Fachinfos - Fachdossiers 13.07.2022

Wie wird die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident gewählt?

Das Fachdossier erklärt das Wahlverfahren zur Wahl des Staatsoberhauptes und gibt einen Überblick über die bisherigen Wahlen. (Erstveröffentlichung am 08.07.2022, aktualisiert am 13.07.2022 nach Veröffentlichung des Wahlkalenders des BMI)

Wann muss die oder der Bundespräsident:in gewählt werden?

Die aktuelle Funktionsperiode von Bundespräsident Alexander Van der Bellen endet am 26. Jänner 2023. Die Wahl der bzw. des Bundespräsidentin:in (BPräs.) für die nächste Funktionsperiode wird am 9. Oktober 2022 stattfinden.

Art. 60 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) bestimmt, dass die oder der Bundespräsident:in für eine Amtszeit von genau sechs Jahren gewählt wird. Die Festsetzung des Wahltermins muss so erfolgen, dass ein Amtsantritt genau an dem Tag geschieht, an dem die Amtszeit der oder des vorigen BPräs. endet. Dabei muss die Möglichkeit eines zweiten Wahlgangs mitbedacht werden.

Die Vorbereitung und Durchführung der Wahl ist im Bundespräsidentenwahlgesetz (BPräsWG) geregelt. Die Bestimmungen ähneln jener der Nationalrats-Wahlordnung (NRWO). Die Bundesregierung schreibt die Wahl durch Verordnung aus. Der Wahltag wird von der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates festgelegt. Der Hauptausschuss muss also zustimmen (siehe dazu das Fachdossier "Was ist (und macht) der Hauptausschuss des Nationalrates?"). Der Wahltag muss ein Sonntag oder ein gesetzlicher Feiertag sein. Die Verordnung legt auch den Tag fest, der als Stichtag gilt. Von diesem hängt die Festlegung aller weiteren Fristen ab. Die Grafik "Die Wahl einer Bundespräsidentin oder eines Bundespräsidenten" liefert eine Übersicht über wichtige Fristen und Termine:

Quelle: Bundespräsidentenwahlgesetz und Wahlkalender für die Bundespräsident:innenwahl, Stand 13.7.2022, eigene Darstellung.

Wer kann zur Wahl antreten?

Zur Wahl zur oder zum BPräs. kann antreten, wer zum Nationalrat wählbar ist und am Wahltag das 35. Lebensjahr vollendet hat (Art. 60 Abs. 3 B-VG). Zum Nationalrat sind gemäß Art. 26 Abs. 4 B-VG österreichische Staatsbürger:innen wählbar. Es ist nicht erforderlich, dass Kandidat:innen einen Wohnsitz in Österreich haben.

Damit ein Antritt zur Wahl möglich ist, muss die oder der Kandidat:in 6.000 Unterstützungserklärungen gemäß § 7 BPräsWG vorlegen. Jede solche Erklärung hat die Bestätigung der Gemeinde zu enthalten, in der die oder der Unterstützer:in am Stichtag in die Wählerevidenz eingetragen und wahlberechtigt ist. Jede oder jeder Wahlwerber:in muss eine oder einen zustellungsbevollmächtigte:n Vertreter:in nennen, die oder der wichtige Aufgaben im Wahlverfahren zukommen (z. B. eine Anfechtung der Wahl). Gemäß Art. 60 Abs. 1 iVm Art. 26 Abs. 5 B-VG können Personen, die von einem österreichischen Gericht rechtskräftig verurteilt wurden, vom Antritt zur Wahl ausgeschlossen werden. Konkrete Bestimmungen finden sich in § 41 NRWO: Eine Kandidatur ist ausgeschlossen, wenn eine Verurteilung zu einer mehr als sechsmonatigen unbedingten Freiheitsstrafe oder zu einer mehr als einjährigen bedingten Freiheitsstrafe wegen einer mit Vorsatz begangenen und von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung vorliegt. Der Ausschluss endet sechs Monate nach Verbüßung der Strafe.

Ein Ausschluss von der Kandidatur wegen verfassungsfeindlicher Gesinnung ist nicht vorgesehen. Allerdings kann eine Kandidatur aufgrund von § 3 Verbotsgesetz zurückgewiesen werden, wenn sie einen Akt nationalsozialistischer Wiederbetätigung darstellt (siehe VfSlg 12.646/1991).

Wenn eine Person bereits zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Funktionsperioden als BPräs. absolviert hat, darf sie nicht unmittelbar darauf zum dritten Mal kandidieren (Art. 60 Abs. 5 B-VG). Diese Einschränkung dient der Absicherung der republikanischen Staatsform Österreichs. Das Staatsoberhaupt soll nur begrenzte Zeit im Amt sein.

Bis 2011 waren Mitglieder regierender Häuser oder von Familien, die ehemals regiert hatten, von einer Kandidatur ausgeschlossen. Damit sollte eine Wiedererrichtung der Herrschaft des Hauses Habsburg-Lothringen verhindert werden. Das wurde mit dem Wahlrechtsänderungsgesetz 2011 aufgehoben.

Wie wird die Wahl durchgeführt?

Die Wahl wird wie eine Wahl zum Nationalrat durchgeführt. Es werden auf allen Ebenen jene Wahlbehörden tätig, die schon für die letzten Nationalratswahlen eingerichtet wurden (Sprengel-, Gemeinde-, Bezirks- und Landeswahlbehörden sowie die Bundeswahlbehörde; siehe § 2 BPräsWG).

Wie bei Nationalratswahlen besteht die Möglichkeit der Briefwahl. § 5a BPräsWG bestimmt, dass u. a. jene Wahlberechtigten Anspruch auf eine Wahlkarte haben, die voraussichtlich am Wahltag verhindert sein werden, ihre Stimme im zuständigen Wahllokal abzugeben. Der Versand der Wahlkarten beginnt ca. drei Wochen vor der Wahl. Die Stimme kann sofort nach Erhalt der Wahlkarte abgegeben werden. Sie muss spätestens am Wahltag um 17 Uhr bei der zuständigen Bezirkswahlbehörde einlangen oder bis zu diesem Zeitpunkt in einem Wahllokal abgegeben werden.

Zur Stimmabgabe darf nur der amtliche Stimmzettel verwendet werden (§ 12 BPräsWG). Seit 2004 besteht in keinem Bundesland mehr Wahlpflicht.

Sollte eine oder ein Wahlwerber:in vor der Wahl sterben, sieht § 8 Abs. 4 BPräsWG vor, dass die Wahl um mindestens sechs und höchstens zehn Wochen verschoben werden muss. Sollte es am Wahltag zu Ereignissen kommen, die den Anfang, die Fortsetzung oder die Beendigung der Wahl verhindern, z. B. einem Naturereignis oder einem Unfall, greift die allgemeine Bestimmung in § 87 NRWO. Dann kann die jeweils zuständige Wahlbehörde eine Verlängerung der Wahl oder eine Verschiebung auf den nächsten Tag anordnen. Jede andere Verschiebung einer Wahl bedarf besonderer (verfassungs-)gesetzlicher Grundlagen. So wurde, als die Stichwahl 2016 wiederholt werden musste (s. u.), § 26b BPräsWG geschaffen. Dieser war allerdings auf diesen Einzelfall bezogen und kommt daher 2022 nicht zur Anwendung.

Wann steht das Wahlergebnis fest?

Art. 60 Abs. 2 B-VG bestimmt, dass jene Person gewählt ist, die mehr als die Hälfte aller gültigen Stimmen erhalten hat. Es gibt keine Bestimmung, dass eine Mindestzahl von Wähler:innen an der Wahl teilnehmen muss.

Die Auszählung der in den Wahllokalen abgegebenen Stimmen erfolgt unmittelbar nach Wahlschluss durch die Sprengel- bzw. Gemeindewahlbehörden. Die Briefwahlstimmen werden gemäß § 14a BPräsWG am Tag nach der Wahl durch die Bezirkswahlbehörden ausgezählt.

Wie bei Nationalratswahlen kommt auch bei der Wahl zur oder zum BPräs. der Bundeswahlbehörde eine zentrale Rolle zu. Sie hat gemäß § 17 BPräsWG das Ergebnis der Wahl festzustellen.

Wenn keine oder kein Wahlwerber:in mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen erhält, muss gemäß § 18 BPräsWG vier Wochen nach dem ersten Wahlgang ein zweiter Wahlgang (Stichwahl) durchgeführt werden. An diesem nehmen nur mehr die beiden Wahlwerber:innen teil, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhalten haben. Eine Stichwahl muss von der Bundeswahlbehörde gemäß § 19 BPräsWG spätestens am achten Tag nach dem ersten Wahlgang angeordnet werden.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) kann gemäß Art. 141 Abs. 1 lit. a B-VG die Wahlen zur oder zum BPräs. auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen. Eine solche Überprüfung kann gemäß § 21 Abs. 2 BPräsWG jedoch nur von der oder dem zustellungsbevollmächtigten Vertreter:in der Wahlwerberin bzw. des Wahlwerbers beantragt werden.

2016 hob der VfGH erstmals eine BPräs.-(Stich-)Wahl auf und ordnete die Wiederholung der Stichwahl an. Grund dafür waren Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung von Briefwahl- und Wahlkartenstimmen in einzelnen Stimmbezirken. Für den VfGH bestand die Möglichkeit, dass sich diese auf das gesamte Wahlergebnis auswirkten (VfSlg. 20.071/2016). Die Wahl konnte aber nicht bloß in den Stimmbezirken wiederholt werden, in denen es zu Fehlern gekommen war: Weil es mit einer Wahlkarte möglich ist, per Post zu wählen, sondern auch in jedem anderen Wahllokal in Österreich (z. B. Beantragung in Linz und Abgabe in Villach), musste die Wahl in ganz Österreich neu durchgeführt werden. Nur so konnte ausgeschlossen werden, dass eine Person zweimal wählt.

Wie sind die Bundespräsident:innenwahlen bisher abgelaufen?

Mit der Verfassungsnovelle 1929 wurde eingeführt, dass die oder der BPräs. durch das Volk gewählt wird. Bis dahin wählte die Bundesversammlung die oder den BPräs. Die erste Volkswahl sollte 1931 stattfinden, wurde aber aus politischen Gründen abgesagt. Nach der Zeit des autoritären Ständestaats (1933–1938) und des Naziregimes (1938–1945) wurde erst 1951 die erste Volkswahl durchgeführt. Da der Alliierte Rat 1945 das neuerliche Wirksamwerden des B-VG in der Fassung von 1929 nicht akzeptiert hatte, war der BPräs. abermals durch die Bundesversammlung gewählt worden.

Entwicklung der Wahlbeteiligung bei bisherigen Wahlen

Bis 1980 lag die Wahlbeteiligung bei über 90 %. Seit der Aufhebung der bundesweiten Wahlpflicht 1982 ging sie stark zurück. Der historische Tiefstand wurde 2010 mit 53,57 % erreicht. Eine Ausnahme bildete die Wahl 2016, bei der mit 68,50 % ein Plus von rund 15 % zur vorherigen Wahl erreicht wurde. Diese Steigerung wurde auf die große Zahl unterschiedlicher Kandidat:innen und die hohe Beteiligung von Briefwähler:innen zurückgeführt. Die folgende Grafik "Entwicklung der Wahlbeteiligung an den Bundespräsident:innenwahlen seit 1951" gibt einen Überblick über die Entwicklung der Wahlbeteiligung.

Quelle: Historischer Rückblick des Bundesministerium für Inneres, Stand 13.7.2022, eigene Darstellung.

Eine Auswertung der Wahlbeteiligung zeigt, dass die Anzahl der abgegebenen Stimmen vor allem dann merklich sank, wenn die oder der Amtsinhaber:in erneut zur Wahl antrat. Nach Abschaffung der Wahlpflicht sank die Wahlbeteiligung in diesen Fällen im Vergleich zur jeweils vorangegangenen Wahl um 10 % (1992/1998) bzw. 18 % (2004/2010). Dabei fällt auf, dass bislang jeder BPräs., der sich der Wiederwahl stellte, im Amt bestätigt wurde.

Insgesamt haben sich seit 1951 36 Personen für das Amt der oder des BPräs. beworben; sieben Frauen und 29 Männer. Der Großteil der Kandidat:innen (rund 70 %) hatte bereits vor der Kandidatur ein politisches Amt auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene ausgeübt. Rund 67 % aller bisherigen Kandidat:innen gehörten beim (ersten) Wahlantritt einer Partei an, etwa 28 % waren parteilos und zwei Kandidat:innen (5 %) gingen als unabhängige Kandidat:innen ins Rennen.

Bis 2016 traten keine Wahlwerber:innen der SPÖ oder der ÖVP an, wenn die jeweilige Partei zu diesem Zeitpunkt den Bundeskanzler stellte. In diesem Fall nominierte die jeweilige Partei entweder eine oder einen parteilose:n bzw. unabhängige:n Kandidat:in oder sprach eine Wahlempfehlung aus.

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