Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 100. Sitzung / Seite 110

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

österreichische Politik insgesamt. Darum bitte ich Sie, Herr Bundesminister, hier und heute klare Worte zu finden. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Grünen.)

15.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer Stellungnahme zum Thema dieser Anfragebesprechung hat sich Herr Bundesminister Mag. Haupt zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Minister.

15.14

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Anfrage der Frau Kollegin Stoisits betreffend die österreichischen Opfer der NS-Militärjustiz, deren Beantwortung das heutige Diskussionsthema ist, ist nicht die einzige Anfrage zu diesem Thema. Sie, Frau Kollegin Stoisits, haben am 4. April, wenn ich das richtig im Kopf habe, eine weitere Anfrage zum gleichen Thema an mich gerichtet, sodass ich mich doch auch frage, warum man im Mittelstadium zwischen einer Anfragebeantwortung, die bereits erfolgt ist, und einer nachfolgenden Anfragebeantwortung, die innerhalb der nächsten Monate zu erledigen ist, diese Zwischenstufe einschaltet.

Sie, Frau Kollegin Stoisits, und ich wissen, dass dieses Thema bereits 1999, wie Sie das richtigerweise erwähnt haben, in einer Vier-Parteien-Entschließung vom österreichischen Nationalrat mehrheitlich einer Erledigung zugeführt worden ist. Von dieser Vier-Parteien-Entschließung ist, wie Sie das übrigens auch der Anfragebeantwortung des Kollegen Dr. Böhmdorfer entnehmen können, die darin verlangte wissenschaftliche Evaluierung dieses schwierigen und strittigen Themas der Zeitgeschichte leider noch immer offen.

Als Verwaltungsorgan dieses Staates bin ich gezwungen – und das wissen auch Sie, Frau Abgeordnete, noch dazu als Juristin –, Ihnen in einer Anfragebeantwortung den derzeitigen Rechtsstatus und das Gesetz, so wie es derzeit in meinem Hause in einer mehrere Jahrzehnte währenden Tradition, nämlich seit 1956, gemäß der damaligen Beschlussfassung der Opfergesetze gehandhabt wird, in entsprechender Form zu erläutern.

Aus meiner Sicht ist es unzulässig, wenn man die derzeitige Rechtspraxis, den gegenwärtigen Rechtsstatus und das jetzt geltende Gesetz interpretiert, die eigene Meinung zur Grundlage zu nehmen und es so zu einer Angelegenheit der persönlichen Meinung des Bundesministers zu machen.

Frau Kollegin Stoisits, Sie und die Mehrheit des Hohen Hauses wissen, dass ich seit Jahren und, wie ich meine, durchaus auch im Einvernehmen mit den meisten Anwesenden meine Fraktion im Nationalfonds Österreichs vertreten habe und nunmehr auch als Bundesminister für Soziales und Generationen meinen Sitz im Nationalfonds einnehme, um Entschädigungslösungen für die anspruchsberechtigten Gruppen mit zu tragen und mit zu erledigen.

Ich möchte mich zur Fragestellung und zur Problematik der Deserteure auch den Worten des derzeit fungierenden Präsidenten des österreichischen Nationalrats, Dr. Heinz Fischer, anschließen, der laut APA vom 11. April dieses Jahres zu diesem Thema gesagt hat, dass nicht jeder Deserteur aus der Wehrmacht automatisch auch ein Opfer des Nationalsozialismus sei.

Sehr geehrte Frau Kollegin Stoisits! Aus 15-jähriger Erfahrung im österreichischen Parlament und auch aus meinen Beiträgen zum Thema Individualschuld und Kollektivschuld wissen Sie, dass ich in der Vergangenheit und auch heute noch ein Anhänger davon bin, dass die Taten und Leistungen in der Vergangenheit in der Gegenwart und in der Zukunft individuell zu betrachten sind und nicht als Kollektivschuld, aber auch nicht als Kollektivfreispruch zu werten sind.

Ich denke daher, dass es zur endgültigen, befriedigenden Erledigung dieses Themas tatsächlich auch der in der Entschließung des Jahres 1999 durch vier Parteien des österreichischen Parlaments verlangten wissenschaftlichen Aufarbeitung dieses Themas nicht nur dringend bedarf, sondern dass diese auch notwendig ist, um nicht unterschiedliches Recht und Animositäten hervortreten zu lassen und nicht, wie Sie das auch selbst ausgeführt haben, für


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite