Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Ich möchte das Thema Verbotsgesetz ansprechen, eine sehr komplexe Materie, bei der es auch immer wieder Reformbedarf gibt.

Gemeinsam mit Frau Bundesministerin Zadić haben Sie eine Reform des Verbotsgesetzes angekündigt. Vielleicht können Sie uns ein bissel was darüber sagen, worum es da im Detail gehen soll.

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 211/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Maßnahmen beinhaltet die Reform des Verbotsgesetzes, die Sie gemeinsam mit FBM Zadić angekündigt haben?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Die Reform des Verbotsgesetzes ist ein Teil der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus. Die Justizministerin hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet, deren Ergebnisse ich erst vor wenigen Wochen mit ihr präsentiert habe. Da ist klar zutage getreten, dass das Verbotsgesetz in einigen Bereichen geändert werden sollte, um noch besser anwendbar zu sein.

Es geht zum einen um die Ausweitung der inländischen Gerichtsbarkeit, sodass, gerade wenn Postings im Internet abgegeben werden, dafür auch öster­reichische Gerichte zuständig sind, wenn die Sicherheit in Österreich gefährdet ist, denn man braucht ja einen Ansatzpunkt für die inländische Gerichts­barkeit.

Es geht um Klarstellungen im Bereich der Holocaustverleugnung. Wir haben gesehen, gerade während der Pandemie hat es immer wieder auch Demonstra­tionen gegeben, bei denen es zu einem abscheulichen Zur-Schau-Stellen von Wiederbetätigung gekommen ist (Abg. Schnedlitz: Das ist ein strafrechtlicher Vor­wurf!), von Delikten, die unter das Verbotsgesetz fallen, wie zum Beispiel das Tragen von Judensternen. Das war etwas, das wir sehr oft beobachten mussten. Oder: In Form des Schriftzuges „Arbeit macht frei“, der so in Auschwitz-Birkenau zu finden ist, stand dann: Impfen macht frei! – Das ist sehr wohl etwas, was unter das Verbotsgesetz fällt, liebe FPÖ, und auch strafrechtlich relevant ist. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Um da klarer zu sein, werden wir – das ist auch die Empfehlung der Arbeits­gruppe – zum Beispiel im Straftatbestand § 3h des Verbotsgesetzes das Wort „gröblich“ vor „verharmlosen“ streichen, damit es auch tatsächlich für jeden Anwender klar ist, dass das darunterfällt.

Ein dritter Punkt, den ich anführen möchte: Die Verhandlung von Delikten nach dem Verbotsgesetz ist aus gutem Grunde vor dem Geschworenengericht angesiedelt, um zu zeigen, dass das wirklich etwas ganz Schreckliches ist und dass wir da geschichtlich auch eine Verantwortung zu tragen haben.

Dennoch bin ich davon überzeugt, dass es manche Delikte gibt, die auch diversionsfähig sein sollten, dass es also ein Grunddelikt geben sollte, das mit weniger Strafe bedroht ist als dann die Qualifikation, die mit einer höheren Strafe bedroht ist, um Delikte, die von minderer Schwere sind, auch mit Diversion erledigen zu können. Das heißt, dass sich sozusagen nicht jemand in der Rechtsanwendung davon abgeschreckt fühlt, eine zu hohe Strafe geben zu müssen, und es im Endeffekt zu keinem Verfahren kommt.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Sie haben davon gesprochen, dass das auch Teil der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus ist, die jetzt bald zwei Jahre alt ist. Haben Sie da vielleicht auch schon ein bissel ein Resümee, wie das bisher verlaufen ist?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Zum Verbotsgesetz?

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Nein, nein! Das Verbotsgesetz ist ja Teil der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus, die jetzt bald zwei Jahre alt wird, und da war jetzt meine Frage: Gibt es schon ein Resümee darüber, welche Erfahrungen mit der Umsetzung dieser Nationalen Strategie gemacht wurden?

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Wir haben den ersten Umsetzungsbericht im Jänner 2022 präsentiert, wir werden den nächsten Anfang nächsten Jahres präsentieren. Wir haben mittlerweile alle 38 Maßnahmen in Umsetzung, es sind viele bereits zur Gänze umgesetzt. Das geht von Schulungen von Polizistinnen und Polizisten bis zu Bildungsangeboten für im Bundesheer befindliche Zivildiener. Wir haben, glaube ich, tatsächlich auch auf europäischer Ebene bewiesen, dass wir da eine Vorreiterrolle eingenommen haben.

Ich durfte im Zuge meines Besuchs in Israel auch den israelischen Staatspräsi­denten treffen, der diese Strategie sehr anerkennend entgegengenommen hat und sich, glaube ich, dann auch zum ersten Mal näher damit beschäftigt hat.

Wir haben zum Beispiel eine Konferenz ins Leben gerufen, zu der wir auch europäische Vertreter nach Wien eingeladen haben, und wir wollen eine solche einmal jährlich abhalten. Ein Ergebnis war die Wiener Deklaration, die mitt­lerweile von elf Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterzeichnet worden ist und in der es darum geht, einheitliche Parameter zu erstellen, was antisemitische Vorfälle betrifft, damit wir auch vergleichbare Zahlen haben.

Eines darf ich auch noch sagen: Wir haben in der Zwischenzeit einen Rückgang der antisemitischen Vorfälle um rund ein Drittel. Das ist gut, aber das ist kein Grund zur Freude und dazu, sich zurückzulehnen, weil jeder Vorfall einer zu viel ist, und wir werden hier weiterkämpfen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abge­ordnete Schatz. – Bitte sehr.

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Wir begrüßen ja die Reform des Verbotsgesetzes, weil es notwendig ist, dass es, wie Sie gesagt haben, auch an die Gegebenheiten der Zeit angepasst wird. Sie haben jetzt aber auch die Neuregelung der Diversion angekündigt, die von Expertinnen und Experten durchaus auch kritisch gesehen wird.

Meine konkrete Frage ist: Können Sie da genauer, detaillierter darauf eingehen, was das bedeutet? Es hat ja zum Beispiel schon einmal in Innsbruck und in Linz konkrete Diversionsprogramme gegeben. Ist so etwas vorgesehen, dass es für diese Diversionen auch entsprechende Programme gibt? Und: Gibt es dafür auch budgetäre Mittel?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Diversion ist seit vielen Jahren ein probates Mittel, auch nicht ganz so schweren Delikten zu begegnen. Es geht bis zu einer Straf­drohung von fünf Jahren. Darüber hinaus ist es laut StPO auch nicht mehr zuläs­sig. Ich spreche hier schon auch als ehemalige Strafrichterin, und man überlegt sich dann natürlich als Staatsanwalt oder als Richter gut, ob Diversion anzuwenden ist.

Gerade wenn es um den sensiblen Bereich des Verbotsgesetzes geht, wenn es um Delikte geht, wo Jugendliche oft auch aus Unwissenheit, was nicht zu entschuldigen ist, solche Dinge machen, dann, glaube ich, sollte man diesen jungen Menschen auch eine Chance geben. Die Diversion zeichnet sich dadurch aus, dass man dem begegnen kann, zum Beispiel mit der Zahlung eines Geldbetrages, aber auch mit der Auferlegung einer Probezeit und der Erfüllung bestimmter Pflichten in dieser Probezeit.

Da ist es auch jetzt schon gängige Praxis, dass, auch wenn es zu keinem Strafverfahren kommt, Jugendliche zum Beispiel zu einem Rundgang in Mauthausen eingeladen werden. Solche Dinge wollen wir sehr wohl entwickeln und auch institutionalisieren, damit möglicherweise manche dann auf den richtigen Pfad geführt werden können.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Yildirim. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.