Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 6. Sitzung / Seite 27

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9.26

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bin seit 1983 Abgeordneter. Ich habe die Abschiedsrede von Bruno Kreisky gehört, ich habe die unsägliche rot-blaue Koalition miterlebt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Ich habe damals auch die vielen Zwischenrufe mitverfolgen können, die Jörg Haider aus Kärnten gegenüber seinen eigenen Leuten gemacht hat. Darauf werden Sie sich noch vorbereiten müssen, sollte diese Regierung zustande kommen. Dem ist dann völlig egal, ob die eigenen Leute hier herinnen sitzen oder nicht, und das wird auch diesmal so kommen. Ich prophezeie Ihnen das.

Was mich betroffen macht, ist Folgendes – und seien Sie mir nicht böse, wenn ich heute noch nicht die Oppositionsrhetorik anwende, die wahrscheinlich später unerlässlich sein wird –: Die ÖVP ist eine Partei, die diese Republik mit uns aufgebaut hat. (Abg. Jung: Die Republik haben die Österreicher aufgebaut!) Sie ist die Partei eines Figl, eines Raab, eine Partei, die sehr grundwertebezogen ist und sich jetzt möglicherweise in eine Koalition mit der FPÖ begibt, mit einer Partei, in der Politik als Spiel verstanden wird, einer Partei, die mit Forderungen in einen Wahlkampf geht, die sie dann in den Verhandlungen sofort fallen zu lassen bereit ist, einer Partei, die mit den niedrigsten Instinkten spielt, einer Partei, die auch Sie hier kritisiert haben, nicht bloß einzelne Maßnahmen betreffend, sondern auch sehr grundsätzlich. (Abg. Dr. Riess-Passer: Einer Partei, die Ihnen ein paar hunderttausend Stimmen genommen hat!) Wir beide, wir gemeinsam haben diese Arbeit geleistet.

Ich weiß, dass die Verhandlungen jetzt laufen, ich weiß nicht, wie sie ausgehen werden, möglicherweise ist schon alles ausgemacht, das wird man sehen. Aber Sie werden verstehen, dass ich als einer, der dieses Land liebt und die Menschen dieses Landes liebt und dem das ein Anliegen ist, das nicht ohne Betroffenheit zur Kenntnis nehmen kann, was sich hier abspielt.

Wissen Sie, ich habe auch einen Bezug zu demokratiepolitischen Gepflogenheiten und Werten, und mir ist es schleierhaft, wie Sie einen Wählerauftrag aus dem Ergebnis des 3. Oktober in der Form, wie es sich ergeben wird, herauslesen, nämlich dass möglicherweise die drittstärkste Partei den Kanzler stellt, die ursprünglich gesagt hat, dass sie in Opposition geht. Das ist aber nicht mein Problem, das werden Sie den Wählern zu erklären haben, und ich wünsche Ihnen dabei nicht einmal alles Gute, das werden Sie auch verstehen. Aber das wird einen hohen Erklärungsaufwand für Sie bedeuten.

Sie werden sich umstellen müssen. (Abg. Öllinger: Du auch!) Das wird eine Politik sein, die nicht grundwertebezogen ist. Das wird eine Politik sein, die Regierungspolitik und Opposition zugleich ist. Das wird eine Politik mit unterschiedlichen Rollenaufteilungen sein.

Ich habe während der Reden vor mir das Mienenspiel des Thomas Prinzhorn beobachtet: Er hat jetzt schon dieses arrogante Lächeln. (Heiterkeit.) Er ist noch nicht einmal in der Regierung und hat jetzt schon dieses arrogante Lächeln. Sie werden sich mit einem in die Regierung begeben, der dem Bundespräsidenten einen blutigen Kopf wünscht, eine blutige Nase angesagt hat. (Abg. Dr. Riess-Passer: Da redet der Richtige! Der Herr Cap, ein "Muster" an Bescheidenheit in seiner ganzen politischen Karriere!) Das sind die Leute, mit denen Sie in die Regierung gehen werden.

Ich sage Ihnen, Sie sollten sich das wirklich überlegen. Und da stimme ich mit dem Abgeordneten Khol überein – auch mit vielen von uns, die das gesagt haben –, der in der Fernsehdebatte am Sonntag gesagt hat: Schwer ist es schon zu verstehen, denn wir sind eines der reichsten Länder. Diese Regierung hat große Erfolge zu verzeichnen gehabt. Das Ausland respektiert uns. – Wir haben als stärkste Partei wirklich alles versucht, dass es zu einer Regierung kommt. (Abg. Dr. Khol: Alles?) Und jetzt gibt es diese Entwicklung. Ich sage Ihnen, da werden Sie noch viel zu erklären haben, und Sie werden sich das auch mit Ihrer Geschichte ausmachen müssen, wenn Sie diesen Weg wirklich einschlagen sollten. Ebenso werden Sie sich gegenüber dem gewachsenen politischen System in Österreich verantworten müssen, in dem es vielleicht auch Fehlentwicklungen gibt und man vielleicht auch Veränderungen durchführen muss, das aber letztlich auch eine Erfolgsgeschichte ist.


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