Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 7. Juli 2010 / Seite 79

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sident, ob Ihnen das passt oder nicht und ob Sie hier Beitragstäterschaft leisten wollen oder nicht – ist das gelebter Verfassungsbruch. Wenn ich das jetzt in der Art und Wei­se, damit es auch die Bevölkerung versteht, artikuliere, dann muss ich sagen, das sind Strizzi-Methoden. Punkt und aus, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Aber es geht auch um etwas anderes in dieser Debatte. Daher möchte ich jetzt insbe­sondere die Zuseher zu Hause vor den Fernsehgeräten fragen, ob sie sich noch daran erinnern können, was sich vor ein paar Wochen hier im Plenum und auch in der Öf­fentlichkeit, in Interviews, abgespielt hat im Zusammenhang mit dem Herrn Bundes­kanzler und dem Herrn Finanzminister. Ich frage Sie deshalb, ob Sie sich noch erin­nern können, weil in Zeiten, in denen Milliarden in immer kürzeren Abständen wie die Einkaufswagerln vor dem Supermarkt herumgeschoben werden, schon gewisse Dinge durcheinander kommen können.

Also die Frage lautet, ob man sich noch erinnern kann an diesen Paarlauf der Herren Faymann und Pröll, Stichwort Griechenland-Paket, Stichwort Euro-Schutzschirm. Hier hinter mir auf der Regierungsbank, wo sie heute sitzen und von wo aus sie vorhin lange geredet, aber nichts gesagt haben, sind sie gestanden und haben nichts anderes zu tun gehabt, als zu verkünden, mit schon fast esoterisch ausgestatteter Weisheit, wie denn die Griechen das angehen müssen, dass sie aus dem Schlamassel, das zugege­benermaßen weitaus ärger ist als das österreichische, wieder herauskommen. Und nicht nur das, Sie haben uns auch in salbungsvollen Worten erklärt, wie man es denn anpacken muss, um die Spekulanten und die miesen Finanzhaie endlich an die Kette legen zu können und sozusagen den Neoliberalismus in die Schranken zu weisen.

Das war sehr detailreich. Es hat aufschlussreiche Rezepte gegeben, wie man sparen muss, wo genau man sparen muss, welche Privilegien in Griechenland unhaltbar sind, wo die Bevölkerung den Gürtel enger schnallen muss, damit all diese unhaltbaren Zu­stände der Vergangenheit angehören. Im Grunde genommen haben Sie eigentlich hier von der Regierungsbank aus die ganze Welt gerettet. So hat es ausgesehen.

Und was ist jetzt, meine Damen und Herren? Was ist jetzt, wenige Wochen später? – Jetzt erleben wir diese finanzpolitischen Zampanos, die in Sachen Griechenland alles gewusst haben, die den Euro schon fünf Mal und nicht erst ein Mal gerettet haben, in Demut versunken. Jetzt wissen sie nicht mehr, was zu tun ist. Jetzt muss genau über­legt werden, es muss nachgedacht werden, sorgfältig und ja nicht über Nacht, es muss genau ausgewogen werden. Ich habe zunächst gedacht, Sie würden den Nobelpreis bekommen für Ihre finanzpolitischen Leistungen im Zusammenhang mit dem Grie­chenland-Paket; wobei, beim Nobelpreis muss man, glaube ich, vorsichtig sein, denn seit Obama ist es so, dass man ihn dafür bekommt, dass man das Gegenteil von dem macht, was man angekündigt hat. Aber wie auch immer – Sie sind jetzt in einer neuen Bescheidenheit versunken.

Kollege Cap, eindrucksvoll war Ihre Erläuterung, warum sich das jetzt so verhält: Wir haben eine unsichere Konjunkturlage. – Mir tut nur Kollege Aiginger leid, und zwar des­halb, weil er heute hier missbraucht wird, weil er etwas, ohne das Sie offenbar nicht ar­beiten können, noch nicht vorgelegt hat. Noch mehr tut er mir aber deshalb leid, weil die Reformvorschläge, die aus dem WIFO seit Jahren und Jahrzehnten kommen, von Ihnen in der Schublade endversorgt werden, anstatt dass Sie endlich einmal darüber nachdenken, sie umzusetzen und dadurch einzusparen. Kollege Aiginger und das WIFO sind also de facto schuld, dass die Österreicher keine Sicherheit, keine Pla­nungssicherheit haben und nicht wissen, was auf sie zukommt.

Kollege Kopf von der ÖVP hat durch eine sehr interessante Erkenntnis aufhorchen las­sen: Wir haben die größte Krise seit den dreißiger Jahren! – Aber geh! Das ist inter­essant: Die Krisen rechtfertigen den Verfassungsbruch! Das ist ein interessantes his­torisches Modell, das man auf andere Zeiten übertragen sollte, um zu sehen, ob das tat-


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