Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 6. Sitzung / Seite 105

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euch nicht?) Wir wollen sehen, ob es möglich ist, in diesem Haus auf Basis der Versprechen, die die Parteien der österreichischen Bevölkerung gegeben haben, eine Mehrheit in diesem Haus zu Stande zu bringen. (Abg. Jung: Mit den Grünen sicher nicht!) Die Haltung von uns Grünen war immer klar: Wir wollen so schnell wie möglich einen Volksentscheid über die Frage der Neutralität und des möglichen NATO-Beitritts. (Abg. Scheibner: Das steht aber nicht in eurem Antrag! – Abg. Dr. Martin Graf: Sie kennen ja nicht einmal Ihren eigenen Antrag!)

Die Haltung der Sozialdemokratie war bis vor kurzem klar; ich werde darauf noch zurückkommen. Die Haltung der Freiheitlichen werden wir heute überprüfen (Abg. Scheibner: In Ihrem Antrag steht etwas anderes drinnen!), und deswegen haben wir zwei Anträge eingebracht: einen Dringlichen Antrag zu den Inhalten der Neutralität, der der Versuch ist, zumindest auf sozialdemokratischer Seite wieder so etwas wie eine klare Haltung zur Neutralität gewinnen zu lassen, und einen Entschließungsantrag zum Volksentscheid, in dem wir alle, die diesbezüglich Versprechen abgegeben haben, auffordern, zu diesen öffentlichen Versprechen zu stehen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Herr Kollege Scheibner! Wir werden uns sehr genau anschauen, ob auch dieses Versprechen im Laufe des heutigen Nachmittags gebrochen wird. (Abg. Scheibner: Ja, schaut es euch an!)

Die Frage der Neutralität ist schon längst nicht mehr irgendeine Frage. Es geht darum, aus der Neutralität trotz ihrer ständigen Beschädigung durch die wichtigsten Exponenten der österreichischen Bundesregierung wieder ein tragfähiges und zukunftsfähiges Konzept zu machen. Ich gebe Ihnen in einem Punkt schon Recht: Das, was auch weite Teile der SPÖ in den letzten Jahrzehnten aus der Neutralität gemacht haben, war eine Trittbrettfahrer-Neutralität, eine Neutralität nach dem Motto: Uns geht’s ja nichts an, was im Ausland passiert!, eine Neutralität, die nichts mehr mit dem zu tun hat, was einst Bruno Kreisky als offensive und dem Beitrag eines Kleinstaats verpflichtete Neutralitätspolitik verstanden hat.

Herr Dr. Schüssel, Ihnen möchte ich eines sagen: Nicht nur der russische Außenminister und einige Außenminister auch von NATO-Staaten haben bei der Bosnien-Krise und bei der Kosovo-Krise darauf gewartet, ob es irgendeinen nennenswerten österreichischen Beitrag gibt. Glauben Sie denn allen Ernstes, dass die Entsendung gebraucht eingekaufter österreichischer Kampfpanzer irgendetwas am Schicksal von Bosnien geändert hätte? Glauben Sie allen Ernstes, dass, wenn österreichische Draken sich in den jugoslawischen Luftraum gebohrt hätten, Milošević gesagt hätte: Okay, wir geben die Aggression im Kosovo auf!? Glauben Sie allen Ernstes, dass irgendein militärischer Beitrag des militärischen Zwerges Österreich irgendetwas an der internationalen Friedens- und Sicherheitspolitik ändern kann? (Abg. Jung: Glauben Sie, Ihre Sprüche ändern etwas?)

Das ist die eine Seite. Aber auf der anderen Seite gibt es Konzepte, wonach wir nicht nur Möglichkeiten, sondern auch ganz andere Verpflichtungen haben. Wir haben als kleiner, reicher und niemanden bedrohender Staat die Verpflichtung, international dort unsere guten Dienste anzubieten, wo das niemand anderer kann oder will. Wir haben in Bosnien versagt, wir haben im Kosovo versagt, und wenn sich nichts ändert, dann werden wir beim nächsten großen Konflikt, im nördlichen Nahen Osten beim Konflikt rund um Kurdistan, mitten durch die Türkei, den Irak und den Iran, wieder versagen.

NATO-Staaten werden hier keinen substantiellen Beitrag leisten können. NATO-Staaten werden den dortigen NATO-Partnern und ihren Militärregimes verpflichtet bleiben. Die einzige Chance bieten blockungebundene Staaten, die entsprechende Initiativen starten. Statt sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie wir möglichst schnell in einen militärischen Block kommen, sollten Sie längst darüber nachdenken, wie eine österreichische Friedenspolitik aussieht, die die neue Blockbildung in Europa und ihre negativen Auswirkungen auf ein Minimum reduziert.

Das ist genau der Punkt, um den es geht. Aber was tun Sie? – Sie versuchen, schneller sogar als die Großen, schneller sogar als die NATO-Staaten, eine Beistandspflicht in die Verhandlungen zu einer gemeinsamen Europäischen Sicherheitspolitik hineinzureklamieren. (Abg. Jung:


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