvoranschlag 2023 und dem Bundes­finanzrahmen 2023 bis 2026 werden Steigerungen auf hohem Niveau prognos­tiziert: im Jahr 2023 um 1,1 Prozent, im Jahr 2024 um 6 Prozent, im Jahr 2025 um 4,5 Prozent, im Jahr 2026 um 4,2 Prozent.

Die Ertragsanteile der Länder und Gemeinden steigen im Bundesfinanz­rah­men 2023 bis 2026 noch einmal deutlich gegenüber der ursprünglichen Annahme im Bundesfinanzrahmen 2022 bis 2025. Die Ertragsanteile der Gemeinden sind


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im Jahr 2023 um 811,4 Millionen Euro, im Jahr 2024 um 1,8843 Milliarden Euro und im Jahr 2025 um 1,953 Milliarden Euro höher als im letzten Finanzrahmen.

Das ist das Gegenteil von Ihren Ausführungen. (Zwischenruf des Bundesrates Egger-Kranzinger.) Sie haben schlichtweg die Vorzeichen vertauscht: Die Ertrags­anteile sind im Bundesbudget als negative Einnahmen, sogenannte Abüberwei­sungen, in der UG 16 veranschlagt. Das bedeutet daher, ein höheres Minus in den veranschlagten Beträgen ist für das Bundesbudget und für den Finanz­minis­ter zwar schlecht, aber für die Länder und Gemeinden positiv.

Auch 2023 geht dieses hohe Investment, das wir mit den letzten drei Gemeinde­paketen gemacht haben, daher weiter – Sie haben es ausgeführt –, auch das Kommunalinvestitionsgesetz 2023, womit der Bund den Gemeinden bei Inves­titionen in den effizienten Einsatz von Energie, den Umstieg auf erneuer­bare Energieträger sowie den Ausbau und die Dekarbonisierung von Fernwärme- und Fernkältesystemen helfen will.

Genauso wie in der Covid-Krise sind natürlich Prognosen darüber, wie es in Zukunft weitergeht, schwierig. Die Gemeindeebene – und auch da haben wir gesehen, wie schwierig Prognosen in Zeiten wie diesen sind – hat im Jahr 2021 letztlich sogar einen Maastricht-Überschuss erwirtschaftet, anders als der Bund, bei dem das nicht so war.

Lassen Sie mich jetzt aber im Sinne einer konkreten Beantwortung auf die Fragen im Einzelnen eingehen:

Zu den Fragen 1 und 2 möchte ich auf meine einleitenden Ausführungen, insbe­sondere auf die drei Gemeindepakete sowie die in den kommenden Jahren stei­genden Ertragsanteile der Länder und der Gemeinden, verweisen.

Zu den Fragen 3 bis 5:

Zur Beurteilung der allgemeinen Situation der Gemeinden kann bei subsektoraler Betrachtung darauf verwiesen werden, dass die Gemeindeebene ohne Wien gemäß ESVG im Jahr 2021 einen Maastrichtüberschuss erzielt hat. Im Gegensatz


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und im Vergleich dazu weist der Bundessektor für das Jahr 2021 ein Maastricht­defizit von fast 22 Milliarden Euro aus.

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, können die Gemeinden mit deutlichen Ertragsanteilssteigerungen gegenüber den ursprünglichen Prognosen rechnen. Bei Vorliegen von individuellen finanziellen Schwierigkeiten von Gemeinden kann auf das bewährte System der Gemeinde-Bedarfszuweisungsmittel ver­wiesen werden. Im Jahr 2023 sind für die Gemeinden – ohne Wien – auf Basis der aktuellen Zahlen rund 1,3 Milliarden Euro vorgesehen.

Zu den Fragen 6 und 7:

Ja, mit dem Budgetentwurf für das Jahr 2023 wurde im Rahmen des Budgetbe­gleit­gesetzes, siehe Artikel 6, ein neues Kommunalinvestitionsgesetz – KIG 2023 – vorgelegt. Der Antragszeitraum läuft bis 30. Juni 2024, die Umsetzung selbst hat bis 30. Juni 2025 zu erfolgen. Diese Zeiträume sollen den Gemeinden Flexibilität bei der Auftragsvergabe gewähren.

Das Finanzministerium beobachtet selbstverständlich laufend die finanzielle Situation der Gemeinden und wird, sollte es erforderlich sein, Gespräche mit den Finanzausgleichspartnern aufnehmen.

Zur Frage 8:

Eine Beantwortung ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Für nähere Informationen verweise ich auf das für die Richtlinienerstellung zuständige BMAW.

Zu den Fragen 9, 10 und 12:

Das Marktdesign im Energiebereich ist ein europäisches, deshalb macht es auch nur Sinn, europäisch einzugreifen: keine nationalen Preisdeckel, sondern europäische Lösungen – sei es ein europaweiter Deckel auf Gas nach dem iberi­schen Vorbild, sei es eine Entkoppelung von Gas- und Strommarkt oder sei es eine Entkoppelung von fossiler und erneuerbarer Energie.


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Wie schon während der Coronakrise stehen wir im regen Austausch mit dem Gemeinde- und dem Städtebund und stimmen uns zu etwaigen Hilfsmaßnahmen entsprechend ab.

Zu den Fragen 11 und 26:

Mit dem Stromkostenzuschussgesetz werden die Bürgerinnen und Bürger ent­lastet. Weiters werden Unternehmen auf Basis des Unternehmens-Energiekos­tenzuschussgesetzes bei zu hohen Energiekosten entlastet.

Die Gemeinden soll das KIG 2023 im Hinblick auf Maßnahmen für Energie­effizienz sowie betreffend Umstieg auf erneuerbare Energieträger unterstützen. Der Bund gewährt den Gemeinden Zweckzuschüsse. (Bundesrätin Hahn: Die haben viele aber nicht ...!)

Zu den Fragen 13 und 14:

Ich ersuche um Verständnis, dass das Finanzministerium aus Gründen einer effizienten Verwaltung keine Statistiken über Resolutionen und sonstige Schreiben von Städten und Gemeinden führt. Ansprechpartner für finanzaus­gleichsrechtliche Themen sind der Österreichische Gemeindebund und der Österreichische Städtebund, mit denen auf verschiedenen Ebenen regelmäßig Gespräche zu den gemeinsamen Themen geführt werden.

Zur Frage 15:

Gemäß der WFA zur Regierungsvorlage des Teuerungs-Entlastungspakets Teil II wirkt sich die Abschaffung der kalten Progression auf Städte und Gemeinden folgendermaßen aus: Nettofinanzierung der Gemeinden: rund 180 Millionen Euro Minus im Jahr 2023, rund 385 Millionen Euro Minus im Jahr 2024, rund 551 Millionen Euro Minus im Jahr 2025 und rund 680 Millionen Euro Minus im Jahr 2026.

Mir ist es hierbei aber wichtig zu betonen, dass in der Schätzung der Ertrags­anteile im Bundesfinanzrahmen 2023/24 die Abschaffung der kalten Progression bereits berücksichtigt ist. Trotzdem kommt es insgesamt zu der von mir erwähn­ten Steigerung der Ertragsanteile.


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Zur Frage 16:

Im Zuge der Erstellung und Darstellung der Ertragsanteilprognosen wird nicht zwischen Städten und Nicht-Städten unterschieden.

Zur Frage 17:

Sämtliche Auswirkungen, welche durch steuerliche Maßnahmen hervorgerufen werden, verteilen sich auf Städte und Gemeinden auf Basis des einschlägigen FAG-Schlüssels. Prozentuell wirken sich die steuerlichen Maßnahmen bei allen Gemeinden gleich aus.

Zur Frage 18:

Die Einschätzungen des Zentrums für Verwaltungsforschung sind nicht mehr aktuell, weil die die Ausführungen leitenden Aussagen des KDZ auf der Ertrags­anteilprognose vom Juli 2022 aufbauen. An dieser Stelle sei auf die Entwicklung der Ertragsanteile laut BFRG 2023 bis 2026 verwiesen.

Zu den Fragen 19 bis 25:

Es darf an dieser Stelle auf die Feststellung in der Einleitung verwiesen werden. Insbesondere wird auf den Umstand hingewiesen, dass die Ertragsanteile der Länder und Gemeinden im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr außerordentlich steigen werden. Die Ertragsanteile werden sich, wie bereits von mir ange­sprochen, auch in den weiteren Jahren sehr positiv entwickeln.

Da in den Fragen einige relativ konkrete potenzielle Maßnahmen erwähnt wer­den, sei an dieser Stelle auf den Umstand hingewiesen, dass bei der konkreten Setzung von Maßnahmen auf kommunaler Ebene die Autonomie der Gemeinden und ihre Kenntnis der individuellen Lage vor Ort nicht außer Acht gelassen wer­den können.

Zur Frage 27:

Im Rahmen des Bundesvoranschlages 2023 wurden sämtliche Maßnahmen zur Absicherung der klimaschutzrelevanten Investitionen in der UG 43: Klima, Um­welt und Energie aufgestockt.


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Abschließend zur Frage 28:

Die Gespräche über den Finanzausgleich ab dem Jänner 2024 werden allen Gebietskörperschaften Gelegenheit geben, Änderungen beim Finanzausgleich entsprechend anzuregen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.26


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Herr Staatssekretär.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Egger-Kranzinger. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.26.57

Bundesrat David Egger-Kranzinger (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr schön, dass Sie anstelle des Herrn Finanzministers heute den Weg zu uns gefun­den haben! Wahrscheinlich war ihm die Debatte am Vormittag ein bisschen zu hitzig und er braucht jetzt ein bisschen Pause, oder er tut es Liz Truss gleich und tritt nach einer kurzen Zeit wieder zurück. (Bundesrat Buchmann: Ganz großartig! Ganz groß­artig!)

Sie haben nicht nur die Budgetprobleme angesprochen, Sie haben auch die För­derproblematik für die Gemeinden angesprochen. In diesem Land haben wir aber auch ein Systemproblem, und das Systemproblem heißt ganz klar Volkspartei, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schwindsackl: Na geh!) Einen Satz möchte ich noch dazu sagen: Nicht nur, dass die letzten 48 Stun­den extrem schockierend waren – natürlich nichts Neues, was die ÖVP angeht, die Grünen gewinnen mittlerweile wieder die Überhand, was die Regie­rungs­macht und den Ton innerhalb der Regierung angeht –, aber jedes Mal, wenn die ÖVP ein Budget erstellt, so kommt es mir vor, profitieren nicht die


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Gemeinden, nicht die arbeitenden Menschen in diesem Land, nein, da profitieren die Superreichen in diesem Land, die Benkos, die Hos und die Sigi Wolfs, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Da das Budget heute schon angesprochen worden ist: Neben dem Motto der ÖVP: Wer zahlt, schafft an!, wie wir in den Chats zu lesen haben, kommt es mir auch so vor, als wäre das zweite Motto der ÖVP: Geht es den Millionären gut, geht es allen gut! – Da, wo ÖVP draufsteht, sind nicht nur Steuergeschenke für die Superreichen und die Milliardäre bei uns in Österreich drinnen, sondern da ermittelt verdächtig oft auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwalt­schaft. Wenn sich die ÖVP – nur einen Satz dazu – weiterhin so an Macht und Posten klammert, wird uns irgendwann einmal Nordkorea im Demokratieranking überholen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Bundesrat Hübner: Gott sei Dank haben wir die SPÖ, die klammert ...! – Heiterkeit bei der FPÖ.) Die ÖVP regiert dieses Land, als ob es ihr gehört, aber dieses Land gehört den Menschen, und das vergessen Sie!

Zum Budget zu den Gemeindefinanzen, Herr Staatssekretär: Es kommt mir vor, dass ein paar wenige ein Stück vom Kuchen oder eigentlich den ganzen Kuchen bekommen, während die Menschen immer nur Brösel bekommen: Einmalzu­schüsse, zweckgebundene Zuschüsse, Finanzierungszuschüsse, zweckgebunden für die Gemeinden. Die bekommen gar kein flexibles, freies Geld, mit dem sie die Teuerung abfedern können. Die paar wenigen, die wirklich den Brocken an Geld bekommen, das sind die ÖVP-Freunde. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Ein kleiner Sidestep zur Steuergerechtigkeit: Da möchte ich nur kurz auf die Eigentümerfamilie der Firma Samsung in Südkorea verweisen. Die zahlt gerne 9 Milliarden Euro an Erbschaftssteuer, da sie damit etwas für den Wohlstand, für die Pflege und für die Bildung in ihrem Land tut. Sie sorgt dafür, dass dieser Wohlstand erhalten bleibt. Davon könnte sich die ÖVP einmal ein Stückchen abschneiden. (Beifall bei der SPÖ.)


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Sie haben die Coronamilliarden angesprochen, Herr Staatssekretär, 40 Milliarden Euro. Reden wir einmal davon! Die Profiteure sind die Unternehmerinnen und Unternehmer. Die fleißigen, normalen Leute in diesem Land, die in den Gemein­den wohnen, in den Gemeinden arbeiten und für die Gemeinden oft auch ehrenamtlich als Gemeindevertreter da sind, haben nichts davon. Die vielen jun­gen Menschen können sich mit viel Arbeit mittlerweile nichts mehr aufbauen – sie können sich kein Eigentum mehr aufbauen, weil die Wohnpreise davongalop­pieren, zum Beispiel in Salzburg. Die vielen Arbeitnehmer, die jeden Tag ihren Beitrag leisten, müssen sich vor der nächsten Energiekostenabrechnung fürch­ten.

Ganz schlimm ist es für die Pensionistinnen und Pensionisten. Ich habe mich neulich vor den Interspar in Lehen hingestellt. Die Angst ist groß. Sie bekommen 1 100 Euro – das muss man sich einmal vorstellen –, und dann flattert die nächste Stromkostenabrechnung ins Haus. Für die haben wir nichts über.

Die Bürgermeister – ich bin davon überzeugt, es sitzen einige in diesen Reihen, es sitzen da so viele Bürgermeister, auch bei der ÖVP – rufen teilweise mich an und sagen, sie kommen mit dem Geld nicht mehr aus. Da muss doch ein gewisser Wahrheitsgehalt drinnen sein, wenn selbst die ÖVP-Bürgermeister sagen, dass ihnen das Geld in den Gemeinden fehlt, dass ihnen das Geld ausgeht.

Sie sind dafür zuständig – das brauche ich euch da herinnen nicht zu sagen –: von der Wasserversorgung über den Kanal bis zur Müllentsorgung, von den Kleinkindgruppen bis hin zu den Seniorenwohnhäusern, von der Straßenlaterne über die Kinderspielplätze bis zu den Freibädern. Stichwort Freibäder: Die sind extrem große Stromfresser. Mit diesen Zuschüssen werden die Gemeinden nicht auskommen, sie werden damit die Freibäder nicht weiter betreiben können.

Wissen Sie nicht, dass den Gemeinden das Geld ausgeht? Dazu brauchen wir ja nur ein, zwei Bürgermeister anzurufen. Sie haben ja teilweise recht, was die Ertragsanteile angeht. Man kann die einen Zahlen nehmen, man kann die ande­ren Zahlen nehmen: Real gesehen steigen die Ertragsanteile, aber sie wer­den


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von der Teuerung, von der Inflation aufgefressen, also kommt unterm Strich ein Minus heraus, wenn man die Rechnung richtig anstellt, liebe ÖVP. (Beifall bei der SPÖ.)

Unterm Strich werden 1,5 Milliarden Euro fehlen: 1,5 Milliarden Euro für Schulen, 1,5 Milliarden Euro für die Kinderbetreuung, 1,5 Milliarden Euro für die Infra­struktur, die Wasserversorgung in den Gemeinden, für die Straßensanierung. Noch einmal zur Erinnerung: 40 Milliarden Euro gibt es für die Unternehmerin­nen und Unternehmer und nicht einmal 1 Milliarde Euro für die Menschen in den Gemeinden dieses Landes. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen!

Ein Beispiel aus der Gemeinde Sankt Andrä: 2 Millionen Euro braucht es für den Kindergarten, durch die Teuerung sind es jetzt 3 Millionen Euro. Woher soll diese Gemeinde das Geld nehmen? Woher soll die Gemeinde das nehmen? Diese Beispiele setzen sich durch das ganze Land fort, von Bregenz bis nach Eisenstadt. Fragen Sie die Bürgermeister! Die ÖVP zwingt die Gemeinden in die Knie.

Was machen die Gemeinden? – Auf der einen Seite sehen sie sich gezwungen, die Kosten über Gebühren wieder auf die Gemeindebürgerinnen und -bürger, auf die Einwohner abzuwälzen: Plus 5 Prozent, plus 6 Prozent, plus 9 Prozent, plus 10 Prozent schlagen sie jetzt drauf. Wer zahlt das am Ende? – Es sind die Leute, die jeden Tag hackeln gehen. Die müssen die erhöhten Gebühren zah­len. – Sie aber zwingen die Gemeinden dazu, weil Sie ihnen zu wenig Geld geben. Das ist eine ganz einfache Rechnung. (Bundesrat Schennach: Die trifft ja der Minister auch gar nicht! – Ruf bei der ÖVP: Natürlich!)

Zweitens wird gespart werden. Sie zwingen die Gemeinden zum Sparen, und Sie haben es richtig gesagt: Die Gemeinden sind der Konjunkturmotor, sie sind Arbeitgeber, sie sind eine Absicherung für die regionale Wertschöpfungskette, für die Betriebe vor Ort und die Mitarbeiter. Mit Ihrer Politik zwingen Sie die


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Gemeinden aber dazu, einzusparen. (Bundesrätin Hahn – in Richtung ÖVP –: Angeblich sind Ihnen die Gemeinden so wichtig, aber es ist keiner da!)

Die ÖVP will also einsparen: im Bildungswesen, in den Betreuungseinrichtungen, bei den Vereinen, bei den Musikerheimen und bei den Sportplätzen. Während Sie die Gemeinden finanziell in die Knie zwingen, bauen sich Energieunter­neh­men statt Gasspeichern Geldspeicher, weil sie gar nicht mehr wissen, wo sie das Geld lagern sollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Rund um Österreich – ich habe es dem Finanzminister heute schon gesagt, Sie wissen das wahrscheinlich besser – greifen die Staaten ein. Sie greifen ein, sie führen eine Übergewinnsteuer ein – wir können uns über den Begriff streiten –, sie führen einen Preisdeckel ein. Sie tun etwas, um die Menschen zu entlasten: Übergewinnsteuer in Belgien, Spanien, Italien, Griechenland, Ungarn, Rumänien und Großbritannien; Mehrwertsteuersenkung auf Strom und Gas in den Nieder­landen, in Spanien, Polen, Kroatien; Preisdeckel in Frankreich, Spanien, Portugal, Polen, Bulgarien und auch in Großbritannien.

Durch Ihre Maßnahmen aber wird in keiner Gemeinde die Müllgebühr niedriger, in keiner Gemeinde werden die Mieten niedriger, in keiner Gemeinde werden die Lebensmittel beim Krämer billiger, und in keiner Gemeinde werden die Men­schen profitieren. Das ist zum Schämen, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen wieder Preise wie vor Corona und vor dem Krieg. Mit den Koch­topfdeckelspartipps der Grünen werden wir nicht weit kommen. Wir müssen das Problem an der Wurzel packen. Davon profitieren dann wirklich alle. Fragen Sie die Unternehmer! Wenn wir dieses Problem an der Wurzel packen, profitieren die Unternehmen, die Haushalte und auch die Gemeinden. Wir brauchen einen Eingriff in den Markt, denn dieser Markt funktioniert nicht mehr.

Deswegen möchte ich auch folgenden Antrag einbringen:


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Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen David Egger-Kranzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Preisdeckel für Gas und Strom und Übergewinnsteuern für Energiekonzerne“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sofort mit den Vorbereitungs­hand­lungen für einen nationalen Gaspreisdeckel bzw. eine nationale Gaspreisbremse zu beginnen und dem Nationalrat sowie dem Bundesrat so schnell wie möglich einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, der geeignet ist, die Preise für Strom- und Gas für Haushalte, Wirtschaft und Industrie erheblich zu senken und gleichzeitig eine Gegenfinanzierung durch eine Übergewinnsteuer für Energiekonzerne sicherstellt.“

*****

Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.37


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten David Egger-Kranzinger, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Preis­deckel für Gas und Strom und Übergewinnsteuern für Energiekonzerne“ ist genü­gend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Otto Auer. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundes­rat Schennach: Der ist ja auch ein Bürgermeister! – Bundesrätin Schumann: Aber seiner Gemeinde geht es sicher gut!)


16.37.32

Bundesrat Otto Auer (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier – es sind immer noch einige da, sehr schön – und zu Hause vor den Bildschirmen! (Bundesrat Egger-Kranzinger: Ist da wer da?)


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 254

Das Thema Landes- und Gemeindefinanzen beschäftigt uns in diesem Haus schon ewig. Ich kann mich daran erinnern – das ist noch keine zwei Jahre her –, als wir hier die Coronahilfen beziehungsweise die Finanzierung in der Zeit von Corona diskutiert haben und alles schlechtgeredet wurde. Tatsächlich haben wir jetzt nach Corona wirtschaftliche Werte, die in ganz Europa ihresgleichen suchen. (Bundesrat Egger-Kranzinger: Die schlechteste Wirtschaft der Ostregion! – Ruf bei der SPÖ: Zwei Drittel Abgangsgemeinden! Bestwerte!)

Du sagst, zwei Drittel der Gemeinden sind Abgangsgemeinden: ein bisschen Hausaufgaben machen, die Gebührenordnung einhalten, dann geht vielleicht manches einfacher. Die SPÖ-Gemeinden neigen aber dazu, vieles zu verschen­ken. (Bundesrätin Schumann: Ja, na freilich! – Heiterkeit der Bundesrätinnen Schumann und Grimling.) Das muss man dann halt wieder auf andere Art bekom­men, da geht man halt immer irgendjemanden fragen. Das ist so. (Bun­desrätin Schumann: Geh bitte! – Bundesrat Schennach: So einfach! Oje, oje! Polemik auf unterstem Level! Diese Polemik hast du nicht notwendig! – Bundesrätin Grossmann: Das ist immer das Selbstherrliche!)

Maßnahmen wie Härtefallfonds, Kurzarbeit und Verlustersatz, die wir wegen Corona eingeführt haben, haben sich bewährt. Das ist am Ende des Tages eine Erfolgsgeschichte geworden, denn ein Wirtschaftswachstum von mehr als 5 Prozent in zwei Jahren sucht seinesgleichen. Auch die Arbeitslosenzahlen lassen sich sehen. Somit sind wir wirklich sehr gut aus der Krise gekommen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Aber! Brauchts nicht klatschen, es ist eh keiner da! – Bundesrat Schennach: Nicht einmal der Bader hört zu!)

Dann kam der 24. Februar: Es begann ein Krieg, der viel Not, Leid und mensch­liche Tragödien hervorruft. Dieser Krieg hatte zur Folge, dass wir unberechen­bare Märkte haben, die uns Sorgen bereiten – die durchaus gerechtfertigt sind, die nachvollziehbar sind, gegen die wir aber auch etwas tun müssen. Es hat aber auch ein querstehendes Schiff eine Tragödie am Markt ausgelöst. Auch dieses Problem wurde wieder gelöst. Somit bleiben volatile Märkte mit einer hohen


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Inflation und mit steigenden Zinsen. Trotzdem trägt der Krieg die Hauptschuld an den Teuerungen.

Die Belastungen für alle – finanzieller und auch mentaler Art – müssen berück­sichtigt werden. Diese sind sehr groß, und es müssen im Sinne der Menschen Lösungen gefunden werden.

Dass Hilfen für alle notwendig sind, ist klar, man muss allen unter die Arme grei­fen, natürlich auch den Gemeinden (Bundesrätin Schumann: Ah, doch?), denn die Energiekosten werden steigen, werden hoch sein, und es wird erforderlich sein, da etwas zu machen. (Bundesrätin Grimling: Er glaubt, sie machen es eh gut!)

Aber, wie ich schon gesagt habe: Auch die Gemeinden müssen ihre Hausauf­gaben machen, auch die Gemeinden müssen auf ihre finanziellen Vorgaben ach­ten, und wenn es die einen schaffen können, Dinge kostendeckend in der Gemeinde anzubieten, egal ob das im Bereich Kinderbetreuung oder im Bereich Altenbetreuung ist, so können es auch die anderen schaffen. Immer die Schuld auf andere zu schieben und immer nur zu fordern, das ist keine Selbstverständ­lichkeit und das wird sich auf lange Sicht nicht durchführen lassen.

Die Unterstützungen, die die Gemeinden brauchen, werden sie auf ihrem Weg weg vom Gas, bei der Umstellung auf LED, Fotovoltaik und andere Dinge, die betreffend Energiewende notwendig sind, durchaus bekommen müssen, denn man kann die Gemeinden da nicht im Stich lassen. Viele Gemeinden können das aufgrund ihrer finanziellen Situation, aufgrund ihrer Ertragslage – es hat nicht jede Gemeinde viel Kommunalsteuer oder andere Einnahmen (Bundesrat Reisinger: Aber Hausaufgaben! Hausaufgaben haben alle!) – alleine nicht stemmen, und somit müssen Hilfen kommen.

Die Ertragsanteile, wie der Herr Staatssekretär schon gesagt hat, entwickeln sich im Jahr 2022 sehr, sehr gut, also wird es doch etwas mehr geben, als im Voran­schlag verkündet wurde. (Ruf bei der SPÖ: Blödsinn!) Die Basis für diese Steige­run­gen, die Berechnungsbasis: Wenn wir 2021 nehmen und bei den Gemeinden


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von 13 Prozent reden und bei den Ländern von 22 Prozent, so ist das schon etwas. Wenn ich denke: Meine Gemeinde bekommt Ertragsanteile in der Höhe von circa 1,1 Millionen Euro. Bei einer 13-prozentigen Steigerung bekomme ich 140 000 Euro zusätzlich, also das ist nicht nichts. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Reisinger: Und die Ausgaben? Wie steigen die Ausgaben?) – Bitte, das ist nicht nichts! Es ist richtig, dass die Kosten steigen, wir haben aber trotzdem vorsichtig budgetiert, und wenn jetzt diese 10 oder 13 Prozent mehr kommen, so wird das nicht bei allen, aber bei vielen Gemeinden zur Problemlösung beitragen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich denke, man muss schon sagen, dass diese Erträge eine Folge der Maßnah­men sind, die die Regierung in den letzten zwei Jahren gesetzt hat. Das muss man schon auch klar sagen. Laut Vorschau, laut Prognose für 2023 bis 2026 ist in diesen vier Jahren eine durchschnittliche Steigerung von 4 Prozent zu erwar­ten. Das sind, wenn man wieder von 2021 ausgeht, auf hohem Niveau passable Steigerungen, und ich denke, es wird sich in nächster Zeit im Energiebereich doch etwas normalisieren. (Bundesrätin Schumann: Geh!) Viele Gemeinden haben noch bestehende Verträge, oft bis 2025, die zwar auslaufen, also da wird die Teuerung erst später schlagend, daher wird man Gemeinden, die mehr brauchen, auch mehr geben können; man wird das Geld so verwenden, dass es zielgerich­tet und wirklich richtig ankommt.

Die Darstellungen im Antrag im Hinblick auf die Entwicklungen der Ertragsan­teile sind schlichtweg falsch. Ich denke, dass man mit Angstmache und Schlecht­reden auch etwas kaputtmachen kann, was ich aber durchaus nicht als notwen­dig ansehe.

Wir haben, wie gesagt, die Coronakrise hervorragend überstehen können, und ich denke, wir werden auch mit den notwendigen Hilfen, mit der notwendigen finanziellen Disziplin (Bundesrätin Grimling: Mit der Disziplin ist es! Und mit den Hausaufgaben! – Bundesrätin Schumann: Immer ein bissi brav sein, dann tut man eine große Krise ...!) und mit vielen Maßnahmen, die die Gemeinden unterstützen, etwas in die richtige Richtung bewegen können.


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 257

Die derzeitigen Herausforderungen wie Teuerung, hohe Energie- und Rohstoff­preise können wir nur gemeinsam meistern, und wir müssen versuchen, dass wir auf allen Ebenen in dieselbe Richtung ziehen, damit diese finanzielle Problematik gelöst werden kann.

Es wird ein zusätzliches Gemeindehilfspaket geben (Rufe bei der SPÖ: Oh! Ah so?), die Ausarbeitung ist im Gange (Bundesrat Reisinger: Maximal ein chinesisches Glückskeks!), und ich denke, dass wieder die richtigen Maßnahmen ergriffen wer­den, damit wir auch aus dieser Krise wieder als die Besseren der Besten hervor­kommen (Rufe bei der SPÖ: Ja, geh!) und unsere Gemeinden zur vollsten Zufrie­denheit für alle Bürgerinnen und Bürger ihre Arbeit tun können. (Bundesrätin Schumann: Alles wird gut, und der Herr Schmid ...!) – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

16.44


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Josef Ofner. (Bundesrat Steiner: Wieder munter geworden?!) – Bitte, Herr Bürgermeister.


16.44.43

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kollegen! Vor allem: Werte Zuseher hier auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Wenn man den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs oder des Kollegen Auer zuhört, dann fühlt man sich wie in einem Paralleluniversum. (Bundesrat Schennach: Alles ist super!) – Genau: Es ist alles toll, die Gemeinden haben Geld ohne Ende. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Das Einzige, was bei der ÖVP noch immer funktioniert, ist die Parteiakademie (Bundesrat Schennach: Die auch steuerlich nicht geprüft wird! – Bundesrätin Kittl: ... Rechnungshof!) – also Schönfärberei an erster Stelle; dazu ein bisschen Ins­zenierung und dann funktioniert das schon. Sie haben also gut gelernt: viel Geschwurbel, wenig Inhalt. (Beifall bei der FPÖ.)


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Ich kann Ihnen eines sagen: Wenn es darum geht, dass es heißt – der Herr Staatssekretär hat es ja heute einmal gesagt, der Herr Finanzminister hat es immer abgestritten –, wir müssen die Schulden reduzieren, dann muss man einmal Ursachenforschung betreiben: Warum müssen wir denn Schulden reduzieren? – Weil wir eine Situation haben, die Gemeinden wie die Bevölke­rung, in die ihr uns geführt habt: mit eurem Coronachaos durch zwei Jahre hindurch, mit einer verantwortungslosen Sanktionspolitik gegenüber Russland und mit der Energiekrise, die ihr dadurch auch selbst zu verantworten habt! Das ist der wahre Grund, warum wir jetzt Schulden reduzieren müssen! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben schon vor zwei Jahren gewarnt, dass es zu einer Inflation kommen wird, wenn man diesen Weg geht; wir haben gewarnt davor, dass es zu Teue­rungen kommen wird, wenn man diesen Weg geht; aber wir sind von euch belächelt worden.

Weil es hier auch von Kollegen von der SPÖ auf den Punkt gebracht worden ist: Ihr seid wirklich perfekt im Abschieben von Verantwortung. (Bundesrat Schennach: Nicht nur von Verantwortung!) Das passiert nämlich genau uns Bürgermeistern jetzt wieder. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Wir als Gemeinden haben das Problem, dass wir auch unter den hohen Treib­stoff- und Energiepreisen zu leiden haben, dass wir unter den exorbitant steigenden Strompreisen zu leiden haben, aber vor allem insgesamt aufgrund der steigenden Kosten bei den Investitionen und bei den Firmen. Ihr geht her und sagt dann: Ist ja kein Problem, wir helfen euch ja eh! – Es wird dann mit einem Investitionsgesetz geholfen. Da haben schon die ersten zwei nicht funktioniert. Es funktioniert eben nicht, wenn Sie sagen, Sie fördern zu 50 Pro­zent, aber die Gemeinden die anderen 50 Prozent in Form von Eigen­mitteln nicht haben. Das verstehen Sie bis heute nicht! (Beifall bei der FPÖ und bei Bun­desrät:innen der SPÖ.)


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Das nächste Problem, das wir in diesem Zusammenhang haben, ist, dass wir das aufgrund dieser steigenden Preise natürlich auch umlegen müssen. Das meine ich mit Abschieben von Verantwortung: Dann ist es nicht die Bundesregierung, sondern wir als Gemeinden müssen unsere Bürger Mehrbelastungen aussetzen, indem wir Gebühren erhöhen müssen, weil Sie uns dazu zwingen. Das ist die Problematik, die wir haben. Das heißt eben, bei Müll, Wasserversorgung, Abwas­serentsorgung haben wir dieselben Probleme im Zuge des Umlageverfahrens. Das wird zum Beispiel auch heuer im Winter der Fall sein. Stellen wir uns einmal den Winterdienst in den Gemeinden vor: Was wird der aufgrund der erhöhten Treibstoffpreise kosten? Was kosten die Kinderbetreuungseinrichtungen, da wir auch entsprechend höhere Energiepreise haben? (Ruf bei der SPÖ: Salzpreise? – Bundesrätin Zwazl: Du gibst ihm recht? Willst du noch mehr Karriere machen? – Bun­desrätin Schumann: Wer macht Karriere?)

Und nein – jetzt sage ich Ihnen noch eines –, wir werden uns nicht an diese Energiespaßmaßnahmen einer Frau Gewessler halten und unsere Kinder, unsere Mitarbeiter oder auch die Bevölkerung bei 19 Grad in den Verwaltungsgebäuden frieren lassen. Nein, wir müssen nicht frieren für den Unfug, den diese Regierung jeden Tag verantwortet (Beifall bei der FPÖ), sondern wir haben Verantwortung zu übernehmen, und das tun wir als Gemeinden im Gegensatz zu dieser Regie­rung! Wir übernehmen auch die höheren Kosten, beim Gelegenheitsverkehr beispielsweise: Da steigen die Kosten immens. Wir haben in unserer Gemeinde folgende Situation: Wir haben noch vor fünf Jahren 8 000 Euro gezahlt, heute sind wir bei 35 000 Euro, und aufgrund der gehobenen Treibstoffpreise werden die Kosten noch höher werden.

Dann kommt das tolle Thema Straßenbeleuchtung. Da können Sie Ihrer Kollegin Gewessler auch einmal ausrichten, dass sie vielleicht einmal an die Haftung der Bürgermeister denken soll; denn wenn ich Straßenbeleuchtung habe, die tech­nisch in der Lage ist, die ganze Nacht zu leuchten, dann habe ich sie einzusetzen, denn wenn ich das nicht mache, bin ich als Bürgermeister in der Haftung. So viel zu diesen Energiespaßmaßnahmen der Frau Gewessler! (Beifall bei der FPÖ.)


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Geschätzte Damen und Herren, das ist eben auch diese Geschichte mit den Investitionen. Wir wissen, dass wir teilweise nicht einmal Firmen bekommen, um Investitionen durchzuführen. Wenn wir sie bekommen, zahlen wir 20 bis 30 Pro­zent mehr, da helfen uns die höheren Ertragsanteile nichts, die Sie uns da heute ganz freudvoll näherbringen; weil es zu wenig ist, weil es einfach zu wenig ist! Sie haben das heute ein bisschen verschachtelt formuliert, aber wir verstehen schon, was Sie damit meinen. Die Gemeinden haben ja die Möglichkeit, diese höheren Ausgaben zu bedecken, nämlich über Bedarfszuweisungsmittel. Sie wissen aber schon, dass genau die Bedarfszuweisungsmittel eigentlich dazu da sind, dass wir Investitionen tätigen, und nicht für die Abgangsdeckung; aber genau, Sie haben recht, von den Aufsichtsbehörden werden wir dazu gezwungen werden.

Daher braucht es eines: Wir brauchen eine klare Unterstützung von der Bundes­regierung in finanzieller Form, damit wir die Bürger entlasten können. Das heißt, wir brauchen keine Investitionspakete mit irgendwelchen prozentmäßigen Zuschüssen, sondern wir brauchen finanzielle Unterstützung mit einer Erhöhung auch der Ertragsanteile. Was keiner in den Gemeinden braucht – denn wir Bürgermeister sind keine Mediziner, wir Bürgermeister sind für unsere Bevöl­kerung verantwortlich, und daher geben wir auch keine medizinischen Rat­schläge –, was wir nicht brauchen, das ist die Situation, dass wir dieses Geld von der Impfkampagne jetzt vielleicht an den Bund zurückerstatten sollen – es wird nicht zurückerstattet werden müssen, es wird eh automatisch einbehalten –, sondern dieses Geld soll für unsere Bürger zur Verfügung stehen, dass wir es gegen die Teuerung und vielleicht für einen Zuschuss zu den Heizkostenzu­schüssen verwenden dürfen. Das wäre einmal ein Bekenntnis der Bundesregierung.

Deswegen werden wir das heute auch entsprechend mit einem Entschließungs­antrag zum Ausdruck bringen:


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Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Rückzahlung der Impfprämien durch die Gemeinden“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, auf die Rückzahlung von Zweckzuschüssen, die aufgrund des Bundesgesetzes zur Erhöhung der Inanspruchnahme von Impfungen gegen COVID 19 an Gemeinden geflossen sind, zu verzichten, sofern Gemeinden diese Gelder für gezielte Maßnahmen zur Unterstützung ihrer Bewohnerinnen und Bewohner gegen die Teuerung verwenden.“

*****

Ich glaube, das wäre einmal ein erster Schritt. Weitere müssen entsprechend folgen. Ich hoffe auf breite Zustimmung zu unserem Antrag und wirklich einmal auf eine effektive Unterstützung der Gemeinden und keine Pseudomaßnahmen. In diesem Sinne wäre den Gemeinden entsprechend geholfen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.53


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Josef Ofner, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „keine Rückzahlung der Impfprämien durch die Gemeinden“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Elisabeth Kittl. – Bitte.


16.53.27

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:in­nen hier und vor den Bildschirmen! Ja, die Teuerung und fehlende Finanzmittel in den Gemeinden schlugen schon in der Pandemie zu, und sie wurden von der


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Regierung früh genug erkannt und ausgeglichen. Staatssekretär Tursky hat das auch umfassend dargestellt.

Ich gehe auf die Gemeindeförderungen direkt ein. Schon Anfang 2020, das heißt schon zu Beginn der Pandemie, haben wir das erste Gemeindepaket umgesetzt, beschlossen mit dem Kommunalinvestitionsgesetz 2020: 1 Milliarde Euro für nicht rückzahlbare 50-prozentige Zuschüsse für bestimmte klimaschützende und digitale Investitionen. Die Förderungen umfassten unter anderem die Errichtung und Sanierung von Kindergärten, von Schulen, Senior:innenheimen sowie Inves­titionen in den nachhaltigen öffentlichen Verkehr, Maßnahmen zum Energie­sparen und für die Gewinnung erneuerbarer Energie sowie für den Ausbau des Breitbandnetzes. Das war wichtig und das war vorausblickend, denn dass fossile Energieträger bald nicht mehr so günstig sein werden, damit rechneten damals nur wenige. Die Grünen übrigens warnten schon seit vielen Jahren vor der geo­politischen Abhängigkeit von diktatorischem Gas. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Schwindsackl.)

Anfang 2021, mitten in der Coronakrise, also ein Jahr nach dem Beginn, folgte das zweite Gemeindepaket mit weiteren 1,5 Milliarden Euro. Strukturschwache Gemeinden erhielten zusätzlich zu dem, was sie normalerweise erhalten haben, 100 Millionen Euro. Die Ertragsanteile der Gemeinden wurden um 400 Millionen Euro erhöht, und 1 Milliarde Euro Sondervorschüsse wurde zur Verfügung gestellt.

Die dritte Maßnahme ist die Kindergartenmilliarde, die auch direkt an die Gemein­den ging: 200 Millionen Euro pro Jahr bis 2027 für den Ausbau der Kinder­gärten, für Sprachförderung und das Pflichtkindergartenjahr. Das ist auch frauen­politisch eine wichtige Maßnahme. (Bundesrätin Schumann: Na geh, geh, geh!)

Viertens: an das erste Gemeindeentlastungspaket anschließend nun das auch von Herrn Tursky erwähnte Kommunalinvestitionsgesetz, das KIG 2023, mit weiteren 500 Milliarden Euro für Investitionen bis Mitte 2025, und zwar für notwendige Investitionen, vor allem in den Klimaschutz, und das ist gleich


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Teuerungsschutz; 500 Millionen Euro für Investitionen in den effizienten Einsatz von Energie und für den Umstieg auf erneuerbare Energieträger.

5 Prozent der zustehenden Summen dürfen die Gemeinden auch an gemein­nützige und soziale Einrichtungen zur Deckung gestiegener Energiekosten weitergeben. Mittel, die aus den kommunalen Impfkampagnen nicht verwendet wurden – das waren ehemals 75 Millionen Euro –, werden nun auf alle Gemein­den weiterverteilt, und das auch aus dem Grund, dass Gemeinden, die Impfkam­pagnen durchgeführt haben, nicht benachteiligt werden.

Natürlich – das ist ein wichtiger Punkt – prüft die Bundesregierung permanent, wie es den Gemeinden geht, und evaluiert die Wirkung der Gemeindepakete. Wir haben auch einen Namen dafür: Gemeindemonitoring – auf Antrag der NEOS eingeführt. Dort wird laufend analysiert, wie hoch die Investitionen sind, aber auch, wie hoch der Verschuldungsgrad der Gemeinden ist. Herr Tursky hat auf nicht aktuelle Zahlen des KDZ hingewiesen, aber bezüglich des Gemeinde­monitorings: Es zeigt, die Verschuldung der Gemeinden ist stabil und sogar rückläufig, wenn man Wien ausnimmt.

Die Investitionen sind stark gestiegen. Es ist eine super Nachricht, denn auch und vor allem die Investitionen in den Klimaschutz sind stark gestiegen. Im Budgetunterausschuss des Nationalrates wurde bekannt gegeben, dass es von den etwa 2 000 Gemeinden in Österreich nur 60 sind, die nichts von dem KIG 2020, von der 1 Milliarde Euro, abgerufen haben. Das heißt, 950 Milliarden Euro wurden von mehr als 1 940 Gemeinden abgerufen und investiert. Viele Gemeindechefs, also Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, haben mir gesagt: So viel Geld wie 2021 oder 2022 hatten sie selten zur Verfügung. (Bundesrat Ofner: Ja, vielleicht in Wien!)

Wenn auch dieses Mal Mittel aus dem KIG 2023 nicht in Anspruch genommen werden, fließen sie dem Strukturfonds zu, der eben genau die strukturschwachen Gemeinden unterstützt, und das ist gut, das ist durchdacht und vergisst eben nicht die Gemeinden, die nicht viel Geld zur Verfügung haben. (Bundesrat Steiner:


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Hast du schon jemals in einer Gemeinde gelebt?!) Es ist eine wertvolle zusätzliche Hilfe zur Sicherung der Gemeindefinanzen. Das alles ist auch wichtig, denn wenn diese Mittel für die Energiesparmaßnahmen, für den Bau von Klimaschutzmaß­nahmen zur Verfügung gestellt werden, werden genauso Mittel freigemacht, um sie für die Daseinsvorsorge zu verwenden.

Ich weiß und ich vertraue darauf noch immer – ich habe es schon einmal gesagt –: Falls noch zusätzliche Hilfen notwendig sind, wird sicher darauf reagiert. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

16.59


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte.


16.59.34

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Teuerung in Österreich hat ein 50-Jahre-Hoch erreicht. Die Gründe dafür sind nicht nur eine expansive Geldpolitik der EZB und die hohe – Stichwort „Koste es, was es wolle“ – Neuverschuldung für immer höhere Staatsausgaben. Die Haupt­ursache für die aktuelle Teuerung ist in erster Linie eine, nämlich Wladimir Putin.

Mit seinem verbrecherischen Angriff auf die Ukraine hat Russlands Diktator nicht nur einen Krieg in Europa gestartet, er hat auch aus Rohstoffexporten, vor allem aus russischem Gas, eine wirtschaftliche Waffe gemacht. Diese setzt er gezielt gegen die demokratische Welt ein, um einen Stopp der Unterstützung der Ukraine zu erzwingen. Davon ist Österreich nicht ausgenommen.

Eine Folge dieses Einsatzes wirtschaftlicher Waffen Putins ist, dass Gas zu knap­per Ware geworden ist. Das heißt ganz klar: Wir müssen so schnell wie möglich unabhängig von russischem Gas werden. Dafür darf der Staat aber nicht aus­schließlich auf oft ineffiziente und nicht treffsichere Gutscheinlösungen zurück­greifen, die durch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler selbst finanziert


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werden, sondern soll den Bürgerinnen und Bürgern erst gar nicht so viel aus der Tasche ziehen. Der Staat soll Maßnahmen ergreifen, die auf die durch die Energiekosten überproportional gestiegene importierte Inflation dämpfend wirken, um die Gefahr einer lang anhaltenden Lohn-Preis-Spirale abzuwehren.

Der Krieg in der Ukraine führt bereits jetzt zu einer enormen Diversifizierung von russischem Gas und von fossilen Energiequellen, wo es möglich ist. Die Aufgabe der Regierung und der Europäischen Union ist es, diese Umstellung bestmöglich zu begleiten. Wir haben Zuversicht, dass diese schmerzvolle Krise dazu genutzt werden kann, längst überfällige Strukturreformen, wie die Energie­wende, rasch voranzutreiben. Wir sehen dabei folgende vier Schwerpunkte:

Punkt eins: eine treffsichere Unterstützung. Um die Auswirkungen der Teuerung abzufangen, müssen einkommensschwache Haushalte rasch, gezielt und treff­sicher unterstützt werden. Für diese Gruppe wird es zunehmend schwieriger, die finanziellen Mehrbelastungen durch die Preissteigerung bei notwendigen Gütern zu stemmen. Der breite Mittelstand muss durch eine Steuersenkung mehr Kauf­kraft haben, um sich von der eigenen Leistung auch mehr leisten zu können. Dafür braucht es die in Ansätzen bereits beschlossene Abschaffung der kalten Progression, von der wir uns gewünscht hätten, dass sie auch rückwirkend und vollständig, auf jeden Fall aber nachhaltig passiert.

Weiters müssen die Lohnnebenkosten dringend gesenkt werden, um Spielraum für die Tarif- und Lohnverhandlungen diesen Herbst zu schaffen, um Nettolöhne zu erhöhen und um die Kostenbelastung der Unternehmen zu reduzieren und dadurch die Preisspirale zu dämpfen. Damit es zu keinen Leistungskürzungen kommt, kann durch Kompensationszahlungen aus dem Bundesbudget gegenge­steuert werden.

Punkt zwei: der Staat als Begleiter beim Umstieg und als Vorbild. Der Staat und die Politik müssen unterstützen und mit gutem Beispiel vorangehen und dort, wo es möglich ist, auf Energiesparen setzen. In öffentlichen Gebäuden sollte es möglich sein, dort, wo keine Arbeitsplätze sind, die Temperatur auf maximal


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19 Grad zu senken. Dort, wo das nicht machbar ist, müssen rasch Wege gefun­den werden, um diese Möglichkeit zu schaffen, zum Beispiel durch Inves­titionen in den Einsatz von erneuerbaren Energien im öffentlichen Gebäudebestand.

Es ist auch die Aufgabe des Staates und der staatlichen Behörden, ausreichend darüber zu informieren, wie man den Verbrauch am besten eindämmt, um die Umsetzung von Energiesparmaßnahmen zu erleichtern. Die Menschen müssen über all ihre Möglichkeiten, Energie zu sparen, informiert werden, um anhand ihrer Gewohnheiten die besten Entscheidungen treffen zu können. Insbesondere Energieverbrauchsspitzen und damit der besonders erhöhte Bedarf an fossilen Brennstoffen müssen durch die Verteilung auf andere Tages- und Nachtzeiten reduziert werden.

Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger können mitwirken, indem sie so viel Energie einsparen wie möglich und so schnell wie möglich auf alternative Energie umsteigen. Die Politik ist gefragt, dabei zu unterstützen und die rich­tigen Anreize zu setzen. Daher sollte von Preisdeckeln abgesehen werden, wenn sie dem Ziel des Energiesparens im Weg stehen.

Punkt drei: Der Deindustrialisierung muss eine Absage erteilt werden, und der Standort Europa muss langfristig gesichert werden. Dort nämlich, wo es keine Alternativen und Einsparmöglichkeiten gibt, insbesondere in der Industrie, bekennen wir uns zur vorübergehenden Unterstützung für die Umrüstung, auch wenn andere fossile Brennstoffe enthalten sind, und zur Liquiditätsstärkung in Form von Garantien. Eine Deindustrialisierung wäre ein unumkehrbarer Schaden für die Volkswirtschaft und muss verhindert werden.

Wir unterstützen den europäischen Stromnetzausbau und ein gemeinsames europäisches Vorgehen bei der Bewältigung der Krise, insbesondere beim Versuch, Investitionen in erneuerbare Energien zu beschleunigen, beim Vorantreiben der Verringerung der Abhängigkeit von russischem Gas sowie dabei, eine weltweite Vorreiterrolle bei der Energiewende einzunehmen.


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Kurzfristig sollten außerdem die Strom- von den Gaspreisen entkoppelt werden, Stichwort iberisches Modell.

Um einen nachhaltigen Standort in Europa sicherzustellen, soll ein EU-CO2-Grenzausgleichsmechanismus eingeführt werden. Die Nachhaltigkeit der europäischen Industrie darf nicht untergraben werden. Daher ist eine solche CO2-Grenzausgleichsabgabe zentral, um eine ökologisch bedingte Abwanderung der Industrie abzuwenden. Die europäische Industrie muss langfristig gesichert werden, um auch mittelständische Zulieferer und Arbeitsplätze zu erhalten.

Punkt vier: das Vorantreiben der Energiewende. Der Bund muss die Bundes­länder in die Pflicht nehmen. Diese müssen am besten binnen eines halben Jahres Flächen für den großflächigen Ausbau erneuerbarer Energien ausweisen und strategische Umweltprüfungen durchführen.

Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen, die zum Erfolg der Energiewende beitragen wollen, darf die Bürokratie nicht im Weg stehen. Wer eine PV-Anlage auf seinem Haus errichten oder ein Windrad auf seinen Grund stellen möchte, dem soll das möglichst rasch erlaubt werden. Lokale Stromnetze müssen rasch verbessert werden, um den lokal erzeugten Strom effizient weiterzuleiten. Damit das umgesetzt werden kann, brauchen wir dringend Fachkräfte. Dafür muss es einerseits ein Fast-Track-Verfahren bei der Rot-Weiß-Rot-Karte für qualifiziertes Personal aus dem Ausland, andererseits aber auch eine Ausbildungsoffensive geben.

Um Investitionen in Erneuerbare auch in der Teuerungskrise sicherzustellen, sollen für Unternehmen, die in den Ausbau von Erneuerbaren investieren, großzügige Absetz- oder Freibeträge bereitgestellt werden. Diese Krise können wir schließlich nur gemeinsam als Gesamtgesellschaft bekämpfen. Die Menschen müssen über all ihre Möglichkeiten, Energie zu sparen, informiert werden, um anhand ihrer Gewohnheiten die besten Entscheidungen treffen zu können. Der Staat soll sie dabei unterstützen, ihre vorhandenen Optionen bestmöglich zu nutzen.


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Wir sind alle gefordert, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, und wenn uns das gelingt, können wir mit Zuversicht nach vorne blicken und die notwendige Transformation schaffen. – Danke sehr. (Beifall bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.)

17.06


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dominik Reisinger. – Bitte.


17.06.49

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer:innen auf der Galerie und zu Hause! Bevor ich auf das Thema eingehe, darf ich noch ein Wort zur Präsenz der ÖVP bei dieser Dringlichen Debatte sagen. (Bundesrat Schennach: Gemeinden und Städte interessieren sie nicht!) Wir sind fast am Ende dieser Debatte. Ich habe das verfolgt: Es sind zwischen sechs und acht Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP hier. Dafür kann es zwei Gründe geben: Entweder das Thema Gemeindefinanzen interessiert euch nicht oder ihr seid schon in Auflösung begriffen! (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Zwischen­ruf der Bundesrätin Zwazl. – Bundesrat Schennach: Aber der Herr Schwindsackl ist gekommen!)

Wir haben ein äußerst brisantes Thema am Tisch. Zuerst war es die Coronakrise, die uns in massive finanzielle Schwierigkeiten brachte, und jetzt ist es die Teue­rung, die in all ihren Ausprägungen auf die Städte und Gemeinden trifft. Die unmittelbaren Folgen, aber auch jene, die noch kommen werden – und das werden einige sein –, sind dramatisch. Das Wort Krise ist da wirklich richtig verwendet, und es braucht jetzt schnelle und vor allem die richtigen Entschei­dungen seitens der Bundesregierung.

Weil es die braucht, haben wir diese Dringliche Anfrage an den Herrn Finanz­minister gerichtet; zum einen, weil wir natürlich Antworten hören wollen, zum anderen, weil es uns wichtig ist, dass er auch zum Handeln aufgefordert wird. Es


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wäre grob fahrlässig, jetzt nichts zu tun. Leider war in dieser Beantwortung, abgesehen von viel Selbstbeweihräucherung, nicht viel zu hören. Aus meiner Sicht waren die Antworten auch über weite Strecken unbefriedigend, und es gab nichts Substanzielles zu hören. Es wurde aus meiner Sicht mehr über das Bun­desheer als über die Gemeinden gesprochen. Das ist enttäuschend und ein verheerendes Signal, das Sie damit an die Gemeinden und Städte aussenden. Sie können es rechnen, wie Sie wollen, Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen, am Ende werden die Gemeinden an Finanzkraft verlieren, das ist Fakt.

Nur eine Notiz am Rande: Wir sollten uns dann schon auch einmal auf die rich­tigen Zahlen einigen. Herr Staatssekretär, Sie sprechen von Millionen, wenn es um Milliarden geht. Kollegin Kittl spricht von Milliarden, wenn es um Millionen geht. (Bundesrätin Kittl: Ja, tut mir leid!) Also es ist schon wichtig, dass die Zuhö­rerinnen und Zuhörer wissen, wovon wir heute hier reden! (Beifall bei der SPÖ.)

Was Sie in Ihrer Beantwortung heute gesagt haben, zeigt auch wieder das gleiche Bild: Sie werden dieselben Fehler machen wie schon in der Coronakrise. Dieses Hilfspaket ist aus unserer Sicht keine echte Hilfe. Es ist mehr – ich habe es schon gesagt – ein chinesisches Glückskeks. Recht viel mehr als nette Sprüche wird man da nicht finden. (Beifall bei der SPÖ.)

Um in der Bildsprache zu bleiben: Sie versuchen wieder, die Gemeinden und Städte mit einem Investitionsprogramm samt Hürden abzuspeisen. Davon werden wir in den Gemeinden aber sicherlich nicht satt werden.

Grundsätzlich – das wurde heute schon von meiner Kollegin und von meinen Kollegen erwähnt – ist ja ein Investitionsprogramm ganz okay, aber eben nur – und das haben wir über Monate getrommelt – begleitend beziehungsweise als zweiten Schritt. Wir brauchen jetzt in den Kommunen Strukturzuschüsse, Aus­gleichszahlungen für die immens hohen Energiekosten, für die Spritpreise, um liquid zu bleiben und um die laufenden Ausgaben decken zu können. Das ist das


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wirklich Wichtige in dieser schlimmen Phase. Dann, in weiterer Folge, können wir an Investitionen denken.

Die Inflation und die gestiegenen Baupreise zwingen die Kommunen in die Knie und nehmen uns die Spielräume für Investitionen. (Beifall bei der SPÖ.) Wir sind sozusagen in einem Teufelskreis: Die regionale Wertschöpfung wird sinken und wir gefährden dadurch Arbeitsplätze. Sehr viele Gemeinden werden in den Härteausgleich, also in den Abgang abrutschen. Um ein Beispiel zu nennen: In meinem Bezirk werden das mehr als zwei Drittel aller Gemeinden sein. An meinen, unseren Kollegen Auer darf ich mich hier auch noch wenden: Wenn du sozusagen den Gemeinden ausrichtest, sie sollen ihre Hausaufgaben machen, dann nehme ich das gerne mit. Von den 37 Gemeinden in meinem Bezirk sind 34 ÖVP-Gemeinden. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Jetzt ist er fertig, der Auer! – Zwischenruf des Bundesrates Auer.)

Ja, was ist die Konsequenz? – Wir sind im Härteausgleich. Wir müssen an allen Schrauben drehen, zuerst auf der Ausgabenseite, das heißt, es wird den ehren­amtlichen Bereich, die Vereine massiv treffen, und dann auf der Einnahmenseite. Was heißt das? Wir müssen – da können wir uns gar nicht wehren – die Gebüh­ren bei der Müllabfuhr, beim Wasser und beim Kanal – um nur einige zu nen­nen – massiv erhöhen. Alles in allem werden auch all diese Maßnahmen wieder die Menschen da draußen treffen, die ohnehin massiv von der Teuerung in allen anderen Lebensbereichen betroffen sind.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, um es auf den Punkt zu bringen: Die Gemein­den haben nicht genug Geld, um den Status quo der Daseinsvorsorge zu finan­zieren. Das ist das Problem, und das muss man endlich auch einmal erkennen. (Beifall bei der SPÖ.) Betroffen sind unsere Kindergärten, unsere Schulen, Infra­strukturprojekte, die Feuerwehren und vieles mehr. Seit Monaten, um nicht zu sagen seit Jahren, weisen wir als SPÖ-Fraktion, das KDZ, zahlreiche Experten, ja und auch alle Ihre ÖVP-Bürgermeister auf die verheerenden Auswirkungen bei den öffentlichen Leistungen auf Gemeindeebene hin. Die Prognosen lassen leider nichts Gutes erhoffen. Wir honorieren auch, wenn Geld in die Hand


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genom­men wird, aber leider kommt es nicht dort an, wo es ankommen muss. (Bundesrat Schennach: Herr Staatssekretär, haben Sie das gehört? – Staatssekretär Tursky nickt. – Bundesrat Schennach: Ich wollte nur sichergehen!)

Um zum Schluss zu kommen: Wie lange warten Sie bitte noch, bis Sie endlich in den Energiemarkt eingreifen und damit die Preise senken? Mit der Industriellen­vereinigung oder der Kommissionspräsidentin von der Leyen sind es ja gerade Ihre Leute, die das Tag für Tag fordern, nur: Von Ihnen kommt nichts.

Herr Staatssekretär, Herr Finanzminister in Abwesenheit, stellen Sie den Städten und den Gemeinden die dringend notwendigen Geldmittel zur Verfügung! Wir haben leider keine Zeit mehr. Handeln Sie jetzt und sofort! (Beifall bei der SPÖ.)

17.14


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Günter Pröller. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.14.14

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauer auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Ja, die Teuerungswelle trifft uns alle. Auch die Gemeinden stehen vor großen Herausforderungen und unter Druck. Vor allem haben aber viele Menschen derzeit große Sorgen und Ängste, dass sie sich das tägliche Leben nicht mehr leisten können. Das liegt aber nicht nur an den derzeitigen Krisen, sondern auch daran, wie Sie, die Regierung, derzeit mit den Krisen umge­hen – von der Coronapolitik bis hin zur Sanktionspolitik.

Dadurch verteuern sich die Energiepreise immer rasanter. Die Menschen können sich im Land immer weniger leisten und geraten zunehmend in eine bedrohliche Lebenssituation. Anstatt Steuern zu senken, setzen Sie sich noch auf einen haus­gemachten Inflationsturbo à la CO2-Steuer. Umso dringender ist es, dass die Bundesregierung endlich Maßnahmen ergreift, die gerade jenen Menschen zugu­tekommen, die mit ihrem Einkommen nicht mehr auskommen.


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Kollege Ebner hat heute schon beim Tagesordnungspunkt 1 aufgezählt, was die Regierung alles tut. Herr Kollege Schennach hat gesagt: Tarnen und Täuschen – Ja, es ist trotzdem zu wenig oder es kommt nicht an. Diese Sorgen und Ängste sind Hilferufe der Menschen. Wir sehen es bei den Sozialmärkten in Österreich: Sie werden gestürmt. Die Waren sind teilweise ausverkauft. Da nehme ich unser Land Oberösterreich als Beispiel her, wo die Raiffeisenbank Oberösterreich mit 800 000 Euro einspringt, damit die Waren wieder gekauft werden können. In so einem Zustand sind wir in Österreich also, und dafür ist die Regierung zuständig. Danke also an die Regierung, dass so etwas überhaupt wieder möglich ist.

Die Gemeinden stehen vor großen Herausforderungen. Die Menschen leiden unter den Preissteigerungen bei einer Inflationsrate von mittlerweile über 10 Prozent. Die Bundesregierung hätte es zwar in der Hand, aber nach dem, was ich hier schon alles an Debattenbeiträgen von den Regierungsparteien gehört habe, kommt mir vor – und das ist schon ab und zu angesprochen worden –, ihr (in Richtung ÖVP und Grüne) habt die Dramatik wirklich nicht verstanden. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrät:innen Reisinger und Schumann.) – Ob bei der Flüchtlingspolitik, der Teuerungspolitik, der Energiepolitik – überall erleben wir ein Totalversagen der Regierung.

Apropos Energiesparen: Von manchen Grünen habe ich schon gehört: Na ja, wenn die Menschen sich die Energie nicht mehr leisten können, dann sollen sie halt weniger verbrauchen. Ja, also wenn die Menschen draußen so eine Aussage hören, verstehe ich, dass sie enttäuscht oder sogar wütend auf die Regierung sind.

Ja, geschätzte Damen und Herren, der Spritpreis ist dank der CO2-Steuer wieder über die 2 Euro gestiegen, die Strompreise haben sich verdoppelt und das Gas ist eigentlich schon unbezahlbar, auch für die Gemeinden. (Zwischenruf der Bundes­rätin Zwazl.) Die Herausforderungen – und dass auch die Gemeinden da wirklich an ihre Grenzen kommen – sind von meinen Kollegen schon angesprochen wor­den.


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Ja, die Sanktionspolitik ist mitverantwortlich dafür, dass die Energiepreise nach oben schießen. Die Preise steigen und steigen und damit auch die Lebensmittel­preise. Ein Besuch in einem Gasthaus am Wochenende ist für Familien oft schon unvorstellbar. Das ist ja ein Wahnsinn! Da kommen wir auch wieder in eine Spi­rale nach unten. Kollege Reisinger hat es schon angesprochen: Wir verlieren damit die regionale Wertschöpfung. Daher brauchen die Menschen, die Unter­nehmen und die Gemeinden jetzt Unterstützung, massive Entlastung, und vor allem die Familien brauchen Hilfe. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Gerade jetzt in diesen Tagen: Die Schule hat begonnen, die Schulausflüge sollen finanziert werden, die Sportwochen kommen wieder näher. Die Familien können sich diese nicht mehr leisten. Da springen sogar schon die Gemeinden ein, damit die Kinder überhaupt an solchen Dingen teilnehmen können. Auch in meiner Gemeinde Feldkirchen an der Donau haben wir einen diesbezüglichen Antrag eingebracht, und alle Parteien waren dafür. Das ist aber das, was ich bei dieser Regierung nicht verstehe: Seht ihr das nicht oder wollt ihr es nicht sehen? Wir sind wirklich an der Grenze, wir drohen abzustürzen! Also bitte kommt in die Umsetzung, macht etwas! (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Ich möchte die SPÖ trotzdem ansprechen, denn es ist kein Wiener herausge­kommen, glaube ich, nur die Oberösterreicher. (Bundesrat Schennach: Salzburg war auch drauf!) Ihr hättet da die Möglichkeit, die vielen Forderungen, die ihr stellt, wirklich umzusetzen, den Menschen vor Ort zu helfen – ob das bei den Energiepreisen ist, ob das bei den Mietpreisen ist. Macht es! Nicht fordern, sondern tun! (Bundesrat Schennach: Geh bitte!) Das wäre etwas, was klasse wäre. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Reisinger: Bis hierher war es eine gute Rede, aber jetzt - -! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Ja, ja, aber ich wollte euch (in Richtung SPÖ) nicht ganz vergessen.

Ja, die Preise steigen und steigen. Die Bürger werden von Armut bedroht. Die Rekordinflation kommt auch in der Mitte der Gesellschaft an. (Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) – Jetzt komme ich wieder zu euch (in Richtung SPÖ). Statt


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Geld für die Impfwerbung in den Gemeinden auszugeben, lasst das Geld in den Gemeinden! Die Gemeinden wissen, was sie mit dem Geld tun. Sie unterstützen die Familien, die in Not sind.

Ja, geschätzte Damen und Herren, die Regierung erschafft jeden Tag tatsächlich Lösungsansätze. (Bundesrat Kornhäusl: Genau!) Je mehr Lösungsansätze aber präsentiert werden, umso mehr Probleme und Unsicherheiten tauchen auf. Das ist ja eigentlich auch ein Wahnsinn. Sie probieren etwas und wollen es besser machen, und in Wirklichkeit wird alles schlechter. Die Regierung ist einfach nicht mehr in der Lage, dieses Land zu führen.

Das zeigt sich beim Pflegenotstand, beim Lehrermangel, bei der Coronapolitik, bei den Sanktionen, bei der Untergrabung der Neutralitätspolitik, bei der Energiepolitik – man könnte hier unendlich weiter aufzählen, von A wie Asyl­politik bis Z wie Zeltlager. (Beifall bei der FPÖ.) Das spiegelt den Zustand dieser Regierung deutlich wider. Gehen Sie, machen Sie den Weg frei für Neuwahlen! (Beifall bei der FPÖ.)

17.20


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Ingo Appé. – Bitte.


17.20.37

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Eigentlich wollte ich mich nicht zu Wort melden, aber nach den Redebeiträgen, die es bis jetzt gegeben hat, bin ich nicht umhingekommen, mich doch ans Rednerpult zu stellen, denn irgendwie – ein Vorredner hat es ja schon gesagt – reden wir von zwei verschiedenen Uni­versen, in denen wir anscheinend leben. Ich sage aber: nur anscheinend, weil ich das Gefühl habe, dass die Kollegen von der ÖVP, und damit spreche ich die Bürgermeister an, ihren Bürgermeisterhut abgeben, wenn sie unten beim Josefs­platz hereinkommen, und nur mehr Bundesräte der türkisen Fraktion sind. (Bei­fall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ofner.)


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Es wird so hingestellt, als würden nur die SPÖ und die FPÖ diese Krise herbei­beschwören und als ginge es den Gemeinden eh gut. Wir haben angeblich ein Paradies, da und dort. Da könnte nun einer hergehen und sagen: Ja, die Blauen und die Roten können nicht wirtschaften! Das wird uns ja immer vorgehalten. (Bundesrat Schennach: Das hat er ja auch gesagt!)

Ihr kennt ja alle (eine Ausgabe der Zeitschrift „Kommunal“ in die Höhe haltend) die­ses Journal. Das bekommt jede Gemeinde, die Abgeordneten auch. Darin schreibt der Präsident des Österreichischen Gemeindebundes – und ich glaube, der steht der SPÖ und der FPÖ nicht sehr nahe –, das ist im Vorwort der letzten Ausgabe zu lesen: Die Teuerung schlägt voll durch, die Gemeindestuben stehen vor riesigen Herausforderungen. Hauptursache sind die horrenden Steigerungen der Energiepreise, die die Kosten regelrecht explodieren lassen. Dazu kommen noch Lohn- und Preissteigerungen sowie sinkende Einnahmen infolge der Steuerreform. – Also der Kollege von der ÖVP und Präsident des Gemeinde­bun­des hat das durchschaut, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Zwischenruf des Bundesrates Reisinger.) Ich weiß nicht, ob diese Weisheit bis zu euch durchge­drungen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Für die Bürgermeister gibt es dann noch (eine Ausgabe der Zeitschrift „Bürger­meister“ in die Höhe haltend) ein extra Hilfsblatt, auch vom Kommunal-Verlag, und darin steht genau aufgelistet, was man alles tun soll, wo die Einsparungs­potenziale, aber auch, wo die Herausforderungen für die Gemeinden liegen. Bitte schön, reden wir da nichts schlecht, sagen wir nicht, dass das von einer bestimmten Fraktion kommt – das sind Dinge, die 2 200 Gemeinden in dieser Republik betreffen, und nicht irgendwelche fraktionellen Geschichten. Diese Sache geht uns alle an! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Beantwortung unserer Anfrage durch den Herrn Staatssekretär ging eigentlich an der Realität vorbei. Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, es gäbe nächstes Jahr eine Steigerung der Ertragsanteile. Jetzt weiß ich nicht: Leitet ihr an die Länder andere Zahlen weiter? (Staatssekretär Tursky schüttelt den Kopf.) Wir haben vor drei Wochen eine Bürgermeisterkonferenz mit dem Land Kärnten


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gehabt. Da waren auch die Kollegen von der ÖVP Kärnten dabei, genauso wie Kollegen von der FPÖ und Kollegen und Kolleginnen von anderen Parteien. Da ist uns gesagt worden, dass es 2023 ein Minus von 1 Prozent der Ertragsanteile geben wird, dass wir uns darauf einstellen müssen, dass die Sache zwar heuer gut ausschaut, es aber nächstes Jahr vorbei ist mit lustig. Wissen Sie das nicht oder passt da die Kommunikation nicht?

Ich nehme die Stellungnahme zur Begutachtung des Teuerungs-Entlastung­paketes Teil III vom Land Kärnten her: Mindereinnahmen der Länder, aufgrund des heute so abgefeierten Entlastungspaketes: 158 Millionen Euro für Gemein­den und Land. Das müssen wir auch kompensieren. Unterm Strich gehen den Gemeinden bis zum Jahr 2025 2 Milliarden Euro ab. (Bundesrat Bader: Das hat der Herr Staatssekretär eh erklärt!) Das heißt, um auf null zu kommen, um auf dem Level, auf dem wir zurzeit sind, weiterarbeiten zu können, bräuchten wir, ohne die ganzen Teuerungen, die jetzt schlagend werden, 2,2 Milliarden Euro in den Gemeinden. Da reden wir jetzt noch nicht von einem Hilfspaket, sondern von einem Pflaster.

Vielleicht lässt sich das Ganze besser verstehen, wenn ich ein bisserl aus meiner Gemeinde erzähle: Der Energieversorger hat in unserer Gemeinde mit Dezember den Energieversorgungsvertrag gekündigt. Zurzeit zahlen wir 7 Cent, wir haben jährliche Stromkosten in der Höhe von 300 000 Euro. Angeboten werden uns zur­zeit 49 Cent. Es ist nicht schwer auszurechnen, wie viel mehr das für die Gemeinde bedeutet. Wie wir das stemmen werden, weiß ich nicht.

Ein anderes Beispiel: Wir haben 28 Feuerwehrfahrzeuge. Ich habe einen Bauhof mit zehn Fahrzeugen. Es werden ständig neue Reifen gebraucht. Vor vier Mona­ten haben vier Reifen je 300 Euro beziehungsweise insgesamt 1 200 gekostet. Heute kosten die gleichen vier Reifen laut Bestellschein 4 000 Euro. Beim Kindergartenumbau – im März mit 300 000 Euro prognostiziert – haben wir jetzt alle Angebote vorliegen: 600 000 Euro. Für den Straßenbau: Ein 250 Meter langes Sträßchen war mit 120 000 Euro prognostiziert, heute kostet es 250 000 Euro. So geht das Ganze weiter. Da reden wir aber noch gar nicht von


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der Erhöhung der Lohnkosten für die Gemeindebediensteten, der Pensionen. Da gehen wir bei meiner Gemeinde wieder in die Millionen.

Investitionen, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden 2023, 2024, 2025 nicht mehr möglich sein, aus verschiedensten Gründen: Erstens haben wir keinen Spielraum mehr, weil wir nicht mehr investieren können. Zweitens, was noch viel schlimmer ist, finden wir gar keine Unternehmen mehr, die unsere Aufträge ausführen können. Ich habe das Beispiel des Kindergartens schon angeführt. Da war ich froh, dass wenigstens ein Unternehmen ein Angebot abgegeben hat. Von einem Preisvergleich und dergleichen kann man da gar nicht reden. Es gibt Liefermängel, einen Fachkräftemangel – das schlägt sich alles nieder. Wir haben aber in der Gemeinde Pflichtaufgaben zu erfüllen. Ich kann nicht sagen, ich baue den Kindergarten nicht, obwohl ich zwei Gruppen brauche, weil die Kinder und Eltern das dringend brauchen. Wie wir das ohne Hilfe machen werden, kann ich nicht sagen.

Noch ein kleines Beispiel, weil es heute gut dazupasst: Pellets. Wir haben ein paar Gemeindegebäude auf Bioenergie umgestellt. Bei Pellets gibt es aktuell eine Preiserhöhung von 150 Prozent. So nebenbei gesagt: Es finden, glaube ich, heute Hausdurchsuchungen bei ein paar Unternehmen statt, weil da wieder eine Preisabsprache im Raum steht, wie das zum Beispiel auch schon bei den Kartell­absprachen im Straßenbau, im Gebäudebau mit Strabag und Co, die da in den Gemeinden anstehen, der Fall war. Auch da werden die Gemeinden zurzeit der Länge nach über den Tisch gezogen. (Bundesrätin Hahn: Das scheint den Herrn Staatssekretär nicht zu berühren!)

Von den Feuerwehrfahrzeugen rede ich gar nicht. Da haben wir ebenfalls eine Preissteigerung von 50 bis 70 Prozent. Wenn wir welche anschaffen müssen – ob das der Aufbau ist, ob es das Auto selbst ist, so wir es überhaupt bekom­men –, ist das ein Desaster. Auch da haben wir aber einen Versorgungsauftrag. Es ist schon angesprochen worden: Wenn wir kein Geld haben, werden wir auch die Vereine und sonstigen Geschichten nicht mehr unterstützen können.


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Es hat geheißen, es gibt keine Armut. Als Gemeindevertreter, als Bürgermeister wird es Ihnen, glaube ich, allen gleich ergehen: Zu mir kommen die Eltern, die Lehrer und sagen: Helfen Sie bitte dieser Familie, denn die können sich die Hefte, die Bücher und die Malfarben nicht mehr leisten! – Von den Ausflügen, Skikursen und Badeausfahrten und dergleichen rede ich gar nicht. Das wird von uns noch mitgetragen – das gehört zum Gemeindewohl –, damit die Kinder das machen können. Daher meine Bitte: Herr Staatssekretär, sagen Sie das bitte dem Finanzminister: Den Gemeinden steht das Wasser bis zum Hals. Wenn da nicht etwas passiert, wird das im Desaster enden!

Noch kurz zu Herrn Kollegen Pröller, eine positive Nachricht: Kärnten hilft, Kärnten tut! 124 Millionen Euro haben wir jetzt an Hilfen für Familien aufge­stellt. Das wird zum Beispiel für die Gratiskindergartenplätze aufgewendet. So haben die Familien 12 000 bis 18 000 Euro jährlich an Ersparnis in der Brief­tasche. Wir zeigen, wie es geht. Macht es uns nach! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Bravo!)

17.29


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­des­rat Sebastian Kolland. – Bitte.


17.29.54

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nein, Herr Kollege Appé, niemand spricht von paradiesischen Zuständen, auch nicht für die Gemeinden. (Bundesrätin Schumann: O ja! O ja!) – Nein, überhaupt nicht! (Bundes­rat Schennach: O ja!)

Wir alle wissen, dass wir in schwierigen Zeiten leben, in Zeiten der Krise. Die Teuerung trifft alle. Die Teuerung belastet Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer, belastet die Wirtschaft und belastet natürlich auch die Gemeinden. Das spüren wir. Das spüren alle, die in den Gemeinden tätig sind.


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Hier im Bundesrat ist ja sehr viel kommunalpolitische Expertise vertreten. Ich darf seit 2016 Vizebürgermeister einer Gemeinde mit ein bisschen unter 6 000 Einwohnern sein. Ja, die Situation ist herausfordernd, das ist überhaupt keine Frage, aber tun wir nicht so, als würde die Bundesregierung die Gemein­den im Stich lassen. Es ist schon sehr viel passiert und es ist auch sehr viel Geld in die Hand genommen worden; schon während der Coronapandemie war das so – es wurde erwähnt –, 2020 beispielsweise 1 Milliarde Euro. Ganz viele Projekte, die bei uns in der Gemeinde und auch in den anderen Gemeinden der Region umgesetzt worden sind, wären ohne Investitionen in diese Projekte seitens des Bundes nicht möglich gewesen. Man hat 2021 1,5 Milliarden Euro in die Hand genommen, 2022 sind es 1,9 Milliarden Euro.

Ja, natürlich, die Zeiten sind fordernd: Wir sind derzeit wie viele andere Gemein­den auch dabei, das Budget fürs nächste Jahr zu planen. Bis jetzt hatten wir Energiekosten – Strom, Gas – von insgesamt ungefähr 360 000 Euro. Es ist nicht ganz einfach vorherzusehen, was man hineinbudgetiert. Es wird wahrscheinlich das Doppelte sein. Wir haben begonnen, wie viele andere auch, zu hinterfragen, ob alles unbedingt notwendig war, was wir in den letzten Jahren gemacht haben. Ich glaube schon, dass die vergleichsweise günstige Energie auch dazu geführt hat, dass man manche Dinge gemacht hat, die vielleicht nicht unbedingt notwen­dig waren. Ich denke da an Eislaufplätze, die man schon ab September betrieben hat, als es noch 20 Grad gehabt hat (Bundesrat Schennach: Die gibt es nur in Tirol!), an gewisse Beleuchtungen, die einfach 24 Stunden gelaufen sind. Das Potenzial, sage ich, ist nicht riesig, aber ein bisschen eine Sensibilität ist in diesem Bereich, glaube ich, auch richtig. (Bundesrat Schennach: Das weiß doch eh jeder Bürger­meis­ter!)

Ich bin überzeugt davon, dass die Bundesregierung diese Situation sehr wohl im Blick hat und dann die Gemeinden unterstützen wird, wenn es notwendig ist. So war das auch in den vergangenen Jahren der Fall. Ein bisschen habe ich schon das Gefühl, dass man, wenn man auf Gemeindeebene ist, vom Land fordert, und wenn man auf Landesebene ist, vom Bund fordert. Manchmal erweckt man


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wahrscheinlich auch für die Zuseherinnen und Zuseher ein bisschen den Ein­druck, als wäre nicht alles der gleiche Sack, aus dem wir das Geld herausneh­men. (Bundesrätin Schumann: Geh bitte!) Es ist nun einmal so: Wir verschieben Gelder von einer Ebene zur anderen.

Ich habe mir die Budgetrede unseres Finanzministers letzte Woche angehört, und wenn man genau zugehört hat, wird man wissen, dass es nun einmal so ist, dass die Gesamtverschuldung steigt. Was mir eigentlich noch mehr Sorgen macht – das macht interessanterweise offenbar auch der Sozialdemokratie Sor­gen, wenn ich an die Rede von Pamela Rendi-Wagner denke –, ist, dass auch die Zinslast steigt und dass alles, was wir investieren, und auch diese kom­munalen Mittel, die wir investieren, schuldenfinanziert sind. (Bundesrätin Schumann: Na geh ... eure Maßnahmen überwinden ..., entschuldige!) Das geht natürlich zulas­ten der nächsten Generation. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Das ist etwas, glaube ich, das wir auch im Auge behalten müssen und nicht aus den Augen verlieren dürfen. (Bundesrätin Schumann: Ihr holt ja keine Einnahmen herein!)

Zum Abschluss noch etwas in eigener Sache: Wie Sie alle wissen, haben am 25. September in Tirol Landtagswahlen stattgefunden. Kommenden Dienstag wird sich der Landtag konstituieren, und auch die Bundesräte werden neu gewählt. Ich habe mich nicht mehr für ein Bundesratsmandat beworben. Dementsprechend ist heute meine letzte Bundesratssitzung. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um mich ganz herzlich bei euch allen für die für mich sehr lehrreiche Zeit und für die spannenden Diskussionen zu bedanken. Natürlich bin ich nicht mit allem einverstanden gewesen, was hier an Wortspenden vorge­tragen wurde. (Bundesrätin Schumann: Wir auch nicht!) Das ist wichtig in einer Demokratie – unbedingt. (Bundesrat Schennach: Wir auch nicht!) Das wird umgekehrt natürlich genau dasselbe sein. Ich glaube aber doch, dass es unheim­lich wichtig ist, in dieser gesellschaftlichen Situation, in der wir uns jetzt befin­den, im Gespräch zu bleiben, zu diskutieren, da die Gräben, die da oder dort durch­aus entstanden sind, nur mit Gesprächen überwunden werden können.


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Ich möchte mich ganz herzlich bei allen Fraktionen, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses, bei der Präsidentschaft bedanken und wünsche wei­terhin alles Gute. Mein besonderer Dank gilt meiner Fraktion, die mich so gut auf­genommen hat. Ich wünsche euch weiterhin alles, alles Gute, besonders auch dir, lieber Fraktionsobmann Karl Bader. Arbeiten wir auf allen Ebenen, auf denen wir für das Land und für die Leute, die hier leben, im Einsatz sind, weiter! – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

17.34


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesrat Kolland! Auch wir wün­schen dir von dieser Stelle aus alles Gute für deine neuen Aufgaben im Tiroler Landtag. Alles Gute und bleib gesund!

Ich darf Frau Bundesministerin für EU und Verfassung Mag. Karoline Edtstadler bei uns im Plenum begrüßen. Herzlich willkommen. (Allgemeiner Beifall.)

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte.


17.35.31

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Frau Minister! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Der Grund, warum ich mich jetzt noch einmal zu Wort melde, ist die Aussage von Kolle­gen Kolland. Er hat gesagt, in der Vergangenheit haben wir uns vieles geleistet, was vielleicht nicht notwendig war. – Bei gewissen Dingen gebe ich Ihnen recht, aber das Problem ist, dass auch viele Aussagen getätigt worden sind, bei denen ich das Gefühl habe, Sie wollen uns in die Steinzeit zurückversetzen. (Ruf bei der ÖVP: Die Steinzeit ist aber ...!) Das ist der falsche Weg. (Bundesrat Preineder: Nicht einmal eine Abschiedsrede kannst du stehen lassen? Das ist gegen jede Usance!)

Wenn man hört, was Ihr Koalitionspartner, nämlich Herr Kogler, gesagt hat – ein bisschen einen Wohlstandsverlust werden wir hinnehmen müssen –, dann


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glaube ich, ich höre nicht richtig. Diese Regierung wäre dazu da, dass sie Scha­den von uns abwendet und das Beste für die Bürger in Österreich macht. Das ist leider nicht der Fall, diese Regierung ist hilflos und unfähig.

Der Grund, warum ich mich noch einmal zu Wort melde, ist, weil ich vorhin eine Nachricht von einem Freund beziehungsweise von einem guten Bekannten bekommen habe. Er hat mir geschrieben, dass er seine aktuelle Gasrechnung und seine Vorschreibung bekommen hat. (Bundesrat Schennach: In Niederösterreich?) Er hat ein Einfamilienhaus in Wien, nicht in Niederösterreich. (Bundesrätin Zwazl: Gott sei Dank!) Er schreibt mir: Ich hatte seit zehn Jahren einen Fixpreis, mit Indexanpassung natürlich. Ich habe auch bezahlt, als es billiger war. Jetzt habe ich eine Kündigung des Vertrages erhalten – mit der einzigen Möglichkeit, das zu akzeptieren, weil es keinen anderen Vertrag mehr gibt.

Ganz kurz, nur damit man auch weiß, worum es da geht: Das betrifft einen Pri­vaten mit Einfamilienhaus. (Bundesrat Preineder: ... wie viel Geld?) Die Teilzahlung im Februar betrug 98 Euro – nur für Gas –, die Teilzahlung im März enthielt bereits die erste Erhöhung auf 156 Euro monatlich, die Teilzahlung im November beträgt laut Vorschreibung 540 Euro.

Wer, meine Damen und Herren, der nicht wirklich einen guten Job hat, wird sich das auf Dauer leisten können? Das ist unmöglich! Das ist mehr als nur ein Wohlstandsverlust. Das ist furchtbar. Wenn ich dann einen Präsidenten höre, der sagt, niemand werde über Gebühr frieren müssen, dann denke ich mir wirklich, ich bin im falschen Film. Das, was Sie machen, ist ein absoluter Wahn­sinn und ein absoluter Irrsinn!

Um noch einmal ganz kurz auf Ihren Klimabonus zurückzukommen: Er hat den Klimabonus bekommen, seine Frau und seine Tochter noch nicht. Ich richte Ihnen jetzt nicht aus, was er wörtlich geschrieben hat, wohin Sie sich den stecken sollen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

17.38 17.38.15



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Vizepräsident Günther Novak: So, jetzt schaue ich in die Runde: Wünscht in dieser Debatte noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte David Egger-Kranzinger, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Preisdeckel für Gas und Strom und Übergewinnsteuern für Energiekonzerne“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „keine Rückzahlung der Impfprämien durch die Gemeinden“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstim­men.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

17.39.25 Dringliche Anfrage

der Bundesrät:innen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Inneres betreffend „,Land unter‘“ in der Migrationskrise (4041/J-BR/2022)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Inneres - - (in Richtung Regierungsbank blickend) Das ist falsch, Entschuldigung. (Bundesministerin Edtstadler: Das ist schon richtig! Ich bin heute der Bundesminister für Inneres! – Bundesrat Ofner: Da kennt sich ja niemand mehr aus vor lauter Vertretungen!) Ah, es passt eh! Ich wiederhole mich:


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Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bun­desräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Inneres.

Da die Dringliche Anfrage allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Josef Ofner als Erstantragsteller zur Begründung der Anfrage das Wort.


17.40.32

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kollegen! Vor allem geschätzte Zuhörer und Zuschauer hier auf der Galerie und vor den Bildschirmen zu Hause! „Land unter“ lautet nicht nur der Titel unserer Dringlichen Anfrage (Heiterkeit des Bundesrates Preineder) – ich weiß, es gibt immer noch Leute in der ÖVP, die das lustig finden, das ist ja traurig genug –, „Land unter“ der ÖVP- und Grünen-Regierung bedeutet auch „Land unter“ für Österreich.

Egal, was diese Chaosregierung auch angeht, sie führt unser Land von einer Krise in die nächste. Zuerst haben wir Corona gehabt, gefolgt von der größten selbst verschuldeten, existenzbedrohenden Teuerung in der Zweiten Republik, weiter zur Energiekrise aufgrund der Unterstützung der sinnlosen und irren EU-Sanktions­politik bis zum derzeitigen Migrationschaos und zum Wahnsinn, der sich in unse­rem Land abspielt – und das am besten alles ständig gleichzeitig und gepaart mit Korruption, Inkompetenz und Unfähigkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Liste der Chaosminister wird von Tag zu Tag länger, Lösungsansätze gibt es null, und der alt-neue Berufsschläfer in der Hofburg – heute ist er einmal zufällig kurz erwacht – alias Donald Duck (Bundesrat Buchmann: Hallo!) – das ist ja seine Lieblingslektüre, wie wir gemerkt haben (Bundesrat Schennach: Na jetzt a bissl vorsichtig!) – lässt seine Ticks, Tricks und Tracks in dieser Bundesregierung unentwegt gewähren und fuhrwerken, bis sie das Land in Kürze wirtschaftlich,


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sozial und vor allem finanziell völlig den Bach runtergehen lassen. (Bundesrat Preineder: ... zu viel Micky Maus gelesen!)

Vernichtend für die Bevölkerung in Österreich kommt aber auch noch eines hinzu: dass sie von einer Bank des Versagens regiert wird. Normalerweise sitzen die Minister zu meiner linken und rechten Seite. Da gibt es null Verantwortungs­bewusstsein – im Gegenteil: Es hat sich eine untragbare politische Unkultur in diesem Land entwickelt, dass man sich sogar im Parlament aus der Verantwor­tung stiehlt und die Flucht antritt, wenn es gilt, seinen Mann zu stehen.

Weil es die Zuschauer vor den Bildschirmen nicht sehen können, darf ich das auch sagen: Nein, Herr Karner ist nicht da. Er, der unfähige Täuscher und Tarner in der Asyl- und Migrationspolitik, ist wieder einmal nicht da. Er ist geflüchtet und hat sich vertreten lassen. Eigentlich müsste jetzt Frau Gewessler bei uns hier sitzen, denn sie ist seine Vertretung, aber – symptomatisch für diese Bundes­regierung – es gibt die Vertretung von der Vertretung, und jetzt sitzt Frau Minis­ter Edtstadler da. Es ist also interessant. Voriges Mal hat er sich gleich von drei Ministern vertreten lassen, da waren Herr Brunner, Frau Raab und Herr Polaschek in seiner Vertretung da.

Es ist einfach so, dass die Grün:innen scheinbar auch schon genug von diesem Asylchaos haben, das die ÖVP anrichtet, sodass sie sich nicht einmal hierher­trauen, um den eigenen Innenminister zu vertreten – das ist auch interessant. Sie drücken sich vor dieser Verantwortung. Es ist aber bei der ÖVP eigentlich eh vollkommen wurscht, wer Innenminister ist, weil es ja eh keiner kann. In der ÖVP kann es zumindest jeder gleich schlecht, und da tut es die Vertretung durch Frau Ministerin Edtstadler, einer glühenden EU- und Sanktionsbeschwörerin, nun schließ­lich auch, weil es ja nur um die Sicherheit der eigenen Bevölkerung in Öster­reich geht. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Villacher Fasching! – Bun­desrat Preineder: Lei-lei!)

Das ist auch der Grund, dass wir, mit einer Ausnahme von Dezember 2017 bis Mai 2019 – da hat es nämlich den Bimaz gegeben, den besten Innenminister


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aller Zeiten, Herbert Kickl –, davor und danach - - (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrat Schennach: Na geh! – Bundesrat Köck: Der war gut! – Bundesrat Schennach: Einmal war er im Bundesrat! Einmal! Und da ist er ausgeflippt! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ja, meine Damen und Herren von SPÖ, ÖVP und Grün:innen (Zwischenruf des Bundesrates Köck), ich kann eines sagen: Die Zahlen sprechen für sich. Im Jahr 2018 haben wir 13 000 Asylanträge gehabt und heute wissen wir, dass wir heuer bereits 72 000 Asylanträge hatten, weil ihr alle unfähig seid! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Seither hatten wir die sogenannten Schleimaz, die schlechtesten Innenminister aller Zeiten (Bundesrat Schennach: Nimm das zurück, dass die Präsidentin unfähig ist, aber sofort!): Mikl-Leitner – wir können uns erinnern –, 2015 weg, Sobotka, Ratz, Peschorn, dann ist Herr Nehammer gekommen und jetzt Herr Karner, also sozusagen das Who’s who der Inkompetenz der ÖVP in puncto Sicherheit. Die werten Herren Strasser und Platter klammern wir jetzt einmal aus, weil deren großartige Kompetenz wahrscheinlich den Rahmen der Debatte sprengen würde.

Herr Karner, der jetzige Innenminister, wo ist er heute? – Heute ist er in Deutschland, in Berlin, ist uns mitgeteilt worden (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Genau!), wahrscheinlich auf einem Zeltferienlager (Bundesrat Schennach: Ja, aber er ist öfters dagewesen als der Kickl! Kickl ist nur einmal gekommen, dann ist er durchgedreht!), und er schasst dafür schon einmal den Bundesrat und kommt ein­fach nicht her, ignoriert die Demokratie. Bei seinem Demokratieverständnis ist das aber vielleicht sogar nachvollziehbar, denn als ehemaliger Dollfuß-Muse­umsleiter ist das einfach die gelebte Geisteshaltung. Das ist schon klar. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Preineder: Er war Bürgermeister ..., er war nicht Museums­leiter, bitte!)

Eines, liebe ÖVP, muss ich euch aber heute sagen: Die Leute fragen sich auch in unserem Land zu Recht, ob ihr euch überhaupt noch spürt, und ich kann sagen: Nein, weil ihr nicht nur das Parlament missachtet, sondern ihr verachtet auch


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ständig unseren Rechtsstaat! Ihr verratet die österreichische Bevölkerung tag­täglich.

Ich würde es ja verstehen, wenn Herr Karner heute deswegen nicht bei uns sein kann, weil er gemeinsam mit seinem niederösterreichischen Landsmann gerade eine Aussage bei der Staatsanwaltschaft macht. Das würde ich ja verstehen. Ihr werdet übrigens jetzt bald bei der Anzahl der Fälle, die ihr habt, einen doppelten Personalstand brauchen. Da das aber nicht der Fall ist, ist es wirklich eine ungeheure Schande, dass er nicht da ist. Es ist eine bodenlose Sauerei, sich hier immer vertreten zu lassen und sich nicht der Verantwortung zu stellen.

Dass sich die ÖVP und auch die Grün:innen nie der Verantwortung stellen wol­len, wenn es um Asyl und Migration geht, zeigt diese vollkommen misslungene Politik, wobei ja tatsächlich jeden Tag irgendwelche unglaubwürdigen Gschich­teln gedruckt werden. Mehr passiert ja nicht in eurer Politik. Es wird nur mit Unvermögen regiert, da herrscht ausnahmslos Versagen. Man geht her und schiebt die Verantwortung immer ab. Das macht ihr am liebsten. Da wird die Verantwortung nach Brüssel abgeschoben und nicht selbst übernommen, und die Zuwanderung wird entsprechend verwaltet und nicht gestoppt.

Daher haben wir natürlich auch diese Situation, dass auf EU-Ebene jetzt bald seit Jahrzehnten von EU-Außengrenzschutz gefaselt wird, aber halt nichts getan wird – und ja, so ein Zufall, dass wir gerade heute auch die Situation erläutert bekommen haben, wie viele Asylanträge wir bis Ende September hatten: 72 000 – das heißt, wir werden heuer einen Stand erreichen, der das Jahr 2015 wirklich in den Schatten stellt. Unser Land wird geflutet. Da sind aber die Ukrainer noch gar nicht dabei, weil die einen Vertriebenenstatus haben. Dafür seid ihr verantwort­lich! Ihr schiebt das ständig von euch ab, aber diese Ver­antwortung lässt sich nicht mehr abschieben! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe vorher von den Jahrzehnten eurer Politik gesprochen: Vielleicht können sich noch einige hier herinnen an das Jahr 1992 erinnern. (Bundesrat Schennach:


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Ist noch nicht so lange her!) Da hat es ein prominentes Volksbegehren – „Öster­reich zuerst“, initiiert von Jörg Haider – gegeben. (Bundesrat Schreuder: Ja, da hat’s auch ein Lichtermeer gegeben!) – Ja, ja! (Bundesrat Schennach: Schreckliches Volksbegehren! – Bundesrat Schreuder: Aber ein schönes Lichtermeer!) – Ja, ein Volksbegehren, das von über 400 000 Menschen unterstützt worden ist, und ich kann Ihnen sagen – weil Herr Kollege Schennach da gerade so hereinplärrt, Lichtermeer und was weiß ich –: Ich glaube, das war auch diese - - (Bundesrat Schennach – in Richtung Bundesrat Schreuder weisend –: Er hat „Lichtermeer“ gesagt! – Bundesrat Schreuder – erheitert –: Ich glaube, da sind wir uns aber einig! – Heiterkeit bei SPÖ und Grünen.) – Okay, an beide Herren: Ich glaube, ich kann mich auch noch erinnern, das war jenes Jahr, in dem meine Eltern als glühende Sozialdemokraten endlich den freiheitlichen Weg eingeschlagen haben, weil sie den SPÖ-Verrat nicht mehr haben mittragen können. (Beifall bei der FPÖ.)

Dieses Volksbegehren ist von 400 000 Menschen in unserem Land unterstützt worden, und das ist aktueller denn je (Zwischenruf des Bundesrates Köck), denn was zeigte sich denn danach? – SPÖ, Grüne und ÖVP haben in Sachen Migration in 30 Jahren aber genau überhaupt nichts dazugelernt. Bereits damals wurde ein ständiger Grenzschutz, die sofortige Ausweisung und ein Aufenthaltsverbot für straffällige Ausländer gefordert, ebenso wurde ein sofortiger Einwanderungs­stopp gefordert. Das waren damals die Forderungen.

Was erleben wir heute? – Dasselbe Chaos wie damals mit denselben Propo­nenten! Da haben wir auf der einen Seite die SPÖ, dort gibt es bis auf wenige Ausnahmen noch heute alle Heilsbringer. Die würden sich am liebsten an die Grenze hinausstellen und rote Nelken als Willkommensgeschenk verteilen. (Bundesrätin Grimling: Na ...! – Bundesrat Schennach: Na, das gibt’s nicht! – Bun­desrätin Grimling: Ist schon vorbei! – Bundesrat Schennach: Rote Nelken ist vorbei! – Bundesrätin Grimling: Rote Rosen!) Dann gibt es die unglaubwürdig restriktiven Schwarzen, die wie in allen anderen Bereichen auch die Verantwortung nicht übernehmen wollen und zu nichts eine Wahrnehmung haben; und dann gibt es natürlich noch die Grünen, auch die Willkommensklatscher aus dem Jahr 2015 in


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ihrer verkorksten Multikultiblase. Frau Gewessler würde sich wahrscheinlich mit euch gemeinsam an die Grenze stellen, und wenn ein 25-jährig Aussehender hereinkommt und sagt, er ist 14, unbegleitet, minderjährig, aber Asyl auf Deutsch gerade herausbringt, dann würden Sie ihm wahrscheinlich raten: Mach dich älter, weil du dann wenigstens 500 Euro Klimabonus und nicht 250 kriegst! (Beifall bei der FPÖ.)

Das zeigt also genau, welch Geistes Kinder ihr seid, und das hat sich in 30 Jahren eben nicht verändert, das ist gleich geblieben. Genau deswegen stehen wir heute da, wo wir stehen: in einem Land, das von Zigtausenden Migranten geflu­tet wird; in einem Land, das gemessen an der Einwohnerzahl – mit Ausnahme des kleinen Landes Zypern – die meisten Asylanten aufweist; in einem Land, in dem jeder, der das Wort Asyl auf Deutsch irgendwie herausbringt, aufgenom­men wird, dann entweder einen Platz in einem Luxushotel – so wie in Kärnten – oder in einem Campingzelt kriegt – ich bin neugierig, wie es dann dort mit den Heizschwammerln werden wird, ob diese Zelte auch auf 19 Grad herunter­gedrosselt werden –; in einem Land, in dem es überhaupt keinen Unterschied zwischen Migration und Asyl auf Zeit gibt – egal ob aus sicheren Drittstaaten oder aus Kriegsgebieten – und in dem wir deswegen nunmehr alles bei uns haben: Inder, Marokkaner, Tunesier, Somalier, Afghanen. Die stehen ebenso auf der Matte wie die Syrer und die Ukrainer, wobei Letztere, wie gesagt, natürlich einen Vertriebenenstatus haben.

Sie haben es so weit gebracht, dass Sie ein Land geschaffen haben, in dem die eigene Bevölkerung zwei Jahre eingesperrt worden ist, aber gleichzeitig die Grenzen sperrangelweit offen gehalten worden sind und Polizei und Bundesheer zu einem Welcome- and Shuttleservice degradiert wurden und verkommen sind, weil man ihnen die eigentliche Aufgabe entzogen hat, und die wäre, Österreich und seine Bevölkerung zu schützen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, wir sind auch in einem Land angekommen, in dem es nicht um die Menschen geht, die unser Land aufgebaut haben, die fleißig gearbeitet haben, die seit vielen Jahren steuerzahlende Bürger sind und die nicht mehr wissen, wie sie


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aufgrund der Teuerung ihre Stromkosten, ihre Miete, ihre Heizkosten ent­sprechend in den Griff bekommen, sondern in dem Millionen an Steuergeld hinausgeworfen werden, um am besten jeden aus der ganzen Welt in Österreich unterzubringen.

Wenn wir dann zu Recht folgende Fragen aufwerfen – wie es auch im Natio­nalrat geschehen ist, aber wir haben es auch hier gemacht –: Wie viele kommen denn überhaupt tagtäglich illegal über die Grenze?, oder: Wie viele werden es noch werden?, weil das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht ist, das wissen wir, dann gibt es null Antwort, null Konzept.

Witzigerweise haben wir aber eines geschafft: Wir haben es geschafft, die eigene Bevölkerung über zwei Jahre in Angst und Panik zu versetzen, indem man jeden Tag die Zahl der Infizierten in jedem Medium in Österreich abge­druckt hat und der ORF jeden Tag propagiert hat, wie schlimm die ganze Lage nicht ist.

Aber da, bei den Asylanten, schaffen wir das nicht, wenn wir zum Beispiel fra­gen: Was wird denn gemacht, um die Pullfaktoren für illegale Zuwanderung zu reduzieren? – Antwort null, Konzept null! Oder: Welche Maßnahmen werden ergriffen, um einen effektiven Grenzschutz an unserer Staatsgrenze zu machen? – Antwort null, Konzept null! Und: Was wird gemacht, um unsere Bevöl­kerung effektiv vor den Straftaten in diesem Zusammenhang zu schützen? – Antwort null, Konzept null!

Dasselbe gilt bei der Schlepperkriminalität, bei dem Missbrauch von Sozialleis­tun­gen oder auch bei der effektiven, nachhaltigen Außerlandesbringung von Personen, die keinen Asylstatus in Österreich erlangen können – Antwort null, Konzept null! Wenn es um die Kosten geht, dann hören wir schon gar nichts. Wie hoch sind denn die Kosten für die Grundversorgung, die Verfahren, die Sozialhilfe, die Bildung, die Gesundheitsversorgung und, und, und? – Auch dort: Antwort null, Konzept null!


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Jetzt frage ich mich: Was hat es denn gebracht, dass Herr Karner bereits das 14. Mal in diesem Jahr irgendwo in Europa herumgondelt? (Bundesrat Schennach: Routen sperren!) – Da kann ich Ihnen das Ergebnis sagen: null. Wenn er heute in Berlin die Migrationskrise beenden will, dann ist das derselbe Schmäh wie jener, als irgendein Messias zu seiner Vorzeit einmal die Balkanroute geschlossen hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Während ich nicht annehme, dass wir heute zufriedenstellende Antworten hören werden, die sich auch mit der Lösung dieser brandgefährlichen Situation beschäftigen, schafft diese Einheitspartei aus Regierung und Scheinopposition eines, und das ist, jeden unserer Anträge, der entsprechende Forderungen und Lösungsansätze enthält, abzulehnen. Sie haben es geschafft, sämtliche treff­sichere Maßnahmen, die Österreich nicht zu einem sozialen Schlaraffenland für illegale Migranten verkommen lassen, abzuschaffen.

Das haben Sie zusammengebracht. Das erkennen wir daran, wenn wir uns an eine Zeit erinnern, in der wir nicht so wie in den letzten zweieinhalb Jahren 130 000 Aufgriffe hatten – übrigens wäre das, damit man einmal ein bisschen eine Vorstellung hat, mit der Einwohnergröße der Stadt Innsbruck vergleichbar –, sondern in der es tatsächlich noch eine restriktive Zuwanderungspolitik, eben unter einem Herrn Kickl, gegeben hat.

Ja, erinnern wir uns: Was habt ihr denn gemacht? – Der maximale Stundenlohn bei Tätigkeiten von Asylwerbern von 1,5 Euro die Stunde – übrigens entspricht das jenem Gehalt, das Zivildiener und Grundwehrdiener bekommen – ist abge­schafft worden, in eurer Welt muss der natürlich höher sein. Ausreisezentren: abgeschafft; Sicherungshaft: abgeschafft; der Medienerlass, dass die Polizei­be­hörden auch entsprechend veröffentlichen müssen, welche die Herkunftsländer der Straffälligen sind: abgeschafft; Abschiebung von straffälligen Asylwerbern: ausgesetzt – und jetzt kommt das Geniale –, weil sie sich nicht haben testen lassen, bevor sie in den Flieger gestiegen sind. Aber jedem von unseren Kindern in den Kindergärten und in den Schulen habt ihr ein Staberl in die Nase gesteckt.


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Das ist gegangen, da hat keiner auf die Menschenrechte geschaut! (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist aber eben der restriktive ÖVP-Zugang in der Asyl- und Migrationspolitik, also da drängt sich mir immer ein Vergleich mit dem Bild unseres Hofburg-Alexanders auf, wenn er mit seinem Hund durch den Volksgarten Gassi geht. Das Bild ist auf diese Regierung übertragbar, weil wir da das grüne Herrl haben, und das führt den ÖVP-Chihuahua an der Leine, hält ihn kurz, lässt ihn appor­tieren und sagt: Fuß!, und: Du machst, was ich will!, und so wird durch die öster­reichische Asyl- und Migrationspolitik Gassi geführt. (Präsidentin Schumann über­nimmt den Vorsitz.)

Liebe ÖVP, ihr seid ja vollkommen der Kastration der eigenen Werte durch diese Grün:innen zum Opfer gefallen, und das hat sich ja bei jedem der Gesetzesbe­schlüsse auch gezeigt. Wer hat denn die Kostensätze in der Grundversorgung erhöht? – Diese ÖVP hat es mitgetragen – auch die SPÖ, das war eh klar. Und: Wer hat die Änderungen im BFA-Verfahrensgesetz vorgenommen, um die Erlan­gung des Aufenthaltstitels zu erleichtern? – Ja, auch die ÖVP. Die ÖVP hat es mitgetragen – und das immer mit Unterstützung von SPÖ und NEOS.

Jetzt braucht sich auch niemand zu wundern, dass wir täglich Tausende haben, die über die Grenzen strömen, dass wir bislang 90 000 Personen in der Grund­versorgung haben. Das sind bei Weitem nicht alles Ukrainer, das wissen Sie auch. Damit kommen jene Steuerzahler, die von dieser Regierung tagtäglich geschröpft werden, zum Handkuss und müssen diese Hunderten Millionen stemmen und dann noch ertragen, dass neben ihrem privaten Garten, den sie sich selber erwirtschaftet haben, vielleicht ein Campingplatz entsteht, weil wir ein paar Zelte aufstellen, oder irgendein leeres Haus angekauft und darin ein Asylheim errichtet wird. Sie dürfen dann in Unsicherheit in der Nachbarschaft leben. Ja, und warum haben wir das alles? – Weil Herr Nehammer und Herr Karner einfach unfähig sind und diesen Herausforderungen nicht gewachsen sind. (Beifall bei der FPÖ.)


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In diesem Zusammenhang dürfen wir auch auf die Sicherheit nicht vergessen, denn: Wer war es denn, der in Österreich zahlreiche Polizeiinspektionen geschlossen hat? – Frau Mikl-Leitner, also die ÖVP. – Wer war es denn, der das österreichische Bundesheer heruntergewirtschaftet hat? – Wieder einmal die ÖVP. Und: Wer ist es jetzt, der für die katastrophalen Zustände und für die explosive Lage durch die Zuwanderung in Österreich verantwortlich ist? (Bun­desrat Schennach: Die ÖVP!) – Ja, die ÖVP. Warum ist es immer die ÖVP? – Ja, weil euch die Österreicher einfach wurscht sind, und das kann man auf gut Kärntnerisch genau so sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Vorgehensweise ist mit der aus dem Jahr 2015 völlig ident: Wenn man unfähig ist, muss man einfach drüberfahren. Das ist die Alternative und das wird ja auch gemacht. Da wird über die Bürgermeister drübergefahren, sie werden nicht vorinformiert. Das beste Beispiel ist eh die Gemeinde Sankt Georgen im Attergau, aber wenigstens hat dort der ÖVP-Bürgermeister der eigenen ÖVP einmal die Grenzen aufgezeigt. Gott sei Dank weiß noch einer in der ÖVP, was Grenzen sind, und hält dieser Regierung zu Recht einmal ein Stoppschild vor.

Es gibt aber auch andere Beispiele von gelebten Ministerinkompetenzen – inklusive der Landeshauptmänner. Nehmen wir das Beispiel Innerkrems in Kärnten her – ich habe es eingangs kurz erwähnt –: 60 Asylwerber sind dort in einem Luxushotel mit Pool untergebracht. Die Kinder werden, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, in die Volksschule hineingesteckt, und Lehrer wie Eltern wie Schüler müssen einfach mit dem Umstand umgehen. Da gibt es keinen Lehrer, der dort hingeschickt wird, der das vielleicht unterrichtet – nein! Da ist einfach mit der Situation klarzukommen.

Wir sprechen aber insgesamt nicht von Familien, sondern wir wissen auch, dass wir 90 Prozent Männer haben, die täglich unsere Grenzen passieren, und wenn wir uns die Gemeinden im Burgenland anschauen, wo viele Bürgermeister aus SPÖ- und auch ÖVP-Gemeinden stöhnen, weil sie es nicht mehr ertragen kön­nen, dann wissen wir, dass die Dunkelziffer noch weit höher liegt.


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Spielfeld ist ja das beste Beispiel. Dort haben wir mittlerweile ein Zeltlager, das sich über mehrere Hundert Meter erstreckt. Es ist ja bald größer als der Ort selbst, aber damit müssen die Leute – unsere Bürger – halt auch leben, dass sie dort ein Müllschlachtfeld haben, dass sie die ganzen organischen Hinterlassen­schaften auf ihren eigenen Grundstücken haben. All das haben sie schließlich zu tolerieren, weil es ja die Grün:innen, die Märchenerzähler und -innen gibt, die immer sagen: Das sind ja alles Raketenwissenschafter, Atomphysiker und For­schungsreisende!

Ihr Paralleluniversum möchte ich mir ja nicht einmal ausmalen, aber ich kann Ihnen sagen: Das Einzige, das diese Herrschaften wirklich gründlich erforscht haben, ist das Sozialsystem in Österreich – und das mit Ihrer Refugees-Welcome-Unterstützung. Das haben Sie ganz toll gemacht! Das geht eben dann so weit, dass für Asylwerber andere Richtlinien gelten als für die eigene Bevölkerung. Das hat man in Bergheim in Salzburg gesehen: 300 Personen sind an Diphterie erkrankt, aber nur weil man sie unter Quarantäne stellt, heißt ja das bei Asyl­werbern nicht, dass sie nicht hinausdürfen. Dann waren sogar 30 davon abgängig, keiner hat gewusst, wo die sind. Das heißt, die Sicherheit und die Gesundheit der einheimischen Bevölkerung ist gefährdet, aber auch das ist der ÖVP vollkommen wurscht! (Beifall bei der FPÖ.)

Was hat man noch vor zwei Jahren mit der eigenen Bevölkerung gemacht? – Die hat man behördlich und polizeilich verfolgt, wenn nur einer irgendwo gegen die Maskenpflicht verstoßen hat, und hat gesagt: Die müssen wir alle anzeigen und die müssen wir zur Rechenschaft ziehen! – Ja, ist ja klar, das waren ja auch die Eigenen. Das waren ja nicht die Illegalen, die zu uns kommen, weil da natürlich die Menschenrechte zu wahren sind. Das ist klar, weil das eh die braven Steuer­zahler sind. Die kann man täglich drangsalieren und man kann auch immer neue Zeltstädte aufbauen. Natürlich sind der Müll und der Dreck, den wir dort haben, und die unhaltbaren Zustände von den Österreichern auch entsprechend zu tole­rieren.


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Weil uns im Gegensatz dazu eben die Sicherheit, der Wohlstand, aber vor allem der soziale Frieden in Österreich und die österreichische Bevölkerung nicht wurscht sind, weil sie uns wichtig sind, stehen wir auch heute, 30 Jahre später, nach wie vor zu „Österreich zuerst“. Daher werden wir heute noch einen 20-Punkte-Plan einbringen, der unser Land wieder sicherer macht, und wir werden auch eine erkannte Notwendigkeit in die Form eines Antrages gießen, in dem wir beantragen, dass der derzeitige Innenminister aufgrund seiner Unfähigkeit sofort abberufen wird, denn das, was Österreich jetzt braucht, ist ein sofortiger Asyl­stopp. Das Ziel muss null Zuwanderung sein, weil wir sonst jetzt irgendwann endgültig Schiffbruch erleiden werden. Die Sicherheit der Österreicher muss wieder an erster Stelle stehen. Wir brauchen harte Strafen auch gegen Schlepper und Geschleppte, weil das sonst auch nie aufhört, und wir brauchen einen effektiven Schutz unserer Grenzen.

(In Richtung Bundesministerin Edtstadler:) Bitte, das können Sie Herrn Karner ausrichten – oder meistens fahren Sie eh selber nach Brüssel, weil Sie so gerne draußen sind –: Auch wenn wir noch 100 Jahre auf eine europäische Lösung warten, das kann ich Ihnen verraten, sie wird nicht kommen. Sie wird nicht kommen, einen europäischen Außengrenzschutz wird es nicht geben. Da haben wir vorher eben Land unter. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir einen effektiven Außengrenzschutz unserer Grenzen haben wollen – und da liegt ja das Problem, bei der ÖVP ist ja der Wille dazu nie gegeben gewesen, sonst hätten wir ihn ja eh schon –, dann kann man es beispielsweise so wie Finnland machen. Finnland ist ja ein Vorzeigeland, und ich habe mir das selber auch im Zuge einer Sicherheitskonferenz ansehen können, die haben wirk­lich einen Grenzzaun: nicht eine Einfriedung – so, wie man das bei uns auch in Kärnten einmal gemacht hat –, nein, die haben einen Grenzzaun, der mehrere Meter hoch ist. Da gibt es entsprechende Kontrolltürme, da gibt es selbstver­ständlich auch entsprechende Sperrzonen. Das ist ein Grenzzaun, der auch seinem Namen gerecht wird, wo auch militärische Einheiten patrouillieren.


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Oder man macht es wie die Dänen, auch das wäre eine Möglichkeit: Das heißt, die zahlen jedem Asylwerber, der freiwillig aus dem Land ausreist, 5 400 Euro an Prämie. Das wäre übrigens auch eine gute Idee für die Mitglieder dieser Bun­desregierung, weil das auch viel Schaden von Österreich abwenden würde, und die paar Tausender wäre uns das, glaube ich, noch alleweil wert. (Beifall bei der FPÖ.)

Leider Gottes werden wir aber nur in Sicherheit leben können, wenn wir den völlig verklärten Zugang, den diese Regierung hat, entsprechend hintanstellen. Das heißt, wir werden heuer noch eine Situation haben, in der wir neben 80 000 Ukrainern auch rund 100 000 Asylwerber in Österreich haben werden. Es ist zu befürchten, dass das nie aufhört, weil Sie nicht umsonst von vier Bundesbetreuungseinrichtungen auf 22 aufgestockt haben. Da zeigt sich leider deutlich, wohin die Reise mit dieser Versagensregierung hingeht.

Daher ist unsere Haltung klar: Wir stehen aufseiten der Österreicher und der österreichischen Bevölkerung und werden auch für ihre Sicherheit eintreten und uns dafür einsetzen, denn die Erhaltung des Wohlstandes in Österreich ist uns wichtiger, als ein Land zu werden, in dem jeder freudig aufgenommen wird – und das in einer Zeit, in der sich die eigenen Menschen im eigenen Land nicht einmal mehr das Notwendigste leisten können.

Das Österreich-vernichtende Land-unter-Hasardspiel dieser schwarz-grünen Bundesregierung mit den rosaroten und roten Mitspielern aus der Schein­opposition muss endlich ein Ende haben. (Bundesrat Schreuder – in Richtung SPÖ –: Wer ist denn der Rosarote von euch eigentlich? – Zwischenruf des Bun­desrates Arlamovsky. – Bundesrat Schreuder: Ach so, du bist der Rosarote!) Das muss ein Ende haben. Genug ist genug!, hat einmal der gefallene Engel und Messias gesagt, und daher fordern wir selbstverständlich die fälligen Rücktritte und auch Neuwahlen, denn das wäre die einzig mögliche Befreiung aus diesen


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giftigen, identitätsraubenden Klauen dieser Regierung. Dann wird den Öster­reichern wieder ihr Land zurückgegeben. Daher: Asylstopp jetzt und endlich Österreich zuerst! (Beifall bei der FPÖ.)

18.08


Präsidentin Korinna Schumann: Zur Beantwortung hat sich die Frau Bundes­ministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.


18.08.49

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Hohes Haus! Herr Bun­desrat Josef Ofner, ich darf mich einmal ganz herzlich für die freundliche Einbe­gleitung meiner Anwesenheit hier im Bundesrat bedanken. Ich darf Ihnen gleichzeitig – nämlich nicht ironisch, sondern ganz ernst – sagen, dass ich mich freue, in Vertretung des Innenministers hier sein zu können. Der vorherige Vorsitzende hat auch festgestellt, dass ich nicht Gerhard Karner bin. (Bundesrat Ofner: Ja, Sie haben sich’s auch nicht aussuchen können!) Ich möchte dazu fest­halten – Sie haben es in Ihrer Rede ja dann gesagt –: Der Innenminister ist derzeit in Berlin, beim „Berlin-Prozess“, bei einer Konferenz, in der es darum geht, Fragen der Migration, der illegalen Migration vor allem im Hinblick auf den Westbalkan zu besprechen.

Ich habe mich bei Ihrer Rede ein bisschen gewundert, weil Sie jetzt doch schon einige Jahre Parlamentarier sind. Ich habe mir gedacht, Sie verstehen die Vertretungsregelungen mittlerweile, wie das so ist, aber ich erkläre es Ihnen noch einmal ganz kurz. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Ofner: Nein, nein, ich versteh’ nur euch nicht!) – Ja, dann versuche ich es noch einmal in einfachen Worten: Es steht seit mehreren Wochen fest, dass ich heute hier den Innenminister vertrete, weil er einen Termin im Ausland hat (Bundesrat Ofner: Ja, dann ist es noch die größere Schande für dieses Parlament, dass wir es gestern


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mitgeteilt kriegen! Dann ist es noch die größere Schande!), und Sie wissen das auch. Wenn Sie gefragt hätten, wüssten Sie es oder hätten Sie es wissen müssen, dass er einen Auslandstermin hat. (Bundesrat Ofner: Gestern! Gestern!) Es ist üblich, dass man in diesem Fall durch einen anderen Minister, eine andere Ministerin vertreten wird – und deshalb habe ich die Ehre, heute hier zu sein.

Da Sie das angesprochen haben, muss ich einfach Folgendes loswerden – Herr Bundesrat, wenn Sie die geschätzte Ehre hätten, mir auch zuzuhören, ich habe Ihnen auch zugehört –, nämlich zur Frage der Vertretung durch die Frau Bun­desministerin Gewessler: Das wäre zustande gekommen, wenn sie die Punkte vom Innenminister übernommen hätte. Dann hätte nicht ich extra kommen müssen, sondern sie hätte das mitgenommen. Das ist auch ein üblicher Vorgang – nur damit da einmal klar ist, wie die Vertretungsregelung so läuft. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Ofner.)

Ich muss jetzt zum Thema kommen, denn wenn das Thema nicht so ernst wäre, dann könnten wir über einige Ihrer Ausführungen herzhaft lachen, aber das Thema ist leider zu ernst. Ich möchte Ihnen hier auch in aller Deutlichkeit sagen, dass wir zweifelsohne vor großen Herausforderungen stehen. Wir stehen vor herausfordernden Zeiten, wir stehen vor Herausforderungen in Europa und in Österreich, und wir wissen alle – aus den Geschichtsbüchern oder aus eigenem Erleben –, dass wir viele Krisen schon gemeistert haben, davon sind die Geschichts­bücher voll. (Bundesrat Ofner: Aber die meisten haben wir wegen dieser Regierung!)

Geh, Herr Bundesrat (Bundesrat Ofner: Ja, das ist so!), Sie werden noch ein bisschen mehr Geduld aufbringen müssen, Sie haben nämlich 79 Fragen gestellt, zu denen ich dann kommen werde, die ich auch ausführlich und so beantworten werde, dass Sie es verstehen und dass Sie auch mitkommen. Ich möchte jetzt aber trotzdem allgemein ausführen, dass wir vor Herausforderungen stehen, die wir gemeinsam bewältigen können – das hat die Geschichte gezeigt und das werden wir auch tun.


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Wir stehen vor der Herausforderung der Teuerung; wir haben eine hohe Infla­tion, mit der wir konfrontiert sind; wir haben dafür zu sorgen, dass Sicherheit und Wohlstand in der Republik aufrechterhalten werden, und wir haben dafür einiges getan: Zum Beispiel haben wir eine ökosoziale Steuerreform auf den Weg gebracht, zum Beispiel haben wir die größte Pflegereform seit Jahrzehnten angestoßen. Weiters haben wir ein Klimaticket auf den Weg gebracht. (Zwi­schenrufe bei der FPÖ, darunter: Zum Thema!) – Ja, ich werde schon zum Thema kommen, aber Sie haben die geschätzte Ehre, mir einmal zuzuhören. Sie haben mir vorgeworfen, dass wir alle inkompetent sind, und deshalb möchte ich dazu auch Stellung nehmen.

Wir haben knapp die Hälfte des Regierungsprogramms abgearbeitet (Ruf bei der FPÖ: Das sehen die Leute ... anders!), und das trotz mannigfaltiger Krisen, die uns getroffen haben, seit wir in der Regierung sind, und, meine sehr geehrten Damen und Herren (neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ) – die anderen horchen mir im Gegensatz zu Ihnen zu, obwohl Sie die Anfrage gestellt haben –, wir tun dies aus Verantwortung für Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundesrat Steiner: Sie müssen halt zur Anfrage sprechen!)

Ich möchte Ihnen schon auch deutlich vor Augen führen, dass wir diese Verant­wortung gemeinsam tragen. Damit meine ich die Bundesregierung auf der einen Seite und auf der anderen Seite das Parlament, die Nationalratsabgeordneten und die Bundesrätinnen und Bundesräte hier in diesem Haus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle tun gut daran, die Probleme einerseits offen anzusprechen, sie nicht zu negieren, sie nicht zu ignorieren und schon gar nicht sie zu beschönigen; und ich bin die Letzte – wer mich kennt, weiß das –, die das tut. Damit möchte ich auch schon – Sie fordern das ja schon seit einigen Minuten jetzt ein – zum Kernthema dieser Dringlichen Anfrage kommen.

Ja, wir haben auch im Bereich der illegalen Migration ein Problem, das ist ganz eindeutig. Darauf weist auch der Innenminister seit Monaten hin, daran arbeitet


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die Polizei, die Betreuungsagentur mit Mag. Achrainer an der Spitze und viele andere im Bundesministerium für Inneres und in anderen Institutionen. Und ja, dieses Thema ist eine große Herausforderung – für Österreich, für die gesamte Europäische Union und weit darüber hinaus.

Einige Zahlen und Fakten dazu, bevor ich zur Anfragebeantwortung komme: Von Jänner bis einschließlich September wurden 71 885 Asylanträge in Österreich gestellt, das bedeutet eine Steigerung zum Vergleichszeitraum des Vorjahres um 200 Prozent. Österreich ist bei der Pro-Kopf-Belastung in der Europäischen Union an der zweiten Stelle hinter Zypern. Es befinden sich derzeit insgesamt 91 000 Menschen in Grundversorgung, davon etwa 56 000 geflüchtete Ukraine­rinnen und Ukrainer.

Warum ist das so? – Wir sehen einerseits, dass immer mehr Menschen zu uns kommen, die tatsächlich keine Chance auf Asyl haben, die aus rein wirtschaft­lichen Gründen zu uns kommen, aus Ländern wie Indien, Pakistan, Marokko oder Tunesien, hier haben wir einen dramatischen Anstieg. Top eins bei den Asyl­an­tragstellern sind derzeit indische Staatsangehörige. Das ist ein Grund.

Der zweite Grund ist, dass das Schleppergeschäft der Mafia hier tatsächlich auf Höchsttouren läuft. Sie nützen auch die Situation des Ukrainekrieges aus und haben da ein eigenes Marketing auf den Plan gerufen.

Der dritte Grund, den ich hier anführen möchte, ist die Visafreiheit für Men­schen aus Drittstaaten – da geht es vor allem wieder um Indien, Tunesien, Marokko und andere – in Ländern des Westbalkans. Das ist ein Einfallstor, weil die dann mithilfe der bereits genannten Mafiabanden und Schlepperbanden nach West- und Mitteleuropa weitergebracht werden. Diese Menschen stellen rund 40 Prozent aller Asylanträge in Österreich. (Bundesrat Steiner: Was tut man dage­gen?)

Daher, ganz wichtig: Wir brauchen den Westbalkan als Partner bei der Bekämp­fung illegaler Migration, und daher ist der Innenminister heute in Berlin bei


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dieser Konferenz, bei der es genau um dieses Thema geht. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Zur Frage, was wir tun: Wir tun sehr viel. Sie wissen, dass es in Österreich zu einer Wiedereinführung oder Verlängerung von Grenzkontrollen gekommen ist, weil wir reagieren müssen, bevor die Schlepper reagieren. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) Das Innenministerium hat hier umfangreiche Maßnahmen gesetzt und eine „Aktion scharf“ auch gegen Schlepper gestartet. Das bedeutet mehr Aufgriffe, aber auch mehr Abschreckung. Es gibt kein Durchwinken, son­dern eine Registrierung und Erfassung mit Fingerabdrücken. (Bundesrat Steiner: 77 000!)

Mittlerweile sind auch andere EU-Länder alarmiert. Zum Beispiel hat die Tschechi­sche Republik die Einführung von temporären Grenzkontrollen an der Grenze zur Slowakei bereits am 29. September dieses Jahres beschlossen. Auch die Schlep­per reagieren unmittelbar auf solche Maßnahmen. Deshalb haben auch wir unver­züg­lich Grenzkontrollen eingeführt, um uns gegen Routenänderungen der Schlepper zu wappnen. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.)

An dieser Stelle möchte ich auch einen ganz großen Dank aussprechen an die Polizei und an das Bundesheer, denn sie sind es, die diese Grenzkontrollen gewissenhaft durchführen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grü­nen.)

Der verstärkte Kampf gegen Schlepperei hat dazu geführt, dass bei dieser „Aktion scharf“ jetzt schon 470 Schlepper festgenommen worden sind. Wir haben schnelle Verfahren. Der Schwerpunkt liegt eben darauf, dass diese Ver­fahren rasch durchgeführt werden, dass rasch entschieden beziehungsweise unter­schieden wird zwischen Schutzbedürftigen und Menschen ohne Recht auf Asyl. Und mehr als die Hälfte der Antragstellungen 2022 wurden bisher bereits abgelehnt beziehungsweise eingestellt. Das ist eine Zahl von 40 299, das ist ein Rekordwert.


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Was will ich Ihnen damit sagen? – Die Systeme funktionieren und die Verfahren werden rasch durchgeführt. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Na wenn es funktioniert, dann würden wir ja keine Zelte brauchen, oder? Sie machen sich ja selber lächerlich noch!) – Nein, Sie horchen mir nicht zu! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Ja, aber dafür können wir ja nichts, dass die Leute kom­men. Da gibt es andere Notwendigkeiten, dass wir das bekämpfen. Horchen Sie mir einfach zu, und dann werde ich Ihnen auch das beantworten!

Was auch dazugehört, ist, dass mittlerweile eine Antimarketingkampagne in Herkunftsländern gestartet worden ist, denn Migrationspolitik ist auch Kommunikation. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Wir dürfen den Schlep­pern nicht die Geltungshoheit über die Systeme hier überlassen. Wir müssen den Menschen klarmachen, dass sie keine Chance auf Asyl haben.

Was machen wir? Das war die österreichische Ebene, aber was machen wir hier mit den Nachbarstaaten? – An der ungarisch-serbischen Grenze wurde das Polizeikontingent gerade von 50 auf 70 Beamte aufgestockt. Wir bekämpfen gemeinsam mit der ungarischen Polizei die Schleppermafia gleich an dieser EU-Außengrenze. Die Entwicklungen dort betreffen uns unmittelbar. Diese EU-Außengrenze ist auch unsere Grenze und damit das erste Sicherheitsnetz für Österreich.

Wir haben eine Schwerpunktaktion in Ungarn vor der österreichischen Grenze als zweites Sicherheitsnetz eingezogen, und zwar mit gemischten Streifen mit Ungarn im Einsatz. Heuer sind bereits mehr als 200 solcher Schwerpunktak­tionen gesetzt worden, und dort können auch nach Absprache mit den Ungarn Drohnen und Geräte zur Aufklärung eingesetzt werden, was notwendig ist.

Wir unterstützen aber auch die Länder des Westbalkans im Kampf gegen die Schleppermafia. Das Bundeskriminalamt wird gemeinsam mit der ungarischen und der serbischen Polizei eine Taskforce zur Schleppereibekämpfung aufbauen. Wir haben Grenzpolizisten in Serbien, in Nordmazedonien und in Montenegro im


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Einsatz und eine enge Partnerschaft mit Bosnien im Bereich der Außerlandes­bringung, die schon erste Erfolge zeigt.

Mit Slowakei, Tschechien und Ungarn erfolgen Außengrenzschutz, Binnengrenz­kontrollen und der Kampf gegen Schlepper in enger Abstimmung. Dazu finden auch regelmäßig Treffen statt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist schon angesprochen worden, aber mir als Europaministerin ist es wichtig, auch die europäische Ebene anzu­sprechen und zu sagen, was es hier zu tun gilt.

Wir müssen – und das ist jetzt vielleicht auch die Antwort auf Ihre Frage – end­lich das Asylmigrationspaket vorantreiben. Es braucht dringend eine europäische Lösung, denn nationalstaatlich werden wir das nicht schaffen. Es braucht neue Asylregelungen, welche Verfahren in sicheren Drittstaaten beinhalten. (Zwi­schenrufe bei der FPÖ. – Bundesrat Hübner: ...! Das sind nur Worthülsen!) Das ist längst überfällig. Der Innenminister hat das deutlich gemacht und macht das deutlich im Kreis der Innenminister, und zwar bei jeder Gelegenheit und, wie ich weiß, auch heute.

Es braucht eine Stärkung des EU-Außengrenzschutzes und eine Stärkung von Frontex. Und ich sage es noch einmal dazu, für alle, die immer noch nicht aufge­passt haben: Alleine werden wir das nicht schaffen, deshalb müssen wir mit den anderen Ländern zusammenarbeiten. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir, da spreche ich für die Bundesregierung und wahrscheinlich auch für fast alle Fraktionen hier im Hohen Haus, wir wollen ein Europa ohne Grenzen nach innen (Bundesrat Hübner: Ja, ja! – Bundesrat Steiner: Das funktioniert so nicht!), aber das geht nur, wenn die Außengrenzen entsprechend kontrolliert werden, wenn der Außen­grenz­schutz stark ist. (Bundesrat Steiner: Seit zehn Jahren! Seit zehn Jahren!) Das war und ist unsere und auch meine Überzeugung. (Beifall bei der ÖVP. – Bun­desrat Steiner: Seit zehn Jahren dieselbe Leier! Die glaubt keiner mehr! Die glaubt keiner mehr! – Bundesrat Ofner: Unglaublich! – Bundesrat Spanring: Wenn es so wäre, ...!)


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Die Visafreiheit in Serbien ist auch etwas, das beendet werden muss. Österreich ist dazu in enger Abstimmung mit mehreren Ländern, mit Ungarn, mit Deutsch­land, mit der Schweiz und auch mit Kroatien. Auch Bundeskanzler Nehammer ist hier höchst engagiert, und der Innenminister ist dazu heute eben bei diesem Treffen in Berlin. Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam eine Lösung finden können. Also der beste Innenminister aller Zeiten, den Sie vorhin angesprochen haben, hat offensichtlich in den eineinhalb Jahren seiner Amtstätigkeit nicht den Stein der Weisen gefunden, sonst wäre das Problem jetzt wohl nicht mehr am Tisch. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundesrat Spanring: Was?! – Bundesrat Steiner: Die niedrigsten Asylzahlen hat er gehabt! Die niedrigsten Asylzahlen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Sehr nachhaltig.

Es geht darum, konkrete Arbeit zu leisten, konkrete Maßnahmen zu setzen, und das können wir nur geeint machen. (Bundesrat Steiner: Waren Sie nicht Sekretärin im Innenministerium?) Wir können die Herausforderungen unserer Zeit nur gemeinsam lösen, in einer Zeit, in der wir mit hohen Migrationszahlen zu kämp­fen haben, in der wir einen russischen Angriffskrieg auf die Ukraine erleben und zusätzliche Belastungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen wir nicht zu, dass solche Ver­suche dazu führen, dass wir uns spalten! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­rät:innen der Grünen. – Bundesrat Ofner: Das habt schon ihr gemacht!) Wir stehen hier in der Verantwortung für Österreich, für Europa.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf jetzt weiter um Ihre Aufmerk­samkeit und auch Geduld bitten, denn ich komme jetzt zur sehr ausführlichen Beantwortung der Dringlichen Anfrage. Ich tue dies nicht, ohne zuvor den Mit­arbeiterinnen und Mitarbeitern im Innenministerium herzlich dafür zu danken. Heute um 10 Uhr ist diese Anfrage mit 79 Fragen eingegangen, und sie wurde von den Mitarbeiter:innen unter Sektionschef Peter Webinger und anderen gewissenhaftest beantwortet. Ich darf Ihnen diese Antworten hier jetzt vortra­gen.


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Zu Frage 1:

Wesentliches Ziel ist und bleibt es, schnellstmöglich zu unterscheiden zwischen jenen, die eine Chance auf Asyl haben, und jenen, die keine Chance auf Asyl haben. Daher werden die Entscheidungen in Schnellverfahren sehr rasch getrof­fen. Bis Ende September wurden 25 833 entsprechende Verfahren eingeleitet und bereits 14 606 entsprechende Entscheidungen getroffen. Mit dieser Maß­nahme wird ein wichtiges Signal gesendet, dass bei Herkunftsstaaten wie Indien, Tunesien, Pakistan oder Marokko im Allgemeinen praktisch keine Aussicht auf eine Bleibewahrscheinlichkeit besteht.

Zu Frage 2:

Seit Jänner 2020 wurden zur Umsetzung der umfangreich im Regierungs­pro­gramm vorgesehenen fremdenrechtlichen Vorhaben sowie zur Umsetzung von unionsrechtlichen Vorgaben insgesamt 14 Gesetzesnovellen im fremdenrecht­lichen Bereich kundgemacht. Darüber hinaus wurde eine weitere Novelle des Fremdenrechts, mit der unter anderem etwa der Strafrahmen für organisierte Schlepperei angehoben werden soll, einer Begutachtung unterzogen und befin­det sich in Vorbereitung zur Einbringung.

Zu Frage 3:

79 011.

Zu Frage 4:

71 885 Asylanträge. Aufgrund der Vielzahl an Nationen darf ich die top zehn Nationen aufgegliedert hier vorlesen: Afghanistan: 16 510, Syrien: 12 529, Indien: 11 541, Tunesien: 8 932, Pakistan: 6 897, Marokko: 3 910, Türkei: 2 895, Somalia: 1 319, Ägypten: 1 112, Bangladesch: 921.

Zu Frage 5:

Von den 71 885 Asylanträgen entfallen 70 139 Asylanträge auf Erstantragsteller.


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Zu Frage 6:

Vom 1.1. bis 30.9.2022 erfolgten insgesamt 8 700 Außerlandesbringungen. Zu den top zehn Nationalitäten zählen Slowakei, Serbien, Ukraine, Rumänien, Ungarn, Georgien, Albanien, Nigeria, Indien, Türkei. Statistiken zu Ausreisen werden grundsätzlich nach Staatsangehörigkeit und nicht nach Zieldestina­tion geführt.

Zu Frage 7:

51 310.

Zu Frage 8 – ich brauche einen Schluck Wasser dazwischen, denn jetzt wird es langwierig werden, aber ich möchte Ihnen die Zahlen nicht vorenthalten; ich werde Ihnen aufgegliedert zunächst die Zahl der offenen Verfahren im BFA, dann die Zahl der noch in Rechtsmittelfrist verhangenen Verfahren und dann die Zahl der vor dem Gericht anhängigen Verfahren berichten –:

Im Bereich Syrien – erste Zahl wie gesagt: BFA, zweite: Rechtsmittel, dritte: Gericht –: 12 177, 204, 2 219;

Afghanistan: 6 887, 323, 760;

Indien: 6 777, 654, 239;

Pakistan: 3 128, 491, 113;

Tunesien: 2 998, 586, 13;

Marokko: 1 635, 541, 20;

Somalia: 1 539, 52, 558;

Türkei: 1 737, zehn, 247;

Irak: 533, 22, 543;


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Iran: 391, elf, 388.

Zu Frage 9:

Die Gesamtdurchschnittsdauer beträgt 3,2 Monate. Durchschnitt bei Schnell­verfahren: 30 Tage; bei beschleunigter Verfahrensführung: 90 Stunden.

Zu Frage 10, nämlich zu den Herkunftsstaaten in der Grundversorgung zum 30. September 2022:

Ukraine: 56 923; Syrien: 13 872; Afghanistan: 5 389; Irak: 2 605; Somalia: 2 203; Russische Föderation: 1 714; Iran: 820; Türkei: 785; Indien: 718; staatenlos: 594.

Zu Frage 11:

Vom Jänner bis zum 30.9.2022: 10 107.

Zu Frage 12:

Rechtskräftig positiv von 1.1. bis 30.9.2022: Syrien: 6 669; Afghanistan: 1 453; Iran: 502; Somalia: 478; Sonstige: 734.

Zu Frage 13:

Abgelehnte Anträge bis 30.9.2022: 19 537. Einstellungen bis 30.9.: 21 225; gesamt also 40 762.

Zu Frage 14:

Rechtskräftig negativ von 1.1. bis 30.9.2022: Tunesien: 4 249; Afghanistan: 3 627; Pakistan: 2 554; Indien: 2 115; Marokko: 1 987.

Zu Frage 15:

Entsprechende Statistiken werden nicht geführt.


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Zu Frage 16:

Bis 30.9.: 3 977.

Zu Frage 17:

Rechtskräftig positiv vom 1.1. bis 30.9.2022: Syrien: 1 681; Afghanistan: 1 259; Somalia: 361; Irak: 261; Sonstige: 334.

Zu Frage 18:

Bis 30.9.: 13 819.

Zu Frage 19:

Rechtskräftig negativ von 1.1. bis 30.9.2022: Tunesien: 4 188; Pakistan: 2 380; Indien: 1 892; Marokko: 1 574; Sonstige: 2 839.

Zu Frage 20:

Entsprechende Statistiken werden nicht geführt.

Zu Frage 21:

Bis 30.9.2022: 1 960.

Zu Frage 22:

Rechtskräftig positiv von 1.1. bis 30.9.2022: Irak: 345; Russische Föderation: 327; Iran: 114; Sonstige: 970.

Zu Frage 23:

Bis 30.9.2022: 18 087.

Zu Frage 24:

Rechtskräftig negativ von 1.1. bis 30.9.22: Tunesien: 4 425; Pakistan: 2 536; Indien: 2 064; Marokko: 1 730; Sonstige: 6 465.


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Zu Frage 25:

Entsprechende Statistiken werden nicht geführt.

Zu den Fragen 26 und 27:

Männlich: 1 513, weiblich: 325, unbekannt: drei. Insgesamt sind 983 Personen minderjährig, davon sind 693 unbegleitete minderjährige Fremde.

Zu Frage 28:

Aufgrund des Erreichens der Belastungsgrenze im Bereich der Grundversorgung des Bundes ist es erforderlich, eine Erhöhung der verfügbaren Kapazitäten durch die Einrichtung von Zeltstandorten zu erwirken – insbesondere, um zu verhin­dern, dass Asylwerber ihre Bleibe an öffentlichen Orten suchen. Eine Errichtung in den jeweiligen Bundesländern erfolgt nach entsprechender Notwendigkeit.

Zu Frage 29:

Das Innenministerium reagiert selbstverständlich stets auf aktuelle Entwick­lun­gen und setzt die erforderlichen Maßnahmen im Rahmen der geltenden Gesetze.

Zu Frage 30:

Grundsätzlich darf festgehalten werden, dass der Beschluss zur Obergrenze beim Asylgipfel am 20. Jänner 2016 nicht auf die gestellten Asylanträge, sondern auf die Zahl der zugelassenen Verfahren abstellte. Durch die Obergrenze wur­den Richtwerte für die Zulassung von Personen zum Asylverfahren festgelegt, es handelt sich dabei um ein Bekenntnis politischer Natur.

Zu den Fragen 31 bis 33:

Die Verhängung von Maßnahmen und Sanktionen im Sinne des Epidemie­gesetzes fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für


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Inneres. Darüber hinausgehend fallen Meinungen und Einschätzungen nicht unter das parlamentarische Interpellationsrecht.

Zu den Fragen 34 und 35:

Grundsätzlich werden notwendige Investitionen vorab durch den Vermieter durchgeführt.

Zu den Fragen 36 und 37:

Auf Bundesebene findet durch das Bundesministerium für Inneres in Zusammen­arbeit mit der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH eine laufende bundesweite Evaluierung der zur Verfügung stehenden Opti­onen im Hinblick auf die Generierung zusätzlicher Standorte zur Unterbrin­gung hilfs- und schutzbedürftiger Fremder statt. Darüber hinaus erfolgt dies­bezüglich auch ein ressortübergreifender Austausch.

Zu Frage 38:

In den Statistiken werden keine Unterscheidungen oder Kategorien hinsichtlich des Asylgrundes geführt.

Zu den Fragen 39 und 40:

Die Investitionskosten für die Errichtung der Grenzmanagementinfrastruktur – insbesondere für Container, Zelte, technische Ausstattung und Zaunanlagen in Spielfeld – seit dem Jahr 2015 betrugen circa 3 Millionen Euro. Zusätzlich fallen laufende Miet- und Betriebskosten in der Höhe von circa 140 000 Euro pro Monat an. Von einer Auswertung der Personalkosten muss wegen des damit verbundenen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwandes Abstand genom­men werden, da aufgrund der täglich wechselnden Arbeitsbelastung der Perso­nal­einsatz laufend entsprechend angepasst wird.


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Zu den Fragen 41 und 42:

Das Grenzmanagement Spielfeld besteht seit 2016 und wurde 2021 zur Bear­beitung wieder in Betrieb genommen. Es wurde um einen Containerkomplex für ärztliche Untersuchungen auf Haftfähigkeit beziehungsweise Erkennen von aku­tem medizinischen Behandlungsbedarf ergänzt.

Zu Frage 43:

Durchschnittswerte der Kräfte für die Grenzkontrollen inklusive der Asylbear­beitung im Grenzmanagement Spielfeld: 35 Exekutivbedienstete der Fremden- und Grenzpolizei, sechs Exekutivbedienstete des koordinierten fremdenpoli­zeilichen Dienstes aus den Bezirken, acht Exekutivbedienstete des Bildungs­zen­trums der Sicherheitsexekutive, zwei Sanitäterinnen und Sanitäter der Landes­polizeidirektion, zehn Soldatinnen und Soldaten des österreichischen Bundes­heeres.

Zu Frage 44:

Nun wird es wieder ein bissel kompliziert, da gibt es nämlich fünf Zahlen, die ich Ihnen jeweils nach Bundesländern aufgegliedert vorlesen werde. Die erste Zahl betrifft Asylberechtigte, die zweite subsidiär Schutzberechtigte, die dritte Asyl­werber, die vierte unbegleitete minderjährige Fremde und die fünfte Sonderbe­treu­ungsbedarf.

Ich beginne mit dem Burgenland: 230, 162, 1 440, 108, fünf.

Kärnten: 410, 254, 2 923, 230, 17.

Niederösterreich: 906, 528, 53 136, 12 541, 69.

Oberösterreich: 999, 763, 18 258, 251, 71.

Salzburg: 304, 247, 1 925, 73, sieben.

Steiermark: 516, 598, 5 070, 248, 134.


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Tirol: 748, 336, 1 616, 75, eins.

Vorarlberg: 558, 394, 797, 34, vier.

Wien: 6 133, 6 722, 3 271, 655, 397.

Zu Frage 45:

Die erste Zahl betrifft wiederum Asylberechtigte, die folgenden subsidiär Schutz­berechtigte, Asylwerber, unbegleitete minderjährige Fremde und Sonderbetreu­ungsbedarf.

Burgenland: 167, 32, 196, 19, null.

Kärnten: 336, 135, 197, 63, drei.

Niederösterreich: 788, 300, 7 998, 2 461, 19.

Oberösterreich: 860, 347, 2 555, 46, 17.

Salzburg: 273, 123, 281, 20, null.

Steiermark: 393, 269, 656, 28, 31.

Tirol: 563, 157, 152, 27, null.

Vorarlberg: 454, 86, 79, 17, zwei.

Wien: 5 028, 604, 584, 71, 89.

Zu Frage 46:

Ich glaube, ich brauche jetzt nicht mehr zu sagen, was die einzelnen Zahlen bedeuten, Sie wissen es mittlerweile, jeweils fünf Zahlen pro Bundesland.

Burgenland: 26, drei, 767, 30, null.

Kärnten: 45, zwei, 1 744, 134, acht.


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Niederösterreich: 171, 20, 38 742, 10 317, 30.

Oberösterreich: 128, zwölf, 11 851, 159, sieben.

Salzburg: 44, eins, 909, zwölf, null.

Steiermark: 100, fünf, 2 575, 64, 57.

Tirol: 166, acht, 551, 15, null.

Vorarlberg: 145, 20, 441, zehn, null.

Wien: 1 275, 96, 1 790, 390, 109.

Zu Frage 47:

Auch da sind es wieder fünf Zahlen pro Bundesland.

Burgenland: null, 91, null, null, null.

Kärnten: null, 1 011, eins, drei, 86.

Niederösterreich: neun, 2 389, null, 20, 882.

Oberösterreich: zwei, 1 368, null, eins, null.

Salzburg: null, 244, null, null, null.

Steiermark: drei, 1 170, zwei, 30, null.

Tirol: null, 133, null, null, null.

Wien: 18, 984, null, eins, 304.

Zu Frage 48:

Die Quotenerfüllung zum Stichtag 30.12.2021 stellt sich wie folgt dar: Burgen­land zu 90,64 Prozent, Kärnten zu 85,21 Prozent, Niederösterreich zu 71,80 Pro-


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zent, Oberösterreich zu 83,61 Prozent, Salzburg zu 85,21 Prozent, die Steier­mark zu 91,96 Prozent, Tirol zu 81,25 Prozent, Vorarlberg zu 75,52 Prozent und Wien zu 162,63 Prozent. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Zu Frage 49:

Die Quotenerfüllung zum Stichtag 20.10.2022 stellt sich wie folgt dar: Das Burgenland hat 103,23 Prozent, Kärnten 64,17 Prozent, Niederösterreich 87,64 Prozent, Oberösterreich 76,80 Prozent, Salzburg 69,81 Prozent, Stei­er­mark 82,57 Prozent, Tirol 62,75 Prozent, Vorarlberg 68,42 Prozent und Wien 180,61 Prozent.

Zu Frage 50 – da wird nach den Gemeinden gefragt –:

Traiskirchen, Schwechat, Korneuburg, Reichenau, Ossiach, Villach, Finkenstein, Klagenfurt am Wörthersee, St. Radegund bei Graz, Graz Puntigam, Spital am Semmering, Leoben, Bad Kreuzen, St. Georgen im Attergau, Steyregg, Mondsee, Ohlsdorf, Frankenburg, Hörsching, St. Wolfgang, Bergheim, Fieberbrunn, Wien, Klingenbach, Ebenthal.

Zu Frage 51:

Es folgt wieder ein Zahlenblock. Die erste Zahl betrifft wiederum Asylbe­rech­tigte, die zweite Asylwerber, die dritte Zahl subsidiär Schutzberechtigte, die vierte Zahl Sonderbetreuungsbedarf und die fünfte Zahl unbegleitete minder­jährige Fremde.

Afghanistan: 173, 2 348, 2 789, 71, 754;

Irak: 19, 574, 1 492, 26, 19;

Iran: 122, 470, 30, 30, sechs;

Nigeria: 1, 88, 125, 32, neun;

Russland: 15, 356, 491, 46, acht;


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Syrien: 1 437, 11 623, 1 903, 22, 1 068;

Ukraine: 0, 166, 77, 161, 149.

Zu Frage 52:

Bisher sind für den Verrechnungszeitraum vom dritten Quartal 2021 bis zum ersten Quartal 2022 im Rahmen der Landesgrundversorgung 102,65 Millionen Euro aus dem BMI-Budget an die Länder geflossen. Die Auszahlung an private und organisierte Quartiergeber erfolgte durch die Länder. Rund 20 Prozent der Gesamtkosten entfallen auf individuelle Unterkünfte. Im Rahmen der Bundes­betreuung wurden bisher 78,04 Millionen Euro an die BBU GmbH ausbezahlt.

Zu den Fragen 53 bis 56:

Erstaufnahme Ost: Gesamtbelagskapazität 1 810, untergebrachte Asylwerber 2 106.

Erstaufnahme West: Gesamtbelagskapazität 210, zuzüglich 136 in Zelten, untergebracht 152.

Zu den Fragen 57 bis 62:

Seitens des BMI wurden seit dem Jahr 2020 aufgrund der Covid-19-Lage bezie­hungsweise der Entwicklungen der Migrationslage sukzessive sämtliche nutz­ba­ren, vormals stillgelegten Standorte bereits wieder in Betrieb genommen.

Zu den Fragen 63 bis 66:

Ich darf auf die Beantwortung der Fragen 36 bis 37 verweisen.

Zu Frage 67:

Für die Polizei gibt es eindeutige Vorgaben im Hinblick auf Dienstplanung und Dienstvollzug. Diese Bestimmungen werden auch im Zusammenhang mit dem Grenzmanagement in Spielfeld angewandt. Dass es im Rahmen von besonderen Situationen auch zu angeordneten Mehrdienstleistungen über den normalen


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Dienstplan hinaus kommen kann, ist natürlich möglich, aber auch da gibt es klare Rahmenbedingungen, die jedenfalls zur Anwendung kommen. Die Zuständigkeit für die Soldaten fällt nicht in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Inneres.

Zu den Fragen 68 bis 70:

Aus operativer Sicht wurden seit Monaten zahlreiche Maßnahmen durch das Bundesministerium für Inneres gesetzt, um den hohen Migrationsdruck auf Öster­reich rechtskonform zu bewältigen. Beispielsweise wurden die gemeinsamen Schwerpunktaktionen auf österreichischem und ungarischem Gebiet verstärkt, das Kontingent an Exekutivbediensteten in Ungarn von 50 auf 70 erhöht, und in Österreich wurde die Landespolizeidirektion Burgenland durch Kräftezuteilun­gen aus den anderen Bundesländern verstärkt.

Wir müssen reagieren, bevor die Schlepper reagieren. Gemeinsam mit unseren Nachbarn arbeitet das Bundesministerium für Inneres intensiv daran, den Außengrenzschutz zu stärken, Schlupflöcher zu schließen und auch geschlossen vorzugehen.

Zu den Fragen 71 bis 79:

Ja, wir sind mit enormen Herausforderungen und stark steigenden Flüchtlings- und Schlepperströmen konfrontiert. Dafür gibt es einige Hauptursachen: einerseits verstärkte und enorme Bombenangriffe in der Ukraine, weshalb die Unsicherheit gerade vor dem Winter steigt – wir müssen daher auch wieder mit mehr Vertriebenen aus der Ukraine rechnen –; andererseits Schlepper, die den Ukrainekrieg für ihr mieses Geschäft nutzen; und zusätzlich die Visapolitik Serbiens und der Wahlkampf in der Türkei. Serbien hat aufgrund intensiver Verhandlungen bereits Änderungen der Visapolitik angekündigt und auch zugesagt. Wir stehen für eine sehr klare und konsequente Politik im Asyl- und Migrationsbereich und für eine strikte Trennung zwischen dem Grundrecht auf Asyl einerseits und Migration andererseits.


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Wir haben heuer bereits einen Rekordwert an abgelehnten und eingestellten Anträgen, nämlich mit rund 40 000 mehr als die Hälfte. Gemeinsam mit unseren Nachbarländern treten wir für einen verstärkten Außengrenzschutz und Verfah­ren in sicheren Drittstaaten ein und sind geeint im Kampf gegen die Schlepper­mafia. Wir sind auch in der Koalition geeint und in der Bewältigung der aktuellen Krise sehr eng abgestimmt. Es gibt in der Bundesregierung selbstverständlich laufende Gespräche zu den Herausforderungen im Bereich Asyl und illegale Mig­ration.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich danke Ihnen für die Aufmerksam­keit, aber ich möchte noch einmal an der Stelle insbesondere den Mitarbeite­rinnen und Mitarbeitern, die diese Beantwortung heute von 10 Uhr bis in die Mitte des Nachmittags erstellt haben, ein ganz großes Danke aussprechen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

18.45


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Spanring. – Bitte, Herr Bundesrat.


18.45.25

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Kollegen im Bundesrat! In einem muss ich Frau Minister Edtstadler recht geben: Das war wirklich einmal eine gute Anfragebeantwortung, und da möchte auch ich mich bei den Mitarbeitern im Innenministerium bedanken. (Beifall bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Das war eine gute Anfragebeantwortung; das ist leider sehr selten der Fall – aber gleichzeitig ist diese gute Anfrage­beant­wortung nichts anderes als eine Selbstanklage dieser Regierung.


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Haben Sie sich eigentlich selbst zugehört, was da in unserem Land schiefläuft? Sie beten das alles runter, als ob eh alles in Ordnung wäre. Ich glaube, Sie haben einiges, was da drinnen gestanden ist, selbst gar nicht verstanden. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Preineder: Jetzt wird’s wieder nicht wertschätzend! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Frau Minister Edtstadler, eines kann ich Ihnen auch noch mit auf den Weg geben: Über die Art und Weise, wie Sie hier reingekommen sind und wie Sie am Anfang gesprochen haben, kann ich Ihnen nur eines sagen: Hochmut kommt vor dem Fall – Hashtag Sebastian Kurz. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann natürlich nicht auf alle Beantwortungen eingehen. Eine war für mich sehr interessant, das war die auf die Frage fünf, und zwar zu den Erstantrag­stel­lern. Wenn man die Zahlen so hört, dann muss man sagen: Fast alle werden Erstantragsteller in Österreich. Ja, Moment, wie groß ist denn Europa? Die kom­men alle durch ganz Europa durch und werden von niemandem kontrolliert. Wenn Sie sich herstellen und dann großmundig erklären: Die Polizei ist in Ungarn und unterstützt dort beim Aufnehmen und beim Absichern oder was auch immer, und wenn man hört, dass es aber in Ungarn komischerweise im Jahr 40 Asylwerber gibt und bei uns in der Woche 4 000, dann weiß ich, was passiert. Sie fahren da runter und liefern sie da heroben ab. Furchtbar! Furchtbar! (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist ein totales Versagen auf der ganzen Linie von dieser Regierung und natürlich auch vom Innenminister.

Eines muss man schon auch sagen, weil es Thema war: Natürlich ziehen es die Minister in dieser Regierung vor, jedes Mal bei Bundesratssitzungen im Ausland zu sein – und gerade bei Herrn Karner habe ich ja aufgrund seiner sehr kurz­fristigen Absage wirklich einen Verdacht. Es ist schön, dass Sie das seit Wochen wissen, wir haben gestern die Absage und seine Entschuldigung gekriegt. Gerade bei ihm bin ich mir da ziemlich unsicher, ob er nicht geahnt hat, dass wir ihn wegen seiner schlechten Performance hierher vorladen würden (Bundesrat


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Ofner: Ja, genau!) und er deshalb die Flucht ins Ausland angetreten ist. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Preineder: So gefährlich bist nicht, das ist eine Selbstüber­schät­zung!)

Eines ist klar: Wenn man sich Karners Performance als Innenminister genau anschaut, dann muss die Frage erlaubt sein: Was macht Herr Karner eigentlich beruflich? Ich weiß es nicht, wie gut er als Museumsdirektor ist, ich war noch nie in seinem ÖVP-Dollfuß-Austrofaschismus-Museum, aber Innenminister, das kann er ganz sicher nicht! (Beifall bei der FPÖ.) Woher denn auch? Wir alle wissen: Herr Karner wollte den Job nicht (Zwischenruf bei der ÖVP) – und mehr als ein Job ist es ja auch nicht für ihn, weil er nie Innenminister werden wollte. (Heiterkeit und Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Er wurde aus Nieder­österreich entsandt, er wurde von Mikl-Leitner ganz einfach eingeteilt, damit das Innenministerium ja fest in schwarzer niederösterreichischer Hand bleibt, weil da die Angst sehr groß war, dass, wenn das ein anderer übernimmt, dann vielleicht alle möglichen und unmöglichen dunklen Geheimnisse auffliegen würden. (Bun­des­rätin Zwazl: Na!)

Die Wahl – das kann ich auch sagen – ist deshalb auf Herrn Karner gefallen, weil er ja in Niederösterreich schon bekannt war, nämlich als der Scharfe, der Harte, der Kettenhund, um nicht zu sagen: der Pitbull, und das meine ich vollkommen positiv, weil Pitbulls fantastische Tiere sind. Genau so habe ich ihn im Nieder­öster­reichischen Landtag auch kennengelernt. Bei Herrn Karner hat sich aber inzwischen herausgestellt, dass er in Sachen Migrationspolitik allerhöchstens ein Chihuahua ist – und falls Sie nicht wissen, was ein Chihuahua ist: Das sind diese ganz kleinen Handtaschenhunderln. Das sind auch ganz tolle Tiere, aber zum Schutz von Menschen komplett ungeeignet. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Es sind nur kleine Krawallmacher, und auch das beschreibt Herrn Karner sehr treffend: Medial präsentiert sich Herr Karner immer als der Harte, der Laute, der Starke, wie der James Bond aus der Alpenrepublik. Nur, wenn es um seine Aufgaben und um die Umsetzung geht, benimmt er sich eher wie Johnny English: sehr patschert. (Beifall bei der FPÖ.)


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Ich kann Ihnen auch gleich ein Beispiel bringen: Herr Karner hat medial groß­mundig angekündigt, dass er Herrn Schmid – Sie kennen ihn, das ist dieser ÖVP-getreue Bildersammler, der seinen Kanzler liebt – sofort im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss wird vorführen lassen. Das Problem ist nur: Herr Schmid ist leider im Ausland und darum kann ihn Herr Karner nicht vorführen. Was Herr Karner nicht wusste: dass Herr Schmid mindestens 15 volle Tage in Österreich war, nämlich bei Befragungen der WKStA, bei der Sie, glaube ich, auch einen Posten haben, Frau Minister. Entweder hat der Umbau vom BVT ins DSN nichts genutzt, sodass da niemand etwas mitbekommen hat, oder das Justizministerium will einfach mit Herrn Karner nicht zusammenarbeiten. Beides ist wenig vertrauenerweckend.

Zurück zur Dringlichen: Herr Karner ist, wie gesagt, ein Held in den Schlagzeilen. Die Zahlen der unkontrollierten Massenzuwanderung zeigen aber, dass er maxi­mal ein tragischer Held ist und die Zuwanderungspolitik in Österreich längst eine grüne Handschrift trägt. Karner und sein Vorgänger Nehammer haben, über­spitzt formuliert, seit 2020 mehr Bundesbetreuungseinrichtungen für illegale Massen­zuwanderer eröffnet, als Rückführungen stattgefunden haben. Das ist die trau­rige Statistik des Versagens eines Nebenerwerbsinnenministers – mehr ist er nämlich nicht.

Nun, als Krönung, als sichtbarer Beweis seines Versagens, kommen Asylzelt­städte. Das ist traurig. Wenn Gottfried Waldhäusl in Niederösterreich angezeigt wurde, weil ein Quartier, nämlich Drasenhofen, angeblich nicht passend gewe­sen sein soll, dann freue ich mich jetzt schon auf die Anzeigen gegen diese Regierung, die bei diesen Temperaturen Menschen in Zelten unterbringen will, weil die Menschen jetzt froh wären, wenn sie in Drasenhofen sein könnten. So schaut es aus! (Beifall bei der FPÖ.)

Gottfried Waldhäusl hat Gott sei Dank für Niederösterreich schon angekündigt, dass es von seiner Seite sicher keine Zelte geben wird, denn so kurz vor dem Winter ist das eine menschenunwürdige Asylpolitik. Ich weiß, was nun wieder von Ihnen kommen wird: Ja, was sollen wir denn sonst machen? – Auch das kann


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ich Ihnen ganz klar sagen: Asylstopp, Grenzen dicht und in sichere Drittstaaten zurückweisen, das wäre die Lösung. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Karner ist ja so gerne in ganz Europa unterwegs, tingelt von einer Besprechung zur nächsten und fordert überall medienwirksam, dass etwas gegen die Schlep­perei getan werden muss. Ja, Schlepperei zu bekämpfen ist gut und richtig, aber was dieser Innenminister macht, ist genau das Gegenteil! Er unterstützt die Schlepper und bringt deren Arbeit zu Ende. Die Schlepper lassen die Illegalen vor der Grenze aussteigen, und diese werden dann von den Polizeiautos nach oder in Österreich eskortiert. Das ist eine Schande! Während dieser Zeit, in der Karner monatelang in ganz Europa beratend herumreist, sind 80 000 unkontrol­liert in Österreich eingereist. All das, was die Schlepper nicht können, erledigt Herr Karner; und auch deshalb ist er für mich nicht mehr als ein Nebenerwerbs­innenminister. (Beifall bei der FPÖ.)

Die ÖVP hat einen strengen und strikten Asylkurs versprochen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Und gebrochen! Und gebrochen!) Das, was wir bekommen haben, meine Damen und Herren, ist Wählerbetrug. Die FPÖ hat der ÖVP für einen restriktiven Asylkurs immer wieder die Hand gereicht, auch mit Anträgen. Sie von der ÖVP haben diese Hand ausgeschlagen, und das mehrmals und nicht nur im Bund. Zum Beispiel wollten bei der heutigen Landtagssitzung in Niederöster­reich die Freiheitlichen, allen voran natürlich Klubobmann Udo Landbauer, eine Aktuelle Stunde zum Thema illegale Massenzuwanderung einbringen. Das war nicht möglich, weil die ÖVP eine viel wichtigere eigene Aktuelle Stunde zum Thema Klimaschutz gemacht hat. Auch da kann man die Prioritäten der ÖVP ganz klar erkennen.

Meine Damen und Herren, das sind nur einige Beispiele von vielen – und das zeigt eines ganz klar auf: Es gibt nur eine einzige Partei in Österreich, die die illegale Migration stoppen kann, nämlich die FPÖ – und das haben wir schon bewiesen! (Beifall bei der FPÖ.)


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In Niederösterreich hat Gottfried Waldhäusl gezeigt, wie Asylpolitik mit Haus­verstand auf Landesebene funktioniert. Er hat 2018 das Ressort eines SPÖ-Landesrates übernommen. Es waren circa 8 500 Menschen, ein Großteil davon Wirtschaftsflüchtlinge, in der niederösterreichischen Grundversorgung – 8 500! Mittlerweile sind es nur mehr 1 600 Menschen, nämlich nur mehr jene, die auch tatsächlich den Anspruch darauf haben, denn alle anderen hatten gar kein Recht, in der Grundversorgung zu sein. Das war natürlich der SPÖ egal, und die ÖVP hat wohlwollend weggeschaut. Genauso macht es die ÖVP im Bund: Die Grünen schauen glückselig zu, wie Zigtausende Illegale in unser Land strömen, und die ÖVP schaut weg. Waldhäusl zeigt in Niederösterreich vor, was möglich ist, wenn man will.

Auf Bundesebene war es genau dasselbe. Die FPÖ hat lange vor 2015 vor den Entwicklungen gewarnt – und wir wurden ausgelacht. Was war 2015? – Wir wurden, dank einer Innenministerin Mikl-Leitner, die selbst als Bahnhofs­klatscherin Empfangskomitee gespielt hat, überrannt. Als Belohnung für ihr Versagen als Innenministerin ist sie dann Landeshauptfrau in Niederösterreich geworden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Kriminalität, Vergewaltigungen, Morde – all das wurde 2015 mit in unser Land gespült, wurde importiert. Eine Trendumkehr gab es erst 2018 mit einem Innen­minister Herbert Kickl. (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Zwazl und Schwindsackl.) Er hat es geschafft, die Zahlen der illegalen Migration durch eine stringente Zuwanderungspolitik auf vielen Ebenen – es nämlich für Wirtschaftsflüchtlinge uninteressant zu machen, nach Österreich zu kommen – massiv zu senken. Was war seine Belohnung? – Er wurde von der korrupten Kurz-Partie unter tatkräf­tiger Mithilfe von Van der Bellen abgesetzt. Herbert Kickl hat sich nie etwas zuschulden kommen lassen, das Einzige, was er gemacht hat: Er hat Politik für die Österreicher gemacht. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schwindsackl.)

Dann wurde Nehammer Innenminister. Die Zuwanderung ist wieder ange­stie­gen, es gab einen Terroranschlag durch völliges Versagen in der Zusammenarbeit


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seiner Behörden, nämlich einer ÖVP-Spielwiese namens BVT. Das Einzige, was Nehammer als Innenminister geschafft hat: medial den harten Hund zu spielen und kleine Kinder menschenunwürdig mitten in der Nacht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion medienwirksam abzuschieben – und all das nur, um von ÖVP-Skandalen abzulenken. Das ist schäbig, und als Belohnung für seine Unfähigkeit als Innenminister ist er nun Bundeskanzler geworden.

Da fällt mir übrigens etwas auf: Das ist so ein bisschen Usus bei der ÖVP. Wer besonders schlecht in seinen Aufgaben ist, der wird belohnt. Da hat es ja auch in Niederösterreich einen Finanzlandesrat gegeben, der zwei oder mehr Wohnbau­milliarden verspekuliert hat. Ich kann den Namen nennen: Sobotka. Zur Beloh­nung ist er dann Innenminister geworden und inzwischen ist er National­rats­präsident. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Da rede ich noch gar nicht von all dem, was erst gestern wieder durch die Schmid-Aussagen bekannt geworden ist. Der neue ÖVP-Slogan (Bundesrat Schwindsackl: Wahlkampf Niederösterreich! – Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl) wird zukünftig heißen: ÖVP – es gilt die Unschulds­vermutung! (Beifall bei der FPÖ.)

Zumindest, wenn das so bleibt, dass man für schlechte Arbeit belohnt wird, dann steht auch Herrn Noch-Magister Karner ein steiler Aufstieg bevor, denn unter Minister Karner schießen die Asylzahlen durch die Decke. Bereits vor einem Jahr hat das eigens in Niederösterreich dafür eingerichtete Asylfrühwarnsystem Alarm ausgelöst, und Asyllandesrat Waldhäusl hat heuer am 23. Juni bei einer Pressekonferenz gesagt, dass die Ampel auf Rot steht und 2 200 Asylanträge wöchentlich das System an die Grenze bringen. Was haben Sie in dieser Regie­rung gemacht? – Gar nichts haben Sie gemacht, zumindest nichts, was Abhilfe geschaffen hätte. Diese Regierung ist unfähig und hilflos.

Um eines klarzustellen: Es geht bei meiner Kritik an der illegalen Massenzuwan­derung nicht um ukrainische Vertriebene. Die sind ja in all den Zahlen, die wir soeben gehört haben, noch gar nicht mit erfasst. Ich spreche davon, dass erst letzte Woche die 85 000er-Marke geknackt wurde. Mittlerweile verzeichnet Österreich pro Woche weit über 4 000 Aufgriffe und folglich Asylanträge. Zu


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den top fünf der Antragsteller zählen Personen aus Afghanistan, Syrien, Indien, Tunesien und Pakistan. Wir geben viel Geld aus, um nach Indien und Tunesien auf Urlaub fahren zu können – und die kommen zu uns und suchen bei uns um Asyl an, also da passt ja etwas komplett nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Wirtschaftsflüchtlinge eint ein gemeinsames Ziel: Sie kommen, um zu bleiben. Wer glaubt, dass Frauen und Kinder oder Familien darunter sind, der irrt gewaltig. Im vergangenen August waren 94,1 Prozent der Antragsteller Männer.

Mikl-Leitner hat als Innenministerin im Jahr 2016 versprochen, es würde eine jährliche Asylobergrenze von 37 500 Anträgen geben. Sie selbst hat damals gesagt, einen Asylstrom wie 2015 würden die Systeme in Österreich nicht noch einmal vertragen. Auch das zeigt ganz klar auf, dass es die ÖVP mit einer restrik­tiven Asylpolitik noch nie ernst gemeint hat. Wir stehen jetzt bei mehr als 70 000 Asylanträgen, in Kürze werden es 100 000 sein, und genau dieselbe ÖVP will weder von einer Obergrenze noch von einem Asylstopp etwas wissen. Mikl-Leitner hat ganz klar die Bevölkerung belogen, diese ÖVP hat die Bevölkerung belogen, und das ist Fakt! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich hoffe, dass auch jene Österreicher endlich aufwachen, die sich in Sachen Asylpolitik von dieser ÖVP hinters Licht haben führen lassen. Es ist eben zu wenig, nur das FPÖ-Programm zu kopieren und damit auf Wählerfang zu gehen. Das mag einmal unter Kurz funktioniert haben; ein zweites Mal werden sich die Wähler sicherlich nicht täuschen lassen. Es gibt wie bereits gesagt nur eine einzige Partei, die illegale Migration stoppen kann, und das ist die FPÖ.

Da ich weiß, dass sich diese Regierung generell ein bisschen schwertut, unter­breite ich Ihnen jetzt noch ein paar Vorschläge, wie man illegale Zuwanderung einfach reduzieren und irgendwann vielleicht sogar auf null setzen kann:

Zuerst muss man einmal das Problem erkennen. Das Problem ist, dass Österreich auf Zuwanderer wie ein Sozialmagnet wirkt. Zusätzlich zur Grundversorgung gibt es Sozialhilfe, Wohnkostenübernahme und Verpflegung. Und zu dieser gesamten


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All-inclusive-Versorgung gibt es jetzt dann auch noch 500 Euro Klimabonus in bar ausbezahlt. Das gibt es in keinem anderen Land dieser Welt, das gibt es nur unter Schwarz-Grün in Österreich.

Österreich muss unattraktiv für Asylbetrüger werden, sodass wirklich nur mehr jene zu uns kommen, die tatsächlich Hilfe brauchen. Und wie schaffen wir das? – Es muss einmal ein Ende der Geldleistungen für Asylwerber genauso wie für Asylberechtigte geben. Die notwendigen Sachleistungen sind ausreichend. Es muss in die ganze Welt hinaus klargemacht werden, dass sich alle, die sich auf den Weg machen, um sich wirtschaftlich zu verbessern, und dafür vielleicht sogar viel Geld an Schlepper bezahlen, umgehend nach dem Aufgriff in Öster­reich am Ausgangspunkt ihrer Reise, nämlich bei ihnen zu Hause, wiederfinden werden. (Bundesrat Köck: Das ist wieder dieselbe Rede, die wir eh schon zehnmal gehört haben!) Das spricht sich dann herum, und damit wird auch die Schlepperei ordentlich bekämpft. Das ist eine No-way-Politik, und die fordern wir.

Ein Vorschlag, um vielleicht auch die Gutmenschen ein wenig aufzuwecken: Wenn Sie schon Zeltstädte bauen, dann machen Sie das bitte dort, wo die Wahlergebnisse entsprechend sind, zum Beispiel im Garten von Mikl-Leitner in Klosterneuburg oder in Wien, im 7. Bezirk, Neubau. Dann gibt es in diesem Bezirk eben keinen Park und keinen grünen Innenhof mehr, sondern dort sind dann Zeltstädte, genau dort, wo Grün, NEOS und Rot stark in den Wahlergeb­nissen sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, das sind nämlich die Zuwanderungsparteien. Bringen Sie dort die Zuwanderer unter! Die freuen sich sicher über Tausende junge Männer, testosterongesteuerte Jungs aus dem Orient. Und verschonen Sie dafür bitte die Gegenden, in denen die Wahlergebnisse entsprechend anders sind! Damit machen Sie dann gleichzeitig alle Österreicher glücklich, weil die Zuwan­derer genau dorthin kommen, wo sie herzlich willkommen sind. (Beifall bei der FPÖ.)


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Meine Damen und Herren, es ist fünf nach zwölf, und es braucht einen soforti­gen Asylstopp. Auch Humanität hat ihre Grenzen. Für mich zählt in erster Linie – vor allem in diesen schwierigen Zeiten –, Politik für unsere Landsleute zu machen, also einerseits eine finanzielle Entlastung für unsere Bürger und ande­rerseits Sicherheit für unsere Landsleute. Beides sehe ich durch diese schwarz-grüne Regierung gefährdet. Schwarz-Grün löst keine Krisen, sie zieht eine Krise nach der anderen durchs Land.

Und an Herrn Karner gerichtet, falls er irgendwo zuhört: Sie können es einfach nicht! Treten Sie bitte deshalb als Nebenerwerbsinnenminister zurück und nehmen Sie bitte den Rest dieser unsäglichen und unfähigen Regierung mit! (Beifall bei der FPÖ.)

19.04


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gfrerer. – Bitte, Herr Bundesrat.


19.04.56

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Liebe Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesminister! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie! Geschätzte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! (Bundesrätin Grimling: Da schaut keiner mehr!) Werte Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrat Schennach: Auf der Galerie sitzt noch jemand?) – Ich sehe jemand.

Dringliche Anfragen sind sicherlich ein sehr gutes demokratisches Instrument, um aktuelle Themen wirklich sachlich zu diskutieren. Wenn man damit aber nur politische Propaganda betreiben will, dann sind sie fehl am Platz. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Herr Kollege Spanring, du hast den Klimabonus erwähnt: Ihr habt bei 250 Euro mitgestimmt. (Bundesrat Spanring: Ja! Und wir haben einen Antrag gestellt, dass das wieder geändert wird! Den habt ihr abgelehnt!)


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Ein kurzer Rückblick auf die aktuellen Herausforderungen: Wir haben in letzter Zeit, besser gesagt seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie so viele Herausforde­rungen in solch einer Dichte bewältigen müssen beziehungsweise zu bewältigen gehabt: Corona, Inflation, Teuerung, Klima, Krieg und damit natürlich auch Asyl und Flüchtlinge.

Ich möchte dazu ein paar Zahlen aus Österreich und Salzburg näherbringen. (Bundesrat Steiner: Das haben wir schon gehört!) – Es ist nicht schlecht, wenn ich es dir ein zweites Mal sage. Das tue ich aber durchaus nicht, um Bundesländer und Bund gegeneinander auszuspielen.

Zur Grundversorgung in Österreich ganz aktuell, 19. Oktober: In Österreich haben wir 90 962 Personen in der Grundversorgung. Salzburg wird alles unter­nehmen, die Vorgaben auch zu erfüllen, in Salzburg sind es zurzeit 3 750, das sind 70 Prozent der Vorgabe.

Zum Status der Ukraineflüchtlinge in Österreich: Wir haben in Österreich 80 072 Flüchtlinge, Frauen und Kinder. Das sind Kriegsflüchtlinge, und davon haben wir in Salzburg im organisierten Wohnen 977, in privaten Quartieren 1 488, das sind insgesamt 2 465. Wir wissen nicht, wie sich die Situation mit dem russischen Krieg in der Ukraine weiterentwickeln wird und wie die Ausei­nandersetzung weitergehen wird.

Das Kernthema ist die illegale Migration. Der Minister weist seit Monaten darauf hin, und es wird seit dem Frühjahr daran gearbeitet. (Bundesrat Spanring: Hin­weisen kann die Opposition, agieren muss die Regierung!) Die Exekutive, die Polizei, das Bundesheer, die BBU, die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungs­leistungen, Mag. Achrainer als Chef davon, und viele, viele andere sind da tätig. Einen herzlichen Dank für den Einsatz. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Österreich liegt betreffend die Pro-Kopf-Belastung an zweiter Stelle innerhalb der Europäischen Union. (Bundesrat Steiner: Das ist aber kein Ruhmesblatt!)


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Der zweite Bereich, meine Damen und Herren, ist das brutale, miese Geschäft der Schleppermafia. Wir alle wissen das, wir kennen das. Die Schleppermafia­firmen – so heißt es von Experten – verdienen mittlerweile mehr blutiges Geld als Drogenfirmen. Die Schleppermafia nützt sehr rasch und sehr geschickt die Kommunikation beziehungsweise verändert die Kommunikation, sie verändert letztendlich ihr Marketing. Derzeit wird eben durch die Schleppermafia damit Werbung gemacht.

Was wird getan? Was tun wir? – Die Grenzkontrollen sind massiv verstärkt und ausgebaut worden. (Bundesrat Steiner: 30 Leute, 30 Beamte mehr!) Wir wissen, dass diese Aktion, die wir in erster Linie gegen Schlepper, gegen die Schlepper­mafia ausgerichtet haben, dazu geführt hat, dass wir mehr Angriffe haben (Bundesrat Steiner: Angriffe?), mehr Aufgriffe haben. Über 400 Schlepper sind allein in den ersten Monaten in Österreich gefasst worden, große Fische und kleine Fische.

Der nächste Punkt betrifft das Thema schnelle Verfahren: Die Verfahren, vor allem in der ersten Instanz, wurden deutlich beschleunigt, vor allem für Men­schen aus jenen Ländern, die praktisch keine Chance auf Asyl haben. Bei diesen sogenannten schnellen Verfahren gibt es einen Rekordwert. Wir haben in diesem Jahr aus diesem Grund 31 500 Verfahren negativ beschieden. Fakt ist: Die Herausforderung können wir nur mit der Zusammenhilfe aller – von den Gemeinden über die Bundesländer, Österreich bis hin zur Europäischen Union – bewältigen.

Ich möchte mich ausdrücklich bei dir, liebe Frau Bundesministerin, für die klare und eindeutige und so ausführliche Beantwortung der vielen, vielen Fragen bedanken. Da sieht man Kompetenz. Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Na ja!)

19.11


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. – Bitte, Herr Bundesrat.



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19.11.57

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Frau Minister! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Minister, ich habe Ihnen bei Ihren Ausführungen sehr gut zugehört. Sie haben damit begonnen, dass wir momentan vor vielen Herausforderungen stehen, unter anderem Teuerung, Inflation, Sicherheit und Erhaltung des Wohlstands. Ich frage Sie heute hier als Bundesrat: Was davon hat diese Regierung im Griff? Die Teuerung, die 10,5 Prozent Inflation, die wir momentan haben, ist im Vergleich zu anderen Ländern eigentlich ein Skandal. Frankreich hat 6,5 Prozent, die Schweiz 3,5 Prozent. Es sieht so aus, als würde der Wohlstand in unserem Heimatland immer mehr zurückgehen. Pensionistinnen und Pensionisten können sich das Leben nicht mehr leisten.

Zum Thema Sicherheit, auf das ich jetzt aus meiner Sicht, aus der burgenlän­dischen Sicht, zu sprechen kommen werde, werde ich das jetzt ein bisschen mit Zahlen, Daten und Fakten belegen, was sich diesbezüglich bei uns im Burgenland abspielt und was der Herr Innenminister bis dato für unser Heimatland Burgen­land nicht gemacht hat.

Meine Damen und Herren! 70 Prozent der Insassen im Gefängnis in Eisenstadt sind Schlepper. Das sind knapp 200 Personen. 220 Personen fasst dieses Gefängnis eigentlich schon mit Überbelegung, und knapp 200 Menschen sind Schlepper. Zwischen 3 000 und 4 000 Menschen kommen in der Woche über die burgenländischen Grenzübergänge.

Die Frau Ministerin hat vorhin ganz stolz erzählt und gesagt, dass von 50 auf 70 Polizisten aufgestockt worden ist. (Bundesrat Schennach: Wow!) Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen! Bei einer Grenzlänge von 354 Kilo­metern steht da alle 7 Kilometer ein Polizist, damit man sich ungefähr vorstellen kann, was das bedeutet. 4 000 Menschen kommen pro Woche über die Grenze. In fünf, sechs Wochen entspricht das der Einwohnerzahl der Landeshauptstadt Eisenstadt, was da die Grenze überquert.


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In den letzten Wochen war der Innenminister schon bei uns, er war schon da. Er hat Sightseeing gemacht. Er hat sich den Grenzübergang angeschaut, er hat Pressekonferenzen gemacht. Es ist nichts passiert. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Wahlkampf!) Einige Wochen davor war er noch in Ungarn und hat sich mit Orbán hingestellt. Ich habe dann die Frage gestellt, was er mit Orbán besprochen hat. Wir sind nämlich in der Situation, dass die Flüchtlinge über Ungarn direkt in unser Grenzgebiet kommen, und wir haben vorhin die Zahlen dazu gehört, was in Ungarn los ist. Da werden die Flüchtlinge durchgelassen. Wir sind das erste Land, in dem die Flüchtlinge ankommen, und wir müssen natürlich diese Flüchtlinge übernehmen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Novak.)

Was haben Sie gemacht, Frau Europaministerin? Was haben Sie getan? Haben Sie mit Orbán jemals einen Wortwechsel geführt, in dem es geheißen hat, dass eigentlich er die Aufgabe hätte, diese Flüchtlinge zuerst aufzunehmen und in seinem Heimatland die Erstaufnahme zu tätigen, sodass das nicht erst bei uns in Österreich erfolgt?

Es gibt zwei Bundesländer – das ist sehr auffällig, und Sie haben die Zahlen auch ganz offiziell zur Anfrage der FPÖ genannt –, die die Vorgaben erfüllen. Das war einerseits Wien mit 180 Prozent und das Burgenland mit 103 Prozent. Auffal­lend: Sechs von der ÖVP geführte Bundesländer erfüllen die Quote nicht – sechs Bundesländer erfüllen die Quote nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man glaubt, es geht nicht skurriler, dann sind die Grünen wieder zur Stelle. Die ÖVP sagt mit Innenminister Karner, dass wir jetzt Zelte aufbauen, also quasi Zeltstädte in Salzburg, im Burgenland, überall errichten werden. Ich sage es nur so nebenbei: Im Burgenland wird es das sicher nicht spielen, im Burgenland wird kein Zelt für Flüchtlinge hingestellt, die jetzt vielleicht in der Wintersaison kommen und bei uns dann praktisch in Zelten schlafen müssen. Das spielt es nicht! (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie bei der FPÖ.)

Ich frage die Grünen heute: Wie weit seid ihr schon? Mit Dr. Dziedzic, der ehemaligen Bundesrätin, in die Türkei fahren, dort Zeltstädte besichtigen und in


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Österreich dazu nicht einmal einen Satz sagen – ja, eigentlich sagen: Das ist uns auch egal. Die Flüchtlinge können kommen und in Zelten schlafen. Dazu würde ich heute gerne einmal einen Kommentar von dir, Herr Schreuder, als Klubvorsit­zendem hören. Unglaublich! (Bundesrat Steiner: Heuchler!)

Was hat die ÖVP noch zusammengebracht? – Seit 20 Jahren stellt sie den Innenminister, und in 20 Jahren hat man es geschafft, dass das Burgenland der Hotspot der Schlepperkriminalität geworden ist. Der Hotspot! Jeden Tag kommen Hunderte Menschen über die Grenze. Ich habe es vorhin gesagt, 4 000 Menschen in der Woche. Und dieser Innenminister macht nichts, macht weiterhin nichts und fährt heute nach Berlin.

Ich muss das auch sagen, was Kollege Schennach schon in der Früh gesagt hat: Das ist eigentlich eine Schande. Das ist ein Thema, das momentan ganz Öster­reich bewegt. Ich sage es ganz offen und ehrlich, wie unsere Menschen im Burgenland das sehen: Wenn die Menschen über die Grenze kommen – sie werden über die Grenze gelassen –, dann weiß keiner, wer diese Leute sind. Sie haben natürlich auch Befürchtungen. Es sind dort Schulen und Kindergärten, und es ist keine Hilfe möglich. Der Innenminister reagiert nicht. Er macht wie gesagt maximal Sightseeing in unserem Heimatland, im Burgenland, und sonst nichts. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Ich darf noch zwei Sätze sagen: Sie haben vorhin ganz stolz gesagt, dass die Polizei und das Bundesheer an der Grenze arbeiten und ihren Job machen. Ich sage Ihnen, ich habe diese Woche erfahren, dass Polizisten und auch Leute, die beim Bundesheer arbeiten, ihren Arbeitsplatz verlassen wollen, weil sie sagen, dass sie nicht mehr können. Es gibt keinen Anfang, es gibt kein Ende. Man weiß nicht, wann dieser Zustrom von Flüchtlingen aufhört. Sie können einfach nicht mehr. Es wird nichts gemacht. Der Innenminister ist eigentlich nicht vorhanden. Das ist eigentlich ein Skandal sondergleichen.

Meine Damen und Herren! So kann es nicht weitergehen. Deshalb werden wir, und das sage ich ganz offen, heute auch diesem Antrag der FPÖ zustimmen,


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nämlich den Innenminister zum Rücktritt aufzufordern. Er hat seine Leistung nicht gebracht; das ist unfassbar. So geht es sicher nicht mehr weiter! – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

19.18


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Hauschildt-Buschberger. – Bitte.


19.18.56

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich bin auch gegen das Aufstellen von Zelten für Schutzsuchende. (Bundesrat Kovacs: Sehr gut! Das muss man aber auch einmal sagen!) Das ist eine menschenunwürdige (Bundesrat Schennach: Aber ihr seid ja in der Regierung!)  ich habe ja noch nicht fertiggeredet gehabt – Unter­bringung für Menschen auf der Flucht. Der Bürgermeister von Sankt Georgen im Attergau, das ist übrigens meine Nachbargemeinde, bezeichnet die Zelte als dümmste Form der Unterbringung. Das ist natürlich ein eingängiger Satz, den kann sich jeder merken, der wird von den Medien aufgegriffen, wie auch die Zelte ein Zeichen sind, um auf die missliche Unterbringungssituation hinzuwei­sen. Aber ganz im Gegensatz zu den Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ sehe ich aufgrund der Antragszahlen keine Asylkrise. (Widerspruch bei der FPÖ.)

56 149 Asylanträge werden in der FPÖ-Anfrage genannt. Bitte, und ich halte das schon für wichtig, diese Zahl zu differenzieren. In dieser Zahl sind viele Arten von abzuführenden Verfahren subsumiert, und – das sollte man wissen – es führt nicht jeder Asylantrag zur Notwendigkeit einer Grundversorgungsleistung. Zum Beispiel finden wir in dieser Zahl auch nachgeborene Kinder, Kinder von Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten, sämtliche Dublin-Verfahren und auch Menschen aus der Ukraine, die nicht unter den Vertriebenenstatus fallen. Da gibt es nämlich auch welche. (Bundesrat Steiner: Keine Macht den Drogen!)


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Ich würde jetzt sehr gerne einmal ausführlich erklären, wie ein Asylverfahren abläuft, welche strengen Kriterien bei der Schutzgewährung angewendet werden, und auch die Perspektive von Schutzsuchenden, insbesondere von vulnerablen Personengruppen, beleuchten, aber das würde hier jetzt erstens einmal den Rahmen sprengen und vermutlich würden genau die Kolleg:innen hier im Saal, die dieses Wissen dringend benötigen würden, sowieso wieder nicht zuhören und in bekannter Populistenmanier auf dem Rücken der Schutzsuchenden weiter Drama und Krise beschwören, um so politisches Kleingeld zu machen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich kann das an einem ganz einfachen Beispiel aus Ihren Ausführungen, Herr Kollege Spanring, belegen. Sie haben von Erstantragstellungen gesprochen. Die beziehen sich aber nicht auf das - - (Bundesrat Spanring: Zusammen mit der ÖVP habt ihr das zu verantworten! Die Antwort von Edtstadler habt ihr mitzuverant­worten! Das ist Ihre Politik! – Bundesrat Steiner: Keine Macht den Drogen, Frau Kollegin!)  Danke, wenn ich weiterreden darf. Total freundlich und lieb, dass ich weiterreden darf. – Diese Erstantragstellungen beziehen sich nicht auf Erstan­träge in Europa, in Österreich, sondern das ist ein erster Antrag in Österreich im Gegensatz zu einem Folgeantrag. Und da sollte man schon Wissen mitbringen, wenn man hier vorne am Rednerpult steht und poltert.

Genau dasselbe habe ich auch in der Dringlichen Anfrage gesehen, die gestellt worden ist. (Bundesrat Spanring: Und warum werden sie von der ÖVP so gebracht?) Wäre Wissen vorhanden gewesen, hätte man sich doppelte Fragen erspart.

Ja, und es ist tatsächlich so: Europa und Österreich befinden sich aufgrund von kriegerischen Handlungen Putins vor maximalen Herausforderungen. Auch in Syrien hat Putin nämlich seine Hände im Spiel, und auch von dort fliehen die Menschen, um dem Tod zu entkommen. Und wenn wir uns die derzeit große Asylantragszahl von Menschen aus Indien, Marokko, Libyen und so weiter ansehen, dann sind wir auch sofort wieder bei Putin, der die Strategie einer hybriden Kriegsführung nutzt und so weiter versucht, Europa zu destabilisieren. Nicht von ungefähr verbreitet die Wagnereinheit in der Ukraine Angst und


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Schrecken, und sie sind es auch, die in Libyen die Menschen ins Mittelmeer treiben. So soll Europa geschwächt werden. Verhindern wir, dass dieser Plan aufgeht, aber mit den richtigen Mitteln! (Beifall bei den Grünen und bei Bun­des­rät:innen der ÖVP.)

Und glauben Sie mir eines, und das kann ich aus meiner jahrzehntelangen Erfah­rung in diesem Bereich sagen: Niemand verlässt seine Heimat ohne Grund. (Bundesrat Spanring: Das hat ja auch niemand gesagt! Aber es ist die Aufgabe eines Staates, sein eigenes Volk zu schützen! Sonst kann die ganze Welt hierherkommen! Das versteht ihr nicht!) Es ist vielleicht ohnehin auch ganz gut, dass wir hier im Bundesrat über die Unterbringung von Flüchtlingen diskutieren, denn es sind die Länder, die gefordert sind, die 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zur Unterbringung von Schutzsuchenden zu erfüllen. Allein Wien und das Burgen­land erfüllen die Quote, und dafür möchte ich mich an dieser Stelle wirklich sehr herzlich bei den beiden Bundesländern bedanken. Würden alle Länder ihre Quote erfüllen, dann gäbe es keine Zelte. Allein in Oberösterreich, mit FPÖ-Regie­rungsbeteiligung übrigens, fehlen an die 4 000 Quartierplätze. (Bundesrat Steiner: Grenzen sichern, Grenzen dichtmachen! Dann brauchst du null Quartiere!)

Gäbe es allein diese, und da rede ich noch gar nicht von den anderen säumigen Bundesländern, wären die Bundesbetreuungseinrichtungen sofort entlastet. (Bundesrat Steiner: Grenzen zu, null Quartiere!) Und diese Quartierplätze wären durchaus zu organisieren. (Bundesrat Steiner: Nein!) Das hat im Jahr 2015 übrigens der damals zuständige Landesrat Anschober sehr eindrücklich gezeigt. (Bundesrat Steiner: No way!) Aber was wurde aus genau diesen Unterkünften, die es ja schon gab? – Sie wurden geschlossen, Mitarbeiter:innen wurden entlassen, Strukturen sind aufgelöst worden. (Beifall bei Bundesrät:innen der FPÖ. – Bundes­rat Steiner: Bravo!) Und warum? – Weil es seitens Bund und Land nicht die Bereitschaft gab, so etwas wie eine Strukturerhaltungspauschale zu gewähren, und nun muss eben alles wieder neu errichtet werden. Und on top, da rede ich natürlich jetzt wieder von Oberösterreich: Bis heute – bis heute!°– wurde die im


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Frühjahr vom Bund beschlossene Tagsatzerhöhung in Oberösterreich noch nicht an die Quartiergeber:innen weitergegeben. (Unruhe im Saal.)


Präsidentin Korinna Schumann (das Glockenzeichen gebend): Dürfte ich um ein bisschen Ruhe im Saal ersuchen. – Danke.


Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (fortsetzend): So kann das nicht funktionieren. Aber die Abhilfe ist auf alle Fälle nicht, einen Asylstopp zu fordern. (Bundesrat Schennach: Also wer ist jetzt schuld? Die Landesregierung oder der Bund?) – Ich habe es gerade gesagt. (Die Bundesrät:innen Grimling und Schennach: Nein!) Es ist ein Zusammenspiel. Wenn die Länder oder das Land Oberösterreich nicht bereit sind, das, was der Bund zur Verfügung stellt, umzusetzen - - (Bundesrat Schennach: Hat der Bund überwiesen?) – Natürlich, das Geld gibt es vom Bund. (Bundesrat Schennach: Also ist es die Landesregierung?) Andere Bundesländer wie zum Beispiel Tirol setzen es schon um. Also es würde grundsätzlich funktionieren.

Ich komme zum Ende. Ich merke schon, die Aufmerksamkeit ist nicht besonders hoch. (Bundesrat Schennach: Entschuldige! Ich habe jetzt meine Aufmerksamkeit unter Beweis gestellt!) – Ich habe ja deine Frage auch beantwortet. – Wir müssen in Europa zusammenstehen, zusammenhalten und brauchen völkerrechts- und verfassungskonforme Lösungsansätze zur Bewältigung der derzeitigen Heraus­forderungen. Und vor allem müssen wir jetzt bitte alles tun, um Kriege und Krisen zu stoppen, denn erst dann werden die Menschen nicht mehr fliehen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Zwazl.)

19.26


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Bundesrätin.



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19.26.23

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! (Unruhe im Saal.) Kollege Gfrerer hat gesagt, Salzburg wird in allen Asylfragen - -


Präsidentin Korinna Schumann: Entschuldigung! Noch einmal: Bitte um ein bisschen mehr Ruhe im Saal. Die Rednerin ist nicht mehr zu hören. (Bundesrat Schennach: Ja, aber das ist Kollege Hübner, der die eigene Fraktionskollegin da düpiert!)


Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (fortsetzend): Kollege Gfrerer von der ÖVP hat vorhin gesagt, dass Salzburg in Asylangelegenheiten alles erfüllen wird. Ich würde mir wünschen – er wohnt ja recht schön im Großarltal –, dass er alle Asylsuchenden jetzt bei sich im Großarltal aufnimmt.

Das, was die Kollegin von den Grünen, die vor mir gesprochen hat, gesagt hat, ist Träumerpolitik. (Bundesrat Schreuder: Hauschildt-Buschberger! – Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Realpolitik!) Wenn Asylverfahren lange dauern, dann werden sie verschleppt. Und Sie wissen ganz genau, wie oft es passiert, dass die Pässe einfach weggeworfen werden. (Bundesrat Schennach: Abgenommen! Nicht weggeworfen, abgenommen!) Dann werden fiktive Geburtsdaten erfunden. Darum sind alle am 1.1. geboren oder am 1.13. oder am 2.13. (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Ich weiß das ganz gut, denn ich habe 30 Jahre in dem Bereich gear­bei­tet!)

Währenddessen zieht die Karawane. Die Karawane zieht, und es ist kein Ende in Sicht. Im Gegenteil: Die Situation wird sich noch verschärfen, und die aktuelle Asylwelle und die ganze Zeltdiskussion sind ja erst der Anfang, der Anfang einer ganz gefährlichen Entwicklung.

In den nächsten Wochen und Monaten wird es zu einer weiteren massiven Zuspitzung der Situation kommen, denn bis Jahresende ändern ja die Serben ihre Einreisebestimmungen, Visabestimmungen für einige Länder, wie zum Beispiel


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Indien, Pakistan oder Tunesien. Und da ist es dann nicht schwer, auszurechnen, dass noch bis zum Jahresende 2022, noch vor dem Jahr 2023 Zigzigtausende Wirtschaftsflüchtlinge und Illegale zu uns durchstoßen möchten.

Von den verschärften Bestimmungen wissen auch die kriminellen Schlepper­organisationen, und die Karawane zieht. Die Schlepper werden alles daran­setzen, noch so viele ihrer – unter Anführungszeichen – „Kunden“ wie möglich ins Schlaraffenland Österreich oder in die Europäische Union zu schleppen.

Wir haben während der letzten Plenarwoche ein Gespräch mit dem Verteidi­gungs­minister von Zypern und Vertretern aller Parteien gehabt, und das war schon erschreckend. Wir reden da jetzt vom Nahen Osten und von Asien, woher die Leute zu uns hereinströmen. Es machen sich aber auch die Menschen auf dem afrikanischen Kontinent auf den Weg, und das recht perfid. Die fliegen von Afrika in die Türkei, von der Türkei auf den türkischen Teil in Zypern und gehen dann zu Fuß auf die griechische Seite und sind mitten in Europa. Das ist ein unhaltbarer Zustand! (Beifall bei der FPÖ.)

Dieser ganze Strom, dieser Tsunami, welcher über Europa, welcher über Öster­reich hereinbricht, hat nichts mit Schutzsuchenden zu tun! Das sind reine Wirtschaftsflüchtlinge, welche dem österreichischen Staat dann auf der Tasche liegen werden.

Wir haben jetzt circa 500 Leute, die täglich zu uns ins Land strömen. Allein im September waren es 15 000, die zu uns ins Land gekommen sind, also täglich 500 Leute. Ausbaden müssen das die fleißigen arbeitenden Österreicher, welche das dann bezahlen müssen! Die Karawane zieht aber noch weiter. (Vizepräsident Hirczy übernimmt den Vorsitz.)

Mit eurer Politik gefährdet ihr den sozialen Frieden in Österreich. Österreich ist kein Sozialstaat! – Oder schon? – Österreich ist eben ein Sozialstaat und kein Einwanderungsland! (Beifall bei der FPÖ.) Ich habe das jetzt bewusst umgedreht gesagt: Österreich ist ein Sozialstaat und kein Einwanderungsland! Immer wieder


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werden die Begriffe Asyl, Zuwanderung, Migration und Flüchtlinge verwechselt, das sind aber unterschiedliche Paar Schuhe! Entweder Sozialstaat oder Einwan­derungsland – beides geht nicht, und wir müssen alles daransetzen, den Sozial­staat zu erhalten.

Bei einem der vorigen Tagesordnungspunkte hat Kollegin Kittl von den Grünen auch von der „Krisenfestigkeit des Sozialstaats“ gesprochen: Ich hoffe, wir ziehen an einem Strang und machen die Grenzen dicht, damit wir unseren Sozialstaat erhalten können!

Ausgerechnet in dieser prekären Situation wird tatsächlich Frontex von der ungarischen Grenze abgezogen: Das ist ein verantwortungsloser Wahnsinn! Das ist verantwortungslos und das wird ein weiteres Versagen der EU darstellen. Wenn die so weitermacht, diese EU, diese unfähige, mutiert ja die Europäische Union selbst zur größten Schlepperorganisation, die es überhaupt gibt! (Beifall bei der FPÖ.) Die kümmert sich nämlich um gar nichts. Genau in der Situation sollte es jetzt aber heißen: Sofort alle Grenzen dichtmachen! Ein sofortiger Asylstopp muss her! Wir sehen es ja tagtäglich, wohin eure misslungene Asyl- und Einwanderungspolitik führt.

Wenn ich da in mein Heimatbundesland Salzburg schaue, Frau Edtstadler wird mir das wahrscheinlich bestätigen können: Es gibt den kleinen Ort Bergheim vor den Toren Salzburgs, und da tummeln sich auf einem ehemaligen Firmengelände 451 Asylwerber in einer Einrichtung des Innenministeriums, in der vertraglich lediglich 250 Menschen zugelassen sind. 451 junge kräftige Männer – nichts von wegen Kinder oder Frauen, die Schutz und Hilfe bräuchten, nein, 451 junge kräftige Männer! (Bundesrat Schennach: Und die brauchen keinen Schutz oder wie?)

Einheimische Frauen trauen sich gar nicht mehr auf die Straßen, wenn die jungen Männer in der Nacht gruppenweise – die gehen ja nicht allein spazieren – einen Streifzug durch die Nachbarschaft machen. Es kommt zu Anzüglichkeiten, zu sexuellen Übergriffen und Alkoholgelagen. Schülerinnen – ich sage jetzt bewusst: Schülerinnen – werden im Bus von zu Hause in die Schule und von der Schule


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nach Hause belästigt, die trauen sich schon gar nicht mehr zu fahren. Selbst das Einkaufen im gegenüberliegenden Supermarkt oder in der Trafik wird zum Spieß­rutenlauf. (Zwischenruf der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

Und: Eine bei uns ausgerottete Krankheit ist im Asylheim aufgetreten: Diphterie, eine lebensbedrohliche Krankheit, die von den Asylwerbern eingeschleppt worden ist! Was macht das Innenministerium? – Ja nichts, geschlafen hat es. Zehn Tage hat es gedauert, bis überhaupt einmal Quarantäne über das Heim verhängt wurde. Dann war die Quarantäne da, aber die wurde nicht kontrolliert und das Asylheim wurde nicht bewacht. Was dann passiert, das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Plötzlich greift man 30 positiv getestete Asylwerber mitten im Ort auf! (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Die gehen seelenruhig im Ort spazieren, brechen die Quarantäne – aber wieder passiert nichts. Nichts passiert!

Gesunde Österreicher sind während Corona wochenlang völlig ohne Sinn und ohne Not eingesperrt worden, die Polizei ist ins Haus geschickt worden, kontrolliert sind wir worden, bespitzelt sind wir worden, es gab Tausende Anzei­gen und hohe Strafen für sogenannte Quarantänebrecher. Innenminister war zu dieser Zeit der jetzige Kanzler Nehammer, der nicht müde wurde, die Bürger zu drangsalieren, der nicht müde wurde, die Gesellschaft zu spalten und den Menschen mit Strafen und Sanktionen zu drohen. Jetzt bei der Diphterie im Asylheim hingegen passiert gar nichts. Da gehen 30 positive Asylwerber seelen­ruhig im Ort spazieren – es passiert nichts! Diphterie war ja bei uns bereits ausgestorben, bevor überall die Grenzen wieder aufgemacht wurden! Jetzt ist die Krankheit da, und das ist so unendlich traurig.

Diese 30 infizierten Diphteriefälle, diese 30 jungen kräftigen Männer, sind übrigens untergetaucht. Man weiß bis heute nicht, wo sie sich aufhalten. (Bundesrat Steiner: Skandal! – Bundesrat Ofner – in Richtung Bundesministerin Edtstadler –: Alles unter Kontrolle!) Im Asylheim befinden sie sich nicht mehr, und man weiß nicht, wo diese 30 Männer sind. Da muss ich mich schon fragen: Hat


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der Innenminister aufgegeben? Hat unser Sicherheitsapparat schon aufgege­ben? – Anscheinend ja, denn sonst wäre der Innenminister ja heute selber hier, dann müsste er sich nicht vertreten lassen und hätte unsere Fragen beantworten können.

Es reicht! Es reicht: Diese Asylquartiere, diese Situation, dieser Asylansturm aus Ländern, deren Staatsbürger niemals asylberechtigt sind, sind ein Sicherheits­risiko. Wisst ihr, wer aber das noch viel größere Sicherheitsrisiko ist? (Ruf bei der FPÖ: Die ÖVP!) – Die ÖVP, die lässt das nämlich alles zu, die fördert das und ist das Beiwagerl der Grünen. (Beifall bei der FPÖ.)

Was die Krankheiten betrifft, ist Diphterie ja nicht das Einzige, das uns die ungebetenen Gäste bescheren. Durch die Flüchtlingswelle treten immer wieder und öfter Krankheiten auf, die bei uns schon lange ausgestorben sind – oder besser gesagt: Die Krankheiten treten nicht auf, sondern werden zu uns eingeschleppt. Ich denke da an Tuberkulose, an Bandwürmer, an Parasiten, an Skabies, an Läuserückfallfieber. Läuserückfallfieber wurde übrigens im Hotel Kobenzl in Salzburg – Frau Edtstadler wird es kennen – bei Asylwerbern nach­gewiesen! (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Das bringt mich auch schon zum nächsten Punkt. Das Hotel Kobenzl am Gaisberg oben ist einer der schönsten Plätze, die Salzburg zu bieten hat. (Bundesrat Schennach: Das Cobenzl in Wien ist auch sehr schön!) Wer es nicht kennt: Das ist ein ehemaliges Luxushotel, in dem seinerzeit Arnold Schwarzenegger abgestiegen ist, Kanzler Kreisky war oben und auch Richard Nixon. Die Hautevolee, die Crème de la Crème, die Festspielbesucher und alles, was reich und schön ist, haben im Hotel Kobenzl residiert. Dort hat das Innen­ministerium 2015 eine Unterkunft für 100 Asylwerber – natürlich für junge kräftige Männer – eingerichtet, an einem der schönsten Plätze Salzburgs.

Anscheinend war das aber nicht gut genug für die dort untergebrachten Asyl­werber, denn sie haben sich allen Ernstes aufgeregt, dass diese Unterkunft nicht zumutbar ist, weil sie zu weit weg von der Salzburger Innenstadt ist, zu weit weg


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von der nächsten Disko ist! Das ist derartig unverschämt, das ist ja unglaublich, was sich die da erlaubt haben!

Damit war es aber noch nicht genug: Es wurden dann in weiterer Folge sogar Taxi- und Shuttledienste angeboten, obwohl es auf den Gaisberg Busse gibt, man kann ja auch einmal mit dem Bus fahren. Jeder Salzburger würde sich alle zehn Finger abschlecken, wenn er dort wohnen könnte, aber für diese Rotz­pippen – und ich sage ganz bewusst: Rotzpippen! – ist anscheinend nichts gut genug! (Beifall bei der FPÖ.)

Seit 2018 ist das Kobenzl gesperrt, aber man zahlt immer noch. Das Innenminis­terium zahlt immer noch Monat für Monat 30 000 Euro plus Betriebskosten, die Betriebskosten kommen da noch extra dazu, obwohl seit vier Jahren niemand mehr dort untergebracht ist. Das sind Millionen von Euro, und da würde ich mich schon schämen, ich habe es heute schon einmal gesagt: Die Hacklerpension für fleißige Arbeitnehmer ist gestrichen worden, aber da pulvert man Millionen von Euro für nichts hinaus, da ist Geld egal.

Sie haben in Wahrheit ja schon längst die Kontrolle über die Situation verloren und haben eigentlich gar nichts mehr im Griff. Und jetzt wollen Sie sogar auch noch Zelte aufbauen, damit Sie Platz haben für noch mehr und noch mehr und noch mehr: Ja, was ist denn das für eine Schnapsidee? Österreich ist doch kein Campingplatz! Erstens ist es menschenunwürdig, und zweitens sind wir auch kein Campingplatz. Frau Edtstadler hat heute auf die Frage 28 geantwortet, Zelte würden in den Bundesländern aufgebaut, wenn sie dort notwendig seien: Nein, notwendig wäre es, dass ihr die Grenzen endlich schließt! (Beifall bei der FPÖ.)

Nicht Zelte aufbauen, sondern Grenzen schließen und einen Komplettstopp von Aufnahmen durchziehen! Kümmern Sie sich darum: Komplettstopp von Auf­nahmen! Die Obergrenze der Belastbarkeit ist für die Bevölkerung nämlich nicht nur erreicht, die ist schon weit überschritten. Für uns Freiheitliche ist klar, dass


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ein sofortiges Aussetzen des Asylrechts, ein effektiver Grenzschutz samt Zurückweisungen und eine konsequente Abschiebungspolitik notwendig sind.

Die Bundesregierung ist übrigens für den Schutz der Staatsgrenzen und die Sicherheit der Bevölkerung nicht nur unmittelbar verantwortlich, sondern ihr seid Herrschaftszeiten noch einmal dazu verpflichtet, das Volk und unser Land Österreich zu schützen und Gefahren abzuwenden! (Beifall bei der FPÖ.)

Werden Sie endlich tätig, werden Sie endlich munter! Sie riskieren den sozialen Frieden in unserem Land, und für dieses hausgemachte, selbst produzierte Asylchaos trägt die schwarz-grüne Bundesregierung die Verantwortung. Haupt­sächlich trägt das ganze Chaos aber die Handschrift von Kanzler Nehammer und die des unfähigen Innenministers Karner, und Rücktritte für dieses Versagen sind unausweichlich. Stoppt endlich die Karawane! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Dann bleibt sie ja da!)

19.40


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Christoph Steiner. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrat Novak: So viele Zettel! – Bundesrat Schennach – in Richtung Bundesrat Steiner, der sich mit einem Konvolut Unterlagen zum Redner:innenpult begibt –: Du, wir haben Zeit, gell? – Bundesrat Steiner – auf dem Weg zum Redner:innenpult –: Ich weiß eh! – Ruf: Du bist ja mit dem Auto da! – Bundesrat Köck: Das ist die erste Rede, wie es der Spanring tut! – Bundesrat Schennach: Haben Sie dir das Zimmer verlängert?)


19.41.06

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Vizepräsident! Frau Ministerin! Jetzt haben wir ja heute schon den ganzen Tag diskutiert über die Ersatz­minister, über die Reserven, über die Staatssekretäre, die vertreten. Sie haben heute behauptet, Sie hätten jetzt schon zwei Wochen lang gewusst, dass Sie heute Herrn Karner vertreten müssen. Dann haben entweder Sie heute gelogen oder der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes. Einer von Ihnen beiden hat gelogen – wissen Sie, warum? Ich halte hier ein Schriftstück in der Hand (der


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Redner hält ein Schriftstück in die Höhe), das den Parlamentsstempel mit dem Datum 19. Oktober 2022 trägt, und da steht Folgendes, Frau Ministerin:

„Der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes teilt mit, dass sich der Bundesminister für Inneres, Mag. Gerhard KARNER“ – wie lange er noch Magister ist, wissen wir ja noch nicht – „am 20. Oktober 2022 in Deutschland aufhalten wird.

Seine Angelegenheiten im Bundesrat an diesem Tag lässt er gemäß Art. 73 Abs. 3 B-VG durch Bundesministerin Leonore GEWESSLER, BA wahrnehmen.“ (Bundesministerin Edtstadler: Ja, aber die ist ja von den Grünen ...!)

Jetzt haben wir entweder eine lügende Ministerin auf der Regierungsbank sitzen oder wir haben einen lügenden Ministerratsdienst. Jetzt kenne ich mich nicht mehr aus. (Ruf bei der ÖVP: Nur weil du dich nicht auskennst ...!) Entweder Sie haben gelogen, wenn Sie sagen, dass Sie es seit zwei Wochen wüssten, oder das Bundeskanzleramt lügt. (Beifall bei der FPÖ.)

Wissen Sie, was aber noch weit schlimmer ist, Frau Ministerin? Da brauchen Sie gar nicht so den Kopf zu schütteln. Wissen Sie, was weit schlimmer ist? – Wenn Sie das seit zwei Wochen wissen, warum entschuldigt sich der Herr Minister dann erst gestern Mittag? (Ruf bei der ÖVP: Weil es ausreicht!) Das ist noch weit schlimmer!

Die Herren und Frauen Minister dieser schwindligen Regierung tun also so, als ob das alles wurscht wäre. (Bundesrat Ofner: Weil das Parlament scheißegal ist! – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Tagt das Parlament in Österreich – völlig egal, wir sagen einen Tag vorher ab, entschuldigen uns, lassen uns vertreten oder vielleicht auch nicht, wir schicken einen Staatssekretär, schicken eine Staatssekretärin. Völlig egal, was hier diskutiert wird: Es interessiert Sie genau null und Nüsse! (Beifall bei der FPÖ.)

Lügen tun Sie noch! Schämen Sie sich in Grund und Boden, Frau Ministerin! Schämen Sie sich in Grund und Boden! (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl. –


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Bundesrat Buchmann: Nimm die Lüge zurück!) – Ja, wenn sie nicht gelogen hat, lügt das Bundeskanzleramt. Einer von Ihnen beiden lügt halt auf jeden Fall.

Zur Beantwortung: Das haben Sie ganz gut gemacht, nur bei den Fragen 71 bis 79, bei denen es dann wirklich interessant geworden wäre, zum Beispiel Frage 71: „Wann werden Sie auf Grund Ihrer offensichtlichen Überforderung [...] zurücktreten?“: keine Antwort, kein Zeitpunkt! (Zwischenruf des Bundesrates Schennach. – Heiterkeit des Bundesrates Bader.) Wäre ja schön gewesen, wenn Sie gesagt hätten: Der Herr Karner wird heute noch, wenn er dann von seiner Berlin-Schnupperreise zurück ist, zurücktreten. Das hätte ich mir als Antwort erwartet, Frau Ministerin! So schaut es nämlich aus! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich frage mich ja auch: Wenn das erst gestern Mittag aufgekommen ist – wenn Sie also vorhin gelogen haben –, dass Herr Karner nach Berlin fliegen oder fahren muss – ich hoffe einmal, er ist mit dem Fahrrad gefahren, denn die Flie­gerei nach Berlin verursacht einen Haufen Emissionen, CO2 und so weiter, Sie wissen es, wegen dem grünen Fußabdruck wäre es gewesen, für die Grünen hier –, wohin in Berlin fährt er denn? Zum Herrn Scholz oder was?

Da haben wir ja schon einmal Kanzler gehabt, nach deren Besuch Frau Merkel (Bundesrätin Zwazl: Das haben wir schon gehört!) gesagt hat: Diese Kanzler sind mit ihrer Meinung zu mir gekommen und mit meiner Meinung wieder heim­gefahren! Na was wird es denn nützen? Heute haben Sie die ganze Zeit in der Beantwortung der Dringlichen Anfrage davon geredet, es müsse eine „euro­päische Lösung“ geben: Seit 20 Jahren warten wir auf diese europäische Lösung, wann kommt sie denn, Frau Ministerin? (Ruf bei der FPÖ: Nie!)

Jetzt ist der Herr Innenminister in Berlin, verhandelt er heute dort die euro­päische Lösung aus oder was? – Keine Antwort, null! (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Edtstadler.) Dieser Minister fühlt sich überhaupt nicht zustän­dig. (Beifall bei der FPÖ. – Weitere Zwischenbemerkung von Bundesministerin Edtstadler.) – Ja, unter Herrn Kickl, als er Innenminister war, waren die Asylzah­len drastisch niedriger – stimmt es oder stimmt es nicht? Und Sie waren die


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Sekretärin in diesem Ministerium, Sie werden es wohl wissen, Frau Ministerin! (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Wenn er überfordert ist, der Herr Kollege Karner, dann soll er halt bitte zurücktreten, was ist denn daran so schlimm? Die Hanni Mikl-Leitner wird wohl einen Neuen finden, den sie da hinsetzen kann, den sie entweder in Nieder­österreich loswerden will oder den sie Österreich halt quasi aufzwingen will. Es gibt ja genügend ÖVPler in Niederösterreich, die versorgt werden müssen. Nach der niederösterreichischen Landtagswahl sind es wahrscheinlich noch weit mehr, weil ihr ein paar Mandate verlieren werdet. (Bundesrätin Zwazl: Na, na, na, wart ein bisschen!)

Da muss man halt ganz ehrlich sagen: Wenn dieser Herr Minister nicht weiß, wofür er in Österreich angelobt wurde – nämlich auf die österreichische Verfassung –, dann hat er sich sowieso zu schleichen! (Beifall bei der FPÖ.) Der hat sich nicht an Plenumstagen ins Ausland zu schleichen! So bekommt er jetzt einen ganz besonderen Namen, der Herr Minister Karner, denn dann wird er halt der bekannteste Flüchtling Österreichs.

Ich frage mich ja, wie es dann in den nächsten Monaten sein wird, Frau Minis­terin, das haben Sie nämlich heute auch nicht gesagt, jetzt wird es ja dann kälter. Die Jahreszeit fällt aber nicht plötzlich vom Himmel – wie uns die Flüchtlings­krise jetzt so plötzlich überrascht hat, wie uns die Klimakrise plötzlich überrascht hat, wie uns die Coronakrise plötzlich überrascht hat, wie uns der Ukrainekrieg plötzlich überrascht hat, wie uns die Teuerung plötzlich überrascht hat. (Bun­desrat Buchmann: Und du hast das alles gewusst, oder?) Das Wetter kennen wir ja. Es wird jetzt also unweigerlich ein bisschen kälter. – Ja, das wissen wir, das weiß auch die Frau Ministerin, da schau her. Wie machen wir das dann mit diesen Zelten, die dieser Herr Karner nun in ganz Österreich aufstellt? (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Das würde mich jetzt interessieren: Wie heizen wir diese Zelte? – Hoffentlich klimaneutral! Beheizen wir die mit Gas, beheizen wir die mit Heizschwammerln? Die Heizschwammerln, die man im Gastgarten nicht mehr aufstellen darf, die nehmen wir jetzt dann für die Flüchtlingszelte her.


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Ich frage mich auch, Frau Ministerin: Wie sozial gestaffelt machen wir das denn die nächsten Monate, wenn sich dann unsere Familien aufgrund der Teuerung das Heizen in den eigenen Wohnungen nicht mehr leisten können? Dürfen dann diese Familien in die wohlbeheizten Flüchtlingszelte, um sich vielleicht eine Stunde oder zwei aufzuwärmen und dann wieder in ihre kalten Wohnungen zurückzukehren? Wie machen wir das dann sozial gestaffelt? Was haben wir denn dann für Temperaturen? – Ich hoffe, wir nehmen die 19 Grad!

Ich hoffe auch, dass dann bei der ganzen Zeltpartie, bei der Flüchtlingsge­schichte ein Deckel zum Kochen verwendet wird. Ich werde es mir dann in Tirol anschauen, denn da werden jetzt Zelte aufgestellt. Das muss man sich einmal vorstellen: Dieses Versagen, dieses Unvermögen gipfelt ja darin, dass man jetzt etwa in Tirol in Gnadenwald Zelte aufstellt. Davon werden viele noch nie gehört haben, googelt Gnadenwald einmal: Da sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht! (Bundesrat Raggl: ... Polizeikaserne!) Da stellt der Herr Karner jetzt Zelte auf: Ja, was glauben Sie denn, was die jungen Burschen tun werden? Na die werden lange in Gnadenwald sein! – Die werden schnell schauen, dass sie nach Inns­bruck hinunter kommen und werden Ihnen ordentlich den Marsch blasen, denn in Gnadenwald wollen die sicher nicht sein, eure armen, armen Flüchtlinge, die da kommen! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Gut, wenn man dann aber in den Zelten mit der Temperatur vielleicht auf 19 Grad oder ein bisschen darunter ist, ist es ja nicht so tragisch. Familien sind ja keine dabei, und die starken, kräftigen Männer halten das schon aus, da mache ich mir gar keine Sorgen, die werden die ein, zwei Monate schon überleben. Da kann man dann ja sagen: Liebe Flüchtlinge, es tut uns leid, wenn euch ein wenig kalt ist, aber wir haben in Österreich die Maxime ausgegeben: Frieren für den Frieden!

Gratuliere, Frau Ministerin, heute haben Sie es mit Ihrer Beantwortung der Fragen wieder einmal bewiesen, das war eine Selbstanklage par excellence – par excellence, gratuliere! (Beifall bei der FPÖ.)


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Jetzt könnte man ja eigentlich meinen, Sie waren einmal im Innenministerium auch mit zuständig und wüssten daher ein bisschen, wie es läuft. Was man aber heute gesehen hat, ist traurig. Wenn man sich nach zehn Jahren oder 15 Jahren immer noch hierherstellt und immer noch versucht, Europa die Schuld umzu­hängen und die Verantwortung für das eigene Versagen Europa umzuhän­gen, dann ist das halt einfach traurig. Wissen Sie was, Frau Minister? – Grenzen dicht, dann brauchen Sie keinen Schuldigen zu suchen, und ganz Österreich ist zufrie­den! (Beifall bei der FPÖ.)

Blicken wir aber einmal ein bisschen retour, Sie waren ja 2017 selber bei der Wahlkampfparty: Basti, Basti! (Der Redner zeigt mit den Händen eine jubelnde Geste.) Basti, Basti! Vorne, in der ersten Reihe, waren Sie dabei: Basti, super! (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Edtstadler.) Wie hat er es denn ge­schafft, so ein Ergebnis einzufahren? – Der Basti hat versucht, das freiheitliche Programm zu kopieren! Was wurde von „Basti, Basti! Bravo, Basti!“ versprochen? – Eine restriktive Asylpolitik – nichts ist passiert! Strikte Abschiebungen sind versprochen worden – nichts ist passiert! Kampf gegen Scheinasylanten – nichts ist passiert! Balkanroute geschlossen: Basti, Basti, danke! Sofortige Rückführun­gen, verkürzte Asylverfahren, Schleppermafia bekämpfen und Grenzsicherheit erhöhen: Nichts, rein gar nichts davon hat die ÖVP eingehalten und umgesetzt! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie alle miteinander vom Bastisektenfanklub haben die Österreicher von vorne bis hinten belogen und betrogen!

Was machen wir jetzt? Warum ist es denn Hanni Mikl-Leitner oder dem saube­ren Präsidenten Soberl so wichtig, das Innenministerium weiterhin schwarz zu halten und zu schauen, dass da irgendjemand Eigener drinnen sitzt? Sie haben in Niederösterreich jemanden gefunden, den Karner, der sich da halt schnell hineingesetzt hat, weil die Hanni natürlich gewusst hat, was da drinnen passiert: Postenschacherei, Korruption, und, und, und – ich will gar nicht näher darauf eingehen, denn da werden die 20 Minuten nicht reichen. Das alles macht die ÖVP, und das muss uns allen bewusst sein, niemals, weil es ihr um die Sicherheit


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oder das Wohl der Österreicher geht. Beim Innenministerium geht es der ÖVP rein um eines: um Macht und Machterhalt um jeden Preis! – Schämen Sie sich! (Beifall bei der FPÖ.)

Eines ist klar und evident – das waren Ihre Zahlen, Frau Ministerin, die Sie heute vorgelesen haben –: Seit die FPÖ nicht mehr im Innenministerium ist, wird die Sicherheit weniger und die illegale Migration mehr. Danke für diese ehrliche Antwort, Frau Ministerin! (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist halt die Politik dieser ÖVP: den Bürgern Sand in die Augen zu streuen und das Gegenteil des Gesagten zu tun. Jetzt, da die Zelte wie die Schwammerln aus dem Boden schießen, können Sie das nicht mehr verbergen; ihr könnt das Versagen nicht mehr verbergen. Das ist aber nun einmal das Problem, wenn man nur Macht und Machterhalt im Auge hat und sonst nichts.

Ich lese Ihnen etwas vor, Frau Ministerin, weil ja angeblich alles nicht so schlimm ist. Das habe ich gestern erhalten (ein Schriftstück in die Höhe haltend): Hallo Christoph, wie kurz besprochen sende ich dir die gesamte Geschichte mit den Flüchtlingen bei den ÖBB! – Ein Bekannter von mir – er möchte unbekannt bleiben, da er sonst seinen Job verlieren könnte – arbeitet schon seit Jahren bei den ÖBB und hat mir erzählt, dass die Flüchtlingsgeschichte untragbare Aus­maße annimmt. Die Züge, für die er zuständig ist, sind mit Flüchtlingen immer so vollgepackt, dass diese sogar am Gang schlafen. Es wird überall hinuriniert, und auch das große Geschäft wird auf den Gängen verrichtet.

Wenn diese Personen vom Personal der ÖBB angesprochen werden, reagieren sie meist aggressiv und lassen sich nichts sagen, oder sie reagieren überhaupt nicht. Sie haben auch keine Zugtickets, was wiederum bei Fahrgästen, die neu zusteigen, auf Unmut stößt, da diese ihre Fahrscheine sehr wohl bezahlen müs­sen – und das für eine Zugfahrt, die unmenschlich ist.

Laut seiner Aussage hat es auch schon einige Beschwerden von Fahrgästen gegeben, mündlich beim Zugpersonal und schriftlich bei den ÖBB. Leider ohne


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Erfolg, da diese Geschichte aus politischen Gründen unter den Tisch gekehrt wird. Jetzt das Interessante, damit Sie wissen, dass das nicht gelogen ist: Die betroffenen Züge - - Frau Minister, schauen Sie vom Handy auf (einige Male auf das Redner:innenpult klopfend), guten Morgen! Schreiben Sie es sich vielleicht auf. – Die betroffenen Züge: Zug 466 von Wien – Abfahrt 21.27 Uhr – nach Zürich ist um 5.20 Uhr in Innsbruck Hauptbahnhof. Zug 464 von Graz nach Zürich ist um 5.41 Uhr in Landeck. Leider sind die besagten Personen auch sehr gereizt und reagieren sehr aggressiv auf andere Fahrgäste. – So weit sein Bericht.

Schauen Sie sich bitte einmal diese Züge an – ich habe es gemacht, und glauben Sie mir, da vergeht Ihnen das Grinsen, wenn Sie sehen, wie diese Züge aus­schauen, da vergeht es Ihnen: Überall Fäkalien und nasse Gänge! Schauen Sie sich einmal so einen ÖBB-Zug an, der zu dieser Zeit fährt! (Ruf bei der ÖVP: Stopp, es ist genug!)

Vielleicht haben Sie dann ein anderes Bild und vielleicht schieben Sie dann nicht immer alles auf die EU. Vielleicht löst ihr das Problem einmal selber, wenn sogar eure eigenen ÖVP-Bürgermeister schon solche Zettel verschicken (ein Schrift­stück in die Höhe haltend), auf denen steht: „Stop – Es ist genug!“ Setzen wir ein Zeichen gegen diesen Wahnsinn mit den Zelten! Übrigens, jedem anzuraten: Am Mittwoch, den 26. Oktober 2022, um 10.30 Uhr in der Gemeinde St. Georgen. „Sei dabei!“, steht da. Wir protestieren gegen euren Wahnsinn mit den Zelten.

Wissen Sie, von wem das unterstützt wird? (Bundesrätin Steiner-Wieser: Auch von Grünen!) – „Ein gemeinsamer Aufruf von Bürgermeister Ferdinand Aigner und allen Gemeinderatsfraktionen von St. Georgen im Attergau.“ Wissen Sie, wer dabei ist? ÖVP, Grüne – gut zuhören: Grüne; eure eigenen grünen Gemeinderäte protestieren gegen euch! (Heiterkeit des Redners – Ruf bei der FPÖ: Bravo!) –, dabei sind auch FPÖ und SPÖ, zu Recht! Bitte geht hin und protestiert gegen diesen Wahnsinn! (Beifall bei der FPÖ.)


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Wir strecken die Hand aus, wir sind bereit: Es gibt eine Klausel im Koalitions­übereinkommen, nützen Sie diese Klausel! Mit uns haben Sie eine Mehrheit, im Nationalrat sowie im Bundesrat: Lösen wir das Problem, wir helfen natürlich ganz, ganz gerne!

Wir haben einen 20-Punkte-Plan ausgearbeitet, der verteilt wurde. Ich werde den Antrag nur ganz kurz erläutern, denn ihn vorzulesen geht sich natürlich zeitlich nicht aus. Er ist aber eh allen zugegangen, deshalb erübrigt sich das Verlesen. Es geht darum, einen 20-Punkte-Plan für eine „Deattraktivierung Österreichs als Zielland für illegale Wirtschaftsmigranten und Scheinasylanten“ umzusetzen.

Frau Ministerin, ich gebe Ihnen den Antrag dann mit, denn Sie haben ihn ja nicht von der Parlamentsdirektion ausgehändigt bekommen. Lesen Sie ihn sich durch, das wäre sinnvoll. Nächste Woche, wenn es aufgrund der Korruptionspartie vielleicht eine Sondersitzung gibt, wäre es optimal, das umzusetzen. Ich gebe Ihnen diesen Antrag mit.

Ich bringe somit folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmenpaket zur Deattraktivierung Österreichs als Zielland für illegale Wirtschaftsmigranten und Scheinasylanten“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage, die insbesondere folgende Maßnahmen zur Deattrak­tivie­rung Österreichs als Zielland für Wirtschaftsflüchtlinge und Scheinasylanten beinhaltet, zuzuleiten“


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*****

Da haben wir 20 Punkte aufgelistet, die uns für diese Scheinasylanten unat­traktiv machen, für diese jungen, muskulösen Männer, die uns überhaupt nichts bringen außer Schande und Leid. Da haben wir es aufgelistet, mit uns wäre das umzusetzen. Nützen Sie den koalitionsfreien Raum, anstatt große Reden im Bundesrat zu schwingen, Frau Ministerin! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir helfen Ihnen natürlich gerne weiter, wir helfen, wo wir können. Damit wir all das zum Wohle unserer Heimat umsetzen können, muss natürlich ein so unfä­higer Platzhalter aus Niederösterreich, von Hanni „Ballkleid“ Mikls Gnaden, ein­mal schnellstmöglich aus dem Ministerium raus. Da sind wir uns einig. Der muss also hinaus aus dem Ministerium, deshalb gibt es einen weiteren Antrag, der da lautet:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Entlassung des Bundesministers für Inneres Mag. Gerhard Karner

Klammer auf: Das mit dem Magister weiß ich jetzt nicht, wie lange er das noch ist, aber ich lese den Antrag einmal vor.

„eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage des Bundesrates Josef Ofner an den Bundesminister für Inneres betreffend ‚Land unter‘ in der Migrationskrise in der 946. Sitzung des Bundesrates am 20. Oktober 2022

Die Gründe des massiven Versagens dieses Innenministers zeigen sich

1. indem er fortlaufend ‚EU-Lösungen sucht‘ und nicht die Verantwortung eines Innenministers wahrnehmen will sowie

2. in seinem Unvermögen die Grenzen Österreichs zu schützen und dadurch die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung gefährdet.


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ÖVP-Innenminister Mag. Gerhard Karner ist offensichtlich der Aufgabe nicht gewachsen Verantwortung für Österreich zu übernehmen und daher rücktritts­reif. Wir versagen ihm unser Vertrauen.

Die unterfertigten Bundesräte stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

‚Der Bundeskanzler wird aufgefordert, im Interesse Österreichs, dem Bun­despräsidenten vorzuschlagen, den Bundesminister für Inneres, Mag. Gerhard Karner, zu entlassen und durch eine geeignete Persönlichkeit zu ersetzen.‘“ – Betonung auf: geeignete Person.

*****

Natürlich helfen wir da mit. Dann gibt es halt nur noch eine einzige sinnvolle Lösung, Frau Ministerin. Die lautet aber nicht, wie Sie meinen, impfen, impfen, impfen, wie vor wenigen Wochen und Monaten immer wieder verkündet wor­den ist, nein, die Lösung lautet ganz anders, sie heißt: Stop, no way, genug ist genug! Das Problem ist erst gelöst, wenn es an der Wurzel gepackt wird. Und da heißt es nicht: Impfen, impfen, impfen!, sondern: Abschieben, abschie­ben, abschie­ben! Frau Ministerin, so und nicht anders wird das Problem gelöst!

Zum Schluss noch, weil Sie jetzt so traurig herschauen, ein kleiner Witz, der Sie ein wenig aufheitert, er ist mir kürzlich zugegangen: Treffen sich zwei ÖVPler, sagt der eine zum anderen: Gott zum Gruß! Dann sagt der andere: Auf freiem Fuß! Gott sei Dank, wer weiß, wie lang! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

20.00


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Maßnahmenpaket zur Deattraktivierung Österreichs als Zielland für illegale


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Wirtschaftsmigranten und Scheinasylanten“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Auch der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Entlassung des Bundesministers für Inneres Mag. Gerhard Karner“ ist genügend unterstützt und steht demnach ebenfalls mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte. (Bundesrätin Zwazl: Du hast gesagt, nach 5 Minuten sollen wir’s dir anzeigen! – Bundesrat Schennach – auf dem Weg zum Redner:innenpult –: Ja, Frau Zwazl, ich halte mein Wort! – Bundesrätin Zwazl: Na gut, ich stopp’s! – Bundesrat Schennach: Und ich werde deine Finger beobachten!)


20.01.16

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Ich habe mir gedacht, die Rede von Christoph Steiner kann in dieser Debatte nicht das Letzte gewesen sein. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Oh ja! Das Letzte war sie schon!)

Es sind zwei Anträge eingebracht worden, und ich sage auch gleich, wie die sozialdemokratische Fraktion abstimmen wird: Das sogenannte Maßnah­menpaket gegen – was immer das sein soll – Scheinasylanten werden wir nicht unterstützen, aber wir werden den Misstrauensantrag gegen den Innenminister unterstützen. (Bundesrat Schreuder: Es gibt keinen Misstrauensantrag!)

Zum anderen, liebe Frau Steiner-Wieser: Den Ausdruck „Rotzpippen“ für Men­schen auf der Flucht halte ich für schwer rassistisch (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen – Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ) und eigentlich ungehörig. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Weiters darf ich auf zwei Rechtslagen aufmerksam machen: Wir haben einer­seits Menschen, die auf der Flucht sind und Hilfe suchen, und auf der anderen


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Seite haben wir nach EU-Regulation Vertriebene aus der Ukraine. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Genau das hab ich gesagt! ... trotzdem Rotzpippen!) – Moment jetzt, ich rede nur 5 Minuten, das habe ich Frau Zwazl versprochen, und ich halte mein Wort! (Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Aus, Ende!

Was uns bei den ukrainischen Vertriebenen auffällt, ist, dass sie ankommen und dass eine erhebliche Anzahl wieder zurückgeht. Ich selber kenne einige davon, selbst betagte Damen sagen: Ich will wieder zu meinen Kindern oder zu meinem sozialen Umfeld zurück! Und die Differenz jener, die das Recht haben, nach Österreich zu kommen, und jener, die zurückgehen, macht die Zahl der anderen Asylsuchenden locker wett.

Zweitens: Grenzen dicht. Ich kenne keine Grenzen, die dicht sind. – Ich habe noch 3 Minuten, liebe Leute. (Bundesrat Schreuder: 2:48!) – Ich kenne keine dichte Grenze, weder die Grenze der USA noch jene Israels zu Palästina, es gibt keine dichten Grenzen. (Bundesrat Steiner: Dann macht man sie dicht!) – Moment! Und was es schon überhaupt nicht gibt, ist, dass eine Regierung mit einfacher Mehrheit das Asylgesetz aussetzen kann, das geht nicht. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)

Sowohl die Flüchtlingskonvention als auch die Menschenrechtskonvention, die hier zum Tragen kommen, sind nämlich in unserer Verfassung verankert. Eine Änderung ist nur mit Zweidrittelmehrheit möglich, und die bekommen Sie von uns mit Sicherheit nicht! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Es gilt wohl hoffentlich für die einheimische Bevölkerung auch die Menschenrechtskonvention, wenn sie dann vergewaltigt werden und wie ein Sack auf der Straße abgelegt werden! – Bundesrat Schreuder: Selbstverständlich gilt sie!) Natürlich gilt die Menschenrechtskonvention und für die Einheimischen gilt unser ganz normales Strafrecht, das wissen Sie. Und so zu tun, als ob irgendeine Regierung mit irgendeiner läppischen kleinen Mehrheit Konventionen abschaffen kann: Das gibt es nicht, tut mir leid! (Bundesrat Steiner: Ja, was passiert dann?)


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Kollege Steiner, ich habe nicht genug Zeit, um mich mit Ihnen zu ausführlich zu unterhalten. (Bundesrat Steiner: Du hast 20 Minuten!) – Nein, mein Versprechen an Frau Zwazl ist höherwertig. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bundesrat Schreuder: Zu Recht! – Bundesrat Steiner: Das Thema ist eigentlich nicht so lustig!)

Das Nächste: Diese Zeltegeschichte des Herrn Innenministers wäre überhaupt nicht notwendig. Schaut euch selber im Spiegel an: Ihr hetzt überall, wo Men­schen Häuser oder Quartiere zur Verfügung stellen, sofort die Menschen auf. (Bundesrat Steiner: So ein Blödsinn! Schwachsinn!) Das ist jetzt, seit wir wissen, dass Zelte notwendig sind, schon wieder passiert. Im Burgenland und in Wien wird es keine Zelte geben, denn wir erfüllen deutlich die Quote. In anderen Bundesländern: Nehmt euch doch alle selber bei der Nase! Man kann das doch vorbereiten, man hat das doch vorher gewusst, man geht doch nicht blind durch die Gegend. Und natürlich macht ihr ein Riesentrara (Bundesrat Steiner: Keine Ahnung!), ihr hetzt sofort wieder die Leute auf, wenn es Quartiere gibt. In Oberösterreich gab es gerade wieder so einen Fall, wo ein durchaus taugliches Quartier sofort unter diesen Druck geriet.

Diese Geschichte mit den Zelten hat Österreich nicht notwendig. So müssen wir schutzsuchende Menschen nicht behandeln, vor allem nicht in dieser Jahreszeit, und deshalb müssen wir humane und normale Möglichkeiten finden, wie sie das Burgenland und Wien gefunden haben. Wir haben im 16. Bezirk zum Beispiel ein ehemaliges Seniorenheim, das funktioniert alles wunderbar, das ist eingebettet in ein Umfeld, die Leute nehmen Rücksicht aufeinander, wunderbar. Aber wenn man immer und immer wieder zündelt, dann wird das so nicht gehen.

Ja, es sind ganz viele Fehler gemacht worden: Ich kann doch nicht in Ort­schaf­ten, wo ich schon 200 Leute habe, noch 200 Männer unterbringen. Aber Männer sind auch Menschen (Heiterkeit der Bundesrätinnen Grimling, Hauschildt-Buschberger und Kittl. – Ruf bei der ÖVP: Danke!) – ja, es tut mir leid, es sind auch Menschen; meine Zeit ist abgelaufen (Bundesrat Steiner: Gott sei Dank!) –, und auch sie haben das Recht, irgendwo untergebracht zu werden, Schutz zu bekommen und


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ernährt zu werden. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Schreuder und Zwazl.) Also so geht es nicht.

Darf ich noch einen allerletzten Satz an die Frau Bundesministerin richten? (Bundesrätin Zwazl: Ja, bitte schön!) Das ist mir nämlich besonders wichtig. Sie (in Richtung Bundesministerin Edtstadler) müssen mir jetzt gar nicht antworten, aber ich war über einen Satz von Ihnen ganz kurz schockiert, weil ich nämlich einem europäischen Thinktank, Freunde des Westbalkans, angehöre: Haben Sie wirk­lich gesagt, unsere Westbalkanpolitik hat den Sinn, die Migrationsströme zu unterbinden? Das hoffe ich nicht, weil unsere und vor allem die europäische Westbalkanpolitik einen anderen Sinn hat, nämlich die Demokratie zu festigen, die Verbindungen zu einer Region zu stärken, in der Österreich eine enorme geschichtliche Verantwortung hat. (Bundesrat Steiner: Jetzt sind die 5 Minuten aus! Versprechen gebrochen!)

Unser Verhältnis, gerade das österreichische Verhältnis – auch das Verhältnis der ÖVP zum Beispiel –, beinhaltet zum Beispiel die Anerkennung des Kosovo im europäischen Umfeld, und so weiter und so fort. Ich hoffe also nicht, dass wir den Balkan nur aus migrations- und flüchtlingspolitischer Sicht sehen. (Bundes­ministerin Edtstadler: Nicht nur!) Das wäre extrem schade, wenn wir das so reduzieren. Der Balkan ist zu viel wert und ein zu großer Teil unserer gemein­samen Geschichte.

In diesem Sinne: Dem Misstrauensantrag stimmen wir zu, dem sogenannten Maßnahmenpaket nicht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.09


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Herr Bundesrat.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. – Bitte. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Bravo, Johannes! – Bundesrätin Grimling: Das war logisch! – Bundesrat Hübner – auf dem Weg zum Redner:innenpult –: Das war logisch, ja!)



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20.09.22

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Meine Damen und Herren, wir haben heute zwei Dinge gelernt. Das Erste, da komme ich gleich zu Kollegen Schennach: Wir haben jetzt endlich einmal den Offenbarungseid der SPÖ in Sachen Migration und Asylwesen gehört. Erstens: Sie wird für allenfalls erforder­liche Änderungen, die im Verfassungsrang sind, nie und nimmer die Stimme hergeben, das heißt, auch notwendige und sinnvolle Änderungen dürfen nicht passieren und werden nicht mehr passieren. (Bundesrätin Hahn: Was ihr für sinnvoll haltet ... !) Zweitens: Gespräche, Vorstöße, Politik im Sinne einer Schließung der Balkanroute für Migration dürfen auch nicht sein, weil man mit den Balkan­län­dern nur über eines reden darf: über EU-Mitgliedschaft und Demokratie.

Das heißt, laut SPÖ dürfen wir nur über eines reden: Wo werden die ungezähmt und unbegrenzt hereinströmenden Asylanten untergebracht? (Bundesrat Schennach: Die Horden! Karawanen!) So wie in Wien: in Häusern, in Gemein­de­bauten, in Hotels, aber ja nicht in Zelten. Über alles andere zu reden ist ver­bo­ten. Je stärker die Migration ist, desto mehr muss man sich über die Unter­bringung sorgen, aber niemals über die Migration selbst.

Jetzt aber zur Migration selbst, denn zur SPÖ fällt mir nichts mehr ein. (Bundesrat Schennach: Passt!) Gott sei Dank haben Sie aber hinsichtlich Ihrer Sicht der Dinge das klargestellt, was die Kollegen im Burgenland, zugegebenermaßen mühsam, zu verbergen versuchen. (Bundesrat Schennach: Gar nichts verbergen sie!)

So, jetzt aber zur Einwanderung an sich: Auch die Frau Minister – und das ist mir ganz besonders wichtig – hat uns ja in der Einleitung zu den Erklärungen und Auskünften, Fragebeantwortungen und so weiter gesagt, dass wir, wie alle Staa­ten, gar nichts tun können. Gar nichts! (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Edtstadler.) Wir brauchen nur eine europäische Lösung, einen europäischen Grenzschutz, ein gesamteuropäisches Vorgehen und all die Sachen, die ich seit 15 Jahren unverändert höre, immer wieder diese Worthülsen.


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Ich stelle Ihnen jetzt eine Frage, die Sie mir auch gerne hier beantworten kön­nen, indem Sie sich noch einmal melden, oder Sie sagen es mir dann ins Ohr: Wenn kein Staat etwas machen kann, wenn es nur europäische Lösungen gibt, wie können Sie sich dann in Bezug auf unsere Nachbarstaaten folgende Zahlen erklären?

Ich nenne jetzt der Fairness halber die Zahlen von 2021, weil die nicht so beunruhigend sind wie die Zahlen von 2022, die Sie genannt haben: 2021, also vor einem Jahr, sind es in Österreich 36 750 Asylanträge gewesen. In den Staaten, aus denen die Asylwerber nach Österreich strömen und die die Außen­grenze des Schengenraums bilden, die also zu schützen und zu bewachen und zu EUisieren wäre, gibt es folgende Zahlen an Asylanträgen – in Österreich, das muss man immer dazusagen, sind es 36 750 –: Die Tschechische Republik hat an der Außengrenze 1 060 Asylanträge gehabt, die Slowakei – ich muss schnell nachschauen – 330 und die Republik Ungarn 40. Über die Asylanerken­nungs­quoten bei diesen Zahlen will ich gar nicht reden.

Sie schlagen aber vor, dass wir eine europäische Lösung brauchen, wohl wissend, dass die europäische Lösung das bringt, was Kollegen Schennach so ein Anliegen ist: ungehemmte Masseneinwanderung. (Beifall bei der FPÖ.)

Was machen Frontex und Co an den Grenzen? – Genau das, wozu wir auch unsere armen Polizeibeamten an der burgenländisch-ungarischen Grenze zwingen: Sie spielen für die Asylwerber Taxi in die Europäische Union. Die EU macht das nicht nur an den Landgrenzen, sie macht es auch ganz massiv auf den Meeren, an den Seegrenzen, wo mittlerweile etwa 625 000 Asylwerber von der EU-Flottille auf den Kontinent gebracht, dort in Asyllagern untergebracht und dann weiter behandelt werden.

Eine letzte Sache, Frau Minister – Sie erklären mir dann, warum das so ist –: Ich kann Ihnen noch ein paar andere Zahlen sagen, auch aus sozialdemokratischen Ländern, wo Sie nicht mit: Na ja, das sind Populisten, und da fürchten sich die Asylwerber, das sind keine sicheren Drittstaaten!, kommen können. – Schauen


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wir uns einmal an, wie viele die früheren Hotspots der Asyleinwanderung wie zum Beispiel Norwegen und Dänemark aufgenommen haben. Die haben ähn­liche Bevölkerungszahlen wie Österreich, ein bisschen weniger.

Wie viele Asylanträge hat Dänemark gehabt? – 2 015. Ich sage Ihnen gar nicht, wie viele davon positiv erledigt wurden, da würden Sie überhaupt schauen. Oder das sozialdemokratisch regierte Norwegen: 1 650. Oder der Schengenaußen­staat Finnland mit einer über 3 500 Kilometer langen Grenze mit Russland, also ein Land, wo sehr viele Asylrouten durchgehen: 1 365 Anträge. Und wir haben 36 750!

Wir sind also in der EU nicht ein Opfer der mangelnden EU-Politik, sondern die EU und die anderen Staaten sind Opfer der wahnsinnigen Politik (Die Bundesräte Ofner und Steiner: Ein Opfer der Regierung!), die wir hier fahren, dieser Einladungs- und Attraktivierungspolitik. Da ist der Klimabonus ja nur das Tüpfelchen auf dem i.

Wie erklären Sie sich denn, dass die alle nach Österreich kommen? (Ruf bei der FPÖ: Weil wir so attraktiv sind!) Glauben Sie, die Einwanderer aus Pakistan, Afghanistan, Somalia, Ägypten, Tunesien und Co, die kommen wegen der guten Heurigen in Grinzing? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ist das der Grund, warum die alle nach Österreich kommen? – Nein, eher nicht. Also ich glaube, im Islam ist das nicht so populär.

Sie werden uns diese Erklärung sicherlich nicht geben, weil Sie sich ja an den Worthülsen festhalten. Man kann es auch nicht anders erklären. Ich habe sogar Verständnis dafür, dass Sie bei den Worthülsen bleiben. Dazu gibt es keine Erklärung! Dazu gibt es keine Erklärung! (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Abschluss: Kollege Schwindsackl hat ja heute schon irgendeinen deutschen Dichter zitiert. (Bundesrat Schennach: Nicht irgendeinen! – Ruf bei der ÖVP: Einen sehr bekannten!) – Ja, einen nicht unbekannten deutschen Dichter. (Bundesrätin


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Zwazl: Hast ihn auch gelesen?) Dieser würde die Botschaft, die Leuten wie der Frau Minister gegeben ist, so zusammenfassen:

„Am besten ist’s [...], wenn Ihr nur einen hört,

Und auf des“ einen „Meisters Worte schwört.

Im ganzen – haltet Euch an Worte!

Dann geht Ihr durch die sichre Pforte

Zum Tempel der“ Erkenntnis „ein.“

Das ist EU-Politik, das ist österreichische Fremden-, Asyl- und Einwanderungspolitik. Das ist aber nicht die Politik, die die Vernunft oder das Volk eingesagt hat, sondern das hat dem fahrenden Gesellen wer eingesagt? Kollege Schwindsackl wird es wissen. Wer hat es ihm eingesagt? Na? – Mephisto. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

20.16


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. (Rufe bei der SPÖ: Oh ja! Na geh!)

Wünscht noch jemand das Wort? (Zwischenruf des Bundesrates Steiner. – Bun­desrat Novak: Nein, hat er nicht mehr! Geht nicht mehr! 20 Minuten! – Bundesrat Steiner – auf dem Weg zum Redner:innenpult –: Wie viel hab ich noch übrig? – Bundesrätin Zwazl: Gar nix! – Bundesrat Steiner: Doch! – Bundesrätin Zwazl: Nein! Wie kommst du auf die Idee? – Bundesrat Schennach: Du musst die Sonja um Erlaubnis fragen! – Bundesrätin Zwazl: Nein, nein! Nix mehr! Christoph, du hast deine Zeit aufgebraucht!) – 30 Sekunden, Herr Bundesrat Steiner.


20.16.57

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Eine halbe Minute! Herr Kollege Schennach hat behauptet: Stellt ein Flüchtlingsheim irgendwo in ein Dorf und das funktioniert!, und andere würden nur hetzen. – Ich sage Ihnen eines: Fahren Sie einmal mit mir nach Zell am Ziller und besuchen Sie die Frau, die im Rei­henhaus direkt daneben gewohnt hat! Die ist jetzt in Behandlung. Der haben die minderjährigen Flüchtlinge brennende Tschickstummel in den Garten


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geschmissen. So schaut es nämlich aus, das tadellose Funktionieren. Fahren Sie einmal mit mir zu ihr und schauen wir einmal, was sie Ihnen erzählt, Herr Schennach! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Gut!)

20.17 20.17.26


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zu den Abstimmungen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Maßnahmenpaket zur Deattrak­tivierung Österreichs als Zielland für illegale Wirtschaftsmigranten und Schein­asylanten“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Entlassung des Bundesministers für Inneres Mag. Gerhard Karner“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

20.18.47Fortsetzung der Tagesordnung


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Ich nehme die Verhandlungen über die Tages­ordnung wieder auf. Wir setzen die Verhandlungen über die Tagesordnungs­punkte 17 und 18 fort.


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Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. – Herr Bundes­rat, ich erteile Ihnen das Wort.


20.19.08

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir setzen mit den Beratungen zu den Tages­ordnungspunkten 17 und 18 fort. In diesen Tagesordnungspunkten geht es auf der einen Seite um das Härtefallfondsgesetz und auf der anderen Seite um den Energiekostenzuschuss für Unternehmungen.

Die Novelle zum Härtefallfondsgesetz ist unstrittig, da geht es um eine Ver­besserung für die geringfügig Beschäftigten und es geht um eine Verlängerung des Härtefallfonds um zwei Jahre. Das wird so, glaube ich, einvernehmlich abgehandelt werden.

Beim Zuschuss für Energiekosten für Unternehmungen gibt es durchaus unterschiedliche Zugänge. Meine Vorrednerin zu diesem Tagesordnungspunkt hat dazu einiges aus ihrer Sicht beleuchtet. Ich möchte dazu eingangs sagen, dass wir dieses Thema in einem sehr schwierigen, sehr komplexen und sehr belastenden Umfeld abwickeln, es gibt nämlich auf der einen Seite immer noch die Auswirkungen der Pandemie, aber auf der anderen Seite auch die Auswirkungen von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine und damit die Ver­werfungen auf den internationalen Energiemärkten, was nicht nur zu Sorgen in privaten Haushalten führt, sondern auch für viele Unternehmungen in unse­rem Lande eine sehr belastende Situation darstellt.

Wenn Sie sich heute Vormittag ein bisschen die Expertise der Wirtschafts­for­schungsinstitute in Österreich und in Deutschland angesehen haben, von denen beleuchtet worden ist, wie sich die konjunkturelle Lage für das nächste Jahr gestalten wird, dann werden Sie gesehen haben, dass wir auf einem Weg in eine Stagflation – also eine Stagnation und eine hohe Inflation – sind und dass das für den Wirtschaftsstandort Österreich, für den Wirtschaftsstandort Europa und


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damit für die Arbeitsplätze in unserem Land eine sehr belastende Ausgangslage ist. Sie haben in der Expertise unserer Wirtschaftsforschungsinstitute gesehen, dass unsere Haupthandelspartner, nämlich Deutschland, Italien, auch Osteuropa, ganz massiv unter dieser Lage leiden – und das wird auch an Österreich nicht spurlos vorbeigehen. So gesehen ist es wichtig und gut, dass die Bundesregie­rung Maßnahmen vorgeschlagen hat, um zumindest eine gewisse Minderung dieser Herausforderungen zu erreichen und zu einer gewissen Dämpfung beizutragen.

Was ist der Energiekostenzuschuss für Unternehmen? Warum haben wir das? – Wir haben es, weil wir Verwerfungen am Angebotsmarkt, aber auch am Nach­fra­gemarkt haben und weil wir die steigenden Energiekosten bei den Unter­neh­mungen abfedern wollen. Wenn ich von Unternehmungen rede, dann rede ich von den großen, aber gleichermaßen von den mittelgroßen und den kleineren Unternehmungen bei uns im Lande. Wir werden diese Abfederung heute für den Zeitraum vom 1. Februar bis zum 30. September, was einem Regime des Krisen­rahmens auf europäischer Ebene geschuldet ist, und mit einem Gesamtvolumen von 1,3 Milliarden Euro beschließen. Bisher waren 450 Millionen Euro vorge­sehen, jetzt wurde auf 1,3 Milliarden Euro erhöht. Für kleinere Unternehmungen werden wir eine pauschale Abgeltung vornehmen können, diese Abwicklung wird eben auch dem europäischen Krisenrahmenregime geschuldet sein.

Warum ist es notwendig? – Um das noch einmal deutlich zu sagen: Es ist notwendig, weil wir die internationale Wettbewerbsfähigkeit von produzieren­den Unternehmungen, aber insgesamt des Wirtschaftsstandortes sicher­stellen wollen. Wir wissen – ich komme ja aus der Steiermark, wir sind ein export­orientiertes Bundesland, jeder zweite Arbeitsplatz in unserem Bundesland hängt direkt mit den Exporterfolgen der steirischen Wirtschaft zusammen –, dass es einfach notwendig ist, zu versuchen, den Standortwettbewerb, in dem sich unsere Unternehmungen befinden, in Form von Abfederungsmaßnahmen entsprechend zu unterstützen. Es ist notwendig, weil damit natürlich auch die Sicherung von Arbeitsplätzen verbunden ist. Es geht bei dieser Förderung nicht


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nur um eine Unternehmensförderungsaktion, sondern auch um eine Arbeits­platzförderungsaktion.

Ich verkenne nicht, dass es Erfordernisse gibt, die mit der digitalen Transfor­mation und mit der grünen Transformation zusammenhängen. Diese Maßnahme ist kein Widerspruch zu diesen Transformationsmaßnahmen, sie ist eine not­wendige – ich hoffe, auch eine hinreichende, aber wenn nicht hinreichend, so zumindest eine notwendige – Maßnahme, um den Unternehmungen eine Perspek­tive zu geben.

Wie werden die Preise bei Strom, Gas, Treibstoff für Unternehmen abgefe­dert? – Wie gesagt: mit 1,3 Milliarden Euro. Voraussetzung ist ein Energie­kos­tenanteil von zumindest 3 Prozent des Produktionswertes bei den größeren Unternehmungen. Es gibt vier Förderstufen nach Größe, Umsatz, Ergebnis und Verbrauch und einen unbürokratischen Zugang für kleinere Unternehmungen: Für Unternehmungen mit einem Umsatz von bis zu 700 000 Euro gibt es eben vereinfachte pauschale Zuschüsse.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Multiple Krisen erfordern rasches und zielgerichtetes Handeln. Ich glaube, dass die Bundesregierung mit diesen Maßnahmen beweist, dass Österreich eines der ersten Länder in Europa ist, die da unterstützend tätig sind – andere Länder diskutieren in diesem Kontext noch, denken Sie beispielsweise an unser Nach­bar­land Deutschland –, und dass wir damit rasch und zielgerichtet handeln. Eine Abfederung des enormen Energiekostenanteils im Produktionsprozess der Unternehmungen sichert die Arbeitsplätze, unterstützt damit den Wirtschafts­standort und zeigt, dass eine handlungsfähige Regierung mit einem Parlament, das die Erfordernisse der Wirtschaft und damit des Arbeitsmarktes nicht verkennt, im Interesse der Menschen in Österreich dienlich sein kann. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.26



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Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile ihm das Wort.


20.26.36

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vizepräsident! Frau Staatssekretär! Liebe Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Die Energiepreise in Europa, besonders aber in Österreich sind durch die gesetzten Maßnahmen der tür­kis/schwarz-grünen Bundesregierung der letzten zwei Jahre signifikant gestie­gen. Die sich daraus ergebende besondere Belastung ist für die Unter­nehmen nicht tragbar. Besonders davon betroffen sind energieintensive Unter­nehmen, sprich jene, die einen sehr hohen Energieverbrauch haben.

Vor diesem Hintergrund sollten Anteile der Mehraufwendungen für die Ener­giepreise, bei Treibstoff, Strom und Gas, teilweise mit einem nicht rückzahlbaren Zuschuss gefördert werden, damit die Liquidität der Unternehmen aufrecht­erhalten werden kann.

Kurz erklärt: Es gibt vier Förderstufen. In der Förderstufe eins beträgt die Zuschussuntergrenze 2 000 Euro, die Obergrenze ist mit 400 000 Euro festgelegt, und für die Einstufung als energieintensives Unternehmen und zur Höhe der Mehraufwendungen muss die Bestätigung einer Steuerberatung vorliegen.

Stufe zwei: Voraussetzung für den Zuschuss ist mindestens die Verdoppelung der Preise für Strom und Erdgas. In diesen Fällen werden bis zu 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs mit maximal 30 Prozent gefördert. Die maximale Förder­höhe beträgt 2 Millionen Euro pro Unternehmen. Treibstoffe werden in dieser Stufe aber nicht gefördert.

Stufe drei: Die Unternehmen müssen darüber hinaus einen Betriebsverlust aufgrund der hohen Energiekosten nachweisen können. Die maximale Förder­höhe beträgt pro Unternehmen bis zu 25 Millionen Euro.


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Stufe vier gilt für ausgewählte Branchen wie zum Beispiel Stahl-, Zement- oder Glashersteller. Hier sind pro Unternehmen maximale Zuschüsse bis zu 50 Millio­nen Euro möglich.

Energiemehrkosten werden für den Zeitraum von 1. Februar bis 30. September 2022 gefördert. Sollte die EU-Kommission die Genehmigungsfrist über das Jahresende hinaus verlängern, wäre auch eine Verlängerung grundsätzlich mög­lich.

Größere Betriebe müssen dafür ein Energiesparkonzept in Form eines Energie­audits vorlegen, andererseits dürfen Unternehmen, die Förderungen beantragen, bis 31. März 2023 die Innen- und Außenbereiche zum Beispiel von Geschäften zwischen 21 und 6 Uhr nicht beleuchten und auch Heizungen, wie zum Bei­spiel – wir haben es heute eh schon gehört – im Gastrobereich die Heizschwam­merl und so weiter, müssen ausgeschaltet bleiben.

Das Budget des Förderprogramms war bis jetzt mit 450 Millionen Euro dotiert. In dem heute vorliegenden Beschluss wird der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen ermächtigt, Vorbelastungen in der Höhe von bis zu 1,3 Milliarden Euro inklusive Abwick­lungskosten bis 2023 zu begründen. Gefördert werden 30 Prozent der Mehr­kos­ten zum Vorjahr.

Auch die verschiedensten Spartenobleute der Wirtschaftskammer, zum Beispiel der hier im Haus sicher noch bekannte Robert Seeber oder auch die Sparten­obfrau für Gewerbe und Handwerk, sehen den Energiekostenzuschuss als viel zu niedrig, nicht ausreichend an und fordern – wie wir Freiheitliche – Planbarkeit für Unternehmen. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Steiner: Zu Recht!)

Für uns Freiheitliche kommt der Energiekostenzuschuss für Unternehmen viel zu spät. Er ist wieder einmal zu kompliziert gestaltet und beinhaltet viele Verbote. Die enorme Teuerung und insbesondere die massiv gestiegenen Energiepreise bereiten insbesondere der heimischen Transportwirtschaft massive Probleme.


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Der treffende Artikel „Dem Sonnenuntergang entgegenfahren“ beschreibt die derzeitige Situation. Auf der einen Seite fahren die Kosten davon, vor allem bei den Energie- und Treibstoffpreisen. Die zusätzliche Einführung der CO2-Bepreisung hat die Kosten weiter erhöht, obwohl Österreich beim Treibstoff schon vorher eines der teuersten Länder war. Innerhalb eines Jahres sind die Treibstoffkosten um 80 Prozent gestiegen. Am Beispiel eines oberösterreichi­schen Transportunternehmens mit 250 Lkw wirkte sich der Preisanstieg des Treibstoffs – damit man auch ein bisschen die Zahlen sieht – mit Mehrkosten von 400 000 Euro im Monat, das sind 4,8 Millionen Euro pro Jahr, aus, und zwar vor der CO2-Bepreisung. Mit der eingerechneten CO2-Bepreisung, die ja seit 1. Oktober eingeführt ist, sind das Mehrkosten von 5,5 Millionen Euro im Jahr.

Neben den großen Transportunternehmen sind es aber insbesondere die vielen kleinen und mittleren Transportunternehmen, die vielfach nicht mehr wissen, wie sie die täglichen Treibstoffkosten finanzieren sollen und die bereits vor einer existenzbedrohenden Situation stehen. Ohne die Einführung eines Gewerbe­diesels, Senkung der Mehrwert- oder Mineralölsteuer werden Firmenpleiten die logische Folge sein, denn viele Unternehmen haben derzeit keine Perspektive.

Welche Auswirkungen die Schließung vieler Transportbetriebe in der ohnehin schon angespannten Versorgungssituation nach sich zieht, wie zum Beispiel leere Regale in den Lebensmittelgeschäften, Zusammenbruch der notwendigen Versorgung mit Arzneimitteln, Hygieneprobleme aufgrund des Zusammenbruchs der Müllentsorgung und vieles mehr, ist dieser Bundesregierung anscheinend nicht bewusst oder es wird aus ideologischen Gründen absichtlich in Kauf genom­men.

Im Zuge dessen möchte ich auch noch auf die Wichtigkeit der Versorgungs­sicherheit mit Treibstoffen, aber auch der benötigten Zusatzmittel wie Adblue hinweisen – fehlender Grundstoff ist der Harnstoff –, welche durch die ver­hängten Russlandsanktionen nach jetzigem Stand sehr gefährdet sind. Auch dadurch kann das Transportgewerbe zum Stillstand kommen.


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Nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der mittlerweile in Kraft getretenen CO2-Bepreisung stellen die unterfertigten Bundesräte daher nachstehenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmenpaket zur dringenden Entlastung des heimischen Transport­gewer­bes“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regie­rungsvorlage zuzuleiten, mit der im Sinne der dringenden Entlastung des heimi­schen Transport- und Güterbeförderungsgewerbes nachstehende Forderungen umgesetzt werden:

- Senkung der hohen Treibstoffkosten durch Einführung eines Gewerbediesels in Anlehnung an den sogenannten Agrardiesel

- Sofortige Streichung der im Zuge der Steuerreform beschlossenen CO2-Abgabe

- Sofortige massive Steuersenkung auf Benzin und Diesel durch Halbierung beziehungsweise bei weiteren Preisanstiegen völlige Streichung sowohl der Mehrwertsteuer als auch der Mineralölsteuer sowie die Festsetzung eines Preisdeckels für diese Produkte.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

20.33



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Vizepräsident Bernhard Hirczy: Der von den Bundesräten Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Maß­nahmenpaket zur dringenden Entlastung des heimischen Transportgewerbes“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Maria Huber. Ich erteile ihr das Wort.


20.34.10

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße auch die zwei Besucher, die uns hier noch auf der Galerie beehren, beziehungs­weise natürlich auch die Zuhörenden via Livestream. Ja, ich kann mich im Prinzip nur den Vorworten von Herrn Buchmann anschließen: Vor allem energieintensive Unternehmen stehen wegen der explodierenden Energiekosten mit dem Rücken zur Wand.

Dazu zählen sehr viele Industriebetriebe, die mit einer Exportquote von rund 66 Prozent auch traditionell stark international vernetzt sind. Die hohen Energiekosten gefährden die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen und dadurch stehen Produktionsstätten, Standorte und Tausende Arbeitsplätze in Österreich auf dem Spiel.

Die Situation ist dramatisch, denn angesichts der steigenden Energiekosten werden sich viele Unternehmen die Frage stellen müssen, wie lange sie unter diesen Bedingungen noch weiter produzieren können. Wir beschließen hier daher heute einen wichtigen Schritt als akute Hilfsmaßnahme: den Energie­kos­tenzuschuss für energieintensive Unternehmen. Als energieintensiv, wir haben es heute auch schon gehört, gelten jene Unternehmen, deren Energie- und Strombeschaffungskosten bei mindestens 3 Prozent des Produktionswertes liegen. Das ist eine Vorgabe der EU nach dem befristeten Krisenrahmen. In Österreich sind das zum Beispiel die Papierindustrie, die chemische Industrie oder auch die stahlerzeugende Industrie.


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Dieser Energiekostenzuschuss ist Teil des Antiteuerungspaketes der schwarz-grünen Bundesregierung und orientiert sich am EU-Krisenrahmen, der vier Förderstufen vorsieht. Ich möchte hier in weiterer Folge nur auf die Beson­der­heiten in der Stufe eins eingehen, denn während in der Stufe eins nationale Spielräume erlaubt sind, sind die Förderkriterien ab der Stufe zwei europa­recht­lich besonders eng vorgegeben.

Für uns war es sehr wichtig, auch kleine Unternehmen, die mit hohen Energie­kosten kämpfen, nicht im Regen stehen zu lassen. Daher gibt es auch als Besonderheit in der Stufe eins eine Unterstützung ausschließlich für kleine Unternehmen, deren Jahresumsatz unter 700 000 Euro liegt. Auch da gibt es eben bereits einen Zuschuss von maximal 30 Prozent der Preisdifferenz zum Vorjahr, um die gestiegenen Energiekosten abzufedern.

Wir sprechen dabei in der Regel von Betrieben, die deutlich weniger als zehn Arbeitskräfte beschäftigen können. Das heißt, auch der Bäcker ums Eck und der kleine Greißler im Ort als wichtiger Nahversorger in den ländlichen Gebieten können einen Teil der Erhöhungen geltend machen. Auch die von Frau Kollegin Kahofer – die jetzt gerade tratscht und nicht zuhört (Zwischenruf der Bundesrätin Kahofer) – beschriebenen Gärtnereien mit den Glashäusern zählen zu den Betrie­ben, die auch Erhöhungen geltend machen können. Daher kann ich es leider beim besten Willen wirklich nicht verstehen, warum man dieser Hilfsmaßnahme nicht zustimmen kann.

Gleichzeitig, wir haben es auch schon gehört, ist das Ganze keine Einbahnstraße, sondern geförderte Unternehmen sind selbstverständlich auch in der Pflicht, Energie einzusparen und ihre Energieeffizienz zu steigern. Das ist ja auch ein wesentlicher Schritt, um die Klimaziele zu erreichen und die Energiewende voranzutreiben.

Klar ist auch, dass wir den Umstieg auf erneuerbare Energieträger forcieren müssen, um uns aus der fatalen Abhängigkeit von russischem Gas zu befreien  in die wir uns in den letzten Jahrzehnten begeben haben , beispielsweise mit


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dem Transformationsfonds, den die Regierung letzte Woche vorgestellt hat und mit dem in den kommenden Jahren 5,7 Milliarden Euro investiert werden, um die Produktionsstandorte der österreichischen Industrie klimaneutral zu machen. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Zwazl.)

Der Energiekostenzuschuss für energieintensive Unternehmen kann selbstver­ständlich nur ein Anfang sein, und es werden weitere Maßnahmen folgen müssen, nicht nur in Österreich, sondern vor allem auch auf europäischer Ebene. Ich kann es aber, wie gesagt, trotz allem nicht verstehen, wie man argumentieren und sich darüber einig sein kann, dass Unternehmen Schwierigkeiten haben, dass es um Arbeitsplätze geht, aber dann bei diesem Antrag trotzdem nicht zustim­men kann. Das kann und will ich einfach nicht verstehen, denn Sie gefährden damit Arbeitsplätze. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

20.39


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrat Schennach: Jetzt wirst es wissen, warum!)


20.39.20

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Werte Frau Staatssekre­tärin! Herr Vizepräsident! Liebe Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuseher zu Hause! Das derzeitige Allheilmittel der Bundesregierung scheint momentan die Gießkanne zu sein. Sie ist jedoch untauglich für die Bekämpfung der jetzigen Wirtschafts- und Energiekrise in Österreich. (Bundesrat Schreuder: Was? Bun­desrätin Zwazl: Keine Ahnung!) Jetzt ist ein aktives Energiemanagement statt Gießkanne angesagt, um die Wirtschaft und die privaten Haushalte mit günstiger und bezahlbarer Energie zu versorgen.

Doch anstatt dieses Ziel ernsthaft zu verfolgen, erteilt die grüne Bundesminis­terin Gewessler zynische Ratschläge, wie man Energie sparen kann: Deckel auf den Topf beim Kochen, beim Autofahren das Tempo reduzieren (Bundesrat


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Schreuder: Das ist gscheit!), Waschmaschine anfüllen und ab Herbst die Heiztemperatur um 1 oder 2 Grad runter. (Ruf bei der ÖVP: Ist das schlecht? Bundesrat Schennach: Halbleere Waschmaschinen sind schlecht!)

Wie abgehoben kann Politik denn noch sein? Ein Energiekostenzuschussgesetz braucht mehr als nur einen Deckel auf dem Topf. (Bundesrat Preineder: Was ist da abgehoben?) Während die Unternehmen jetzt bereits schwitzen, um billige Ener­gie für ihre Betriebe zu bekommen, werden die Menschen zukünftig frieren, weil sie sich das Heizen nicht mehr leisten können. Die Teuerung in Österreich ist für viele Menschen ein massives Problem. Viele Haushalte können ihre Fixkosten nur mit Hilfe bezahlen, dafür braucht jeder sechste Haushalt einen Kredit oder einen Überziehungsrahmen.

Das haben sich die Menschen in Österreich nicht verdient, denn jeder arbei­tende Österreicher, egal ob Unternehmer oder Arbeitnehmer, muss sich das tägliche Leben beziehungsweise seinen Lebensstandard leisten können. Die FPÖ-Bundesratsfraktion stimmt daher der Regierungsvorlage zu, wenngleich diese Vorlage nur der Beginn sein kann. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.41 20.41.23


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Ok­tober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundesminister für Digita­lisie­rung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird, und das Bundesgesetz über einen Energiekostenzuschuss für energieintensive Unternehmen geändert werden.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Maßnahmenpaket zur dringenden Entlastung des heimischen Transportgewerbes“ vor. Ich lasse über diesen Ent­schließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Härtefallfonds­gesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.43.2819. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Maschinen – Inverkehrbringungs- und NotifizierungsG (MING), das Elektrotechnikgesetz 1992 – ETG 1992, das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG und die Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994 geändert werden (1673 d.B. und 1729 d.B. sowie 11092/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 374

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (1674 d.B. und 1730 d.B. sowie 11075/BR d.B. und 11093/BR d.B.)

21. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird (1675 d.B. und 1731 d.B. sowie 11094/BR d.B.)


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punkten 19 bis 21, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 19 bis 21 ist Frau Bundesrätin Isabella Kaltenegger. – Ich bitte um die Berichte.


20.44.19

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maschinen – Inverkehrbringungs- und NotifizierungsG, das Elektrotechnikgesetz 1992, das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 und die Gewerbe­ordnung 1994 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenein­helligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird.


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Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenein­hel­ligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen vor, ich komme gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhell­igkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke schön. 20.45.31


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Es liegen keine Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Ok­tober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maschinen – Inverkehr­bringungs- und NotifizierungsG, das Elektrotechnikgesetz 1992, das Bundes­gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 und die Gewerbeordnung 1994 geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 376

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Ok­tober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeord­nung 1994 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Ok­tober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.47.1422. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz über die befristete Einführung eines Stromkostenzuschusses für Haushaltskundinnen und Haushaltskunden (Stromkostenzuschussgesetz – SKZG) (2827/A und 1727 d.B. sowie 11078/BR d.B. und 11095/BR d.B.)


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Wir gelangen nun zu Punkt 22 der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber. – Ich bitte um den Bericht.


20.47.40

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber: Ich bringe den Bericht des Wirt­schaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz über die befristete Einführung eines Stromkos­ten­zuschusses für Haushaltskundinnen und Haushaltskunden.


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Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Vielen Dank, Frau Berichterstatterin.

Ich darf Frau Bundesminister Leonore Gewessler recht herzlich bei uns in der Runde begrüßen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Florian Krumböck. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


20.48.38

Bundesrat Florian Krumböck, BA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen nun zu den letzten Punkten einer Sitzung, die sich so, wie die vielen Dinge, die in der letzten Zeit schon passiert sind, eigentlich keiner hat vorstellen wollen, und zwar sind Krieg und Teuerung die beherrschenden Themen. Sie können uns glauben, dass sich keine Regierung, keine Regierungsfraktion ausge­sucht hätte, diese Themen bearbeiten zu müssen.

Es ist beinahe das Finale einer Sitzung, die sich aber auch viele von uns gar nicht haben vorstellen können, denn keiner konnte sich vorstellen, dass es zu einer Valorisierung der Sozialleistungen in Österreich kommt oder dass man heute die kalte Progression abschaffen kann, weil einfach bislang keine Regierung das geschafft hat. Diese Regierung, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, aus Volks­partei und Grünen, macht das ganz einfach. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Das ist aus meiner Sicht wichtig und das ist richtig, denn es sorgt dafür, dass den Österreicherinnen und Österreichern langfristig, nämlich auch dann, wenn Krieg und Teuerung vorbei sind, mehr Geld zum Leben bleibt. Genau das ist das Ziel unserer Arbeit heute und auch das Ziel der letzten Sitzungen. Wir sorgen dafür, dass die Wucht des Kriegs und der Teuerung unsere Landsleute nicht voll trifft und federn genau diese Wucht ab. (Beifall bei der ÖVP.)

Die österreichische Bundesregierung und wir im Parlament haben dafür in den letzten Wochen und Monaten schnell wirksame Soforthilfen und auch struk­turelle Entlastungsmaßnahmen auf den Weg gebracht. Mit der Stromkosten­bremse, die wir jetzt diskutieren, gehen wir diesen Weg weiter. Ich finde es gut, dass heute auch die Sozialdemokratie mit dabei ist und da noch einen U-Turn hingelegt hat, der Liz Truss würdig ist, aber schön, dass ihr dabei seid. (Zwi­schen­rufe bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren! Der Staat Österreich wird über mehr als einein­halb Jahre hinweg allen Haushalten im Land unter die Arme greifen und dabei bis zu 1 232,5 Euro der Stromrechnungen für die Haushalte übernehmen. Konkret sind das 30 Cent pro Kilowattstunde bei einem Grundkontingent von 2 900 Kilo­wattstunden, was in etwa 80 Prozent des durchschnittlichen Verbrauchs eines Dreipersonenhaushalts entspricht.

Wir liefern mit dieser Maßnahme – durch die 80 Prozent – Anreize zum Sparen, wir liefern damit aber vor allem Sicherheit in schwierigen Zeiten und echte Hilfe für die Menschen im Land, geschätzte Kolleginnen und Kollegen. Ja, die Hilfe geht an alle Menschen in Österreich, da auch alle von den externen und vor allem exorbitanten Teuerungen betroffen sind. Zusätzlich wird es aber für die Menschen, die einfach wenig verdienen und unter der Teuerung besonders leiden, eine weitere Unterstützung im Form eines Netzkostenzuschusses geben.

Vom 1. Jänner 2023 bis 30. Juni 2024 gibt es damit 300 Euro auf die Strom­kostenbremse obendrauf. Ein Nationalratskollege der Grünen hat es, glaube ich, in der Diskussion die „Stromkostenbremse plus“ genannt. Das ist nicht nichts,


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wie es die Opposition immer wieder darstellt, sondern das ist eine handfeste Hilfe der öffentlichen Hand, die obendrein noch inflationsbremsend wirkt.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir einen kurzen Rückblick auf das, was heute war, und das, was in den letzten Monaten und Wochen immer wieder bei Sitzungen passiert ist. Ich verstehe das Spiel der Opposition, ich halte es aber nur ganz schwer aus. (Bundesrätin Schumann: Oje!) Das fängt heute schon zu Beginn der Sitzung bei der Aufregung über Entschuldigungen von Ministerinnen und Ministern an, die nichts anderes machen, als ihrer Arbeit nachzugehen und im europäischen Ausland dafür da sind, um eben zum Beispiel Migrationsströme zu besprechen.

Ich verstehe es auch nicht, wie man sich als FPÖ hier herausstellen kann und so eine Aufregung produzieren kann, wenn man sich anschaut, was denn die Minister der FPÖ selbst geleistet haben oder – im Sinne des Kollegen Steiner – nicht geleistet haben, wenn sie bei Sitzungen nicht da waren.

Infrastrukturminister Hofer hat sich einmal entschuldigt, Sozialministerin Hartinger-Klein zwei Mal, Verteidigungsminister Kunasek drei Mal, Kickl fünf Mal – jede vierte Sitzung war er nicht da –, Karin Kneissl acht Mal. Bei 20 Sit­zungen ist das ein Schnitt, auf den Sie dann nicht stolz sein müssen. Wenn Sie jemals wieder in Regierungsverantwortung kommen, sollten Sie dann die eigenen Kolle­gen maßregeln. Ich halte Ihnen das aber nicht vor, denn die haben einfach ihre Arbeit gemacht, genauso wie es Gerhard Karner heute mit zwölf anderen Innenminister in Europa gemacht hat. (Beifall bei der ÖVP. –Bundesrat Schennach: Das war ein schwacher Applaus!)

Was ich aber auch nicht aushalte, ist das, was wir heute und auch in den Sitzungen davor immer wieder gehört haben, nämlich, dass es zu wenige oder gar keine Hilfen gibt. Das ist eine politische Meinung, die vollkommen okay ist. Ich halte es trotzdem nicht wirklich aus. (Bundesrat Steiner: Wir halten die Regierung auch nicht mehr aus!) Dazu kommt noch, dass entweder zu langsam geholfen wird, weil die Wirkung erst später eintritt – das heißt, man kritisiert


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Soforthilfen –, und im Redebeitrag darauf sind weder Soforthilfen noch Einmal­zahlungen nachhaltig genug. Sucht es euch einfach einmal aus, liebe Kolleg:in­nen, vor allem der Sozialdemokratie! (Bundesrätin Grimling: Danke für die Belehrung!)

Ich sage Ihnen noch eines: Wenn Sie den Menschen in diesem Land wirklich einen guten Dienst erweisen möchten, dann helfen Sie ihnen doch dort, wo es notwendig ist, wo es Hilfe braucht, zum Beispiel dann, wenn man Orientierung geben kann. (Zwischenruf der Bundesrätin Grossmann.) – Das gebe ich zu, ja, die schiere Vielfalt an Hilfsmaßnahmen sorgt hin und wieder für eine große Unüber­sichtlichkeit, gleichzeitig aber auch für Treffsicherheit. Da sind wir nämlich auch wieder dabei, bei dem Zweiten, dass dann die Soforthilfen schlimm sind und die strukturellen Maßnahmen schlimm sind (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Grimling und Schennach), dann kommt noch die Gießkanne dazu, dann sind es zu viele Maßnahmen, die treffsicher sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.– Erzählen Sie es den Menschen doch einfach, und jetzt hören Sie zu! (Bundesrätin Grossmann: Ist das schon eine Wahlkampfrede?)

Frau Präsidentin, das ist auch für Sie als Gewerkschafterin ganz spannend. Erzäh­len Sie den Menschen doch, dass es die Stromkostenbremse und den Netzkos­tenzuschuss gibt! Erzählen Sie den Menschen, dass die Pendler­pau­schale um 50 Prozent erhöht worden ist und der Pendlereuro vervierfacht worden ist, dass der Familienbonus Plus vorzeitig erhöht worden ist und dass es eine extra Familienbeihilfe gab, dass durch die ökosoziale Steuerreform mehr Geld vom Gehalt überbleibt, dass die Erneuerbaren-Förderpauschale und der -Förder­beitrag ausgesetzt werden (Zwischenrufe bei der SPÖ), dass es einen negativ­steu­er­fähigen Absetzbetrag für Geringverdiener in Höhe von 500 Euro gibt, dass der Kindermehrbetrag erhöht wurde, dass die Studienbeihilfe erhöht wurde, dass es einen Energiekostenausgleich gab, dass es einen Klimabonus gab, dass es einen Teuerungsausgleich für Bezieher von Mindestsicherung, Arbeitslosengeld, Umschulungsgeld et cetera gab, dass es für Pendler noch zusätzlich einen nega­tiv­steuerfähigen Einmalbetrag gibt, dass die Abschaffung der kalten Progression


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nochmals dazu führt, dass wir alle weniger Steuern bezahlen und dass die Erdgas- und Elektrizitätsabgabe gesenkt wurden! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Erklären Sie das Ihren Leuten und streuen Sie denen nicht immer Sand in die Augen, dass es keine und wenige Hilfen gibt! (Beifall bei der ÖVP. Bundesrat Schennach: Ihr habt mehr Erklärungsbedarf!)

Wenn Sie mir das nicht glauben und glauben, das ist jetzt der Junge aus Nieder­österreich, der Wahlkampf versucht, dann vertrauen Sie doch einfach dem Budgetdienst: 6,48 Milliarden Euro aus den Entlastungspaketen für 2022, 5,09 Mil­liarden Euro für 2023 nur aus diesen Entlastungspaketen, dazu kommen noch über 3 Milliarden Euro aus der ökosozialen Steuerreform für 2022 oder fast 4,4 Milliarden Euro für 2023. Das sind alleine für das laufende Jahr, geschätzte Damen und Herren, aus den Entlastungspaketen 10,2 Prozent des durchschnitt­lich verfügbaren Einkommens bei dem Zehntel der Leute in Österreich, die am allerwenigsten verdienen. 10,2 Prozent, geschätzte Damen und Herren! Das kann sich sehen lassen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wenn Sie schon Wahlkampf machen wollen, voll okay (Rufe bei der SPÖ: Wahl, ja genau!), dann erzählen Sie den Leuten auch gleich mit, was in Niederösterreich noch alles passiert: blau-gelber Strompreisrabatt, blau-gelbes Schulstartgeld, blau-gelbe Pendlerhilfe, blau-gelbe Wohnbeihilfe oder blau-gelber Heizkosten­zuschuss des Landes. Das können Sie ruhig auch weitererzählen. (Beifall bei der ÖVP. Bundesrätin Schumann: Mir ist das zu schnell!) Ich sage es Ihnen ganz einfach, Sie können es den Leuten vorrechnen. – Wenn es Ihnen zu schnell ist, tut es mir leid (Zwischenrufe bei der SPÖ), aber es ist einfach viel, ich habe 10 Mi­nuten Zeit. (Bundesrat Steiner: Du hast eine Stunde Zeit!)

Dann führen wir es weiter aus. Soll ich es Ihnen noch einmal langsam vorlesen, Frau Präsidentin? (Bundesrat Steiner: Du hast alle Zeit der Welt!) – Wirklich? Ich glaube, das sparen wir uns jetzt aber doch. Ich kann Ihnen aber sagen, wo die Hilfe nämlich wirklich ankommt, wenn man zum Beispiel zu mir in den Heimat­bezirk nach Sankt Pölten-Land schaut: Alleine aus dem blau-gelben Strompreis-


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rabatt des Landes Niederösterreich fließen dort 23 Millionen Euro in die Haus­halte, 100 Millionen Euro aus der Stromkostenbremse des Bundes fließen in die Haushalte. (Zwischenruf der Bundesrätin Grossmann.)

Ich stehe nicht an, dass Gemeinden und Städte auch Leistungen haben. 1 Million Euro gibt es in der Landeshauptstadt Sankt Pölten drauf, 1 Million Euro, die natürlich auch gut und wichtig sind und im Vergleich halt sozusagen einen klei­neren Prozentteil ausmachen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Der Klimabonus hat über 86 Millionen Euro in die Haushaltskassen im Bezirk Sankt Pölten – Stadt und Land – gespült, die zusätzliche Familienbeihilfe über 6 Millio­nen Euro für die Familien in Sankt Pölten, das blau-gelbe Schulstartgeld noch einmal 2,6 Millionen Euro für die Familien und die Erhöhung des Familien­bonus bringt noch einmal 16,9 Millionen Euro für die Eltern. (Zwischenruf der Bun­desrätin Grossmann.)

Ich glaube, das können Sie auch vorrechnen, egal in welcher Geschwindigkeit, Frau Präsidentin, denn – und das sage ich Ihnen auch – wenn Sie den Menschen einen guten Dienst erweisen möchten, dann machen Sie genau das und setzen nicht auf das, was in den letzten Wochen und Monaten passiert ist: dass Sie versuchen, die Gesellschaft in einer sowieso schwierigen Zeit nicht zuletzt mit den Gewerkschaftsdemos noch einmal zusätzlich zu spalten (Bundesrat Steiner: Das habt ihr zweieinhalb Jahre lang gemacht in der Coronazeit! Zweieinhalb Jahre lang!), zu versuchen, Unsicherheit, Neid, Angst und Verzweiflung zu schüren. Das geht nämlich so nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Was das Land braucht ist Zuversicht – und die können wir haben. Warum bin ich davon überzeugt? – Wir sind noch aus jeder Krise stärker hervorgegangen, als wir hineingegangen sind. Wir haben in diesem Land – egal unter welcher Regie­rung, egal zu welcher Zeit – noch alle Herausforderungen gemeistert, und das werden wir auch dieses Mal schaffen. Mit unseren Sofortmaßnahmen der letzten


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Monate und den langfristig wirksamen Maßnahmen schaffen wir nämlich genau dafür die Grundlage. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.59


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Günther Novak. – Herr Vizepräsident, ich erteile Ihnen das Wort.


20.59.17

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Werte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Vizepräsident! Boah! Jetzt bin ich wirklich beein­druckt. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Eines kann ich dir aber schon mit auf den Weg geben, Herr Kollege Krumböck: Wenn du es hier im Parlament nicht aushältst, dass wir Opposition betreiben, dann suche dir einen anderen Job, lieber Freund. Suche dir einen anderen Job! (Beifall bei der SPÖ.) Das muss ich dir bei dieser Gelegenheit schon einmal ganz klar und deutlich sagen. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Schennach: Der hofft eh auf den Landtag!)

Wenn die Zuversicht in diesem Land herrscht, die du so großartig gebracht hast, dann geh einmal hinaus in die Täler. Geh einmal hinaus in irgendeinen Betrieb, wo Lebensmittel verkauft werden, die 15, 20 und 30 Prozent teurer geworden sind. Geh einmal in ein Einfamilienhaus, wo Leute nicht mehr wissen, ob sie das Öl zahlen können oder den Strom zahlen können – zum Strom kommen wir ja noch. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Krumböck.) Geh einmal dort hin und erzähl nicht hier deine wunderbaren Weisheiten, mit denen du glaubst, jetzt die Welt zu verbessern. Man muss sich halt auch eingestehen, dass diese Regierung am Ende ist, weil sie bei den Menschen draußen im Land nicht ankommt. Das ist der Fall, lieber Freund. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Krumböck.) Das wirst du leider Gottes auch vertragen müssen. (Bundesrat Schennach: Das wird die Hanni auch merken!)


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Von deiner gesamten Rede hast du vielleicht 10 Sekunden dafür gebraucht, das darzustellen, worüber wir heute reden. Da sind wir ja auch dabei – wir sind dabei bei diesem Stromkostenzuschussgesetz. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Krumböck.) Natürlich werden wir dabei sein, aber wie lange hat es gedauert, bis wir dorthin gekommen sind, mit wie vielen Problemen war das Ganze behaf­tet? Natürlich, ich weiß schon, dass im Nationalrat der Kollege, der dafür zuständig ist, immer wieder versucht hat, seine Dinge und seine Gedanken mit hineinzu­brin­gen, aber schlussendlich ist es umgesetzt worden, und dafür sagen wir jetzt Danke. Danke sagen wir aber im Namen jener Leute, die das jetzt in Anspruch nehmen können. Das ist das Wichtigste, was bei diesem Gesetz herausgeschaut hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn du jetzt so großartig davon redest, was alles passiert ist mit dieser Regie­rung, dann glaube ich schon, dass ihr bei gewissen Dingen jämmerlich versagt habt – das muss man absolut sagen, denn diese Gutscheinpolitik und diese Einmal­zahlungen, die teilweise sogar in Ordnung sind, das kommt einmal ein paar Tage an, aber auf Dauer funktioniert es leider Gottes nicht, weil das sofort verbraucht wird (Bundesrätin Hahn: Und wer profitiert von den Gutscheinen, nicht? Sodexo profitiert gewaltig, die freuen sich!) –, dann ist dieses Gesetz zur Stromkostenzu­schussregelung ein gutes Gesetz. Ja, da bin ich hundertprozentig mit dabei.

Ich kann nur noch eines kritisieren – das steht mir oder uns auch zu –, nämlich dass das Ganze halt wieder als Gießkanne organisiert worden ist. Da gibt es Zweit- und Dritthaushalte, die damit auch gefördert werden, die hat man leider Gottes dabei nicht herausgebracht.

Eigentlich könnte ich jetzt gehen, aber ich habe trotzdem noch etwas aufge­schrieben, und auch du hast ja 90 Prozent deiner Rede für andere Dinge verwendet. Ich bin der Meinung und wir in der SPÖ sind der Meinung, dass dieser Stromkostenzuschuss nur dann Sinn hat, wenn wir auch über eine Gaspreisbremse reden, Frau Bundesministerin. Das werden Sie wahrscheinlich selbst auch so sehen. Ich rede gar nicht von einem Deckel, bei Weitem nicht, aber wenn ich jetzt die Meldungen lese, dass der Herr Bundeskanzler in Brüssel


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ist und dass den ganzen Tag bis jetzt noch keine Einigung erzielt worden ist – seiner Meinung nach sollten wir das Meritordersystem immer noch entflechten, so tendiert in Richtung iberische Situation, also in Spanien –, glaube ich, es wird dieser Tag wieder zu Ende gehen und es wird auch keine Einigung erzielt werden.

Es gibt so viele Dinge, die in den Köpfen dieser Leute herumschwirren. Frau Ministerin Edtstadler hat das heute schon einmal in einem anderen Bereich gesagt und auch in diesem Bereich festgestellt: Wenn die in Brüssel nicht in der Lage sind, das Ganze zu lösen, sind es wir in Österreich wahrscheinlich auf keinen Fall, weil wir nicht in der Lage sind, das Ganze zu finanzieren. Außer­dem ist im Budget auch nichts bereitgestellt worden, wenn wir versuchen, diese Dinge mit dem Gas zu lösen. (Bundesrat Schachner: Aber wer sitzt in Brüssel?)

Ich möchte nur noch eines sagen. Jetzt rede ich nämlich immer von euren Minis­tern, dem Wirtschaftskammerpräsidenten, der damals Wirtschaftsminister war, der klar und deutlich festgestellt hat: Wenn Österreich beim Gas nichts macht, wird es zu Abertausenden Arbeitslosen in Österreich kommen, denn wenn Deutsch­land diese Gaspreisbremse einführt und in der Lage ist, die Mega­watt­stunde unter 100 Euro zu drücken und wir bei 200 Euro bis 500 Euro liegen, dann haben wir ein Riesenproblem. (Bundesrat Schachner: Gute Nacht!) Daher müssen wir gemeinsame Lösungen finden, und wir hoffen, dass wir die in Brüssel auch finden werden.

Vielleicht noch einen Satz zum Schluss zu dem Problem, dass wir gesagt haben: Ölkessel raus! Ich habe das zu Hause auch gemacht, Gott sei Dank habe ich bei der Fernwärme anschließen können. Aber denkt einmal darüber nach, was jene sagen, die eine Pelletheizung eingebaut haben oder die versuchen, jetzt die Erdwärme heraufzubringen, die haben 200 Prozent oder 300 Prozent Kosten­steigerung.


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Danke noch einmal dafür, dass wir das zustande gebracht haben. Wir haben es gemeinsam zustande gebracht, wir werden da auch mitstimmen. Aber das Problem des Gases, das wird uns noch viele Sorgen bereiten. (Beifall bei der SPÖ.)

21.05


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Markus Steinmaurer. – Bitte, Herr Bundesrat.


21.05.18

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Ministerin! Herr Vizepräsident! Liebe Kollegen im Bundesrat! Seit Monaten sind die Menschen in unserem Land mit enormen Preissteigerungen bei Mieten, beim Tanken und beim Einkauf konfrontiert. Vor allem die massiven Preissteigerungen für Energie, Strom und Gas belasten unsere Bevölkerung in einem unvorstellbaren Ausmaß. Das Leben wird zunehmend unleistbar.

Umgehendes proaktives Handeln ist gefordert, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Regierung muss endlich proaktiv handeln, die Entlastung der Menschen in unserem Land darf nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verscho­ben werden! Jetzt gilt es, die massiven Teuerungen für unsere Bevölkerung abzufe­dern. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Als eine Maßnahme soll heute die Strompreisbremse beschlossen werden. Die Freiheitlichen werden dieser Vorlage auch zustimmen, wenngleich sie uns nicht weit genug geht. Die Stromkosten sollen pro Haushalt bis 2 900 Kilowatt­stun­den auf einen Preis von 10 Cent gedeckelt werden. Die 2 900 Kilowatt sollen laut Rechnung der Regierung etwa 80 Prozent des durchschnittlichen Verbrauchs eines Dreipersonenhaushaltes ausmachen.

Beim Umstieg auf nachhaltige, nicht fossile Heizsysteme haben sich viele Öster­reicherinnen und Österreicher für eine Wärmepumpe entschieden. Die soge­nannte Strompreisbremse sieht in der derzeit genannten Regelung aber keine finanzielle Erleichterung für Haushalte mit Wärmepumpen vor. Das ist meines


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Erachtens nicht akzeptabel und muss umgehend korrigiert werden, denn diese politisch angepriesene und geförderte Alternative zu fossilen und erneuerbaren Brennstoffen in der Wärmeerzeugung ist zwar effizient und somit klima­freund­lich, erfordert aber auch einen erheblichen Mehrbedarf an Strom. Der durch­schnittliche Stromverbrauch einer Wärmepumpe für einen Haushalt mit 160 Qua­dratmeter Wohnfläche liegt bei circa 4 300 Kilowattstunden. Dies würde nun bedeuten, dass Haushalte, die in eine Wärmepumpe investiert haben, nun mit ausufernden Kosten für das Heizen konfrontiert sind. Meine Damen und Herren, da gehen die Stromkosten für sehr viele Menschen in unserem Land ins Ufer­lose. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir fordern daher eine besondere Berücksichtigung für Wärmepumpen im Strom­kostenzuschussgesetz. Ich sehe hier ganz klar Sie, Frau Bundesministerin Gewessler, in der Verantwortung. Mit Ihrer Politik gefährden Sie die Versorgung und Standortsicherung in unserem Land.

Wir Freiheitliche fordern daher auch den sofortigen Entfall der CO2-Bepreisung. Unser Land zählt bereits jetzt zu den Ländern mit den höchsten Steuerlasten. Will man den Bürger in der derzeitigen Teuerungs- und Energiekrise entlasten, dann gilt es, die Finger von solchen utopischen Steuereinhebungen zu lassen.

Weiters muss die Entkoppelung des Strompreises vom Gaspreis ganz oben auf der Agenda stehen. Das Meritorderprinzip mag einmal eine sinnvolle Lenkungs­maßnahme gewesen sein, es hat aber in den Krisenzeiten keine Berechtigung mehr. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.08


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile ihm das Wort.



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21.09.07

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Minister! Zweifelsfrei ist es so, dass die Strom­preise für Haushalte mit geringem Einkommen nicht mehr zumutbar sind – jeden­falls bei Neuverträgen gilt das so, und irgendwann sind dann alle Verträge Neu­verträge.

Wobei ich einmal anmerken möchte, dass es in Österreich sehr große Unter­schiede gibt. Ich habe jetzt den Tarifkalkulator der E-Control bemüht – ich kann übrigens sehr empfehlen, den einmal zu konsultieren – und die Postleitzahl angegeben, wo ich wohne. Da ist das günstigste Angebot von den VKW mit 10 Cent pro Kilowattstunde, Neuvertrag. Der nächstgünstigste Anbieter ist der Verbund mit 40 Cent pro Kilowattstunde.

Es ist schon erstaunlich, wie es zu solchen Unterschieden kommt, wo sogar die Erzeugungscharakteristik ähnlich ist, also da dürfte es schon bei der Unter­nehmenspolitik beachtliche Unterschiede geben. Wenn man eine Wiener Post­leitzahl eingibt, ist das günstigste Angebot für einen Neuvertrag übrigens 33 Cent pro Kilowattstunde.

Unterstützungsmaßnahmen sind somit notwendig, das ist völlig zweifelsfrei, ich möchte aber anmerken, dass die vorliegende Maßnahme beim Strom ja nicht die erste war und ist. Ich erinnere zum Beispiel an die Aussetzung der Ökostrom­förderpauschale, an den Ökostromförderbeitrag. Ich erinnere an die massive Reduktion der Energieabgabe.

Gleich vorweg, bevor ich ein bisschen auf diese Strompreisbremse eingehe: Natürlich gehört dieses Problem an der Wurzel gepackt. Das ist zum einen der Ausbau der Erneuerbaren, das ist klar, da kommen wir beim nächsten Punkt noch einmal dazu, aber natürlich gehört auch eine Änderung des Preisbildungs­systems dazu. Das ist auch völlig unwidersprochen. Es kann nicht sein, dass die teuerste Kapazität, und das sind eben die Gaskraftwerke, in einer Krise, wenn ein Preis eskaliert, den gesamten Strompreis definiert. Das gehört geändert. Das


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geht nur auf europäischer Ebene, die Strompreisbildung ist halt europäisch. Die Arbeiten dazu laufen, da gibt es einmal einen Konsens, dass das geändert werden soll. Leider braucht das Zeit, und es ist nicht so einfach, 27 Staaten da unter einen Hut zu bringen. Natürlich hoffen wir und fordern wir alle, dass das so schnell wie nur irgendwie möglich geht, aber wir können nicht darauf warten, und deswegen gibt es die Stromkostenbremse.

Wichtig war dabei die Geschwindigkeit, wichtig ist es, den Betroffenen schnell zu helfen, und das heißt zugegebenermaßen auch, dass nicht jede Differenzie­rung, die an sich wünschenswert wäre – und die wir auch gerne gehabt hätten –, umsetzbar war. Da hat es Datenschutzprobleme gegeben oder gibt es nach wie vor, da gibt es Probleme mit der Datenverfügbarkeit, etwa um zu wissen, welche Geräte in den Haushalten angeschlossen sind: die Wärmepumpen, Warmwas­serbereitung et cetera et cetera. Das war leider alles so nicht da.

Die Konstruktion ist aber sehr gut geworden. Warum ist sie sehr gut? Der wich­tigste Punkt ist – das, finde ich, ist wirklich ein großer Meilenstein –, dass wir mit dieser Strompreisbremse de facto eine Grundversorgung für leistbaren Strom einführen. Das ist schon etwas, das haben wir uns viele, viele, viele Jahre lang gewünscht, und jetzt haben wir diese Grundversorgung tatsächlich realisiert. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Ein hoch angesetzter Verbrauch wie 2 900 Kilowattstunden wird in einem Korridor von 10 bis 40 Cent vollständig abgefangen. Das ist ein Betrag von 870 Euro pro Jahr und das ist je nach Tarif eine Dimension von der Hälfte der Stromkosten. Das ist schon etwas, finde ich.

Ein weiterer Punkt ist, die Preisbremse funktioniert automatisch. Das ist kein Antragsprinzip, die Stromversorger ziehen das bereits bei der Stromrechnung ab, und es wirkt sofort, nämlich bei der nächsten monatlichen Teilzahlung. Es bleibt aber, und auch das ist wichtig, ein Sparanreiz übrig, weil nämlich alles, was über die 2 900 Kilowattstunden großzügiger Grundbedarf und über die 40 Cent hinausgeht, weiterhin ganz normal bezahlt werden muss. Ohne jeglichen Zynis­mus: Natürlich braucht es auch diesen Anreiz, weil es ganz wichtig ist, den


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Stromverbrauch strukturell zu reduzieren, um ein für alle Mal dann auch die Kosten reduzieren zu können. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Übrigens gibt es dazu selbstverständlich eine ganze Reihe von sehr guten Förderungen.

Einkommensschwache Haushalte – gemäß EAG sind das alle Haushalte, die kei­nen Förderbeitrag leisten müssen, das sind mindestens 300 000 Haushalte, sprich etwa eine Million Menschen – erhalten darüber hinaus einen Netzkos­tenzuschuss von 200 Euro, und das sind dann in Summe für solche Haushalte mit wenig Geld 1 070 Euro im Jahr. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:in­nen der ÖVP.) Da kann man applaudieren, finde ich, und dieser Applaus ist nicht Selbstlob, sondern kommt wirklich aus Freude für die Menschen, die es auch tatsächlich brauchen.

Das reicht aber noch nicht. Es wird eine Stromkostenbremse plus für Haushalte mit mehreren Kindern geben. Das geht nur noch mittels Antragsprinzip, das wird jetzt auch schnell gestaltet werden.

Etwas ist mir auch noch wichtig: Die Stromkostenbremse wirkt vom Prinzip her bei geringen Einkommen (Bundesrätin Grimling: Welcher Zuschuss? Wovon spricht er?) über die Dinge, die ja für die geringen Einkommen sowieso schon gemacht werden, noch einmal viel stärker als bei Haushalten mit hohem Einkommen. Warum ist das so? Die Statistik Austria zeigt sehr schön auf, dass Haushalte mit einem hohen Einkommen im Schnitt 40 Prozent mehr Strom verbrauchen als Haushalte mit geringerem Einkommen. Das heißt nichts anderes, als dass Haus­halte mit geringem Einkommen von der Grundversorgung viel mehr und stärker profitieren als Haushalte mit hohem Einkommen. Und das soll so sein. (Beifall bei den Grünen.)

Die Strompreisbremse wirkt volkswirtschaftlich inflationsbremsend. Das war ein wichtiges Konstruktionsprinzip, da beim Konsumenten die niedrigeren Kosten ankommen und nicht nachher sozusagen eine Förderung ausgegeben wird. Sie ist mittelfristig angelegt, darauf kann man sich einmal verlassen, beginnend mit Dezember bis Mitte 2024. Natürlich ist es wichtig, es zu befristen, natürlich


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muss man in eineinhalb Jahren auch überprüfen, wie sich die Preissituation ent­wickelt hat – das kostet ja auch etwas. Das ist übrigens noch gar nicht gesagt worden: 3 bis 4 Milliarden Euro werden für diese Strompreisbremse ausgegeben, die direkt den Haushalten zugutekommt.

Also so blöd ist das nicht, und sie hilft auf jeden Fall ganz besonders denen, die es dringend brauchen. So soll es sein und wir freuen uns auf eine breite Zustim­mung. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.16


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist unsere Frau Bundesministerin Leonore Gewessler. – Bitte, Frau Bundesministerin.


21.17.01

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! Eventuell auch noch werte Zuseherinnen und Zuse­her, die diese Debatte hier heute noch mitverfolgen! Es ist ohne Zweifel – und das ist in allen Vorreden angeklungen und das beschäftigt uns schon seit vor dem Ausbruch des illegalen Krieges Russlands in der Ukraine – eine äußerst ange­spannte Situation. Es ist eine angespannte Situation in der Energieversorgung, wenn ein Land mit Gas gegen uns Krieg führt, Gas als Waffe einsetzt, es ist eine angespannte Situation für die Menschen in unserem Land, für die Wirtschaft in unserem Land, wenn Preise nach oben gehen, wenn Preise in einem ungeahnten krisenhaften Ausmaß nach oben gehen.

Wir können, aber das tun wir auch – und zwar seit vor diesem Krieg –, Symp­tome abfedern. Wir haben als Bundesregierung das erste Entlastungspaket noch vor dem Kriegsausbruch beschlossen; wir haben mittlerweile drei Pakete beschlossen. Wir haben jetzt mit der Stromkostenbremse oder wie es formell heißt – damit keine Verwirrung entsteht – dem Stromkostenzuschussgesetz eine Maßnahme auf den Weg gebracht, die noch einmal genau dort hinschaut, wo es gebraucht wird: Wenn ein hoher Gaspreis den Strompreis in eine Höhe drückt,


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der für die Menschen in unserem Land nicht mehr zu stemmen ist, dann gibt es jetzt hier eine Antwort, nämlich eine unkomplizierte, eine unbürokratische, ohne Antrag, die schnell wirkt, die mit der ersten Teilzahlung ab Dezember wirken kann. Und genau das braucht es jetzt und genau deswegen bitte ich Sie heute auch um breite Zustimmung zu dieser Maßnahme. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die Details hat Bundesrat Adi Gross schon ausgeführt, ich möchte trotzdem noch einmal auf zwei Dinge wirklich hinweisen. Uns war es wichtig, dass es rasch und unbürokratisch passiert. Rasche Hilfe und treffsichere Hilfe sind schlicht und ergreifend nur zu einem bestimmten Teil kompatibel umzusetzen, aber ich glaube, jeder hier im Saal wird unterstützen, dass gerade in einer Situation wie jetzt die Geschwindigkeit einfach ausschlaggebend ist. Deswegen war es wichtig, dass wir das am 1. Dezember 2022 umsetzen können.

Deswegen auch an dieser Stelle – ich habe es in jedem Ausschuss gemacht, im Nationalrat gemacht, ich mache es auch hier – ein Danke an die österreichische Energiewirtschaft, die hier Mitverantwortung übernimmt, die dieses System mitentwickelt hat, die konstruktiv mitgearbeitet hat, Vorschläge eingebracht hat und das ab 1. Dezember auch umsetzen wird, und zwar nicht nur bei der Jah­resabrechnung, sondern bei den Teilabrechnungen, damit das Geld auch schnell dort ankommt, wo es gebraucht wird, nämlich auf einer niedrigeren Strom­rech­nung. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Wir haben zwei weitere Maßnahmen eingebaut. Eine steht insbesondere im Zusammenhang mit der Erhöhung der Treffsicherheit, da besonders einkom­mens­schwache Haushalte – das sind die, die von der Erneuerbaren-Förderpau­schale und dem Erneuerbaren-Förderbeitrag befreit sind – zusätzlich zum Strom­kos­tenzuschuss einen Netzkostenzuschuss erhalten (Bundesrat Schennach: Wobei man nicht weiß, wer die Agentur ist!), und die zweite betrifft Haushalte, in denen mehr als drei Personen hauptgemeldet sind – Sie wissen, wir haben es für 80 Prozent des Durchschnittsverbrauchs eines Dreipersonenhaushalts berech­net –: Diese werden in einem zweiten Schritt neben dem Grundkontingent ein


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Zusatzkontingent erhalten können. Damit wird auch der höhere Verbrauch von größeren Haushalten berücksichtigt.

Uns war wie gesagt wichtig, schnell, unbürokratisch, inflationssenkend zu agie­ren. All das leistet diese Maßnahme, deswegen ein Dankeschön im Voraus für Ihre Unterstützung für dieses Projekt. (Beifall der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

Ich möchte noch kurz ein Thema anschneiden, das auch in den Reden vielfach angesprochen wurde. Sie wissen, es trifft sich momentan wahrscheinlich kein Rat auf Brüsseler Ebene so oft wie der Rat der Energieminister. Ich war letzte Woche bei einem Energieminister:innenrat, ich werde auch nächste Woche wie­der bei einem Energieminister:innenrat sein. Wir können – und auch das habe ich schon gesagt, haben andere Redner schon gesagt – in Österreich die Aus­wir­kungen abfedern, wir können aber nicht an die Ursache des Problems gehen, die Strompreisbildung. Das System der Strompreisbildung ist ein euro­päisches, der Strommarkt ist ein europäischer, der Gasmarkt ist ein europäischer, und des­wegen müssen diese Lösungen auch auf europäischer Ebene passieren. Genau dafür braucht es auch den starken Einsatz Österreichs, genau dafür war ich letzte Woche dort und werde auch nächste Woche wieder hinfahren.

Wir haben in Europa und in Österreich viele Krisen gemeistert, und wir arbeiten daran, dass wir auch diese bestmöglich meistern. Es sind außergewöhnlich herausfordernde Zeiten, aber Schritt für Schritt, Maßnahme für Maßnahme, Reform für Reform – von Direktzahlungen bis hin zu Strukturreformen, die seit 30 Jah­ren auf der Tagesordnung stehen und jetzt beschlossen werden, wie eine Valorisierung der Sozialleistungen –, werden wir uns aus dieser Krise heraus­ar­beiten. – Gelingen wird uns das gemeinsam, und deswegen ein herzliches Danke für Ihre Unterstützung für diese Maßnahmen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.22 21.22.32


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.


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Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Haben alle die Plätze eingenommen? – Jawohl.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

21.23.1323. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird (2828/A und 1728 d.B. sowie 11079/BR d.B. und 11096/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 23. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber. – Frau Bun­desrätin, bitte.


21.23.35

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber: Ich bringe den Bericht des Wirt­schaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geän­dert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenein­helligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und


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2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Vizepräsident Günther Novak: Zu Wort gemeldet ist Frau Ing. Isabella Kaltenegger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


21.24.19

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich spreche sehr gern zu diesem Tagesordnungspunkt, da es hier um Verbesserung und Effizienz geht, genauer gesagt um die Erleichterungen bei den Fotovoltaikförderungen, vor allem bei den kleineren Anlagen, und dazu braucht es entsprechende Anpassungen im EAG.

Worum geht es konkret? Ab Anfang 2023 sollen für kleine Fotovoltaikanlagen zwischen 10 kW und 20 kW auch diese Erleichterungen bei der Antragstellung geschaffen werden, und zwar weil sie in diese Kategorie fallen, die vor allem Privatpersonen und Privathaushalte betreffen – das andere Antragssystem ist ja doch etwas komplexer. Und wie auch schon bei den Anlagen bis zu 10 kW sollen nun auch für Anträge bei einem Investitionszuschuss bis 20 kW fixe Fördersätze pro Kilowatt Peak festgelegt werden.

Ich werde so oft gefragt, wie das dann wirklich funktioniert (Bundesrat Schennach: Von wem?), denn wenn man nur einmal damit zu tun hat, dann scheint das natür­lich etwas kompliziert, daher möchte ich drei Sätze darüber verlieren. Früher war es so, dass es nur einmal einen Call gegeben hat, jetzt gibt es vier Termine im Jahr, ab denen man Anträge für Investitionsförderung stellen kann. Danach bekommt man ein Ticket, dann hat man eine Woche Zeit, seine Angaben zu vervollständigen, und dann erfährt man, ob die Reihung ausreicht, dass man auch wirklich zum Zug kommt und die Förderung bekommt; ansonsten müsste man beim nächsten Termin wieder einreichen. Für die größeren Anlagen ist die Einreichung etwas komplexer, aber darauf möchte ich nicht eingehen, da die


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Betroffenen ja sowieso meistens einen Planer haben, der sie vollständig darüber aufklärt.

Eine weitere Änderung ist aber eine Verlängerung der Inbetriebnahmefristen bis zu zwei Jahre. Das ist sehr wichtig, weil es verschiedene Faktoren sehr schwierig gemacht haben, die Inbetriebnahmezeiträume auch tatsächlich einzuhalten. Das waren natürlich auch die durch die Coronapandemie und auch die Ukrainekrise bedingten Lieferengpässe und Lieferverzögerungen, aber auch der Facharbeiter­mangel und –zum Schluss etwas Positives – ein wirklicher Ansturm auf die Foto­voltaikanlagen, denn viele wollten das auch schnell umsetzen. Nach Auskunft der Oemag waren es bis nach dem dritten Call 200 000 Anträge, und 150 000 wurden auch vervollständigt. In den Vorjahren waren es im Vergleich in etwa 20 000 Anträge.

Die hohen Strom- und Gaspreise haben die Menschen natürlich auch dazu bewo­gen, hier umzudenken und ihren Beitrag zu leisten. Deshalb möchte ich auch wirklich jedem Einzelnen, der sich dafür entschieden hat, eine Fotovoltaik­anlage zu bauen, Danke sagen, denn er oder sie sind ein Teil dieser Energiewende. (Präsidentin Schumann übernimmt den Vorsitz.)

Hundertprozentig Strom aus erneuerbaren Energien bis 2030 ist unser sehr hoch gestecktes Ziel, aber ich hoffe, wir werden das mit diesen Systemen erreichen. Deshalb ist es mir ganz wichtig, dass wir auch entbürokratisieren, denn es ist wirklich unnötig, Unmut zu schaffen, wenn diese Anträge sehr kompliziert sind, daher bitte ich Sie auch um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.27


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. – Bitte, Herr Bundesrat.



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21.28.00

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Frau Bundes­minis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kaltenegger hat im Grunde genom­men ja schon alles gesagt, ich wollte eigentlich nur kurz aus der Praxis erzählen, weil es bei uns, in unserer Gemeinde einige Bewerber – wieder von den Klei­nen – gegeben hat, die versucht haben, in diesen drei Calls weiterzu­kommen. Die eine Bewerberin hat einmal damit begonnen, dass sie 10 kW Peak eingegeben hat und nicht drangekommen ist, das passierte erst, als sie 9,99 eingegeben hat. Das hatte wahrscheinlich damit zu tun. So wurde das von den Fachleuten erklärt.

Wie auch immer, drei Calls hat es gegeben, und gestern zu Mittag war der vierte. Bei diesen drei Calls mit 10 kW Peak gab es 110 000 Anträge für 256 Millionen Euro; den vierten habe ich nicht mit einberechnet. Davon wurden 140 Millionen Euro bedient, das waren zu diesem Zeitpunkt 40 Prozent. Was heißt das? – Im Grunde genommen versucht jetzt wirklich jeder, in diese Richtung etwas zu tun, genauso wie ich und meine Freunde, die 10 kW auf ihr Dach raufbringen wollen, vielleicht noch einen Speicher dazu für ein Auto, damit das elektrobetriebene Auto untertags angesteckt werden kann. Wenn schönes Wetter ist ohne Speicher, mit Speicher dann am Abend. Da geht der Weg hundertprozentig in die richtige Richtung, und es ist auch gut so, dass das Ganze von neun Monaten auf zwei Jahre verlängert worden ist.

Es ist im Leben halt so: Wenn man mit etwas beginnt, dann verbessert man das mit Verordnungen in weiterer Hinsicht. Wir werden dem ja auch zustimmen.

Immer wenn jemand – Kollegin Kaltenegger hat das auch gesagt – Effizienz sagt, kommt mir irgendwie das Energieeffizienzgesetz in den Kopf, das ich bei dieser Gelegenheit nur kurz streifen möchte. (Bundesrat Schennach: Urgieren!) Vielleicht sagt die Frau Bundesministerin auch dazu etwas, weil es ja doch über 600 Tage ausständig ist. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, Frau Bundesministerin, ich habe das Gefühl, dass ihr das abgetauscht habt.


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Wenn ich mir das jetzt so vorstelle, heißt energieeffizient, dass man irgend­je­manden zu irgendetwas verpflichtet, nicht nur die private Gesellschaft, die Menschen draußen, sondern natürlich auch die Firmen, die großen Firmen, dass sie etwas tun müssen, was ihnen so gar nicht behagt. Auf der anderen Seite sagen sich aber die Grünen: Wenn wir beim Energieeffizienzgesetz nicht alle unsere Forderungen durchbringen, ist es auch nicht gescheit! – Das ist irgendwie abgedealt worden.

In der Zeitung ist gestanden, dass das wahrscheinlich auch dafür gereicht hat, dass Sie Ihre 5 Milliarden Euro für Ihr Budget bekommen haben oder halt mehr dabei herausverhandelt haben.

Wie auch immer, es ist so, aber ich denke doch, es wäre notwendig, dass dieses freiwillige Ziel dieser 15-Prozent-Senkung der Gasnachfrage auf EU-Ebene womöglich irgendwann einmal verpflichtend wäre und dass man das dort mit hineinverpacken könnte.

Vielleicht zum Abschluss noch ein letzter Satz: Kann man neben der Stromkos­tenbremse, die wir ja jetzt beschlossen haben, nicht unter Umständen auch eine Gaskostenbremse machen? Ich rede von kleinen Betrieben. Ich rede jetzt nicht von der großen Industrie, sondern ich rede von kleinen Betrieben, von jenen, die in Wien zu Hause sind – mehrere Hunderttausend Wohnungen –, die jetzt Preise in Anspruch nehmen müssen, die sie unter Umständen in Zukunft nicht mehr stemmen können.

Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.32


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bernard. – Bitte, Herr Bundesrat.


21.32.20

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­si­dentin! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kollegen des Bundesrates! Sehr


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geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Vorweg: Wir werden dieser Änderung im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz die Zustimmung erteilen, da es um die Verlängerung der Fristen zur Fertigstellung von Foto­voltaikanlagen geht.

Den Branchenverband Photovoltaic Austria erreichten in den letzten Monaten zahlreiche Hilferufe von Privatpersonen und Unternehmen, dass aufgrund von nicht planbaren Lieferzeiten die Errichtungsfristen für die Förderung nicht eingehalten werden konnten. Unzählige bereits zugesagte Förderanträge waren und wären ohne diese Änderung gefährdet.

Auch die Errichtungsfrist für PV-Anlagen bis zu 20 Kilowatt Peak wurde zweimal um neun Monate verlängert. Diese Änderung muss nach unserer Meinung auch rückwirkend für bereits eingereichte Projekte gültig sein, die in letzter Zeit abgelaufen sind.

Wichtig ist für uns Freiheitliche die Entbürokratisierung auch für Anlagen bis 20 Kilowatt Peak. Angepasst werden soll weiters auch die Förderung in Katego­rie B. Auch in dieser Kategorie sollte es zukünftig einen fixen Fördersatz anstelle des umgekehrten Bieterverfahrens geben. Dieses Anlagensegment trifft vor allem Anlagen im privaten Bereich, wo die derzeitige Fördervergabe schlichtweg zu aufwendig ist. Diese Regelung sollte unserer Meinung nach ab dem kommen­den Förderjahr 2023 gelten.

Was wir Freiheitliche aber massiv fordern und die Regierung gemeinsam mit den Netzbetreibern sofort umsetzen müsste, ist der Bereich, wo wir echte, ernst­hafte Probleme haben, und die lauten: Wie entwickeln sich die Netze und wann werden diese ausgebaut? Klar ist, dass diese Netze derzeit die anfälligste Position in Österreich sind. Wir wissen, dass wir von 365 Tagen im Jahr mittler­weile an 301 Tagen Energie aus anderen Ländern zuschießen müssen, damit wir den Netzausgleich stabilisieren. Stellen Sie sich vor, das geht einen Tag daneben; stellen Sie sich vor, dass das einmal nicht funktioniert, dann haben wir ein ver­itables Energieversorgungsproblem in Österreich!


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Daher müssen wir dafür sorgen, dass diese Investitionen in den Netzausbau getätigt werden. Das sind aber nicht wenige. Austrian Power Grid spricht von 18 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren, die in diese Netze und in die Netzstabilisierung investiert werden müssen. Es nützt nichts, alternative Energien zu entwickeln und den Strom über Fotovoltaik, Windenergie oder sonstige Energieträger zu produzieren, wenn wir ihn nicht über die Netze leiten können.

Ein weiterer Punkt ist: Von vielen privaten Stromproduzenten bekommen wir immer wieder die Meldung, dass die erzeugte Strommenge derzeit von den regionalen Energieversorgern nicht mehr abgenommen werden will. Daher wäre es wichtig, die Netzbetreiber an den Verhandlungstisch zu holen und gemeinsam die gesetzlichen Rahmenbedingungen so zu formulieren, dass gewährleistet ist, dass die produzierte Energie, egal von wem sie produziert wird, innerhalb einer Frist von den Energieversorgern übernommen werden muss und es zum Beispiel auch nicht mehr vorkommen kann, mehrere Monate auf die Zuweisung einer Zählpunktnummer zu warten oder fixfertig gebaute übernommene Anlagen nicht ans Netz gehen können.

Die letzten Monate zeigen der österreichischen Bevölkerung und der heimischen Wirtschaft, die ebenfalls massiv und nachhaltig durch die schadenden Sanktio­nen, gepaart mit einer unverantwortlichen Klimapolitik der Europäischen Union, dem sogenannten Green Deal, drastisch betroffen ist, welche Versorgungs­risi­ken, Abhängigkeiten und damit negative Auswirkungen damit einhergehen. Es zeigt, wie schnell und massiv eine Rohstoffabhängigkeit und mangelnde Versor­gungssicherheit zur wirtschaftlichen Instabilität führen und die gesellschaftliche Lage bedrohlich werden kann.

Auch die Abhängigkeit Europas von China gelangt angesichts der Spannungen zwischen China und Taiwan immer mehr in den Mittelpunkt. Die Folgen einer Sanktionierung Chinas durch den Westen wären fatal. Käme es zum Krieg um die von China beanspruchte Insel, dann wird in Europa bald kein einziges Auto


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mehr vom Band rollen. Die derzeit forcierte Ohne-Wenn-und-Aber-Energie­politik würde eine Vollbremsung hinlegen.

Der Bedarf nach mineralischen Rohstoffen wird zukünftig weiter steigen, und es sind daher bald entschlossene Maßnahmen erforderlich, um Engpässe bei mehreren Materialien zu vermeiden, bei denen die Gefahr besteht, dass diese am Ende dieses Jahrzehnts weltweit knapp werden. Laut einer Studie könnte Europa um 2030 aufgrund globaler Versorgungsengpässe bei fünf Metallen, insbeson­dere bei Lithium, Kobalt, Nickel, seltenen Erden und Kupfer Probleme bekom­men. Die Nachfrage nach Primärmetallen in der EU wird um 2040 ihren Höhepunkt erreichen.

Diese Rohstoffe sind aber unter anderem für den Bau von Batterien, Windkraft- und Solaranlagen essenziell. Windenergie benötigt zum Beispiel 300 bis 600 Kilogramm seltene Erden, die stecken etwa im Permanentmagneten eines Generators einer 3-Megawatt-Anlage. Der Ausbau der Windkraft auf die gemäß dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz 10 Terawattstunden benötigt in Summe den Einsatz von 2 000 Tonnen seltener Erden. Fotovoltaik: Silizium für die Zellgläser, Halbmetalle, zum Beispiel Gallium, Indium für leitende Dünnschichten.

Die Abhängigkeiten Österreichs haben sich insbesondere mit der Einführung der grünen Technologien stark erhöht. Bereits 2004 wurden im Auftrag der Euro­päischen Kommission die Versorgungsprobleme der europäischen Wirtschaft mit mineralischen Rohstoffen untersucht. Dabei wurde die gefährliche Abhängigkeit bei wichtigen Industriemetallen, die etwa für die Herstellung von Elektroauto­batterien, Windrädern, Fotovoltaikanlagen oder elektronischen Bauteilen gebraucht werden, früh erkannt. Wie so oft ist aber halt nichts geschehen.

Die 27 EU-Mitgliedstaaten besitzen bei der Herstellung von E-Auto-Batterien kaum eigene Wertschöpfungsanteile. Bei der E-Mobilität sitzt China am Steuerrad der Wirtschaft. Bei wichtigen Rohstoffen wie Kobalt, Lithium, Mangan, Grafit und Rhodium besteht eine Rohstoffabhängigkeit von China von 32 Prozent. Verarbeitete Bauteile und Komponenten bezieht die EU zu je


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52 Prozent auch aus dem Reich der Mitte und zu 31 Prozent aus Japan. Der Wertschöpfungsanteil von elektronischen Komponenten und verarbeiteten Materialien liegt in der EU nur bei rund 9 Prozent. In der Herstellung und im Zusammenbau besitzt die EU so gut wie keine Produktionskapazitäten. Batterie­zellen werden zu 66 Prozent aus China, zu 13 Prozent aus den USA und zu 13 Prozent aus anderen Teilen Asiens und der Welt bezogen. Laut Prognosen wird sich der Bedarf von Rohstoffen für die Batterieherstellung bis 2050 jedenfalls verdoppeln.

Auch bei Windrädern, auf die die grüne Klimaministerin Leonore Gewessler derzeit so stark setzt, bestehen massive Abhängigkeiten – bei Komponenten sind es zum Beispiel 56 Prozent, bei verarbeiteten Rohstoffen 41 Prozent, bei Rohstoffen 54 Prozent von China.

Am massivsten ist die Abhängigkeit Österreichs von China allerdings im Bereich der Solar- und Fotovoltaikanlagen: Rohstoffe: 53 Prozent; verarbeitete Materia­lien: 50 Prozent; Herstellung von Bauteilen und Komponenten: 89 Prozent; und Endfertigung: 70 Prozent.

Während es in Deutschland bereits ein zentrales Kompetenzzentrum für die Roh­stoffversorger in Form der Deutschen Rohstoffagentur Dera gibt, fehlt es in Öster­reich weiterhin an geeigneten Strukturen und der Einrichtung für ein strategi­sches Rohstoffmanagement im Sinne der Versorgungssicherheit für die nächsten Jahre.

Wir Freiheitliche sind für Rohstoffpolitik mit Hausverstand. Aufgrund dessen haben wir bereits im Nationalrat einen Antrag für ein zentrales Kompetenz­zentrum für ein strategisches Rohstoffmanagement, ähnlich der Deutschen Rohstoffagentur Dera, im Sinne einer nahhaltigen Rohstoffversorgung in Österreich eine Reduktion der Abhängigkeit Österreichs vorzunehmen, gestellt, welches für die Umsetzung der Pläne laut Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz unumgänglich wäre. Leider ist es natürlich aber wieder von der SPÖ, von der ÖVP und von den Grünen abgelehnt worden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.41



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Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Adi Gross. –Bitte, Herr Bundesrat.


21.41.20

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Ja, das gefällt Kollegen Bernard nicht, dass die Grünen die Energieministerin stellen. (Bundesrat Schreuder: Tja, so ist das in der Demokratie!) Jedenfalls bin ich aber sehr froh darüber. Ich bin schon lang genug im Klimaschutz tätig, und annähernd so viel wie jetzt ist in der Geschichte Österreichs niemals passiert. (Beifall bei den Grünen.)

Dass der Ausbau der Fotovoltaik boomt, ist schlichtweg eine Untertreibung. Es gibt einen unglaublichen Run. Die Branche ist de facto überhaupt nicht mehr in der Lage, das Nachgefragte auf die Dächer zu bekommen. Wir haben es gehört, inzwischen sind bei der PV drei Calls abgeschlossen, jeweils circa 35 000 Anträge mit jeweils rund 350 Kilowatt, das macht in Summe für die schon genannten 100 000 vollständigen Anträge rund 1 000 Megawatt Leistung. Ein bisschen umrechnen, dann sieht man: Allein das, was in den drei Calls bei den kleinen Anlagen vollständig abgewickelt wurde, bedeutet Strom für 250 000 Haushalte. Das ist schon etwas. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Sie haben sicher gelesen, im gestern gestarteten Call gab es nach 5 Minuten 20 000 Anträge. Das System funktioniert auf jeden Fall; dass es nicht zusam­men­gebrochen ist, ist fast ein Wunder. Was zeigt das? – Es zeigt zum einen, das EAG ist ein Erfolg. Das EAG ist wirklich ein guter Rechtsrahmen, der funktioniert. Und es zeigt zweitens etwas ganz besonders Wichtiges, dass nämlich Abertausende von Bürgerinnen und Bürgern bereit sind, zu investieren. Sie sind bereit, einen Bei­trag zur Energiewende zu leisten, und ihnen gebührt eigentlich der größte Dank.

Nicht verschwiegen werden soll, dass diese enorme Nachfrage zu Schwierig­keiten in der Abwicklung, in der Umsetzung führt. Die Förderabwicklungsstelle


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war phasenweise schlicht nicht mehr in der Lage, derart viele Anträge in einer, ich sage einmal, befriedigenden Frist abzuarbeiten. Das hat teils zu beträcht­lichen Verzögerungen bei den Förderzusagen geführt. Ich denke, da muss man ein gewisses Verständnis aufbringen. Die Oemag ist jedenfalls intensiv dabei, das zu verbessern.

Die Händler sind am Limit. Sie sind massiv unterbesetzt, suchen händeringend Fachkräfte. Auch das ist natürlich ein Prozess, der doch ein bisschen Zeit braucht.

Über die Schwierigkeiten bei der Lieferkette inklusive Preiserhöhungen haben wir schon gehört, aber das ist immerhin einmal etwas, das definitiv außerhalb unseres eigenen unmittelbaren Wirkungsbereiches ist. Das führt immer wieder einmal da und dort zu Unmut. Ich verstehe das, werde auch immer wieder mit solchen Mails konfrontiert. Andererseits bitte ich dann halt einfach auch die Betroffenen, zu sehen, wie da insgesamt die Post abgeht. Wir haben in Öster­reich noch nie so einen Ausbauboom gesehen, und das führt jedenfalls in der Übergangsphase natürlich auch ein bisschen zu einer Überforderung.

Der nächste Call kommt aber ganz bestimmt. So gesehen kann man sich darauf verlassen, wir haben mit dem EAG eine zehnjährige Zuverlässigkeit und eine garantierte Finanzierung. Man muss sich also nicht davor fürchten, dass man nicht zum Zug kommt.

Die Änderungen wiederhole ich jetzt nicht noch einmal, nur einen Punkt, der noch nicht erwähnt wurde: Es gibt eine Verordnungsermächtigung an die Ministerin, die Abläufe anders gestalten zu können. Man könnte jetzt also zum Beispiel hergehen und gerade für die kleinen Anlagen, für die Privaten das so gestalten, dass sie die Anlage bestellen können und den Förderantrag nachher einreichen können. Solche Dinge werden jetzt ermöglicht, und man wird darüber nachdenken, was man das für dieses Gros der Anträge noch einfacher machen kann.


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Ich möchte aber schon noch einmal ganz kurz den größeren Zusammenhang betonen. (Bundesrat Schennach: Ja, unbedingt!) Gerade in Zeiten einer fossilen Energiekrise, der Klimakrise sowieso, die leider in der Debatte ein bisschen untergeht, sieht man, wie wichtig es ist, das Ziel definiert zu haben, 100 Prozent Ökostrom bis 2030 bereitzustellen. Der Ökostromausbau – das ist vielleicht nicht allen so bewusst – schafft nämlich gleichzeitig auch Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern. Wir brauchen weniger Gas in der Stromproduktion. Jede Wärmepumpe, die installiert wird, ersetzt Gas oder Öl. Jedes Elektroauto ersetzt Benzin oder Diesel. Jede Wasserstoffanlage in einem Industriebetrieb ersetzt ebenfalls Öl, Gas oder Kohle. Das ist wirklich ganz wichtig. Über die Schiene Ökostrom reduzieren wir also auch die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern in ganz anderen Bereichen, im Wärmebereich, im Prozessenergiebereich.

Etwas, das auch nicht unwichtig ist und uns sicher alle, in dem Fall die Betrof­fenen, freut: In Phasen, in denen die Strompreise so hoch sind, ist es schlicht und einfach betriebswirtschaftlich ziemlich schlau, eine Fotovoltaikanlage zu errich­ten. Milchmädchenrechnung: Bei einer kleineren Anlage kostet die Kilowatt­stunde produzierter Strom, sage ich jetzt einmal, etwas in der Dimension von 10 Cent. Ich habe vorhin erzählt, wenn man einen Stromneuvertrag abschließt, zahlt man schnell einmal 40 Cent. Da braucht man gar nicht Mathematik studiert zu haben, um zu sehen, was da los ist und dass eine Fotovoltaikanlage einen massiven Beitrag zur Entlastung der Stromkosten zu Hause leisten kann. (Bundesrat Schennach: Nur gibt es keine derzeit im Handel!) Das ist auch mit ein Grund für diesen Boom.

Erwähnen möchte ich noch kurz, dass vor zwei Wochen die Marktprämienver­ordnung in Kraft getreten ist, über die – bleiben wir bei der PV – heuer noch einmal 700 Megawatt Fotovoltaik ausgeschrieben werden. Das sind schon Dimensionen, die ich mir selber vor wenigen Jahren noch gar nicht hätte träu­men lassen.

Trotzdem ist noch viel zu tun. Bis zu 100 Prozent Ökostrom ist noch ein Stück des Weges, und das erfordert ein aktives Mittun, vor allem der Länder und


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Gemeinden. Da dürfen wir uns als Bundesrätinnen und Bundesräte an der Nase nehmen, denn ohne Erleichterungen in den Bauordnungen, ohne Akte für Ausweisung von Eignungszonen für Wind-, aber auch Fotovoltaikfreifläche wird es nicht klappen. Da sind einige Bundesländer noch nicht so weit – also anpacken! Das klappt, wenn alle mittun, die Bürger:innen sind bereit dazu. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.48


Präsidentin Korinna Schumann: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundes­ministerin Leonore Gewessler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesminis­terin.


21.48.52

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bundesrates! Auch ich beginne heute mit einem Dank. Ich beginne mit einem Dank an die wirklich unzähligen Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, die dem Aufruf gefolgt sind, die die Initiative ergriffen haben, die sich überlegt haben, eine Fotovoltaikanlage für ihr Haus zu bauen. Wir haben einen absoluten Rekord an Anträgen, an gebauten Fotovoltaikanlagen. Wir werden 2022 einen Allzeit­rekord im Ausbau der Fotovoltaik in diesem Land haben, und dafür sage ich schlicht und ergreifend zu Beginn dieser Rede ein großes Danke an alle, die sich daran beteiligen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Frau Bundesrätin Kaltenegger hat vorhin auf unsere Ziele referenziert. Wir haben uns vorgenommen, 2030 decken wir unseren Stromverbrauch zu 100 Pro­zent aus erneuerbaren Energien. (Bundesrat Spanring: Sehr realistisch! Das ist eine klare Lüge! Das ist unmöglich!) Was wir in diesem Jahr an Fotovoltaik zubauen, ist über dem Pfad, den wir für dieses Ziel beschreiten. Wenn wir so weitermachen – und ich habe nichts anderes vor, als genau so weiterzumachen –, schaffen wir dieses Ziel 2030. (Bundesrat Spanring: Wenn wir so weitermachen, haben wir ein Blackout!)


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Genau darum geht es, denn jede einzelne Fotovoltaikanlage ist ein Beitrag, jedes einzelne Windrad ist ein Beitrag, jede getauschte Heizung, jede Elektrolyse, all das sind Beiträge, damit wir uns aus einer ungesunden Abhängigkeit begeben, nämlich aus einer ungesunden Abhängigkeit von russischen Energieimporten, von fossilen Energieimporten aus autokratischen Ländern. Denken wir nur an unsere Benzin- und Dieselversorgung, da sind wir übrigens zu 90 Prozent abhän­gig! Jede einzelne Anlage ist ein Beitrag zu dieser Unabhängigkeit, und deswe­gen sind das wirklich sehr, sehr gute Nachrichten. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Es ist ein absoluter Rekord, und in Zahlen heißt das: Wir haben von 2019 – also dem Jahr vor dem Amtsantritt dieser Bundesregierung oder meinem Amtsantritt als Ministerin – auf 2022 die Zahl in Bezug auf den Ausbau der Fotovoltaik versechsfacht. Wir haben von 2021 auf 2022, nur im letzten Jahr, in Bezug auf den Ausbau verdoppelt. Das heißt, das ist großartig, aber das ist ohne Zweifel – Herr Bundesrat Gross ist schon darauf eingegangen – auch eine absolute Her­aus­forderung für die Abwicklung, und zwar für alle Beteiligten im gesamten System.

Deswegen auch an dieser Stelle ein großes Danke an die unzähligen Installa­teure, Installateurinnen, Technikerinnen, Techniker, Energieberater:innen und alle, die unterstützen, dass wir diesen enormen Boom gut abwickeln, nicht zuletzt in der Oemag, in der Abwicklungsstelle für die Förderungen. Da schlackern ob der Geschwindigkeit der Energiewende, die gerade Fahrt aufnimmt, gerade viele mit den Ohren, aber wir arbeiten sehr eng mit der Oemag, mit der Abwicklungsstelle zusammen, damit wir die Serviceorientierung weiter verbes­sern, damit wir all den Bedarf, den es gibt, auch abdecken können.

Insofern auch ein großes Danke an die Initiative des Parlaments, die hier auch – sie sind vielfach erwähnt, ich wiederhole sie jetzt nicht – Verbesserungen und Erleichterungen in der Abwicklung der Förderung vorsieht. Wir reagieren auf die geänderten Umstände. Wir machen es gerade für die privaten Anlagen leichter, damit wir diesen Boom auch in der weiteren Zukunft genauso aufrechterhalten können. Ich habe auch immer gesagt, wenn das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz


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fertig ist – und wir sehen, es wirkt –, dann beginnt die Arbeit, dann beginnt die Arbeit vor allem auch auf der Landesebene.

Ich weiß es, ich erwähne es bei jeder Gelegenheit, ich erwähne es auch hier wieder in der Länderkammer: Wir brauchen Flächen. Jedes Windrad, jede Fotovoltaikanlage steht irgendwo. Wir brauchen Bauordnungen, die das unter­stützen, wir müssen die Flaschenhälse, die wir noch haben, aus dem System kriegen, denn die Menschen in unserem Land wollen einfach, dass es funktio­niert, dass wir sie gut dabei unterstützen. Das wird gelingen, wenn auch hier wieder alle Ebenen zusammenhelfen. Auf der Bundesebene helfen Sie jetzt mit, dass es noch einfacher wird, und damit machen wir einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Energiewende und vor allem in Richtung Energie­unabhängigkeit. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.53


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Raggl. – Bitte, Herr Bundesrat.


21.53.33

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Zum Inhalt, zu den kleinen, aber sehr wichtigen Abänderungen im Gesetz, ist, glaube ich, schon sehr vieles gesagt worden. Ich möchte aber auch die Gelegenheit der Anwesenheit unserer Frau Bundesminis­terin nutzen, um doch auch eigene Gedanken zum Thema Fotovoltaikausbau einzubringen.

Ich bin selber schon seit zehn Jahren Besitzer von einer 12-Kilowattstunden-Peak-Anlage. Ich muss sagen, das war eine meiner besten Investitionen. Ich war da schon ein bissl Vorreiter. Übers Jahr gesehen produziere ich mit dieser Anlage, die nicht stinkt und keinen Lärm macht und nichts tut, wesentlich mehr Strom, als ich selber verbrauchen kann, und das macht ein sehr gutes Gefühl.


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Sie sagen jetzt, wir haben super Zahlen, das ist extrem wichtig und extrem gut. Ich sage aber auch, dass wir diese Zahlen mit Förderungen alleine nicht erreichen hätten können. Es ist einfach momentan natürlich das Verständnis der Leute da, auch eine Riesenangst, was passiert: Haben wir noch genug Energie? Das Ziel ist einfach, jeder möchte am liebsten sein eigenes Kraftwerk auf dem Dach haben. Das ist sehr gut und Gott sei Dank hat es da ein massives Umdenken gegeben. Wir können uns durchaus auch in gewisser Weise selber helfen.

Es ist schon angesprochen worden: Natürlich muss auch die Netzinfrastruktur passen. Ich weiß es auch aus meinem Heimatbundesland Tirol. Da ist ein Finan­zierungsbedarf von 2 Milliarden Euro gegeben, ansonsten werden wir auch einen Kollaps erleben. Ich weiß, dass auch deswegen gerade die Landesenergiever­sorger nicht ganz die euphorischen Befürworter von so vielen Einzelanlagen sind.

Sie haben es jetzt auch angesprochen, wir brauchen Flächen. Das ist natürlich klar, aber ich möchte als Landwirtschaftsvertreter doch auch ein bisschen eine Warnung mitgeben, wenn man so leicht sagt: Ja, wir haben eh genug Flächen zur Verfügung und da bauen wir jetzt wie so vieles in die grüne Landwirtschafts­fläche auch Fotovoltaikanlagen hinein! – Wir müssen dabei sehr aufpassen, dass wir zwar vielleicht ein bisschen weniger Abhängigkeit im Bereich Energie haben, uns aber durch das Verbauen von wertvollen landwirtschaftlichen Flächen zugleich wieder in eine neue Abhängigkeit begeben, weil wir nicht mehr aus­reichend landwirtschaftliche Produktionsflächen haben. Da müssen wir sehr, sehr aufpassen, und da warne ich sehr davor, dass wir nicht zu neuen Abhängig­keiten kommen.

Wir in Tirol haben eine ganz aktuelle PV-Studie bekommen. Es gibt nach dieser Studie in Tirol genug Flächen, die wir nutzen können, ohne dass wir hochwertige landwirtschaftliche Flächen beanspruchen müssen. Unser Weg ist es, einmal zuerst alles, was möglich ist, aufs Dach zu setzen. Wenn die Dächer nicht aus­reichen, nehmen wir einmal all unsere Parkplätze her. Wir haben in Tirol alleine


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3 400 Großparkplätze mit einer Gesamtfläche von nicht weniger als 5,6 Millio­nen Quadratmeter. Diese Parkflächen alleine, die man mit Fotovoltaikanlagen bestücken kann, würden eine Stromproduktion für 81 000 Haushalte garan­tie­ren.

In Tirol haben wir nur 13 Prozent der Landesfläche als Dauersiedlungsraum zur Verfügung, und da muss sich alles abspielen. Da muss sich die ganze Siedlungs­ent­wicklung abspielen, da muss sich die landwirtschaftliche Produktion abspie­len, da müssen sich die ganzen Verkehrsinfrastrukturen abspielen. Wir haben das Bewusstsein, wir dürfen nicht mehr in Freiflächen gehen und wir müssen Park­plätze, Industrieflächen, Verkehrsflächen, Lärmschutzwände, stillgelegte Depo­nieflächen, minderwertige land- und forstwirtschaftliche Flächen nutzen, um die notwendige Energie über Fotovoltaik zu erzeugen.

Das würde ich Ihnen auch mitgeben, liebe Frau Bundesminister, dass wir das auch in anderen Bundesländern machen. Sie haben irgendwie die Draufsicht, dass wir das nicht außer Acht lassen, weil wir uns sonst, wie wir gesagt haben, in neue Abhängigkeiten begeben, die wir uns alle nicht wünschen. – So weit zu diesem Thema.

Ich darf jetzt im Anschluss an meinen Kollegen Sebastian Kolland auch noch eine Durchsage in eigener Sache machen. Auch ich darf mich mit der heutigen Sit­zung aus dem Bundesrat verabschieden. Ich durfte mit euch allen – eigentlich mit sehr wechselnden Gesichtern, wenn ich ehrlich bin – viereinhalb Jahre im Bun­desrat zusammenarbeiten. Die Arbeit hat mir mit allen von euch sehr viel Freude gemacht. Ich möchte die Zeit nie missen.

Ich habe auch noch die besondere Auszeichnung gehabt, dass ich auch eine Präsidentschaft führen durfte. Ich muss wirklich sagen und ehrlich eingestehen, das ist, glaube ich, für jeden, der diese Präsidentschaft schon einmal geführt hat, eine große Auszeichnung, dass man dieses Haus, aber auch den Bundesrat nach außen repräsentieren kann. Das sind unvergessliche Momente, die mir sicher mein Leben lang in Erinnerung bleiben werden.


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Wir haben gerade in unserer Fraktion einen extremen Wechsel. Ich bin nach viereinhalb Jahren – ich habe es mir einmal ausgerechnet – sicher im dienst­äl­te­ren letzten Fünftel. Es ist schon sehr spannend, welche Dynamik wir im Bun­desrat haben.

Ich bedanke mich bei allen Bundesräten für die gute Zusammenarbeit, für die zum größten Teil kameradschaftliche Zusammenarbeit, insbesondere natürlich bei meiner eigenen Fraktion.

Ich habe in diesen, glaube ich, viereinhalb Jahren auf dem Wiener Parlaments­parkett Freundschaften gefunden. Ich werde sehr daran arbeiten, dass mir diese Freundschaften nicht aufgrund des Ausscheidens verloren gehen.

Ich möchte mich insbesondere aber auch bei den Parlamentsmitarbeitern bedan­ken und, weil du, Frau Direktor Susanne, da sitzt, ganz besonders auch bei dir. Du hast mich in meiner Präsidentschaft zu jeder Tages- und Nachtzeit mit Rat und Tat unterstützt. Unverzichtbar! (Allgemeine Heiterkeit.) – Ja, das war halt, als wir in London irgendwann in der Nacht noch miteinander unterwegs waren. (Heiterkeit des Redners. – Bundesrat Schreuder: So entstehen Gerüchte!) Vielen, vielen Dank an alle.

Ich wünsche dem Bundesrat, aber auch jedem Einzelnen von euch alles Gute. Ich hoffe, dass der Bundesrat auch weiterhin seiner Aufgabe sehr positiv nachkom­men kann und im Sinne einer positiven Entwicklung unseres schönen Heimat­lan­des auch sehr vieles mitgestalten kann. – Danke vielmals. (Anhaltender allge­mei­ner Beifall.)

22.01


Präsidentin Korinna Schumann: Herr Bundesratspräsident außer Dienst Peter Raggl, vielen Dank für Ihre wertschätzenden Worte und alles, alles Gute für Ihre Zukunft! (Allgemeiner Beifall.)

Wir fahren in der Debatte fort.


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Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer. – Bitte, Herr Bundesrat.


22.02.05

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Kollegen im Bundesrat! Rund ein Viertel des öster­reichischen Solarstroms kommt aus Oberösterreich. Der PV-Ausbau auf Dächern hat dabei für uns höchste Priorität. Gemäß der oberösterreichischen Fotovol­taikstrategie soll bis 2030 die Stromerzeugung aus Fotovoltaik auf 3 500 Giga­wattstunden verzehnfacht werden. Aus unserer Sicht sollen prioritär der Foto­voltaikausbau auf Dächern und die Nutzung von verbauten oder belasteten Bereichen wie Parkplätzen oder Verkehrsrandflächen vorangetrieben werden.

Neben der Errichtung von PV-Anlagen ist uns aber auch die Netzentwicklung – und da vor allem die Netzstabilisierung – ein wichtiges Anliegen. Es muss sicher­gestellt sein, dass private Stromerzeuger auch in die regionalen Netze einspeisen können. Da, denke ich, gibt es noch Aufholbedarf. Ein Blackout wäre fatal für die Wirtschaft, aber auch für die privaten Haushalte. Wir in Oberöster­reich forcie­ren durch die Energie AG den Netzausbau.

Um die Speicherung von Strom zu gewährleisten, sind zwei Pumpspeicher­kraftwerke in Ebensee und Molln in Planung beziehungsweise in Bau. Die Verhandlungen mit den Grundbesitzern sind äußerst schwierig. Da appellieren wir an die Unterstützung der Ministerin. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

22.03 22.03.45


Präsidentin Korinna Schumann: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.


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Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

22.05.1224. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Meldegesetz 1991 geändert wird (1525 d.B. und 1707 d.B. sowie 11077/BR d.B. und 11089/BR d.B.)



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Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zum 24. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Ich bitte um den Bericht.


22.05.29

Berichterstatter Silvester Gfrerer: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Meldegesetz 1991 geändert wird.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. – Bitte, Herr Bundesrat.


22.06.08

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Werte Kollegen! Vor allem verehrte Zuschauer, die Sie uns vielleicht noch vor den Bildschirmen folgen! Wenn Sie heute den Tag über bei uns dabei waren, dann geht es Ihnen jetzt wahrscheinlich wie mir. Das ist jetzt kein Teil des Debattenbeitrags, aber ich weiß wirklich nicht mehr, ob ich Manderl oder Weiberl bin.

Gerade vorhin hat uns eine Ministerin erklärt, sie weiß seit Wochen, dass sie die Vertretung vom Herrn Innenminister ist, und jetzt sind Sie (in Richtung Bundes­ministerin Gewessler) da. Eigentlich hätten wir auch erwartet, dass Sie heute kommen, weil Sie uns als Ministerin auch angekündigt worden sind. Frau Minister Edtstadler hat mich gerade noch belächelt, dass ich anscheinend nicht richtig lesen könne, weil ja eigentlich sie die Stellvertreterin ist. Jetzt vertreten aber Sie. Also wird sie jetzt wahrscheinlich nicht mehr kommen, oder kommt noch Herr Karner? (Beifall bei der FPÖ.)


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Es ist wirklich erbärmlich, wie diese Bundesregierung uns von dieser Seite aus ständig belügt, vor allem die ÖVP, und immer auch noch diese Täter-Opfer-Umkehr schafft, also das, was sie heute ja auch probiert hat, wenn sie sagt, dass wir anscheinend nicht richtig lesen können. Wir wissen jetzt zumindest am Schluss dieser Debatte und beim letzten Tagesordnungspunkt: Doch, wir können richtig lesen; wir werden von dieser Bundesregierung nur immer für deppert verkauft.

Da sind wir auch schon beim Meldegesetz und bei der Änderung des Melde­gesetzes. Wenn man sich diese Änderung ansieht, dann kommt man wirklich nur mehr zum Schluss, dass es eigentlich abartig ist, was in diesem Hohen Haus oft passiert, wie hier Politik für Österreich – aber eigentlich nicht für Österreich – gemacht wird und wie die Prioritäten dabei liegen.

Da wird wieder einmal der linke Versuch gestartet – da ist die ÖVP leider Gottes etwas verhaftet –, sogar die biologische Evolution gesetzlich abzuändern, weil man halt in dieser grünen Blase mit der Realität nicht richtig umgehen kann und auch nicht wahrhaben will, dass es halt einmal zwei Geschlechter gibt. Da braucht es dann mehr, und deswegen braucht es auch eine gesetzliche Ände­rung, denn ja, natürlich gibt es die biologische Ausnahme der Intergeschlecht­lichkeit, welche leider 0,0019 Prozent der österreichischen Bevölkerung betrifft. Das will man aber zur Norm umformen und damit ein Problem lösen, das es in der Realität nicht gibt.

Das ist ja bezeichnend für diese Chaospartie, die wir als Bundesregierung haben oder die sich Bundesregierung schimpft. Es ist aber symptomatisch für die linke Ideologie in diesem Haus, dass sich eine Vereinigung aller vier Parteien gefunden hat, die Probleme löst, die es in der Realität nicht gibt, um damit Probleme zu schaffen, die wir sonst nicht hätten. Nichts anderes ist es nämlich, wenn man jetzt sechs Geschlechtsbezeichnungen implementiert, weil wir hier einzig und allein diese LGBTIQ-Klientelpolitik machen.


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Wenn Sie einmal Bürgermeister wären, liebe Grüne, wüssten Sie, welchen Aufwand die Verwaltungsbehörden sowieso schon haben, und jetzt kommt das noch dazu. Das bedeutet einen immensen Mehraufwand hinsichtlich der Überprüfungen. Gleichzeitig werden wesentliche Bereiche vollkommen ausge­klammert, werden Bereiche der Wehrpflicht, Bereiche des Passgesetzes überhaupt nicht behandelt.

Das sind aber scheinbar die Probleme, die Österreich jetzt hat. Also ich kann Ihnen sagen – und ich bin viel bei den Menschen draußen –: Diese Menschen haben wahrlich andere Probleme, als Sie sie haben. Das ist aber halt der Ausfluss der realitätsfremden Wahrnehmungsstörungen, an denen Sie leiden. (Beifall bei Bundesrät:innen der FPÖ.) Da ist es mittlerweile fast schon lustig, dass die ÖVP jeden Tag und beinahe stündlich auf diese Multikultigendergrün:innen hereinfällt.

Auch mit den restlichen Linken gibt es halt eine Geschichte: Ihr werdet wirklich am schwarzen Nasenring durch die Manege geführt und seid auf einmal bei jeder Geschichte dabei. Da gibt es, genauso wie im Ausschuss, keinen Mucks zu der wesentlichen Änderung, sondern da werden dann Nebenerscheinungen dieses Gesetzes, wie die Konkretisierung der Daten, die an die gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften weitergeleitet werden müssen, thematisiert, nicht aber die Änderungen im Kern.

Da frage ich mich wirklich: Wo sind denn die Werte einer ÖVP geblieben, die sich irgendwann einmal stolz eine christlich-soziale Familienpartei genannt hat? (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Habt ihr jetzt die letzten Reste eurer DNA über Bord geworfen? Ihr hängt anscheinend nur mehr an der Leine dieser Grün:innen, und dass die mit gesellschaftlichen Wertvorstellungen nichts anfangen können, ist uns ja eh bekannt. (Beifall bei der FPÖ.)

Das werdet ihr aber irgendwann euren eigenen Leuten erklären müssen, weil auch die das Verständnis dafür schon lange verloren haben. Das soll nicht unser Problem sein. Wir werden dieser Gesetzesänderung natürlich keinesfalls unsere


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Zustimmung geben, schon allein aus dem Grund nicht, dass diese Geset­zes­änderung nicht für die Menschen bestimmt ist (Bundesrat Schreuder: Was sind die? Sind das keine Menschen, oder was?), die tatsächlich diese biologische Ausnahme bilden, sondern weil sie ausschließlich einer ideologisch verkorksten Geisteshaltung geschuldet ist und da in vielen Bereichen der Versuch gestartet wird, die verwaltungstechnische Büchse der Pandora zu öffnen. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Also die Ideologie ist eher bei dir!)

In Richtung ÖVP kann ich nur sagen: Bei uns in Kärnten gibt es einen guten Spruch: Wer für alles offen ist, ist meistens nicht ganz dicht! (Beifall bei der FPÖ.)

22.12


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Schwarz-Fuchs. – Bitte, Frau Bundesrätin.


22.12.53

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Galerie und liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Kollege Ofner von der FPÖ, ich sage jetzt nur einen Satz zu Ihren Ausführungen: Auch das ist Demokratie – höchstgerichtliche Vorgaben sind vom Parlament einfach zu respektieren (Bundesrat Ofner: Macht ihr ja sonst auch immer ...!) und deshalb stimmen wir heute auch über dieses Gesetz ab.

Gemäß dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, vom 15. Juni 2018 bereits, steht intersexuellen Menschen das Recht auf eine adäquate Bezeich­nung im Personenstandsregister zu. (Ruf bei der FPÖ: Verrückt!) Demnach sollen intersexu­elle Menschen, deren biologisches Geschlecht nicht eindeutig männlich oder weiblich ist, das Recht auf eine ihrem Geschlecht entsprechende Eintra­gung im Personenstandsregister und in Urkunden haben.


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Konkret geht es um nachweisbare Varianten der Geschlechtsentwicklung, die sich durch eine atypische Entwicklung des chromosomalen, anatomischen oder hormonellen Geschlechts kennzeichnen, und explizit nicht um Transidentität. Es geht also um jemanden, der genetisch oder anatomisch beziehungsweise hor­monell eindeutig einem anderen Geschlecht zugewiesen ist, sich dadurch aber falsch oder unzureichend beschrieben fühlt.

Zudem geht es um Fälle, in denen Meldepflichtige ein von einer ausländischen Behörde ausgestelltes Reisedokument vorlegen, welches beim Geschlecht den Eintrag X enthält, denn in vielen Ländern steht dann einfach ein X im Pass drinnen.

Durch die vorliegende Anpassung des Meldegesetzes wird sichergestellt, dass zusätzliche Varianten bei der Geschlechtsbezeichnung auch auf dem Meldezettel abbildbar sind. Bestimmte Dokumente im Bereich des Meldewesens, also Melde­zettel, Wohnsitzerklärung und Hauptwohnsitzbestätigung, weisen derzeit nur die Kategorien männlich und weiblich auf und müssen daher geändert werden, um der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu entsprechen.

Es sollen hinkünftig neben männlich und weiblich folgende zusätzliche Varianten der Geschlechtsbezeichnung auf den Formularen abgebildet werden: divers, inter, offen und keine Angabe. Das Feld keine Angabe wurde nun auch noch hinzugefügt, da es eine Tatsache sei, dass es – wenn auch sehr wenige – Men­schen gibt, die keine Angabe zu ihrem Geschlecht machen können.

Da der Meldezettel für verschiedene Vorgänge wie beispielsweise die Einbe­rufung zum Bundesheer maßgeblich ist, sind diese Änderungen beziehungsweise Anpassungen auf dem Meldezettel in der Praxis unabdingbar. Die derzeitige Regelung zur Einberufung würde unpraktikabel, da für die Einberufung auf die Daten auf dem Meldezettel zurückgegriffen wird.

Eine Änderung der Geschlechtsbezeichnung auf dem Meldezettel ist möglich, allerdings nur, wenn die Änderung des Geschlechts beim Standesamt, basierend


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auf einem fachmedizinischen Gutachten, eingetragen wird. Wer sein Geschlecht ohne vorherige Meldung beim Standesamt in den Meldezettel eintragen lässt, begeht eine strafbare Handlung.

Es geht aber bei dieser Gesetzesänderung nicht nur um die Einführung von zusätzlichen Varianten bei der Geschlechtsbezeichnung, sondern es geht neben der Konkretisierung der Daten, welche an gesetzlich anerkannte Kirchen oder Religionsgemeinschaften übermittelt werden, auch um die Einführung von sonstigen Namen im Bereich des Meldewesens. Diese Änderung ist wichtig, damit Namensbestandteile fremdländischen Ursprungs nicht verloren gehen. Das Namensrecht, das heißt, wer welche Namen trägt, hängt von der jeweiligen Staatsbürgerschaft ab. In manchen Ländern gehört beispielsweise der Name des Vaters als Bestandteil des Namens dazu.

Die gegenständliche Abänderung des Meldegesetzes dient, wie bereits erwähnt, was die zusätzlichen Varianten bei der Geschlechtsbezeichnung angeht, der Umsetzung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und daher auch der Schaffung von Rechtssicherheit. Auch die anderen Teile dieser Gesetzesän­derung machen Sinn. Ich werde daher der vorliegenden Gesetzesvorlage meine Zustimmung erteilen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

22.17


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger – Bitte, Herr Bundesrat.


22.17.54

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätzter Zuhörer! Ja, einer hält durch. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Jetzt ist er weg!) Für mich und die SPÖ ist es selbst­verständlich, dass wir einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr 2018 folgen und mit dieser Gesetzesänderung das Meldegesetz in die heutige Zeit bringen. Kollegin Schwarz-Fuchs hat das ja treffend, perfekt, lücken­los erklärt. Ich erspare mir jetzt die Ausführungen zur Gesetzesänderung


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(Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Sehr schön! Sehr nett!), darf aber ganz kurz noch Grundsätzliches ausführen.

Ich glaube, wir sind uns ja alle einig, dass die Verfassung den rechtlichen Boden, also die Grundfeste unseres Staatsgefüges, bildet. Sie ist ein hohes Gut, das wir zu jeder Zeit verteidigen und bewahren müssen. Es mag schon sein, dass einem ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes gefällt oder nicht gefällt. Fakt ist aber, dass wir als Parlamentarier solche Entscheidungen, solche Urteile zu respektieren und zu akzeptieren haben. So einfach ist das, liebe FPÖ! Ihr seid leider im Mittelalter stecken geblieben.

Der Vorwurf, Kollege Ofner, dass es sich hierbei um eine ideologiegetriebene Novelle handle, geht völlig ins Leere. Es ist eure antiquierte Haltung, die ideologiegetrieben ist. Wir stimmen zu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Schwarz-Fuchs und Schreuder.)

22.19


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte.


22.19.53

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn mich von den Kolleginnen und Kollegen aus Tirol verabschieden, auch wenn manche nicht da sind! Wir haben ja auch eine Tiroler Präsidentschaft erlebt, und für mich als Wiener war das tatsächlich ein großes Erlebnis. Also die Aufmärsche der Tiroler da draußen (erheitert): Das habe ich in Wien wirklich noch nie erlebt. Da habt ihr mir wirklich ein Erlebnis beschert. (Bundesrat Schennach: Du musst halt nach Tirol auf Urlaub kommen! Dann erlebst du das ständig!) – Ich fahre gerne nach Tirol, kein Problem.


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Auf jeden Fall danke für die gute Zusammenarbeit! Ich wünsche euch für die Zeit nach dem Bundesrat, auch für die vielen spannenden Aufgaben, die auf euch warten, alles erdenklich Gute! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Für mich bedeuten viele der Gesetze, die wir heute beschlossen haben, einen Tag der Freude. Das Zwischenergebnis im Match zwischen dem Wiener Sport-Club und der Austria bedeutet für mich auch gerade einen Moment der Freude, aber auch dieses Gesetz bedeutet für mich einen Moment der Freude. Ich möchte daran erinnern, dass Kim de l’Horizon, der Gewinner des Deutschen Buchpreises 2022, in dieser Woche gesagt hat: „Ich denke, die Jury“ – nämlich die Jury des Deutschen Buchpreises 2022 – „hat [...] ein Zeichen gegen Hass, für Liebe, für den Kampf aller Menschen, die wegen ihres Körpers unterdrückt werden“, gesetzt.

Kim de l’Horizon definiert sich selbst als nicht binär, und das ist nicht binär, aber nicht abartig, Herr Kollege Ofner. Das Wort Abartigkeit gegenüber sexuellen Minderheiten ist in diesem Haus einfach nicht akzeptabel. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Auf einem Erkenntnis des österreichischen Verfassungsgerichtshofes – das wurde schon gesagt – basiert, dass wir jetzt das Meldegesetz ändern. Wir voll­ziehen etwas, das schon längst beschlossen wurde, nämlich das Personen­standsgesetz. Es wäre ja auch irgendwie absurd, wenn die Meldezettel andere Geschlechtsbezeichnungen hätten, als es dem Personenstandsgesetz entspricht. Das würde keinen Sinn ergeben.

Der österreichische Verfassungsgerichtshof folgt mit seinem Erkenntnis vom 15. Juni 2018 auch einem Spruch des Europäischen Gerichtshofes für Men­schenrechte, weil dieser bereits 2003 – in diesem Fall ging es um Transidenti­tät – ausgesprochen hat, dass die selbstbestimmte Wahl der Geschlechts­identität ein fundamentales Menschenrecht ist.


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Im Dezember 2018 bestätigte der Verwaltungsgerichtshof übrigens ein Erkennt­nis des oberösterreichischen Landesverwaltungsgerichts. Auch da wurde wie bereits davor vom Verfassungsgerichtshof geurteilt, dass der begehrte Perso­nen­standseintrag, in diesem Fall zum Beispiel inter, ausdrücklich zulässig sei. Dies gilt für intergeschlechtliche Personen. Für Transgendermenschen oder Non-Binary-Personen stehen die anderen Personenstandseinträge offen. Deswegen sind sie ja drinnen.

Diese Liste an Personenstandseinträgen kam zustande, weil das VfGH-Urteil sich wiederum auf die Liste der Bioethikkommission – das ist eine unabhängige Stelle im Bundeskanzleramt – beruft. Diese hat genau das vorgeschlagen, und das Ganze, sowohl der Text der Bioethikkommission als auch das Urteil des Verfas­sungsgerichtshofes, kam übrigens zustande, als der Innenminister Herbert Kickl hieß. Damals trat das in Kraft, meine Damen und Herren. Seit 2020 gibt es auch einen Erlass, der das verdeutlicht, und jetzt ändern wir es auch, spät, aber doch. Wir ziehen ja bei den Meldezetteln nur nach.

Meine Damen und Herren, solche Dinge – und das ist mir schon wichtig zu betonen – nehmen niemandem etwas weg! Man kann ja nach wie vor, wenn man das möchte, männlich oder weiblich sein, und das wird eine riesige Mehrheit von Menschen auch sein. Das wissen ja die Intersexuellen, die Transgender­per­so­nen und die Non-Binarys auch. Es wird eine riesige Mehrheit von Menschen geben, die nach wie vor einfach männlich oder weiblich sein wollen, und das ist in Ordnung. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja! Sehen Sie? Es wird niemandem etwas weggenommen! (Beifall der Bundesrät:innen Kittl und Raggl.)

Für diese Menschen aber, für Transgendermenschen, nicht binäre Menschen und intersexuelle Menschen, und auch für deren Angehörige – das halte ich auch für wichtig, sie haben ja auch ein Netzwerk – ist dieses kleine Stück Anerken­nung ihrer Identität enorm wichtig. Es kostet nichts, es nimmt niemandem etwas weg, und es ist keine Frage der politischen Ideologie, sondern es ist einfach nur eine Frage der Menschlichkeit. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)


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Glauben Sie mir, Herr Kollege Ofner – Sie haben gesagt: als ob wir keine anderen Probleme hätten! –: Auch LGBTIQ-Personen haben andere Probleme, und vielleicht ist dieses nicht das Wichtigste. Es kostet aber nichts, es ist eine Kleinigkeit, und man erkennt sie an. So einfach ist das. Es ist eine Existenz­bejahung, und das ist ja nicht nichts.

Vielleicht darf ich zum Schluss für so eine Art Poesiealbum des Bundesrates noch einmal zitieren, was Kim de l’Horizon nach der Auszeichnung mit dem Deutschen Buchpreis 2022 sagte, und zwar diesen einen Satz: „Ich glaube, Empathie ist magisch, ist für alles möglich.“ (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

22.26


Präsidentin Korinna Schumann: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Josef Ofner zu Wort gemeldet. – Bitte.


22.26.26

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Ich habe es ja bereits gesagt: Es ist symp­tomatisch für diese Bundesregierung, dass hier immer unwahre Aussagen getroffen werden. Herr Kollege Schreuder - - (Bundesrat Buchmann: Das ist zwar keine tatsächliche Berichtigung ...!) – Doch! Warte ein bisschen, dann hörst du es schon. (Bundesrat Buchmann: Na, es gibt halt Spielregeln! Ist es eine tatsächliche Berichtigung oder ist es keine?)

Kollege Schreuder hat hier behauptet, ich hätte gesagt, dass Intersexualität abar­tig sei. – Das ist falsch. Ich habe gesagt, dass die Arbeit dieser Regierung und die Politik, die diese Regierung, diese Regierungsparteien machen, abartig sind, und dazu stehe ich auch. (Beifall bei der FPÖ.)

22.27


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. – Bitte, Herr Bundesrat.



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22.27.10

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Keine Sorge! Es wird überhaupt nicht schlimm. Als Tiroler ist es mir aber schon ein Anliegen. Immerhin verlassen uns vier Tiroler. Es werden natürlich vier neue Tiroler kommen, aber es verlassen uns vier Tiroler.

Peter, unser ehemaliger Präsident, verlässt uns. – Ich wünsche dir für deinen privaten und beruflichen Weg – in Zukunft nicht ganz außerhalb der Politik, aber doch nicht mehr so nahe dran – persönlich alles, alles Gute, viel Gesundheit! Auch für deine Familie alles Gute und viel Gesundheit!

Auch Sebastian Kolland verlässt den Bundesrat. Er verlässt die Politik nicht ganz. – Ich wünsche dir für deine neue Aufgabe, die, glaube ich, nicht ganz ohne sein wird, alles, alles Gute! Auch die Ziele, die du dir vorgenommen hast, sind nicht ohne. Also viel Kraft und Durchsetzungsvermögen! Wir werden uns ja noch öfters über den Weg laufen.

Elisabeth ist nicht da. Ihr wünsche ich persönlich und privat auch alles, alles Gute!

Auch Kollegen Zaggl von der SPÖ, jetzt fraktionslos, wünsche ich persönlich alles, alles Gute und viel Gesundheit!

Und: Als Tiroler ist es mir schon noch ein Anliegen, Herr Kollege Schreuder, dass die Tiroler bei der Amtsübernahme des Tiroler Präsidenten in Wien nicht auf­mar­schiert sind. Das war ein landesüblicher Empfang! (Heiterkeit des Bundesrates Schreuder.) Den gibt es nur in Tirol. Das war kein Aufmarsch, sondern ein lan­desüblicher Empfang, der nur hohen Amtsträgern zuteilwird. Das gibt es nur in Tirol, und darauf sind wir sehr, sehr stolz. Das ist kein Aufmarsch – merken Sie sich das! –, sondern ein landesüblicher Empfang und wunderwunderschön.


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Also all jenen, die gehen, alles, alles Gute, und an jene, die sich zu früh gefreut haben: Vielleicht sieht man sich wieder einmal, vielleicht komme ich wieder einmal. Ich weiß es noch nicht. Pfiat enk daweil! (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

22.29


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bader. – Bitte, Herr Bundesrat.


22.29.31

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, nichts in unserem Leben ist so fix wie die Veränderung, und daher bringt jede Landtags­wahl auch hier im Bundesrat Veränderung. Das ist die Folge davon, dass bei den konstituierenden Sitzungen der Landtage auch die Mitglieder des Bundesrates gewählt werden.

Ich darf als Fraktionsobmann der Volkspartei auch Danke sagen. Bei uns sind es drei – eine Kollegin und zwei Kollegen –, die aus dem Amt ausscheiden und in ihrem Leben neue Herausforderungen und Veränderungen haben werden.

Lieber Herr Präsident außer Dienst, lieber Peter, alles Gute und danke für die gute und wertschätzende Zusammenarbeit! Ich freue mich natürlich auf viele weitere, gute Begegnungen.

Auch dir, Sebastian, alles, alles Gute, vor allem viel Kraft und Freude für die neuen Herausforderungen! Kollege Steiner hat gesagt, du verlässt die Politik nicht ganz. Du verlässt die Politik überhaupt nicht, sondern du wirst in einer anderen Funktion weiterwirken.

Auch Elisabeth Mattersberger, die momentan persönlich mit dem Ableben ihrer Mutter beschäftigt ist und damit vor einer besonderen Herausforderung steht,


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daher heute auch entschuldigt ist, alles Gute! Auch dem Kollegen Zaggl! Dem Kollegen Steiner werden wir wieder begegnen.

In diesem Sinn: Danke, ein herzliches Glückauf und alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

22.31 22.31.09


Präsidentin Korinna Schumann: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

22.31.34Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Präsidentin Korinna Schumann: Es liegt mir ein schriftliches Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich des Tages­ordnungspunktes 22 zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt. (Bundesrat Schennach: Ist ja nur ein Punkt!)

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr diesen Teil des Amtlichen Protokolls.

„TO-Punkt 22: [...]

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag,


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keinen Einspruch zu erheben,

wird einstimmig angenommen.“

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teils des Amtlichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Das Amtliche Protokoll gilt daher hinsichtlich dieses Tagesordnungspunkts 22 gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

Einlauf und Zuweisung


Präsidentin Korinna Schumann: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 15 Anfragen, 4038/J-BR/2022 bis 4052/J-BR/2022, eingebracht wurden.

Eingelangt ist der Entschließungsantrag 359/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Markus Steinmaurer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nichtbesteuerung von Überstunden-Zuschläge“, der dem Finanzausschuss zugewiesen wird.

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Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Mittwoch, der 30. November 2022, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Montag, den 28. November 2022, 14 Uhr, vorgesehen.


BundesratStenographisches Protokoll946. Sitzung, 946. Sitzung des Bundesrats vom 20. Oktober 2022 / Seite 428

Die Sitzung ist geschlossen. – Noch einen schönen Abend und eine gute Heimfahrt! (Allgemeiner Beifall.)

22.33.19Schluss der Sitzung: 22.33 Uhr

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